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Die Makis haben ihren Transmitter auf dem Mars installiert, sie laden dann Chet Morrow und einige Begleiter ein, ihren Heimatplaneten zu besuchen. Auf einer Zwischenstation kommt es aber zu einem technischen Problem, die kleine Gruppe ist damit abgeschnitten. Sie befinden sich auf einem Eisplaneten, der Versuch einer Reparatur scheitert und ohne die Möglichkeit, Hilfe anzufordern, drohen sie zu erfrieren. Schließlich werden sie von einem anderen Gestrandeten gefunden, dieser ist allerdings ein Sodoraner. Doch in dieser schwierigen Lage müssen sie zusammenarbeiten, sich gegenseitig helfen, um zu überleben …
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Seitenzahl: 307
Veröffentlichungsjahr: 2024
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AD ASTRA – CHET MORROWS WEG ZU DEN STERNEN, NEUE ABENTEUER
BUCH 6
Copyright © 2024 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier
In Zusammenarbeit mit
Heinz Mohlberg Verlag GmbH, Pfarrer-Evers-Ring 13, 50126 Bergheim
Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Logo: Mario Heyer
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten
Die Printausgabe des Buches ist 2013 im Mohlberg-Verlag erschienen.
ISBN: 978-3-942079-94-5
www.Blitz-Verlag.de
ISBN: 978-3-7592-1729-5
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Zuletzt bei Ad Astra
Träume und Wahrheiten
Lateinische Lektionen
Einsatz als Söldner
Auf dem Planeten der Makis
Stützpunkt der Römer
Offizieller Besuch
Versuch der Verständigung
Drohungen und Angebote
Heimliche Ermittlung
Neue Spuren
Rückkehr auf die Horizont
Über den Autor
Die ersten als Infanteristen ausgebildeten Römer werden zur Erde gebracht, um dort gegen Plünderer vor Ort zu kämpfen. Zu diesen Plünderern gehören nun auch zwei ehemalige Amazonen, Anna-Maria Cruz und Aki Kawabata, die nach ihren traumatischen Erlebnissen auf dem Kometen Encke als nicht mehr diensttauglich galten. Jetzt fliegen sie einen Shuttle für die Plünderer. Auf dem Mars kann der Rote Milan dank seiner Tarnung als Staatssekretär weiter für Unruhe sorgen. Um einen der Wasserkönige zu bestechen, verspricht er diesem, ein berühmtes Gemälde von der Erde zu beschaffen: Dies haben seine Helfer gerade in Paris geborgen: Das Lächeln der Mona Lisa! Der Milan will es selbst zurückbringen, die Horizont bringt ihn dafür auf die Erde. Die Botschaft vom vorgesehenen Treffen mit dem Milan kann dann einer der Plünderer heimlich an Chet Morrow weitergeben, es ist Cayden Vaughan, der sich von der Bande anheuern ließ, ihm helfen Anna und Aki, denn sie sind hier Undercover! In einem Hotel am Atlantik kommt es dann zum Showdown: Bevor die Soldaten zugreifen können, nimmt der Milan zwei Geiseln: Anna und Aki! In einer spektakulären Aktion gelingt es, den Milan zu töten, dabei wird eine der Geiseln verletzt. Und zuletzt stellt sich heraus: Der Milan hatte einen Doppelgänger zu dem Treffen geschickt, er selbst kann entkommen und taucht einmal mehr unter …
Er zitterte am ganzen Körper, krampfhaft versuchte er Luft zu bekommen, doch das Atmen fiel ihm schwer, als würde ein tonnenschwerer Stein auf seiner Brust liegen. Er hustete, seine Augen brannten und tränten. Er konnte kaum etwas sehen, alles war verschwommen. Schüsse hallten über den Hof, doch konnten sie nicht die Schreie übertönen, die ihm durch Mark und Bein gingen, die er nie vergessen würde, die ihn in seinen Träumen heimsuchen und ihm den Schlaf rauben würden …
Eine Waffe. Er brauchte eine Waffe. Etwas, womit er sich verteidigen konnte. Bevor sie ihn fanden und ihn ebenfalls töteten. Doch durch das Gas, das der Gegner einsetzte, konnte er kaum etwas erkennen. Halb blind tastete er sich an der Mauer entlang, bis er über etwas stolperte, es war warm, weich und glitschig. Der Geruch nach Blut ließ ihn würgen. Er schluckte und zog seine Rechte hastig zurück, als er Gedärme und Knochensplitter erstastete. Die Tür. Es waren nur wenige Meter. Gleich, gleich hatte er es geschafft. Plötzlich wurde er gepackt, herumgerissen, er wehrte sich. Aber er hatte er keine Chance. Dann spürte er einen scharfen Schmerz.
„Wenn du dich noch mal rührst, verdammter Bastard, blas’ ich dir den Schädel weg, hast du verstanden?“
Er blinzelte, sah klarer. Vorsichtig drehte er den Kopf, sah, dass die Exekutionen in vollem Gang waren, es gab keinen Unterschied und kein Mitleid. Er wusste, was kam, wollte nicht hinsehen und doch zwang er sich dazu. Er sah die Kanister, die herangeschleppt worden waren. Acht. Es waren genau acht Stück, acht grüne Kanister, dann schlugen die Flammen empor; verzehrten die Kleidung der Toten. „Sieh hin!“ Die Stimme, er würde sie nie in seinem Leben vergessen. Unter tausenden würde er sie erkennen. „Sieh genau hin! Präg es dir ein! Das machen wir mit euresgleichen! Ihr habt nichts anderes verdient!“ Dann wurde er hochgerissen, zu einem Wagen gestoßen. Sie brachten ihn weg …
Mit einem Keuchen fuhr Chet Morrow hoch, sein Herz raste, er sah sich hastig um, brauchte eine Weile, bis er realisierte, wo er sich befand: in seinem Quartier auf der Horizont. Er war allein, das Bett neben ihm war leer und unberührt, denn Linda war derzeit nicht an Bord. Mit der Rechten fuhr er sich nervös durch das Haar, dann stand er entschlossen auf, machte das Licht an. Er wusste, dass er in dieser Nacht keinen Schlaf mehr finden würde. Zu sehr hatte ihn der Alptraum aufgewühlt. Nein, das stimmte nicht. Es war kein Traum, es waren Cayden Vaughans Erinnerungen. Sie hatten sich tief in sein Gehirn gebrannt. Unauslöschlich. Das vermutete er zumindest, denn er war nicht dazu gekommen, Cayden zu fragen, wie er sie loswerden konnte.
