Ad Astra – Chet Morrows Weg zu den Sternen, Neue Abenteuer 09: Mission Aurora - Melanie Brosowski - E-Book

Ad Astra – Chet Morrows Weg zu den Sternen, Neue Abenteuer 09: Mission Aurora E-Book

Melanie Brosowski

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Beschreibung

An sehr lebendige Nachfahren von Römern haben sich die Menschen des 22. Jahrhunderts inzwischen gewöhnt. Doch wie kam es dazu, dass deren Vorfahren einst von der Erde verschleppt wurden, auf den Planeten, der inzwischen Neu-Rom genannt wird? Ein Rückblick zeigt, wie die Sodoraner von dem geheimnisvollen Wissenssammler benutzt wurden, um ein gigantisches Experiment zu beginnen. Während auf der Erde der Wiederaufbau nach den chaotischen Jahren anläuft, erreicht ein Maki-Generationenschiff ein Sonnensystem mit einem bewohnten Planeten. Erst, als das Schiff nicht mehr abdrehen kann, ohne entdeckt zu werden, merken die Makis, wer auf dem Planeten lebt: es sind die räuberische Wesen, die die Makis Todesrachen nennen, die Menschen kennen sie als Geierköpfe. In ihrer Not bitten die Makis die Menschen um Hilfe.

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Seitenzahl: 286

Veröffentlichungsjahr: 2024

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In dieser Reihe bisher erschienen

e601  Thomas T. C. Franke Ad Astra 01: Franke Schatten über dem Mars

e602  Thomas T. C. Franke Ad Astra 02: Die Kometenfalle

e603  A.N. O’Murtagh Ad Astra 03: Söldner der Galaxis

e604  Melanie Brosowski Ad Astra 04: Gestrandet in der weissen Hölle

e605  Thomas T. C. Franke Ad Astra 05: Jagt den Milan!

e606  Melanie Brosowski Ad Astra 06: Das Maki-Komplott

e607  Melanie Brosowski & Margret Schwekendiek Ad Astra 07: Hölle auf Eden

e608  Thomas T. C. Franke Ad Astra 08: Entscheidung auf Ceres

e609  Melanie Brosowski & Udo Mörsch Ad Astra 09: Mission Aurora

e610  Melanie Brosowski & Udo Mörsch Ad Astra 10: Im Bann der Geierköpfe

e611  Thomas T. C. Franke Ad Astra 11: Geheimwaffe Dakota

e612  Thomas T. C. Franke Ad Astra 12: Der Malivia-Effekt

MISSION AURORA

AD ASTRA – CHET MORROWS WEG ZU DEN STERNEN, NEUE ABENTEUER

BUCH 9

MELANIE BROSOWSKI

UDO MÖRSCH

Copyright © 2024 Blitz Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

In Zusammenarbeit mit

Heinz Mohlberg Verlag GmbH, Pfarrer-Evers-Ring 13, 50126 Bergheim

Redaktion: Danny Winter

Titelbild: Mario Heyer unter Verwendung der KI Software Midjourney

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Logo: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten

Die Printausgabe des Buches ist 2014 im Mohlberg-Verlag erschienen.

ISBN: 978-3-945416-42-6

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-68984-141-6

e609 vom 20.09.2024

INHALT

Was zuletzt geschah:

Jahr 116 nach Christus, irdische Zeitrechnung, Planet Sodor

An Bord des Raumschiffs Hadir

Jahr 117 n. Chr., Planet Erde, Britannien

Kurz zuvor, im Orbit

Neu-Rom, fast 2000 Jahre später

Maki-Generationenschiff S‘IER’AD

Hoher Marsorbit, auf der Horizont

Erinnerung

Auf dem Mars

Maki-Generationenschiff S‘ier’ad

Auf der Horizont

Auf dem Mars

Auf der Erde, ein Jahr später

Auf der Horizont, vier Jahre nach dem Erstkontakt

Maki-Generationenschiff S‘IER’AD

Auf der Erde, Mexiko

Auf der Erde, Rio de Janeiro

Auf der Erde, Sacramento

Auf der Erde, Großbritannien

Fünf Jahre nach dem Einschlag

Neu-Rom, Außenbezirke der Stadt

Maki-Generationenschiff S‘ier’ad

Vier Umläufe später

Ein Gedenken und ein Mahnmal

Im System der Geierköpfe

Neu-Rom, Ausbildungscamp der Söldner

Melanie Brosowski

Udo Mörsch

WAS ZULETZT GESCHAH:

Bei einem Anschlag nach der Hochzeitsfeier von Chet Morrow und Linda Moham wurde Wasserkönigin May Edmundson verletzt, nur dank einer jungen Römerin gelang ihre Rettung. Es war ein weiterer Versuch, das große Anbauprojekt auf dem Mars zu sabotieren, die Spuren führten zu einem rivalisierenden Wasserkönig. Unterdessen war das junge Paar Chet und Linda unterwegs nach Ceres, in der Station im Eis des Kleinplaneten war eine mysteriöse Krankheit ausgebrochen. Bevor Chet Morrow allerdings Ceres erreichte, bekam er eine wichtige Nachricht: Sein Bruder Frank erinnerte sich an die Schrecken nach der Katastrophe, er konnte den Ort identifizieren, an dem er unter dem Einfluss eines Sektenführers stand: es war ein Flugzeugfriedhof in der Wüste, dort wurden auch Sodoraner gefangen gehalten. Chet ließ sich zurück zur Erde bringen, um eine Rettungsmission zu leiten. Auf der Erde konnte der Verantwortliche für die Entführungen allerdings entkommen, alle Spuren wiesen dann auf den Kleinplaneten hin, den Chet gerade erst verlassen hatte. Dort geriet Linda in höchste Gefahr, ehe es im Orbit über Ceres zur Entscheidung kam …

