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5 Geschichten aus den Bereichen Horror, Weird Fiction und Fantastik. Eine Reminiszenz an die "Horrorgeschichten aus dem Abyss". Texte über fremdweltliche Musen, technologische Dämonie, die Wochenendbeschäftigung eines zwielichtigen Gentlemans, Erinnerungen an die Wunder einer stygischen Metropole unter den wehenden Fahnen der Nacht und die Folgen einer Kreuzfahrt über unheilige Geheimnisse umschließende, ozeanische Tiefen. In diesem Buch enthalten: Anima M., Pazifische Gräuel, Ein Wissenschaftler aus der Finsternis, Unsere Stadt bei Nacht, Heiliges Wochenende
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Seitenzahl: 127
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ABYSSALE REMINISZENZ
Robert Grains
Pazifische Gräuel
Anima M.
Unsere Stadt bei Nacht
Ein Wissenschaftler aus der Finsternis
Der Pfad von St. Mephis (Leseprobe)
Impressum
Gleich dem Seegang waren die hinter mir liegenden Stunden unruhig gewesen. Seit einiger Zeit bildete ich mir ein, diese unregelmäßig auftretenden Schlafprobleme könnten etwas mit den Schockwellen entfesselter Sonnenstürme zu tun haben, die, wie ich schon bald online nachschaute, während der letzten Nacht das Erdmagnetfeld stark erschüttert hatten und darüber hinaus anhielten.
Wie dem auch sei, in dieser maritimen Umgebung urlaubbedingter Zwanglosigkeit empfand ich die schlaflose Nachtruhe in meiner Balkonkabine an Bord der Lemurian Pearl vielmehr als eine Form milder Meditation denn als etwas, um das mich kosmische Einwirkungen beraubt hatten. Bekleidet mit einem sandfarbenen Leinenanzug, unter dem Sakko ein elfenbeinweißes Hemd tragend und mit dunkelbraunen Segelschuhen an den blanken Füßen verbrachte ich die Vormittagsstunden somit leicht ermattet bei ein paar Drinks in einem komfortablen Liegestuhl ausgestreckt und spähte zufrieden vom stark frequentierten Sonnendeck in die Weite des Pazifischen Ozeans. Die zahlreichen Fotografien und Tagebucheinträge vergangene Landgänge nebst Sehenswürdigkeiten betreffend würden nach meiner Heimkehr einiges an Material hergeben. Ja, bei Gott, auf diesem Schiff und in diesen Breiten konnte man es wahrlich aushalten! Natürlich, eine auf Tourismus fixierte Infrastruktur gehörte dazu, doch empfand ich diese bisher als weniger störend als die Vorgänge entlang Attraktionen anderenorts, wo möglicherweise eine mittelalterliche Burganlage wie ein halbfossiler Riesenkrake auf einer bewaldeten Anhöhe über einer Siedlung alter Baumassen thront, um durch deren von einer Unzahl an Souvenirläden, Nippes-Buden und deftigen Küchen gebildeten Speckgürtel böser Ernährung Horden verschwitzter Touristen anhand Flotten kleiner Shuttlebusse an ihre eiserne Pforte zu karren, diese sodann ihres Geldes zu erleichtern, bevor sie bald wieder entlassen wurden, ebenso dickbäuchig wie hungrig und nicht minder angeödet ob ihrer eigenen Existenz – hinab, in Richtung des grellen Durcheinanders aus schlechtem Essen, Kitsch und Gestank …
Die nordamerikanische Atlantikküste und ihre Sehenswürdigkeiten waren indes famos gewesen, wenn auch frei einer wirklich antiken Patina. Der Panamakanal hatte mich inspiriert, und nun, nach einigen wonnevollen Tagen und von einem majestätischen Sternenzelt geschmückten Nächten inmitten pazifischer Wellen, längst vorbei an Isla Isabela, in westlicher Richtung unterwegs, das Solarreich Hawaii und seine Bewohner fortan in wundervoller Erinnerung behaltend, nahmen wir schließlich Kurs auf Papua-Neuguinea.