Es war selten geworden, dass er träumte oder sich zumindest daran erinnerte, was er träumte, seit sein Bruder Frank zurückgekehrt war, hatten die Schreckgespenster der Vergangenheit ihn in Ruhe gelassen. Dafür ließen ihn die Erlebnisse des Halb-Sodoraners nicht zur Ruhe kommen. Wieder und wieder erlebte er durch Vaughans Augen das Massaker auf der Hacienda in Mexiko. Hilflos musste er mit ansehen, wie man Dutzende abschlachtete, ihre Leichen anschließend verbrannte. Er kannte jedes Detail, jedes Gesicht, jeden Namen, jedes Schicksal, wusste, wie es endete, und doch verlor dieser Traum nie seinen Schrecken. Es endete immer so, wie Vaughan ihn erlebt hatte. Jedes Mal wachte er schweißgebadet auf; glaubte, die Wunde an seiner Schläfe zu fühlen, die ausgekugelte Schulter, die gebrochenen Rippen, die Asche auf seiner Haut. Glaubte, diesen widerlichen Gestank wahrzunehmen und die Hitze der Flammen zu spüren.
Chet ging in die Nasszelle, auch als Kommandant des Schiffes musste er mit diesem winzigen Raum auskommen, dazu kamen die Begrenzungen für heißes Wasser. Aber das brauchte er gerade nicht, er hielt die Hände unter den Hahn mit dem kalten Wasser, klatschte es sich ins Gesicht, in der Hoffnung, dadurch wieder einen klaren Gedanken fassen zu können. Dabei fiel sein Blick auf seine Handgelenke. Keine Narben.
Natürlich nicht. Erinnerungen hinterlassen keine Narben. Doch er wusste, dass Cayden genau dort Narben besaß, im Laufe der Jahre waren sie verblasst, aber wer genau hinsah, konnte sie erkennen. Manchmal, wenn Cayden nervös war und glaubte, dass niemand es bemerkte, rieb er unbewusst darüber, dies wusste Chet seit ihrer ersten Begegnung auf dem Eisplaneten. Die Narben stammten von den Fesseln, gegen die Cayden gekämpft hatte. Chet wusste auch um all die anderen Narben, die körperlichen wie die seelischen. Und doch hatte dieser Sodoraner ihm seinen Bruder Frank gebracht. Nach all dem, was die Menschen ihm und seiner Familie angetan hatten.
Er an Caydens Stelle hätte die Menschen unterschiedslos gehasst. Es gab so vieles, was er an Vaughan nicht verstand, dabei betrachtete er ihn inzwischen als eine Art Freund. Und er war ziemlich sicher der Einzige, den der Halb-Sodoraner besaß. Chet blickte in den Spiegel, schüttelte den Kopf. „Du grübelst zu viel, Chet!“, sagte er. „Hau dich wieder aufs Ohr und versuch noch eine Mütze voll Schlaf zu bekommen.“ Er seufzte.
Jetzt führ ich schon wieder Selbstgespräche. So weit ist es also gekommen.
Besorgt warf er einen Blick auf die Uhr, eine Stunde noch bis zu seiner nächsten Schicht. Aber da ich ja schon wach bin ...
„Schlaf wird ja sowas von überbewertet“, murmelte er leise und zog sich an. Keine zehn Minuten später saß er allein an dem langen Tisch im Besprechungsraum des Kommandanten, starrte auf die blanke Platte. Er wusste nicht, was er hier zu finden hoffte. Der Vid-Schirm an der Seite zeigte Bilder des Alls, es wirkte friedlich. Doch Chets Gedanken beruhigten sich nicht. Okay, die Alpträume sind eine Sache. Aber die hab ich jetzt schon so lange, wie ich Vaughan kenne. Frank, sein Bruder, war zurück, lebte jetzt auf dem Mars, unter der Obhut von May Edmundson, und er befand sich auf dem Weg der Besserung. Die Lage auf der Erde war den Umständen entsprechend, nachdem sie zuletzt einige der Plünderer erwischt hatten, zugleich ein paar neue Verbündete an ihrer Seite hatten, die Zelle der Sodoraner mit Randal Nascone und sogar diese Basken. Auf der Minus-Seite stand dieser verdammte Rote Milan, dieser Professore. Ein paar Augenblicke lang hatten sie gedacht, dass sie ihn endlich gefasst hätten. Doch es war ein Doppelgänger gewesen, den der Milan vorgeschickt hatte. Der wahre Gangsterboss war entkommen, saß da unten irgendwo auf der Erde, vermutlich in Italien. Aber heute war er abgeschnitten von allem.
Früher oder später kriegen wir ihn bestimmt, so wie seine Verbündeten. Und die Mona Lisa haben wir gerettet.
Auch dank Cayden Vaughan, nicht zu vergessen den beiden Amazonen Anna-Maria Cruz und Aki Kawabata. Die durften jetzt zur Bewährung wieder Luftkutscher auf der Erde spielen, aber immerhin hatten sie ihr Abenteuer überlebt, wenn es auch knapp gewesen war bei Aki, die einmal mehr schwer verletzt worden war bei ihrem Undercover-Job, den sie ohne Rückendeckung übernommen hatten, wegen Linda! Und was Linda und ihn betraf, eigentlich fehlte nur noch ein gemeinsames Datum, dann könnten sie heiraten. Er müsste zufrieden sein. Überwiegend. Also, was ist es sonst?