JAHR 116 NACH CHRISTUS, IRDISCHE ZEITRECHNUNG, PLANET SODOR

Die Sonne brannte vom Himmel, die Hitze staute sich in den tiefen Spalten der Roac-Schlucht, die Felswände glühten. Chey Ten rann der Schweiß über das Gesicht, wie eine zweite Haut lag der Kampfanzug an seinem Körper, sog den Schweiß in sich auf, der Anzug war aus einem elastischen Material, folgte jeder seiner Bewegungen. Für den Kampf hätten sie keinen besseren Tag auswählen können, er spürte keine Angst. Er war einer der Kämpfer in dem Spiel, das die Sodoraner so verehrten. Ein Kampf in den Schluchten von Roac, dabei schwangen sich zwei Gegner an elastischen Seilsträngen über die unendlich tiefe Schlucht, griffen sich mit einfachen, aber tödlichen Waffen an, bis ein Kämpfer kapitulierte. Manchmal endete ein Kampf tödlich, das war das Risiko. Zumeist waren es ausgebildete Krieger, die teilnahmen, sie wussten, auf was sie sich einließen. Im Vorfeld wurden Wetten vom Publikum abgeschlossen, ein richtiger Tipp konnte einen hohen Preis bringen.

Der Kampf stand unter strenger Kontrolle, Kampfrichter verfolgten das Schauspiel genau. Sie verfügten über die Macht, den Kampf abzubrechen, hier, in der Schlucht von Roac, von der die Legende erzählte, Riesen hätten sie einst mit Keulen in den Boden gehämmert, als sie hier kämpften. Seit undenkbaren Zeiten wurde daher dieser Ort als Kampfplatz genutzt, niemand wusste mehr, woher die Tradition stammte. Historiker vermuteten dahinter die Altvorderen, die Vorfahren, deren Zivilisation vor vielen Umläufen zusammengebrochen war. Der Grund für das Ende der alten Zivilisation lag im Dunkel der Vergangenheit verborgen, die Vorfahren hatten ihnen nur ein kleines Erbe hinterlassen.

Endlose Sitzreihen hatten Generationen in die Felsen gehauen, zugänglich waren sie nur über ein Höhlensystem. Aus Traditionsgründen gab es keine technischen Einrichtungen, Veränderungen waren verpönt, sie wurden als schlechtes Omen angesehen.

Chey Tens Gegner war Suc Faisal, der schon manchen Sieg in der Arena gefeiert hatte. Er war ein Publikumsliebling, es waren die Reichen und Mächtigen von Sodor, die dem Kampf direkt beiwohnten. Normale Bürger waren unerwünscht, sie konnten sich das Spektakel auch nicht leisten. Dafür wurde das Ereignis von unzähligen Kameradrohnen aufgezeichnet und ins Netz gestellt, natürlich erst nach Ende des Kampfes. Aber so konnte jeder Sodoraner für einen kleinen Obolus das Spektakel zumindest im Kleinformat verfolgen.

Eine Windböe erwischte Chey, er musste seine ganze Kraft aufwenden, hastig krallte er sich an einen Felsvorsprung, das Seil behinderte ihn ein wenig, es war aber zugleich sein Rettungsanker. Ohne Seil würde er in die unendliche Tiefe stürzen, ohne Aussicht auf Rettung. Die langen Si-Seile waren extrem dehnbar, sie wurden befestigt an einer metallenen Konstruktion aus zahlreichen Winden und Gelenken, so gewährte die Konstruktion den Kämpfern unendlich viel Bewegungsfreiheit, sorgte zugleich für stets neue Überraschungen bei den Kämpfen, sehr zum Vergnügen der Zuseher.

Chey Tens Schwert klemmte an seinem Magnetgürtel, der starke Wind presste ihn erneut gegen den scharfkantigen Fels, er japste nach Luft, er klang dabei wie ein Finden, Schmerz durchzuckte seine Glieder. Die Kameradrohnen umschwirrten das Geschehen inzwischen wie ein Insektenschwarm, ihnen entging kein Detail. Wie gierige Siras stürzten sie sich auf jede Bewegung, sogen alles in sich hinein, um das Publikum an den Triv-Schirmen zu befriedigen.

Das Seil knallte gegen die Wand, einige Steine lösten sich über ihm, stürzten in die Tiefe. Für Momente schloss er die Augen, beim Öffnen sah er seinen Gegner wieder, sah dessen kurze, sandfarbene Haare, den Zug von Unerbittlichkeit um den Mund.

Er weiß, wie man tötet. Und er wird nicht zögern.

Der Gegner witterte nun seine Chance, stieß sich vom Felsensims auf der anderen Seite ab, stürzte. Nach wenigen Parts bremste das Seil den Sturz, schleuderte ihn wieder in die Höhe. Ein gewagtes Manöver, es war genauso beabsichtigt.

Chey Tens Gegner schwebte einen Atemzug scheinbar schwerelos, mit lässiger Bewegung packte er seine Axt, stürzte nun direkt auf ihn zu, war bereit zum Schlag! Chey hörte das Publikum brüllen, denn er baumelte noch an der Felswand, sah aus, wie das perfekte Opfer.

Die Bewegung von Suc Faisals Axt, die Schreie des Publikums, jetzt hämmerte das Metall ... auf den Fels, alles war eins. Chey Ten hatte sich im letzten Moment vor dem Schlag fallenlassen.

„Feiger Fiden.“ Suc Faisal fluchte lautstark, Chey Ten stürzte noch weiter, dann prallte er mit Wucht gegen den Fels. Mein Arm!