Ich stellte den alkoholfreien Ananascocktail auf einen niedrigen Beistelltisch und blickte nach rechts. Ebenda, in unmittelbarer Nähe, hatte vor ein paar Minuten eine wahrhaft hübsche Erscheinung ihren wohlgeformten Körper auf einer mit bunten Tüchern bedeckten Liege ausgestreckt. Ganz offenbar arbeitete die junge Dame an einem handgeschriebenen Text. Eine Schicksalsgefährtin? Ich war bemüht, einen Blick auf die Zeilen zu erhaschen. Natürlich bemerkte sie den mühsamen Versuch und befreite mich schon bald durch ein Lachen, wie es einen vielschichtigen Charakter andeutet, aus der unbeholfenen Lage. Wie konnte ich sie während all der Zeit an Bord erst jetzt bemerkt haben? Rasch kamen wir ins Gespräch. Ihr klares, gut verständliches Spanisch schmeichelte den Ohren, und es imponierte mir zu bemerken, dass sie sich ebenso auf Französisch wie auf Deutsch, zumindest prinzipiell verständlich, ausdrücken konnte. Ihre Englischkenntnisse waren den meinen derweil überlegen, wobei ich versicherte, dass ich jene Weltsprache sehr wohl fließend verstand, während das Sprechen und Schreiben nach ihren spezifischen Vorgaben meinen Verstand von Zeit zu Zeit etwas überforderte. Die Kolumbianerin, Tochter eines Diplomaten und einer Pianistin, ward einst auf den klingenden Namen Camilla getauft. Hobbys: Die Schriftstellerei, Musik im Allgemeinen und Merengue im Speziellen, Tanzen, vor allem Salsa, sowie das Reisen. Nun, mit Ausnahme der Vorliebe für jene mir bloß schwer zugänglichen Rhythmen und Tanzstile, hatten wir zumindest etwas gemeinsam.
Unter ihrer Vintage-Sonnenbrille funkelten mir schon bald emailleblaue Augen aus einem unschuldigen Gesicht indigener Züge entgegen, die als Kontrast zu ihrem tiefschwarzen gelockten Haar von der bewegten Geschichte Lateinamerikas exotisches Zeugnis ablegten. In ihrer mir sehr willkommenen Gegenwart verstärkte sich das Gefühl der Zwanglosigkeit, das eine Reise über große Distanzen oftmals begleitet, doch stets als eine Artung vergänglicher Segen empfunden und schon bald, in die Heimat zurückgekehrt oder entlang Landstrichen vertrauter Geschäftigkeit wandelnd, erneut sehnsüchtig vermisst wird. Gelöst plauderten wir über das Wetter, den gestrigen Auftritt der Schiffsband, das Essen an Bord und die Weltlage. Zentral- und Südamerika hatten sich nie im Fokus meiner Beobachtungen befunden, und umso mehr zeigte ich mich überrascht ob der geopolitischen Zusammenhänge, kulturellen Nuancen und alternativen Blickwinkel, mit denen sie unsere Konversation unter einem immer höher emporsteigenden Tagesgestirn zu bereichern wusste. Die ihrem Wesen zu eigene Melange aus Schönheit, Stärke und echter Intelligenz, wie sie oftmals auch die Götter evoziert, rang mir ehrliche Bewunderung ab. Amüsiert bemerkte ich eine deplatzierte Verlegenheitsregung ihr hübsches Gesicht durchhuschen, als sie mich darum bat, ein paar Zeilen aus ihrem aktuellen Roman Probe zu lesen, an denen sie seit ihrer Einschiffung herumtüftelte. Da meldete sich der Kapitän mit einer Mitteilung, zugleich ich ihr anerkennend zunickte, die über die Schiffslautsprecher sodann blechern tönenden Ausführungen das bald in relative Nähe kommende Bikiniatoll und seine Geschichte betreffend bloß beiläufig vernehmend. Sehr gerne kam ich der Bitte nach, setzte mich aufrecht hin, streckte begleitet von ihrem lieblichen Kichern den Rücken durch, entnahm meine Lesebrille der Sakkotasche und sichtete die Zeilen:
»Wie er dort zwischen Jachin und Boas auf der breiten Steintreppe zum Dritten Tempel stand und seinen Blick über die alte Stadt schweifen ließ, neigte sich ihm eine unerhörte Erkenntnis zu. Hier war er nun, über alle Dinge erhaben, die Welt zu seinen Füßen. Falls er es wünschte, so konnte er ein jedes Leben beenden, die Kranken heilen, den Verfolgten Ruhe spenden, die Gerechten wie auch die Sünder schlachten. Das Schicksal des Planeten war an seinen Willen gebunden. Doch er stand allein, allein mit dieser Erkenntnis. Da war kein Gott, kein Versucher – nichts, was ihn auf diesen Umstand, die durch in erfüllte Prophezeiung ansprach. Etwas war eingetreten, das niemals hätte eintreten dürfen. Eine seltene Ansicht, die sich bloß in und durch seinen eigenen Leib offenbarte und ihn jene, die weiterhin in den bleiernen Nöten der Existenz verstrickt waren ob der ihnen derweil überlassenen Illusion, es gebe etwas zu erreichen, einen existenziellen Sinn, Augen aus unsichtbaren Sphären, die wohlmeinend auf sie herabblickten, und am Ende eines ruhelosen, leidgeplagten Lebens warte eine ungeheure Entdeckung, ein allversöhnendes Licht, beneiden ließ. Er wusste es besser, seine Augen waren wahrhaftig geöffnet worden. Die Hierophanten der zu seinen Ehren errichteten Tempel und Meditationshallen würden die Massen nicht über diese Erkenntnisse informieren; dies war sein ultimatives Geschenk an die Hoffenden, an jene, die wie er zwar menschlich waren, doch deren Herzen und Seelen gebrochen würden, aufgrund einer Wirklichkeit …«
Ich schaute auf, hoffte alles in meinen stummen Gedanken ordnungsgemäß übersetzt zu haben. Unsere Blicke trafen sich – magnetisch, elektrisierend! Camillas Mimik war ein Gemisch aus hübscher Verlegenheit und unberechtigter Sorge. Offenbar war sie begierig zu erfahren, was ich zu ihren Zeilen sagen würde. Soeben überlegte ich noch, ob ich einfach weiterlesen sollte, da flüsterte sie verbindlich: »Es ist ein Endzeitroman, ich …«
Irgendetwas war geschehen!
Irgendetwas hatte sich ereignet, irgendetwas … So ging es für eine zeitlose Weile, derartig hallte es Ewigkeiten in meinem schmerzenden Schädel. Es war nass, ich fühlte mich erstarrt, bäuchlings ausgestreckt auf einem unebenen Grund, der sich bloß langsam von meinen brennenden Augen fokussieren ließ. Feuchter Sand, weiß und gelb, teilweise schroff. Ja, ohne Frage, irgendetwas musste geschehen sein! Übelkeit – ich erbrach ein Gemenge aus jüngst geschlucktem Meerwasser, Verdauungssäften und Sonnendeckbewirtung. Mein Mageninhalt entleerte sich ungehemmt auf dem ohnehin feuchten Untergrund. Dann kämpfte ich mich auf. Ganz offenbar war ich gestrandet! Wobei … Als ich nach oben blickte, erkannte ich weder einen hellblauen, wolkenlosen Himmel noch ein grelles Tagesgestirn selbigen durchfluten. Nein, vielmehr befand ich mich in einer Art Höhle, an deren steinerner Decke Reflexionen der grünblauen Wasseroberfläche sylphenhaft tanzten. Schroffe, rußschwarze Vulkanfelsen umschlossen den Strandabschnitt in sämtliche Richtungen, derweil das Meer unruhig schäumte. Seine Brandung schlug mit zunehmender Kraft an die Pseudoküste und umspülte die Sohlen meiner durchnässten Schuhe rauschend, dann sah ich es und vermochte nicht, es umgehend zu begreifen. Es schien gerade so, als sei diese unterseeische Grotte von einer Art Luftblase umschlossen, durch deren unteren Teil Meerwasser bis an die sandigen Gestade des Hohlraums drang, diesen jedoch nicht flutete. Ein isoliertes Biotop? Voraus blickte ich aus unbegreiflichen Gründen geradewegs in den Pazifik, diese ewige Weite.