Missmutig lehnte er sich in seinen Stuhl zurück und starrte an die Decke. Ein paar Worte gingen ihm nicht aus dem Kopf, Cayden Vaughans Worte. „Es ist nicht so, dass ich den Makis nicht vertraue.“ Chet musste lächeln, er vertraute den Wesen, die von den Menschen Makis genannt wurden, zumindest denjenigen, die er näher kannte, wie Teddy. Cayden hatte sie zunächst abfällig Affen genannt. Jetzt dachte er anders über sie, aber …
„Ich glaube, dass sie etwas verschweigen, um Sie zu täuschen, Commander. Weil sie Angst haben, dass Sie mit ihnen nicht verhandeln, wenn sie sich gänzlich offenbaren.“ Chet seufzte, mittlerweile hegte er die Befürchtung, dass Cayden Recht hatte. Zugegeben, die Makis hatten sie herzlich empfangen auf ihrem Heimatplaneten, sie hatten sogar Weleys Leichnam geborgen, nach der langwierigen Reparatur des Transmitters auf dem Eisplaneten. Trotz Chets Einwänden. Man hatte den Körper aber nicht zur Erde gebracht, wie es üblich gewesen wäre. Die Zustände waren schon schlimm genug, die Ressourcen mehr als knapp, also hatten sie ihn per Transmitter zum Mars gebracht, dort mit allen Ehren begraben, erneut.
Chet war froh gewesen, dass er nicht dabei gewesen war, als man den Leichnam auf dem Eisplaneten wieder ausgegraben hatte. Dafür war ihm eine andere, genauso unangenehme Aufgabe zugefallen: Er hatte Weleys Angehörigen sein Beileid aussprechen müssen. Zwar hatte er dies bereits getan, als er ihnen die Todesnachricht übersandt hatte. Auf der Beerdigung war es ihm als Kommandant aber zugefallen, zuerst ein paar Worte zu sprechen und dann persönlich Weleys Mutter sein Bedauern auszudrücken. Es war ihm kaum gelungen, einen Satz auszusprechen, ohne schlucken zu müssen, als diese gebrochene Frau vor ihm gestanden hatte. Bei der Katastrophe auf der Erde hatte sie schon ihren Ehemann verloren, sie war so dankbar gewesen, dass ihrem einzigen Sohn nichts passiert war, dass er weit genug weg gewesen war. Und dann … hatte ihn das Schicksal eingeholt, fern der Heimat auf einem gottverlassenen Planeten war er einen sinnlosen Tod gestorben. Als sie wegen des defekten Transmitters mitten in einem Schneesturm gestrandet und auf den dort gestrandeten Vaughan getroffen waren, hatte dieser sie zu einer Höhle geführt. Doch auf dem Weg dorthin war Weley im Eis eingebrochen, hatte sich schwer verletzt, zusammen mit der Unterkühlung und ohne irgendwelche Medikamente, die sie ihm geben konnten, war es sein Todesurteil gewesen.
Das Leben ist so ungerecht! Vaughan hätte uns töten können, fuhr es Morrow durch den Kopf. Er hätte uns töten und die Makis zwingen können, den Transmitter zu reparieren. Aber er hatte es nicht getan. Stattdessen hatte er sein Möglichstes getan, um Weley zu helfen, zugleich aber hatte er mehr als einmal die Makis kritisiert, ihnen vorgeworfen, dass sie nicht alles preisgaben. Chet nahm sich vor, ihn bei nächster Gelegenheit danach zu fragen. Momentan ging es nicht. Cayden war bei der misslungenen Aktion gegen den Milan von Rauminfanteristen festgesetzt worden. Dank der Aussagen von Chet, von Anna-Maria und Aki, hatte General Weißkamm dafür gesorgt, dass Cayden wieder auf freien Fuß kam. Klar war: Auf dem Mars konnte er nicht bleiben, so lange nicht alle Handlanger des Milan gefasst waren. Cayden war jetzt bei einem der Wiederaufbau-Teams auf der Erde tätig. Erneut unter einer falschen Legende sollte er versuchen, die letzten Helfer des Milan auf der Erde zu finden.
Wie diesen verdammten Piloten, der für die Plünderer die Drecksarbeit leistete, offiziell aber für uns, für die Polizei arbeitet.
Chet war sicher, Cayden würde diesen Schweinehund kriegen, sich damit eine nächste Kiste Whiskey verdienen, wenn sie noch eine finden konnten. Chet musste einen Moment grinsen, soweit vertraute er inzwischen auf den Halb-Sodoraner. Seine Gedanken schweiften wieder ab, er griff nach dem Pad. Was wussten sie inzwischen wirklich über die Makis? Auch nach mehr als einem Jahr Kontakt war es eigentlich nicht viel. Die körperlich kleinen Wesen lebten in Clans, sie selbst nannten sich Händler, obwohl natürlich längst nicht jeder Angehörige ihres Volkes Handel betrieb. Sie besaßen Transmitter, um damit zu anderen Planeten zu reisen, doch um andere Sternsysteme zu erreichen, brauchten sie zuerst Generationenschiffe, so wie die Schiffe, die die Erde erreicht hatten. Die Schiffe waren echte Maki-Arbeit, die Transmitter nicht, die stammten ursprünglich von den Großen! Und noch etwas wussten die Menschen inzwischen: die Makis hielten sich gerne im Hintergrund. Sie hatten Außenposten auf anderen Planeten, aber fremde Spezies traf man im System Gliese 581, auf ihrem Planeten Ern, übersetzt Heimat, nicht an. Die Menschen waren als Gäste empfangen worden, als große Ausnahme. Über die Gründe, warum sie es so hielten, schwiegen sich die Makis aus. Insgesamt ging alles in Chets Augen zu ... glatt: Technologie gegen ein paar Soldaten, der Deal schien einfach zu schön zu sein. Chet gab Cayden in Gedanken recht, irgendetwas stimmte nicht.