Sein linker Arm brannte wie Feuer, schon spannte sich das Si-Seil wieder, schleuderte nun ihn wie einen Pfeil in die Höhe, genau auf Suc Faisal zu, der dies erkannte, wieder seine Axt hob, dabei vor Vorfreunde die Zähne fletschte. Chey Ten riss sein Schwert vom Gürtel, er hatte es hunderte Male trainiert, fühlte die Zuversicht.

Jetzt bin ich dran!

Das Publikum sprang von den Sitzen, jubelte. Chey Ten legte alle Kraft in seinen Hieb, der kam genau im richtigen Moment, doch die Axt parierte seine Klinge, Stahl vibrierte, wieder schoss Schmerz durch seine Hand, er stöhnte. Und wieder waren die Gegner dank der Seile weit auseinander. Chey Tens Haar flatterte in der Luft, wieder kam er nahe an die Felswand, klammerte sich erneut fest, jetzt blickte er nach unten.

„Verdammter Hartschädel!“ Suc Faisal war ein tückischer Gegner. Plötzlich glaubte Chey ein Flüstern zu hören, es klang wie die Stimme seines alten Meisters.

Du musst wie Wasser sein. Wasser ist fließend, findet immer einen Weg. Und es kann tödlich und heimtückisch sein.

Nur einen Dars lang war er abgelenkt. Die Axt! Wieder schoss Suc direkt auf ihn zu, Chey stieß sich wieder ab vom Fels, das Kugelgelenk an seinem Gürtel knirschte bedrohlich, schon wirbelte er durch die Luft, überschlug sich, einmal, zweimal, entkam erneut Sucs Waffe.

Das geht nicht mehr oft gut.

Das Publikum sah es genauso, rief nun Sucs Namen, Chey Ten hörte es, sah sich um, suchte verzweifelt den Weg zum Sieg. Ein riesiger Schatten erschien auf der Felswand, erschreckte ihn, er drehte sich um. Nicht das auch noch.

Ein Garuda verdunkelte über ihm den Himmel, seine gigantischen Flügel verdeckten alles. Chey Ten spürte Angst, schauderte. Ein erwachsener Garuda konnte einen Sodoraner leicht töten mit seinen scharfen Klauen oder dem mächtigen Schnabel. Und diese Tiere waren Jäger! Er spähte hinunter, sah, dass sein Gegner sich gerade festkrallte. Chey glaubte, in dessen Gesicht ebenso nackte Angst zu sehen. Denn Garudas beherrschten die Roac-Schluchten, die sich wie ein Labyrinth durch die Wüste von Sarkan schlängelten.

Das Publikum war still geworden, wie gelähmt standen alle auf den felsigen Rängen, einen Garuda hatte seit Generationen niemand mehr persönlich zu Gesicht bekommen. Und dieser Jäger fixierte nun mit seinen großen Augen die Beute. Sein Schnabel öffnete sich, das Kreischen des Tieres erfüllte die Schlucht.

„Bewegt euch nicht!“, brüllte Chey, aber niemand beachtete ihn, das Chaos brach aus, alle Zuseher versuchten, sich in Sicherheit zu bringen. Chey hörte wieder Schreie, sah, wie ein Mann stolperte, dann über den Rand der steinernen Brüstung in die Tiefe stürzte. Und auf den Rängen stieß Schulter gegen Schulter, weil niemand zurückbleiben wollte. Wer fiel, wurde von den Stiefeln zu Tode getrampelt. Chey Ten sah, dass nun erste Zuseher die sicheren Höhlen erreichten. Der Jäger über ihm ließ sich von dem Gebrüll nicht beirren, er legte seine Flügel geschmeidig an den Körper, schoss auf die Menge zu, im richtigen Moment riss der Garuda seine Flügel auseinander, er stand förmlich in der Luft, dabei griffen seine Klauen zu, erwischten eine Weibliche. Ihre gellenden Schreie waren selbst in dem Chaos zu hören, ihr dunkles, langes Haar flatterte, sie schrie weiter.

Verdammt.

Hilflos musste Chey Ten alles mitansehen, dann spähte er zu seinem Gegner, der wie gelähmt wirkte. Ich muss etwas tun, sonst ist niemand da. Wo bleiben nur die Wächter?

Die Kameradrohnen verfolgten den Vogel, der nach ihnen schnappte, sein langer Hals wirbelte herum, er erwischte eine Drohne, die gegen die Felswand prallte, dabei zerbarst. Plastik und Metallsplitter regneten in die Tiefe. Die Weibliche schrie erneut, die Krallen hatten sich um ihren Leib gepresst, doch jeden Moment konnte der Garuda sie fallen lassen, oder sie mit dem Schnabel töten.

Die letzte Chance sind meine Kräfte!

Sie waren kaum ausgeprägt, aber er musste es versuchen. Die Schlitze über seinen Augen zuckten, er wusste, dass es bei Tieren selten funktionierte.

Wenn es nicht klappt, ist sie tot, und ich auch.

Chey schnalzte laut, der Garuda reagierte nicht, er holte tief Luft. Dann schrie er so laut, dass das Echo durch die Schlucht rollte, der Garuda wandte sich ruckartig um, seine mächtigen Flügel erzeugten einen Wirbelsturm. Jetzt konnte Chey Ten eines der riesigen Augen sehen, es schien zu funkeln, der Garuda hatte ihn bemerkt. Es funktioniert.

Er hielt sein Schwert fest, konzentrierte sich aber auf seine Kräfte, es fühlte sich an, als ob eine Flamme über seine Stirn zog. Der Garuda krächzte, er hatte nun ein neues Ziel im Visier: Chey. Der zwang sich, den Vogel nicht aus dem Blick zu lassen, nicht mal zu zwinkern, denn das Ungeheuer kam direkt auf ihn zu. Doch seine mentalen Fähigkeiten waren zu schwach, sein Geist erreichte den Garuda nicht, konnte ihn nicht ablenken. Ein Auge des Vogels visierte ihn an, jetzt öffnete sich der Schnabel. Verdammt! Ich habe versagt!