Moment, was war das? In einiger Ferne, wobei es schwer fiel unter diesen Umständen Distanzen korrekt zu bestimmen, bemerkte ich einen riesigen Schatten, wie er sich merkwürdig amorph auf- und abschraubte, den Ozean auf intelligente Weise zu durchschwimmen schien – und noch etwas anderes! Etwas, das aussah wie die desintegrierende Hülle eines Schiffs und … Meine Güte, unzählige beständig tiefersinkende sowie in einem Versuch aufzutauchen befindliche Punkte, gleich dunklen Planktonklumpen, das Futter des aquatischen Gespenstes, das soeben dabei war, auf albtraumhafte Weise unzählige wie mit Totenangeln bewehrte Fortsätze in Richtung jener Fütterung auszusenden, diese einzufangen und sich sodann eilfertig zuzuführen! Ich vermochte nicht einmal zu schätzen, wie weit diese Szenerie tatsächlich von meiner Position entfernt war. Vielmehr klopfte ich hässliche Sandschlacken ab, die sich bereits in den Stoff meines getrockneten Anzugs gepresst hatten, säuberte das Gesicht und spähte noch ein paar Sekunden angespannt in die maritime Dimension. Was ich dort erkannte, wenn auch bloß schemenhaft, war ein Reich böser Andeutungen. Sie missfielen mir, es war besser zu gehen! Doch wohin? Es bot sich lediglich ein schmaler Felsspalt an, weg von dem beunruhigenden Ausblick, den dieser verwunschene Strand garantierte. Wohlgemerkt hatte ich genug Platz, um aufrecht zu gehen; doch musste ich die Arme etwas anwinkeln, um meine bereits ramponierte Kleidung nicht noch an den scharfen Felskanten zu ritzen, die die unbehauene Breite des Durchgangs sporadisch bestimmten. Für Minuten quälte ich mich derart voran, bis ich schließlich das Rauschen der hinter mir liegenden Unterwasserlagune nicht mehr hören konnte.
Glänzende Sanddünen von gelber, dunkelroter und grünbeiger Farbe sowie hohe Auftürmungen uralten Sedimentgesteins, darin hellviolette und wie von allerlei bunten Farbpinseltupfern verursachte Einsprengsel, flankierten fortan meinen Weg durch ein unüberschaubares Areal auf unebenem Sandgrund. Meine ramponierten Schuhe trat ich von mir. Das Klima mutete gar tropisch an, und wenn ich nach oben blickte, erkannte ich massives Gestein, wie es in großer Höhe diese unterseeische, sauerstoffgefüllte Höhle von den sie umgebenden Ozeanfluten zu trennen schien. Von den Fluten und dem, was dort draußen seine Bahnen zog!
Gemächlich kehrte die Erinnerung zurück, wenn auch vage … Was war mit Camilla, der kolumbianischen Schönheit vom Sonnendeck geschehen? Ihre tiefblauen Augen bildeten eine der finalen Erinnerungen. Wobei, da war noch mehr, jedoch eher Gefühlen anstatt bildlichen Eindrücken verwandt. Ein Schlag gegen die Backbordseite des Kreuzfahrtschiffs, ein posaunenartiges Dröhnen, Schreie? Ja, Schreie hallten! Und dieses Rumoren? Doch, ich war mir sicher. Daraufhin ein Empfinden, wie es bloß durch ein enormes Umherwirbeln entstehen kann; ein Aufschlag, das Meer, ein Sog. Schmerzen! Etwas umklammerte mich … Mein Gott … Hatte die schöne Diplomatentochter den Vorfall überlebt? War sie etwa ertrunken oder gar zu einem Leckerbissen für was auch immer geworden? Vielleicht waren meine Sinne aber auch bloß überreizt gewesen. War jene künstliche Abgrenzung zum Reich des Pazifiks nicht ohnehin sonderlich genug? Wie konnte unser Kreuzfahrtschiff überhaupt versenkt worden sein? Ich meine, es musste doch offenbar … Oder war einzig meine Wenigkeit über Bord gegangen? Fragen über Fragen! Vielleicht würde ich an diesem wunderlichen Ort Antworten finden.