Was verbergen die Makis vor uns? Welche sprichwörtliche Leiche haben sie in ihrem Keller? War es weitere Technologie, die sie nicht mit Menschen teilen wollten? Oder wertvolle Ressourcen? Oder war das Ganze am Ende sogar eine Falle? Er schüttelte über seine eigenen Gedanken den Kopf.
Die Menschen besaßen nichts, was die Makis interessierte, von den Soldaten einmal abgesehen. Nicht mal mehr die Erde war ein verlockendes Ziel für andere Spezies. Der einstmals so schöne blaue Planet war heute ein Massengrab. Morrow warf das Datenpad auf den Tisch, es war müßig, sich darüber weiter Gedanken zu machen, solange er keine Beweise hatte.
„Neben dir könnte eine Bombe hochgehen und du würdest es nicht merken!“ Morrow zuckte beim Klang der Stimme vor Schreck zusammen. „Tom?“, fragte er verwirrt, er musste ja ein tolles Bild abgegeben haben, Chet riss sich zusammen, blickte zu seinem alten Freund, Tom Atkins lag eine scharfe Erwiderung auf der Zunge, doch er schluckte sie herunter. „Naja, heute Morgen war ich's noch“, grinste er stattdessen, ließ sich in den freien Stuhl gegenüber von Chet sinken. „Ich hab sogar den Sensor aktiviert, aber du hast nicht geantwortet!“
„Ach, und dann bist du so dreist und kommst einfach rein, ja?“ Chet zog die Augenbrauen hoch, nun lächelte er, Tom erinnerte ihn nun an ein Versprechen. „Wir waren zum Frühstück verabredet, vergessen? Ist ja schließlich mein Abschied von der Horizont.“
Morrow warf einen erneuten Blick zur Uhr, seine Augen weiteten sich überrascht. Das konnte nicht sein! Er konnte doch nicht seit über zwei Stunden hier sitzen und grübeln! Er musste sich zudem noch an den Gedanken gewöhnen, dass er Tom künftig nicht mehr jeden Tag sehen würde. Schließlich hatte Tom jahrelang zu seiner Besatzung gehört, er war mehr als seine rechte Hand. Tom war sein Freund, ein Freund, auf den er sich immer hatte verlassen können, der ihm schon mehr als einmal seinen Arsch gerettet hatte, seit sie gemeinsam im Dyna-Kommando angetreten waren. Und jetzt mussten sie sich tatsächlich verabreden, um einmal gemeinsam zu frühstücken. Denn seit einigen Tagen war Tom Atkins Oberleutnant und stellvertretender Kommandant auf der Aurora, dem Dyna-Carrier, den sie erbeutet hatten. Chet war stolz darauf, dass Tom es so weit gebracht hatte. Allerdings würde es noch einige Zeit dauern, bis alle Schäden auf der Aurorabehoben waren …
„Hör mal, Chet, ist bei dir wirklich alles in Ordnung?“ Tom war besorgt, schielte auf Chets Datenpad, es hatte sich in der Zwischenzeit abgeschaltet, nichts war mehr zu erkennen, worüber Chet angestrengt nachgedacht hatte. Unsicher zuckte Chet mit den Schultern. Auch wenn Tom sein Freund war, musste er nicht alles wissen.
„Okay, sind es die Makis?“ Toms Schuss ins Blaue war ein Volltreffer, Chets Schweigen war ihm Antwort genug. „Chet, nur weil dieser Cayden Vaughan ihnen nicht traut, muss es nicht heißen …“
„Das ist es nicht“, unterbrach Chet ihn. „Er sagt, dass er ihnen zwar traut, aber dass da noch etwas ist, was sie uns nicht erzählt haben. Und da vertraue ich inzwischen Caydens Instinkt.“ Er beugte sich vor. „Warum machten die Makis ausgerechnet für uns eine Ausnahme? Warum waren wir die Ersten, die sie auf ihren Planeten ließen?“
„Vielleicht waren wir einfach zur richtigen Zeit am richtigen Ort?“, vermutete Tom. „Vielleicht. Aber du weißt, ich glaube nicht an solche Zufälle.“
„Und was geht dir dann durch den Kopf? Glaubst du, sie brauchen die Söldner für etwas anderes als einfache Wachen?“
„Also, ich denke, dass die Makis uns nicht alles gesagt haben, uns etwas Wichtiges verschwiegen haben. Weil wir uns sonst vielleicht geweigert hätten, auf den Handel einzugehen.“
„Was sollte das denn sein? Unsere Moral? Chet, wir haben die Erde nahezu verloren. Unsere Ressourcen sind am Ende. Glaubst du wirklich, dass wir abgelehnt hätten wegen moralischer Bedenken? Schließlich haben sie uns nicht nur Transmitter geliefert, sondern uns auch diese Pilze geschickt. Wie viele Leben haben wir damit gerettet? Wie viele Menschen vor dem Hungertod bewahrt?“ Chet nickte. Ja, er konnte sich einige Menschenleben auf seine Fahne schreiben. Er war stolz darauf, ein wenig zumindest. Dabei machte er eigentlich nur seinen Job, wie alle hier auf dem Schiff.