Der Vogel schrie, als Suc auf dessen Rücken landete, Chey war genau so überrascht, wie der gefiederte Jäger, der nun unter ihm vorbeischoss.

* * *

Suc besaß Kriegerehre, im Kampf zu fallen, Auge in Auge mit einem ebenbürtigen Gegner: Das war es, wofür ein Krieger lebte. Von einer Bestie zerfleischt zu werden, war dagegen ehrlos. Er hatte zugesehen, wie der Garuda sich die Weibliche griff, dann aber abgelenkt wurde, und nun seinen Gegner anvisierte.

„Ich lass dir nicht meine Beute!“ brüllte er dem Garuda entgegen, ohne nachzudenken packte er mit der linken Hand an den Gürtel, holte tief Luft, löste die Verschlüsse, schwankte für einen Moment, ehe er sein Gleichgewicht wiederfand, sich mit der rechten Hand in der Spalte festhielt. Unter ihm spreizte der Garuda sein Gefieder, bremste, um seinen Gegner anzugreifen.

Jetzt!

Suc sprang, sah dabei in die unendliche Tiefe, einen Atemzug lang, dann prallte er auf den Rücken der Bestie, sofort krallte er nach den Federn, klammerte sich fest, seine Axt fiel in die Tiefe, während die Bestie kreischte, dann durchsackte, ihre Beute verfehlte. Die Federn schnitten in Sucs Hände, er verdrängte den Schmerz, der Vogel schüttelte sich, wollte seinen Reiter unbedingt loswerden. Suc klammerte sich verzweifelt fest, rutschte nach oben, wollte zum Hals der Bestie. Nur nicht an den Abgrund denken.

Kurz erhaschte er einen Blick auf den in den Seilen hängenden Chey Ten, er musste grinsen, trotz des Wahnsinns, weil er dessen ungläubige Miene sah. Suc setzte sich wie ein Reiter auf, der Schnabel des Garuda bewegte sich hektisch hin und her, er hatte wieder seine ursprüngliche Beute im Visier. Als er Suc auf dem Garuda entdeckte, hob Chey kurz die Hand, umklammerte aber weiter sein Schwert, er war bereit zum Schlag.

Suc Feisal wusste, dass er sich nicht mehr lange auf dem Vogel halten konnte, es war seine letzte Chance, etwas zu tun, er griff nach seinem Dolch.

Was braucht ein Krieger mehr?

Die Linke hielt sich am Federkleid fest, er holte mit aller Kraft aus, stieß mit dem Dolch zu, traf den Hals, sofort gab es eine tiefe Wunde, aus der Blut sprudelte. Der Vogel kreischte erneut, ließ sich aber nicht aufhalten, er stürzte wieder auf Chey Ten zu, wollte ihn sich schnappen. Suc Faisal stieß wie ein Wilder wieder mit dem Dolch zu, diesmal aber blieb die Waffe stecken. Altvordere vergebt mir. Ich kann nichts mehr tun.

* * *

Chey Ten hob den Kopf, der scharfe Schnabel war riesig, zum Greifen nah. Jetzt! Sein Schwert zuckte nach vorne, die Spitze traf den Hals, ein Schwall Blut schoss hervor, sprudelte über Chey Ten, wieder war der Vogel vorbeigeschossen, immer noch waren keine Wächter in Sicht. Der nächste Angriff musste entscheiden. Er erhaschte einen kurzen Blick auf die junge Frau, die aufgehört hatte, zu zappeln, aber immer noch von dem Vogel fest in den Krallen gehalten wurde. Und er sah Sucs Rücken, der Krieger krallte sich verzweifelt in das Federkleid. Jetzt waren sie keine Gegner mehr, sie waren ein Team. Dafür war das Publikum verschwunden, jetzt, wo es wirklich etwas zu sehen gab, einen ganz besonderen Kampf. Chey sah nun die Wende des Garudas, er kam wieder in seine Richtung.

„Hast du noch nicht genug?“

Suc wollte seinen Dolch, doch so sehr er auch zerrte, er bekam ihn nicht heraus, dafür kreischte der Vogel wieder, schnappte nach seinem Peiniger. Und er blutete heftig.

Chey Ten muss ihn erwischt haben. Gut so!

Er blickte nach vorn. Was für ein Hartschädel!

Er sah, wie Chey Ten wieder mit dem Schwert zustieß, dann das Schwert losließ, weil der Vogel die Krallen öffnete. Chey griff zu, erwischte die Weibliche im letzten Moment. Das Blut wirkte wie Öl, er bekam sie kaum in den Griff. Doch er hielt sie wie mit Stahlklammern fest. Die Weibliche schrie, auch sie blutete, dann spürte er ihre weichen Hände auf seinem Arm. Gemeinsam überschlugen sie sich in der Luft, pendelten über dem Abgrund.

„Lass mich nicht los!“, wimmerte die Weibliche, blickte in das verzerrte Gesicht von Chey, seine Muskeln brannten, aber er hielt sie weiter fest.

Wo ist ...