Für einige Zeit wanderte ich durch die surreale Umgebung. Ununterbrochen glänzte von oben eine starke Helligkeit, bei der es sich ganz offenbar um eine Art Lumineszenz handelte, denn weder konnte ich ein Gestirn noch künstliche Lichtquellen ausmachen. Somit war es taghell, und bisweilen blickte ich aus den Schatten hochaufragender geologischer Schichten exotischer Färbung verwundert in Richtung der Höhlendecke. Bald schon setzte mein Herz einen Schlag aus, denn ich hatte mit einigem gerechnet, doch nicht mit der Entdeckung säulenflankierter Ruinen inmitten dieser subaquatischen Sandcanyons, die mich sofort an eine jüngst hinter mir liegende, mehrtägige Reise zu den Tempelstädten Jordaniens erinnerten. Petra, die einstige Hauptstadt der Nabatäer … Gewiss, eine Ähnlichkeit war in Anbetracht der Gesamtszenerie nicht von der Hand zu weisen. Doch zeigte sich das beeindruckende Bauwerk beinahe vollständig von Sandverwehungen sowie bunt schillernden Geröll- und Muschelansammlungen überdeckt. Ich trat näher und verweilte für einige Sekunden zögernd auf der Stelle, als ich Teile eines altmodisch uniformierten Menschenskeletts vor mir aus dem weichen Boden aufragen sah. Einem beißenden Schreck gesellten sich wilde Gedankengänge hinzu. Wie wahrscheinlich war es, dass eine weitere Person einst ihren Weg durch die Fluten des Pazifischen Ozeans an die Küste dieses Biotops gefunden hatte? War es nicht naheliegender, dass eine direkte Verbindung zur Oberfläche existieren musste? Doch wie sollte diese wiederum beschaffen sein? Weit und breit war kein Festland verzeichnet. Aber hatten wir uns nicht kurz vor dem Vorfall einer Inselgruppe genähert? Die Flammen der Hoffnung wurden rasch von einer realistischeren Lageeinschätzung erstickt. Diese skelettierten Menschenreste, die ich soeben etwas genauer in Augenschein nahm, sprachen nicht für eine Möglichkeit, der ebenso rätselhaften wie sonderbar schönen Umgebung zu entkommen, au contraire!
Auf der Uniform des Toten erkannte ich unterdessen keine mir geläufigen Insignien oder Hinweise auf eine Nationalität. Bloß die Reste eines aufgenähten violetten Stoffpentagramms auf schwarzem Grund mit verwitterten umlaufenden Lettern prangten auf Höhe der eingefallenen Schulter, während an einer stabilen Kette ein goldenes Amulett zwischen den blank daliegenden Knochen inmitten des allgegenwärtigen Sandes funkelnd aufblitzte. Hierbei wollte ich es belassen … Nicht für einen Augenblick dachte ich ernsthaft darüber nach, die Überbleibsel noch genauer zu untersuchen; vielmehr blickte ich ehrfürchtig die hohe Fassade empor. Unglaublich, diese vertrauten antiken Formen, doch unsagbare Distanzen von den Ursprüngen ägyptischer oder hellenistischer Kultur entfernt! Ich musste mir einen besseren Überblick verschaffen, aus diesem durch Dünen und Sedimentauftürmungen vorgegebenen Labyrinth entkommen, und so hechtete ich jene die steinerne Vorderseite des vermutlich einst als Kultstätte oder Felsengrab genutzten Bauwerks umgebenden Schichten empor, kletterte sodann über eine umgestürzte Säule sowie aus der Stirnseite gebrochene Steinquader, und mit einigen Schweißperlen auf der Stirn erreichte ich schließlich ein flaches Plateau wundersamer Färbung, von dem aus sich mein Blick in die Weite geradezu erschöpfte.
Es war unbeschreiblich! Soweit ich spähen konnte, und erst in sehr weiter Ferne von einem goldstaubigen Dunstschleier begrenzt, offenbarte sich mir ein jenseits der kosmischen Gestirne hell ausgeleuchteter Irrgarten aus Sand, Gestein, urtümlichen Ruinen, von fossilen Pflanzenresten und unvertrauten Baumgewächsen gezierten Plateaus geringerer Höhe, hoch aufragenden Tafelbergen, und all das, mein bescheidenes Wissen über Geologie und Meereskunde gleichsam ad absurdum führend, bekrönt von einem Himmelszelt aus schwarz funkelndem Vulkangestein. Ich sank auf die Knie, ließ meinen ernüchterten Blick weiter umherschweifen. Wie konnte all das bloß möglich sein? Merkwürdigerweise verspürte ich weder Durst noch Hunger, und es wirkte beinahe so, als stehe dieser Ort nicht bloß aufgrund seiner verborgenen Position den Nationen der Erde exterritorial gegenüber.