„Wie geht es denn inzwischen Frank?“, versuchte Tom schließlich, seinen Freund auf andere Gedanken zu bringen, Chet war der Themenwechsel nur recht. „Gut, wirklich gut inzwischen. Er beginnt langsam, sich zu erinnern an die Zeit direkt nach der Katastrophe.“ Tief in seinem Herzen wünschte Chet allerdings, dass er es nicht tat, denn er wusste, dass Frank Fürchterliches durchgemacht hatte. Es wäre wahrscheinlich besser, wenn er sich nicht daran erinnern würde. Er wollte nicht, dass es Frank so erging, wie Cayden, der manchmal geradezu überwältigt wurde von den damaligen Geschehnissen. Wieder brachte er das Gespräch auf Cayden, Tom seufzte, schüttelte den Kopf. „Wenn man dich so reden hört, könnte man fast meinen, du vertraust ihm mehr als den Makis.“
„Nun, zumindest ist er ehrlich, erschreckend ehrlich!“ Er blickte Tom in die Augen. „Und du traust ihm nicht!“
„Chet, du weißt, ich traue keinem Sodoraner, sie sind gewalttätig, sie sind hinterhältig, sie …“
„Und sie können uns ihren Willen aufzwingen.“ Chet unterbrach seinen Gedankengang. „Tom, wir müssen uns daran gewöhnen, dass es Spezies gibt, die anders sind als wir, die auch in unseren Augen gefährlich sind. Gott, Tom, hast du den Hauch einer Ahnung, wie vielen Spezies wir theoretisch begegnen könnten, vorausgesetzt, wir könnten überall hinreisen? Einige werden auf dem Stand von Steinzeitmenschen sein, andere sind uns technisch und intelligenzmäßig vielleicht so weit überlegen, dass wir ihnen wie … Tiere erscheinen.“
Manchmal kam es ihm selbst unvorstellbar vor, aber sie hatten in den letzten Jahren so vieles erlebt, so viele Dinge gesehen, von denen er gedacht hatte, dass sie nicht existierten, dass sie unmöglich waren. Tom winkte ab. „Das weiß ich doch alles, Chet. Ich war dabei, als wir auf die Großen stießen und gegen ihre Helfer, diese Geierköpfe kämpften.“ Er schüttelte wieder den Kopf. „Aber die Sodoraner haben sich hier … eingeschlichen, haben uns unterwandert. Und verdammt: Die haben versucht, uns auszulöschen!“ Chet widersprach. „Aber nicht alle, Tom. Viele, von denen wir jetzt wissen, haben friedlich unter uns gelebt. Verdammt, die wurden auch Opfer! Wenn wir es jetzt nicht schaffen, mit den Überlebenden auszukommen, dann …“ Er stockte wieder. „Deshalb sind wir doch Raumfahrer geworden, oder? Um zu fremden Planeten zu reisen, ferne Welten zu entdecken, neue Spezies zu kontaktieren, mit ihnen in Freundschaft auszukommen.“
„Ja, eigentlich. Und was tun wir stattdessen? Wir haben jetzt Taxi gespielt für römische Siedler, haben deren stinkende Tiere transportiert, wir haben zuletzt den Milan gejagt, davor waren es Geierköpfe und …“ Tom schwieg wieder. Von den Großen hatten sie bislang nur undeutliche Vids gesehen, wie genau diese Wesen aussahen, wussten sie nicht. Auch nicht, warum diese Aliens so feindselig waren. Chet unterbrach die Stille. „Bereust du es?“ Atkins dachte einen Moment nach. „Nun, es war nicht das, was ich mir mal unter Raumfahrt vorgestellt habe, verdammt!“
„Ich denke, das ist es für niemanden von uns. Vor allem nicht mehr, seit die Erde angegriffen wurde.“ Seit sie im Grunde fast alles verloren hatten. „Es ist schon ein verdammt beschissenes Gefühl, keine Heimat mehr zu haben!“, sagte Tom, Chet hatte in den letzten Jahren die Horizont als sein Zuhause betrachtet, aber die Erde war nun mal der Ort, an dem er geboren worden und wo er aufgewachsen war. Jetzt schüttelte er den Kopf. „Nein, Tom! Du hast unrecht. Ja, wir haben verdammt viel verloren, so viele Menschen, so viele Freunde, aber die Erde ist noch immer da! Ja, es wird lange dauern, vielleicht Jahrzehnte, um vieles wieder aufzubauen. Und die Narben werden stets zu sehen sein. Aber wir sind nicht heimatlos, wir können immer hierher zurück!“
Aber ich kenne jemanden, der heimatlos ist: Cayden Vaughan.