Er blickte auf, sah nun, wie der Garuda unkontrolliert flatterte, dann in die Tiefe stürzte, auf dessen Rücken hielt sich immer noch Suc fest, er schien ihm zu winken zum Abschied. Denn sein Schicksal war besiegelt. Mit dem Garuda starb sein Gegner, aber auch ein Mann, der sich mutig in den Kampf eingemischt hatte, ehrenvoll und selbstlos, wie ein wahrer Held. Der Name Suc Faisal würde den Sodoranern im Gedächtnis haften bleiben. Chey Ten spürte seine Glieder nicht mehr, er war der Ohnmacht nahe, als sich sein Si-Seil in Bewegung setzte, über die quietschenden Seilwinden zogen ihn nun Helfer in die Höhe. Seine Muskeln verkrampften sich. Ich lass sie nicht los.

Sein Blick wurde trübe, dann verließen ihn endgültig die Kräfte, die Weibliche glitt ihm aus den Händen. Er sah noch ihren ungläubigen Blick. Dann sackte er bewusstlos zusammen.

* * *

Wie aus einem Nichts erwachten seine Sinne aus tiefer Bewusstlosigkeit. Erst als er die Augenlider öffnete, spürte er die pochenden Schmerzen, als würde jemand mit einem Hammer sein Gehirn zerstören wollen. Auch das Licht blendete ihn. Dabei war der Raum in mildes Licht getaucht, nach und nach nahm er die Umgebung wahr, wie eine Mixtur aus undefinierbaren Konturen, hellen und dunklen Farbklecksen und kaum erkennbaren Bewegungen. Es war eine undeutliche Welt aus Schwarz und Weiß.

Allmählich verwandelte sich die konturenlose Welt in die Umgebung, wie er sie in Erinnerung hatte. Reflexartig hob er die rechte Hand und fuhr sich durch das Gesicht, die Schlitze über seinen Augen waren geschlossen und deshalb kaum zu spüren, als wären sie gar nicht vorhanden. Über seine dünne Nase und den Mund hatte einer der Helfer eine Sauerstoffmaske gestülpt, sie roch nach verbranntem Fleisch. Ihm wurde übel. Mit einem Ruck riss er sich die Maske vom Mund, schnappte nach Luft.

Er ruhte auf einer Liege, die Erinnerung kehrte zurück wie eine Welle: Der Kampf! Der Garuda! Die Weibliche!

In verschwommenen Bildfetzen sah er Suc Faisal zusammen mit dem Garuda auf dem Boden der tiefen Roac-Schlucht sterben, dann drängte sich die vor Angst verzehrte Miene der Weiblichen auf. Sie war hübsch gewesen, mit leuchtenden grünen Augen.

Chey Ten gab sich Mühe, sich auf der Liege aufzurichten, seine Knochen schmerzten, das Pochen im Kopf schien nicht aufhören zu wollen. Er sah sich um, der Raum hatte graue Wände, Geräte gaben summende Geräusche von sich, Schläuche und Leitungen verbanden verschiedene Aggregate.

Ich bin auf der Krankenstation!

In diesem Augenblick öffnete sich die Tür, ein dunkel gekleideter Mann betrat den Raum, näherte sich ihm mit leisen, vorsichtigen Schritten, dann trat er an sein Bett und betrachtete ihn. Das Gesicht kam ihm nicht bekannt vor, es war ein Fremder, er trug das typische dunkelblauen Gewand eines Beraters der sodoranischen Regierung.

Ein Staatssekretär, dachte Chey Ten, war völlig überrascht über diesen hohen Besuch.

„Mein Name ist Matre Mont, ich komme im Auftrag unseres Regierungspräsidenten Torak Kien und dem Rat der Ältesten von Sodor“, sagte der Besucher. Seine Stimme klang ungewöhnlich tief. „Krieger, ich möchte dir meine aufrichtige Bewunderung für den Kampf in der Arena aussprechen, den ich mit Spannung verfolgt habe. Auch wenn dieser Wettstreit eine ... äh ... unangenehme Wendung nahm. Es ist nicht übertrieben, wenn ich auch im Namen des Präsidenten Torak Kien dessen Bewunderung für dich aussprechen darf, Chey Ten!“

Chey Ten stöhnte leise, doch er spürte nun, wie die Schmerzen abnahmen, sich in ein leises Säuseln verwandelten. Sogar das heftige Pochen in seinem Schädel schien zu versiegen, zumindest spürte er es nicht mehr so intensiv wie beim Aufwachen. Fast kam es ihm vor, als besäße der Fremde die Macht, Schmerzen mit einem Auflegen der Hände zu verscheuchen.

„Das Volk von Sodor feiert dich als Held!“

Chey Ten schüttelte den Kopf, dann lehnte er sich vorsichtig mit dem Rücken gegen die Kopfstütze des Bettes. „Was habe ich schon dazu beigetragen“, erwiderte er stockend, dann holte er tief Luft. „Nicht mal meinem Gegner konnte ich etwas entgegensetzen, dennoch liegt er jetzt zerschmettert in der Roac-Schlucht! Nein, das war kein ehrenhafter Kampf! Und die Weibliche ... ich ... wollte sie retten, aber ich habe es nicht geschafft!“

Er schüttelte den Kopf, ignorierte die Schmerzen, der Besucher verzog seine Lippen zu einem Lächeln, ganz kurz. „Krieger, du hast sie gerettet, erinnerst du dich nicht mehr?“ Chey Ten nickte mit dem Kopf, zum Zeichen der Verneinung.

Ich hab wohl einiges nicht mehr mitbekommen.

Erst jetzt bemerkte Chey Ten das hohe Alter des Staatssekretärs, das Gesicht war mit unzähligen Falten durchsetzt. Unter dem rechten Auge stach eine runzelige Warze hervor. Die Schlitze über seinen Augen waren dünne, als hätte sie jemand mit einem scharfen Skalpell hineingeschnitten. Die Augen darunter wirkten trübe, waren vom Alter gezeichnet. Dennoch spürte Chey Ten eine seltsame Vertrautheit zwischen sich und Matre Mont, der ihn durchdringend anblickte.

„Das Volk steht hinter seinen Helden und verehrt sie, du hast dieser Weiblichen wirklich das Leben gerettet. Dabei handelte es sich nicht um irgendeine Weibliche. Und Suc’Faisal spielt keine Rolle mehr, auch wenn er an der Rettung beteiligt war. Sein Körper liegt zerschmettert am Grund der Schlucht, wo zahlreiche Kämpfer ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Nein, du bist der große Retter“, sagte der Staatssekretär mit sonorer Stimme.

„Wer ist diese Weibliche?“, erwiderte Chey Ten. Ein dunkler Schleier lag über seinen Erinnerungen. Dann zeichnete sich in blassen Farben und Zügen das hübsche Gesicht der jungen Weiblichen ab. Ganz nah war ihr Gesicht, als sie sich an ihn klammerte.

„Bei ihr handelt es sich um die Tochter unseres Regierungspräsidenten, Tera Kien. Vielleicht hast du schon von ihr gehört. Torak Kien ist dir zu unendlichem Dank verpflichtet.“

Der Name sagte ihm natürlich etwas, auch wenn er sich nicht um politische Dinge kümmerte. Aber jedes Kind auf Sodor kannte den Kien-Clan, Torak Kien war allgegenwärtig! Er regierte zusammen mit dem Rat der Ältesten auf Sodor. Chey Ten wusste, dass man dem Regierungspräsidenten hinter vorgehaltener Hand nachsagte, er spioniere seine politischen Gegner mit seiner verlängerten Hand, der Geheimpolizei, aus, setze jeden unter Druck, wenn es seinen Zielen dienlich war. Das war der schale Beigeschmack, wenn er an Torak Kien dachte. Es dauerte einige Momente, bis Chey Ten die Worte des Alten in Gedanken verarbeitet hatte. Die Tochter des Regierungspräsidenten! Er konnte es kaum glauben. „Aber wie wurde sie gerettet?“

So erfuhr er, dass er im Moment, als er die Weibliche losgelassen hatte, nicht mehr über dem Abgrund geschwebt hatte, sondern nur noch wenige Parts über dem Plateau. Wächter hatten sie dann aufgefangen.

„Und warum haben die Wächter nicht zuvor eingegriffen, als sie in den Klauen des Garudas hing?“

Matre Mont schaute ihn streng an. „Wie denkst du dir das? Hätten sie versuchen sollen, den Garuda mit einem Gleiter zu rammen? Oder ihn beschießen? Nein, das Risiko war zu groß, niemand hatte eine Idee, wie er die Weibliche hätte retten können. Da brauchte es schon Helden.“

Chey Ten wischte alle Gedanken beiseite. „Und was passiert jetzt?“

„Torak Kien will dem Helden, der seine Tochter vor dem sicheren Tod bewahrt hat, eine hohe Auszeichnung zukommen lassen, die nur selten verliehen wird. Aber diese Ehre ist mit einem verantwortungsvollen Auftrag verknüpft, der über das Schicksal der Sodoraner entscheiden wird.“ Matre Mont sah ihn scharf an, Chey Tens horchte auf, während der Alte nach einer kurzen Atempause weiterredete, ohne auf einen Einwand zu warten. „Dieses Medo-Center wird von zivilen Regierungssoldaten und elektronischen Spürhunden überwacht, nicht einmal ein Insekt würde unbemerkt hier hinein- oder hinauskommen. Was ich dir zu unterbreiten habe, es muss unter uns bleiben, nicht ein einziges Wort darf diesen Raum verlassen, du musst also schweigen. Versprich es mir, Held von Sodor!“

Chey Tens Augen weiteten sich, er war überrascht, zugleich war seine Neugier geweckt.

„Deshalb frage ich dich, Chey Ten, bist du einverstanden, dass wir dieses Treffen unter höchster Geheimhaltung abhalten? Bist du nicht einverstanden, dann werde ich diesen Raum unverzüglich verlassen, dieses Treffen hat dann nie stattgefunden. Die Entscheidung liegt bei dir. Und noch eines: Sollte das Gespräch zwischen uns nicht nach meinen Vorstellungen ablaufen, werde ich die Erinnerung daran aus deinem Gedächtnis löschen! Es wird nichts aufgezeichnet oder protokolliert.“ Scharf blickte Matre Mont sein Gegenüber an, Chey Ten spürte, dass der Alte es ernst meinte, fügte sich mit einem Nicken, die Schlitze über den Augen des Alten bewegten sich leicht. Und Chey Ten wurde wieder einmal schmerzhaft bewusst, dass seine Fähigkeiten seit Geburt an verkümmert waren. Matre Mont dagegen schien über sehr ausgeprägte Fähigkeiten zu verfügen, mit denen er andere Individuen beeinflussen konnte, scheinbar beherrschte er darüber hinaus noch weit mehr als Hypnose. Nicht jeder Sodoraner entwickelte diese Fähigkeiten, manche besaßen nicht einmal mehr die Schlitze über den Augen. Chey Tens mentale Fähigkeiten waren kaum als solche zu gebrauchen, so sehr er sich auch anstrengte, er hatte nie die Fähigkeit entwickelt, andere zu beeinflussen.

Nicht mal die verdammte Bestie konnte ich abhalten!

Chey Ten hob jetzt die rechte Hand. „Ich stimme zu, wenn mir daraus keine Nachteile entstehen!“ Seine Stimme klang unsicher, aber was hätte er tun sollen? Der Alte hatte einen ganz besonderen und sicher gefährlichen Auftrag zu vergeben, der Auftrag sollte von ihm, dem neuen Helden, ausgeführt werden. Aber was konnte es geben, was nicht von den unzähligen Helfern Kiens erledigt werden konnte?