„Tom, weißt du, worüber ich nachgedacht habe?“
„Nein, aber du wirst es mir bestimmt gleich sagen.“
„Es geht um Vaughan.“ Atkins runzelt unwillig die Stirn, Chet setzte nach. „Was würdest du dazu sagen, wenn ich ihn auf die Horizont hole?“ Als meine neue rechte Hand, jetzt, da Tom weg ist. Er sprach es nicht laut aus, da er befürchtete, Tom würde ihn für verrückt erklären. Tom starrte seinen Freund ein paar Sekunden lang sprachlos an. „Ist nicht dein Ernst!“, brachte er schließlich hervor. Chet versuchte, ihn zu beruhigen. „Ich sagte, ich hätte darüber nachgedacht, nicht, dass ich mich schon entschieden habe.“ Tom sah jetzt wütend aus. „Schlimm genug! Was, zur Hölle, bringt dich auf so bescheuerte Ideen? Bist du sicher, dass er dich nicht beeinflusst?“ Beinahe hätte Chet bitter gelacht. Wenn Tom wüsste …
„Hör zu, ich denke, wir können Caydens Erfahrungen, sein Wissen und vor allem seine Fähigkeiten gut an Bord gebrauchen.“
„Seine Fähigkeiten?“
„Ja, stell dir vor, wir hätten jemanden an Bord, der die Gedanken anderer Spezies spüren könnte, wir wüssten so, welche Absichten sie haben!“
Chet war in Gedanken noch bei den Makis, doch Tom dachte an ganz andere Dinge, wurde wieder wütend. „Oder er spürt auf, was unsere Crewmitglieder denken! Warum schlägst du nicht gleich vor, dass unser Geheimdienst Sodoraner verpflichtet? Bessere Verhörspezialisten kann es gar nicht geben. Einmal die Hand auf die Stirn des anderen legen, schon sind sie im Besitz aller Informationen. Schlag es doch gleich Linda vor, ich wette, die wird begeistert sein!“ Beißender Sarkasmus schwang in Toms Stimme mit, Chet seufzte, natürlich waren ihm die gleichen Gedanken wie Tom gekommen, er wusste genau, mit welcher Skepsis, mit welcher Angst die Menschen den Sodoranern begegneten. Dies war nach den fürchterlichen Geschehnissen auch kein Wunder. Einige Sodoraner hatten tatsächlich versucht, die Menschen zu kontrollieren, die Macht auf der Erde zu übernehmen. Sie hatten sogar eine Atombombe zur Explosion gebracht. Aber das waren andere Sodoraner gewesen, nicht Cayden und seinesgleichen. Seiner Meinung nach durften sie die Sodoraner nicht wie Aussätzige behandeln, ihn schauderte es bei dem Gedanken, sie in einem Getto zu wissen. Eher waren es zwei: Auf der Erde und auf Eden. Wenigstens hatte Chet es vermocht, die Verantwortlichen auf dem Mars davon zu überzeugen, Frauen, Kinder und einige wenige der älteren Sodoraner zusammen mit einigen der menschlichen Partner nach Eden bringen zu lassen. Dort waren sie sicher, zumindest so sicher, wie man auf einem fremden Planeten sein konnte, der immer wieder Überraschungen bereithielt. Chet rieb sich über die Augen, jetzt spürte er, wie wenig Schlaf er bekommen hatte. Außerdem wollte er sich nicht mit seinem Freund an dessen letzten Tag auf der Horizont streiten. „Okay, Tom, beenden wir das hier. Heute werden wir keine Lösung dafür finden.“ Er blickte auf seinen Armbandcomp, die offizielle Frühstückszeit endete in einer halben Stunde. „Jetzt lass uns endlich frühstücken gehen. Dann sieht der Tag hoffentlich besser aus!“ Tom strich sich mit einer raschen Bewegung der rechten Hand über die Haare. „Okay, Chet!“
* * *
Als Chet an diesem Nachmittag endlich seinen Dyna in der Nähe der Rocky Mountains landen konnte, atmete er auf. Die Jagd auf den Milan hatte dafür gesorgt, dass er mehr als drei Tage zu spät kam zu diesem Termin. „Ich bin bei diesen Menschen ... ja, Menschen, im Wort. Und deswegen bringe ich das jetzt auch zu Ende!“ Chet blickte auf seinen Co-Pilotensitz, der derzeit kaum ausgefüllt wurde. Jevan, der kleine Maki, saß dort, er blinzelte einen Moment. Der Maki war ein Transmitter-Spezialist der neuen Verbündeten der Menschen, des Clans, der sonst von Teddy repräsentiert wurde. Chet hatte ihn mitgenommen, damit er den transportablen Transmitter aufstellen und so kalibrieren konnte, damit er das große Gegenstück auf dem Mars erreichte. Der Transmitter war deutlich kleiner und leistungsschwächer als das große Exemplar, mit dem Chet zuletzt gereist war. Dafür brauchte dieser Transmitter deutlich weniger Energie. Und genau das zählte jetzt.
„Ende?“ Der Maki sprach längst nicht so gut Englisch, wie Teddy. Chet lächelte. „Entschuldige, Jevan. Ich war gerade ... in Gedanken. Und dann passiert es Menschen schon einmal, dass sie laut etwas aussprechen, dass eigentlich nicht für andere Ohren ... na ja, nicht für andere Wesen gedacht war.“ Der Maki stellte die Ohren auf, zum Zeichen, dass er verstanden hatte. Ob es wirklich so war? Jevan wirkte viel fremdartiger als Teddy. Dieser war mit Menschen-Vids aufgewachsen, er schaffte es immer, mit einem Spruch die Atmosphäre aufzulockern. Wenn man ihn hörte, klang er manchmal wie ein leicht aufsässiger Jugendlicher. Aber das war er eben nicht, sondern er war der Vertreter eine fremden Intelligenz. Bei Jevan spürte Chet das viel deutlicher.
Die Makis sind uns fremder als die Sodoraner. Und nicht mal sie haben wir bislang richtig verstanden. Ich hoffe, die Rettungsaktion hilft, uns näher kennenzulernen. Wir alle können Freunde und Verbündete gebrauchen.
Chet hatte auf der Horizont von seinem Recht als Commander Gebrauch gemacht, als es um diese Mission gegangen war. „Okay, Leute, ich hab’ es angefangen, ich bringe es auch zu Ende. Megan Riordan übernimmt solange das Kommando!“ Selbst Onkel Tolja hatte skeptisch gewirkt, doch der General verzichtete auf Einsprüche, hatte nur genickt. Zumal er ja offiziell nicht zur Kommandokette des Schiffes gehörte, anders als Megan, die jetzt die Chefin der fliegenden Abteilung der Horizont war, nach der Versetzung von Phil Dickens und Tom Atkins. Auch ohne Befehlsgewalt besaß Onkel Tolja aber natürlich Autorität an Bord. „Gut, Chet, wir werden warten. Aber glaub bloß nicht, dass wir hier Däumchen drehen. Schätze, Megan und deine Crew werden mit allen Sensoren, die die Horizont aufbieten kann, den Flug überwachen. Und wenn da unten auch nur ein Hauch von einer Gefahr droht, dann sind wir unterwegs!“
„Verstanden, Onkel Tolja. Aber ich bin sicher, da unten erwarten mich nur Freunde.“ Und so war es jetzt auch, direkt nach ihrer Landung sahen Chet und Jevan mehrere Menschen, die sich auf den Dyna zubewegten. „Okay, da ist unser Empfangskomitee. Da brauchen wir nur noch ein paar starke Männer.“
„Keine Angst, Commander. Stark müssen sie gar nicht sein. Die Plattform dieses Transmitters wiegt nur ... ah ... nun.“ Der Maki überlegte offenbar hektisch, wie er die eigenen Gewichtsangaben umrechnen konnte, Chet wartete nicht auf das Ergebnis. „Schon gut, Jevan. Auch dieser Spruch war nicht wörtlich gemeint. Ich weiß ja, dass dieser Transmitter von gerade einmal vier Makis getragen werden kann, da müssten zwei Erwachsene locker reichen.“
„So ist es, Commander!“
Chet öffnete beide Tore der Seitenschleuse, ein kühler Windhauch strömte herein. Die Temperaturen auf der Erde waren vielerorts immer noch deutlich zu niedrig, die Polkappen wuchsen wieder an.
Wenn wir den verdammten Mix aus Wolken und Asche nicht auflösen, gibt das hier noch eine neue Eiszeit. Und dann müssen wir uns womöglich für Jahrtausende von der Erde verabschieden.
In die Schleuse trat als erster ein älterer Mann, Chet blieb in Gedanken einfach dabei. Randal Nascone als Fremden zu bezeichnen, dies brachte Chet nicht mehr über sich. Der Sodoraner sah sich einen Moment im Dyna um, stutzte kurz, als er den kleinen Maki sah. „Nun, wie ich sehe, sind wir nicht mehr die einzigen Exoten hier.“ Nascone schaffte es sogar zu lächeln. „Neue Verbündete?“ Chet erwiderte das Lächeln. „So ist es, Randal. Und die Überlebenden der Erde müssen einfach zusammenhalten.“ Randal nickte, die Geste war eindeutig menschlich, sein Gesicht verdüsterte sich dann wieder. „Ja, sie haben völlig recht, die Bedrohung durch die Plünderer muss beseitigt werden. Und natürlich auch die anderen Bedrohungen. Wer nicht zusammensteht, für den gibt es keine Chance. Und ... äh ... ihr Wesen gebt uns also diese Chance, mit Hilfe des Transmitters?“
Jevan hatte sich den Sodoraner in Ruhe angesehen, jetzt hüpfte er aus dem Pilotensessel, richtete sich auf, drückte sichtbar den Rücken durch. Damit war er dann gerade einmal etwa 120 Zentimeter groß. „Die Menschen haben uns darum gebeten. Aber nichts spricht dagegen, nicht auch mit Ihnen ... Geschäfte ... zu machen.“ Jevan blieb formell, wo Teddy vielleicht einen Scherz oder Spruch riskiert hätte. Randal sah auf den Maki herunter. „Wir werden das euch, euch allen, nie vergessen. Was immer wir dafür tun müssen, wir werden es leisten, leider haben wir derzeit kaum etwas anzubieten.“
Jevan hob seine Hand. „Darüber entscheiden unsere Ältesten. Ich bin nur ein Techniker.“ Chet hatte sich inzwischen auch aus dem Sitz erhoben. „Gut, dann packen wir es also an. Je schneller wir den Transmitter herausgebracht haben, desto eher können wir die Frauen und Kinder und eure Alten in Sicherheit bringen.“
Weniger als 24 Stunden später war alles bereit. Jevan machte das Gerät mit dem winzigen Tokamak betriebsbereit, probierte es als Erster aus. Randal Nascone und Arawan, einer von den Jungen, waren Augenzeugen, als der kleine Maki auf die Plattform mit dem leuchtenden Bogen stieg, dann einfach in das Glühen schritt … und verschwand. „Und jetzt ist er tatsächlich auf dem Mars? Einfach so?“ Arawan wirkte ungläubig. Chet lächelte. „Ich versteh es ja auch nicht, wie es genau funktioniert. Einfach so ohne Zeitverlust, aber ja: Er ist jetzt auf dem Mars. Und gleich ...“ Der Bogen glühte erneut auf, der Maki stand wieder auf der Plattform. „Alles funktioniert. Wir können mit den Transporten beginnen.“
Und so begann der Exodus der Sodoraner in Richtung Eden, zumindest der von Frauen und Kindern, sowie von den wenigen Alten, die die Verfolgung und die Entbehrungen nach der Katastrophe überstanden hatten. Chet hatte gesehen, wie herzlich sich Randal von seiner Tochter Vanora verabschiedet hatte, sie hatte ihr Kind dabei, so wie bei ihrer ersten Begegnung, als Nascone seine Tochter Chet als eine Art Pfand angeboten hatte. Heute sah sie besser aus, hoffnungsvoller, wie die anderen, die sich in Vierergruppen einfanden, um auf die Plattform zu steigen. Natürlich hatten manche der Kinder Angst vor dem Glühen, aber bei allen, denen Chet begegnete, fiel ihm ein leichtes Lächeln auf. Sie haben wieder Hoffnung. Chet hatte gar nicht bemerkt, dass er so tief in Gedanken versunken war.
Ja, die Sodoraner. Wir haben ihnen geholfen. Jetzt müssen sie sich auf Eden auch selbst helfen, müssen ihren Platz in unserer Gesellschaft finden.
* * *
Nach seiner Rückkehr auf die Horizont nahm Chet das Gespräch mit Tom wieder auf, diesmal geschah es per Vid. Und da ja beide Schiffe sich derzeit im Orbit über der Erde befanden, gab es keine Zeitverzögerung. Chet hatte Tom gerade berichtet, was ihm zum Thema Sodoraner durch den Kopf gegangen war. Auf dem Schirm sah er, dass sein alter Freund einmal mehr das Gesicht verzog. „Tom, du müsstest dich sehen, auch hören. Diese Sodoraner, sie sind wirklich …“, versuchte er es erneut, ein wenig ruhiger als bei ihrem letzten Gespräch.