Matre Mont wandte seinen Blick ab, ging leise zwei Schritte, wandte sich um und starrte für einen Moment aus dem Fenster, durch das diffuser Lichtschein drang, es ließ die Umgebung beinahe unwirklich erscheinen. Der Alte atmete tief ein und aus, bevor er sich wieder Chey Ten zuwandte. Mit einer Geste zupfte er an dem Stehkragen seines langen Gewandes, versuchte den störrischen Kragen ordentlich aufzurichten, aber der Stoff war widerspenstig. Mit einem Seufzen gab Matre Mont sein Unterfangen auf, richtete seine volle Aufmerksamkeit dem Helden von Sodor zu, der ganz unheldenhaft wieder auf der Medoliege ruhte.

„Ich will mich kurzfassen: Bisher dachten wir, dass wir alleine im Universum existieren, alleine in diesem unendlichen Reich der Sterne. Nie entdeckten unsere Wissenschaftler auch nur den Hauch eines fruchtbaren Keims des Lebens, all die Forschung und Suche im schwarzen Nichts hat keinen einzigen Beweis für anderes Leben außerhalb unseres Sonnensystems finden können.“ Matre Mont legte eine kurze Pause ein. „Bis vor kurzem!“

Der Alte machte es spannend, für Chey Tens Geschmack bauschte er das, was er sagen wollte, zu sehr auf. Seine Rede ähnelte der Stimmlage und Betonung eines Wanderpredigers.

Nun mach schon, Alter.

„Ein fremdes Raumschiff hat sich Sodor genähert, es umkreist unsere Heimat in einem sicherem Abstand. Im Verhältnis zu unseren bescheidenen Schiffen besitzt es gigantische Ausmaße, es ist wirklich unvorstellbar groß!“ Matre Mont hob wieder seine Stimme, stellte dabei Chey Tens Geduld auf eine harte Probe. „Einige unserer Piloten haben vorsichtige Erkundungsflüge durchgeführt, sie waren sehr beeindruckt von dem Schiff. Eine Intelligenz nahm dann Kontakt mit uns auf. Es handelte sich um eine männliche Stimme, sie beherrschte unsere Sprache! Das hat uns einen heftigen Schock versetzt, wo wir uns doch ganz alleine im Kosmos wähnten.“

Chey Ten hatte für einen Moment das Gefühl, keine Luft mehr zu bekommen, sein Herz pochte schneller. „Aber ...“, wollte er ansetzen, doch mit einem herrischen Wink brachte ihn der Staatssekretär zum Schweigen. Er gehorchte und presste die Lippen aufeinander.

„Das Wesen sprach Sodoranisch, wie ich sagte. Die Intelligenz kommunizierte dann mit uns über unsere Regierungscomputer. Noch ist es ein Rätsel, wie das Wesen überhaupt Zugang zu unserem abgeschirmten System finden konnte. Jedenfalls erreichte uns die Nachricht verschlüsselt, aber der Code war keine Herausforderung für unsere Spezialisten. Der Text war eindeutig. Kurz gesagt: Er oder Es fordert unsere Hilfe! Wenn wir nicht bereit dazu sind, ihm die Hilfe zu gewähren, wird unser Heimatplanet nicht mehr lange existieren. Ich bin sicher, die Botschaft ist ernst gemeint, obwohl einige Räte und Militärs die Drohung als absurd bezeichnen.“

Matre Mont trat wieder nahe an die Medoliege heran, die Schlitze zuckten. Fast schien es, als wollte er mit seinen mentalen Kräften in Chey Tens Gedanken eindringen. Und Chey Ten hätte sich nicht wehren, keine geistige Blockade aufbauen können. Die Augen des Alten waren dunkel wie ein Brunnenschacht, einige Augenblicke tat er nichts weiter, als seinem Gegenüber tief in die Augen zu schauen. Chey Ten hätte den Alten am liebsten von sich gestoßen. Der Alte schüttelte mit dem Kopf.

„Unser Regierungspräsident glaubt, du bist der Richtige für die Mission, aber vielleicht irrt er sich auch!“

Chey Ten sprang auf. „Spannt den Bogen nicht zu weit, Matre Mont. Ich will endlich wissen, um welches Spiel es sich hier dreht! Was für eine Mission soll das sein?“

Doch einmal mehr wich der Alte aus. „Er droht mit der Vernichtung von Sodor, das dürfen wir nicht zulassen, da bin ich mit Torak Kien einer Meinung. Da wir nicht genau wissen, über welche Waffen er verfügt, oder über welche Kräfte, dürfen wir kein Risiko eingehen. Deswegen müssen wir ihm geben, was er verlangt.“ Der Alte räusperte sich. „Der Ältestenrat vertritt die gleiche Ansicht, dass Chey Ten, Held von Sodor, genau der Richtige ist für diese Mission ins Ungewisse: Du wirst den Fremden auf dessen Schiff aufsuchen!“

Chey Ten benötigte eine geraume Weile, bis Matre Monts Worte bis in seinen Verstand vorgedrungen waren. „Eine Mission ins Ungewisse“, murmelte Chey Ten vor sich hin. „Bis heute hatte ich noch keine Gelegenheit, ein Raumschiff zu betreten. Bei dem bloßen Gedanken daran wird mir übel!“

Der Alte schüttelte den Kopf. „Ich glaube nicht, dass du eine Wahl hast! Du bist der Held von Sodor. Das Volk liebt dich. Und Torak Kien wird dich zu seinem Werkzeug machen, ob mit oder ohne Gewalt. Eine Ablehnung wird er keinesfalls tolerieren. Beuge dich seinem Willen, sonst befürchte ich, ist nicht nur deine Karriere als Arena-Krieger beendet, sondern auch dein Leben.“ Matre Mont senkte seinen Blick zu Boden. „Du hast dein Schicksal in der Hand, aber es ist auch das Schicksal von Sodor!“ Für eine Weile schwiegen die beiden so unterschiedlichen Männer.