Warum versteht Tom mich nicht?
„Nein, du müsstest dich hören, Chet!“ Tom runzelte unwillig die Stirn, beugte sich vor, sein Gesicht wurde deutlich größer auf dem Schirm. „Was du planst, ist einfach gruselig.“
„Jetzt hör aber auf, Tom!“ Seine Stimme war schärfer als beabsichtigt, aber Tom ließ sich nicht bremsen. „Ich kann verstehen, dass du für diesen Cayden Vaughan Partei ergreifst, weil er euch gerettet hat und weil er dir deinen Bruder Frank zurückgebracht hat. Aber weshalb du die Sodoraner insgesamt verteidigst, es will einfach nicht in meinen Schädel. Du machst dir mit deinem Engagement, zuletzt auch mit dieser Transmitter-Geschichte, nicht viele Freunde. Nicht mal auf der Horizont.“ Chet verlor jetzt die Geduld, er war Tom keine Rechenschaft schuldig, weder als Vorgesetzter ...
Wobei er ja jetzt nicht mehr mein Untergebener ist. Sondern der von Phil Dickens.
Und erst recht musste er sich nicht vor seinem Freund rechtfertigen. Tom merkte, dass er überzogen hatte, biss sich auf die Unterlippe. Die Geschichte auf dem Eisplaneten, der Tod von Weley, dies hatte Chet sichtlich mitgenommen.
Aber wie bringe ich es ihm bei, dass er falsch liegt bei den Sodoranern, ohne dass wir uns streiten.
„Chet“, begann er und suchte nach den richtigen Worten, „wir kennen uns jetzt seit … ach, verdammt vielen Jahren. Ich habe deinem Urteil immer vertraut. Aber … seit du diesem Vaughan begegnet bist, da bist du anders. Zumindest, was die Sodoraner anbelangt. Du ergreifst, ohne zu zögern, Partei für sie. Wo ist deine Skepsis geblieben?“
„Sie ist immer noch da, Tom. Aber …“ Er versuchte es zu erklären, aber Tom unterbrach ihn. „Lass mich ausreden! Bitte! Wir sind alle, wie soll ich sagen, urlaubsreif. Die letzten Monate, Jahre, die waren für uns alle hart. Und dies ist auch an dir nicht spurlos vorbei gegangen. Aber, Chet, du hast dich verändert, deutlich verändert, seit du Vaughan zuletzt auf der Horizont getroffen hast.“ Tom zögerte. „Ist dir nie der Gedanke gekommen, dass du unter seinem Einfluss stehst?“ So, jetzt war es raus, Tom blickte ihn gespannt an, Chet überlegte hastig.
Er hatte Tom nie erzählt, was Vaughan ihm gezeigt hatte, genau wegen dessen erwartbarer Reaktion: Tom steckte voller Misstrauen! Und Linda konnte er es auf keinen Fall erzählen, sie würde sofort General Weißkamm berichten, was ihn womöglich sein Kommando kosten würde. Im besten Fall. „Chet?“ Das lange Schweigen machte Tom nervös. Chet hob nun den Kopf, blickte in die Kamera. „Manchmal hast du eine sehr lebhafte Fantasie, Tom!“ Nein, er würde Tom nichts sagen.
Gott verdammt, aber ich werde Cayden zwingen, mir diese Erinnerungen zu nehmen! Natürlich bemerkte Tom Chets Ausweichen, das reichte ihm als Antwort. Er zwang sich zu einem schiefen Grinsen. „Es tut mir leid, Chet.“ Chet nickte ihm zu, beendete das Gespräch. Erleichtert, aber auch irritiert, starrte Chet noch ein paar Sekunden auf den leeren Schirm. Ihm passte es gar nicht, dass er Tom angelogen zu haben. Aber was hätte er sagen sollen? Dass Vaughan tatsächlich seine Hand aufgelegt hatte und er, Chet, seitdem mit dessen fürchterlichen Erinnerungen herumlief? Zumal sich alles real für ihn anfühlte, als ob er es selbst erlebt hatte. Das kalte Metall gefühlt, als er … nein, Cayden! nach dem Skalpell gegriffen hatte, er hatte die Blutspritzer im Gesicht gespürt und er hatte den Schrei des Mannes gehört … Chet sehnte sich nach einem Glas Whiskey und er bedauerte, dass er nicht mit seinem alten Freund zusammen Abschied feiern konnte.
Gaius Longinus seufzte, starrte in den Sternenhimmel. Diese Wache war so langweilig und vor allem überflüssig, schließlich hatten sie diese Sensorüberwachungsdinger. Dazu den E-Draht, Kameras … All diesen Zauber, den die Terraner und Makis ihnen zur Verfügung gestellt hatten. Wozu sich also noch in der Nacht die Beine in den Bauch stehen und sich die Eier abfrieren? Aber die Antwort war einfach: Weil es mit dieser Technik nichts als Probleme gab, denn der feine Sand, der in jede Ritze kroch, verursachte andauernd Fehlalarme und brachte die sensible Software zum Absturz. Er seufzte, denn er vermisste Bea. Allein ihr Name. Der ehemalige Gladiator wusste inzwischen, dass die Terranerin, die er gerade vermisste, mit richtigem Namen Beatrice hieß, was auf Latein eine besondere Bedeutung besaß: die Glückbringende, die Seligmachende.
Ja, Letzteres traf wirklich auf sie zu!
Ein Lächeln umspielte Gaius Lippen, als er an die letzte Nacht mit ihr dachte. Es war nur eine kurze Zeit gewesen, die sie zusammen verbracht hatten, und dennoch, er hatte sich Hals über Kopf in sie verliebt. Bereits als er sie das erste Mal gesehen hatte. Und jetzt … vermisste er sie.