„Also gut“, erwiderte Chey Ten. „Erzählt mir endlich, was ich für eine Rolle spielen soll.“

Matre Monts Lippen verzogen sich zu einem dünnen Lächeln. „Der Plan ist, dich als Abgesandten an Bord eines Raumschiffs unserer Sternenflotte zu beordern und mit umfangreichen Vollmachten auszustatten, um im Namen unserer Regierung mit dem Fremden zu verhandeln. Deine Mission besteht darin, eine eventuelle Bedrohung von Sodor abzuwenden, wenn sie überhaupt existiert. Ich hege noch meine Zweifel, dies aber nur am Rande. Torak Kien hat dich für diese Aufgabe ausgewählt. Es ist eine sehr anspruchsvolle Mission für einen Arena-Kämpfer, für den politisches Taktieren und Verhandeln mehr als ein Fremdwort ist. Aber was soll’s!“

Chey brauchte wieder einen Moment, ehe er antwortete. „Ich weiß nur eines: Helden sterben oft jung. Ich könnte gut und gerne darauf verzichten, den Helden bei einer ungewissen Mission zu spielen!“

Matre Mont war wieder ans Fenster getreten, blickte hinaus. Er wirkte in diesem Augenblick gebrechlich, das diffuse Licht verstärkte diesen Eindruck. „Wie ich sagte: dir bleibt keine Wahl! Und nein: ich werde dich nicht mit meinen Kräften dazu zwingen, das würde Torak Kien nicht billigen. Er will, dass sein Held freiwillig diese Aufgabe übernimmt, du hast seine Tochter gerettet, deshalb hält er viel von dir. Willigst du ein, wird es nicht zu deinem Schaden sein.“

„Aber ich will nicht sein Werkzeug sein. Vielleicht plant er ja auch nur, mich und meine Beliebtheit unter dem Volk auszunutzen. Dabei weiß niemand, ob ich von dieser Mission lebend zurückkomme.“ Am liebsten würde er diesem alten Kerl an die Kehle springen, aber er hielt sich zurück und dachte über das Angebot nach. Vielleicht stellte es sich ja auch für ihn als nützlich dar. Eine Belohnung käme ihm gerade recht, da ihm seine Gläubiger auf den Fersen waren.

Gelingt die Mission, kann ich sie mit einem Lächeln locker bezahlen. Misslingt sie ...

„Also gut“, willigte er ein. „Ich werde die Aufgabe annehmen, aber nur unter einer Bedingung.“

Matre Mont weitete überrascht die Augen. „Ein schneller Sinneswandel! Welche Bedingung?“

„Ich möchte, abgesehen von meiner eigenen Belohnung, dass es auch Suc Faisals Familie gut geht, sie haben diesen schrecklichen Verlust erlitten. Ohne ihren Ernährer werden sie in Armut leben, das will ich verhindern. Ich bin es ihm schuldig. Sie benötigen ein Dach über den Kopf und ein Auskommen, sie sollen niemals Hunger leiden müssen!“

Matre Mont willigte ein. „Ich werde alles Nötige veranlassen. Sie werden versorgt werden, das verspreche ich! Was ist mit deiner Familie?“, wollte der Staatssekretär wissen.

Chey Ten zuckte mit den Schultern. „Ich habe keine Familie, ich kenne meinen Vater nicht, und an meine Mutter habe ich nur vage Erinnerungen.“ Mehr wollte Chey Ten zu diesem Thema nicht sagen, Matre Mont akzeptierte es.

„Ich bin Krieger. Mich kann man zum Arbeiten weder in eine Fabrik stopfen, noch kann man mich an einen Tisch setzen, um dumpfe Arbeit zu verrichten, also muss ich besondere Aufgaben annehmen, ich hoffe nur, dass die Mission auch lukrativ sein wird.“

„Aber ja doch“, erwiderte Matre Mont fast schon heiter. Sein Gesicht schien sich aufzuhellen. „Unser Regierungspräsident und der Ältestenrat werden dir die höchste Auszeichnung zukommen lassen, die einem Helden deines Formates zusteht. Du bekommst das Vermächtnis der Altvorderen. Es ist bereits viele Jahre her, dass jemand diese Auszeichnung erhielt. Es war lange vor meiner Zeit. Diese Auszeichnung ist mit Geld nicht aufzuwiegen. Torak Kien hat beim Ältestenrat durchgesetzt, dass dir eines der wenigen Heldenmesser verliehen wird, noch bevor du dich zu deiner Mission auf den Weg machst. Damit zeigt sich unser Regierungspräsident überaus erkenntlich. Du wirst in die Geschichtsbücher von Sodor eingehen.“

Chey Ten nickte, legte sich vorsichtig wieder auf die Medoliege, dabei durchzuckte ein Brennen seine Glieder. Er presste die Lippen zusammen. „Und jetzt geh. Ich benötige Ruhe“, presste er zwischen den Lippen hervor. Er wirkte plötzlich erschöpft. Er schloss die Augen und atmete tief ein und wieder aus. Die medizinischen Apparaturen, an denen er angeschlossen war, gaben ein rhythmisches Piepen von sich.

Matre Mont war mit dem Verlauf des Gesprächs zufrieden. Er wandte sich um, öffnete die Tür des Raumes, warf noch mal einen Blick auf die Gestalt des Helden von Sodor. Seine dünnen Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Dann ließ er die Tür leise ins Schloss fallen.

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