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Türchen Nummer 6: Winterliche und weihnachtliche Geschichten aus dem Kosmos der bedeutenden Frauen Wie kam Charles Dickens auf seine geniale Idee mit den Weihnachtsgeistern? Aus Weihnachtsduft und Erfindergeist. 24 Geschichten über berühmte Frauen
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© Piper Verlag GmbH, München 2023
Redaktion: Michaela Retetzki
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Cover & Impressum
Ada Lovelace – Es gibt keine Geister, Mr Dickens!
Ada Lovelace – Biografie
Inhaltsübersicht
Cover
Textanfang
Impressum
Agnes Imhof
England, 1843
Ein kalter, windiger Oktobertag neigte sich seinem frühen Ende zu. Bleigrau lag der Kanal von Bristol unter einem sonnenlosen Himmel, erzitterte in tausend kleinen Wellen. In der bleichen Ferne, wo die Küste von Wales zu erahnen war, schimmerten die Segel eines einsamen Dreimasters. Die felsige Steilküste von Somerset war das Refugium von Strandräubern und Schmugglern: Aus rohem Stein gefügte Türme im Abstand weniger Meilen verrieten, dass man noch immer diejenigen jagte, die Armut und Hunger in die Gesetzlosigkeit getrieben hatten. Endlos wie ihre Verzweiflung erstreckte sich das Meer nach Westen.
Ein paar zerlumpte Kinder waren auf dem Küstenpfad unterwegs, strebten vom Herrensitz Ashley Combe zurück zum Dorf Porlock. Müde und hungrig von einer Arbeit, die für ihr Alter viel zu schwer war. Aber Lord Lovelace baute nun einmal gern, und hier an der Küste gab es sonst nicht viel, womit man Geld verdienen konnte. Jetzt, da es bald dunkel wurde, kühlte es merklich ab. Zu Hause war es nicht viel wärmer. In den Feuerstellen glomm oft kaum mehr als ein Restchen Glut vor sich hin. Kohle war teuer geworden, für viele reichte es nicht mehr zum Heizen. Landeinwärts, bei dem einsamen sturmgeformten Baum hielt eine Reiterin. An ihrem kleinen Zylinder und ihren dunklen Schläfenzöpfen zerrte der Wind, und immer wieder bauschte er ihr blaues Reitkleid. Verloren blickte Lady Ada Lovelace den Kindern nach. Sie fühlte sich, als wäre sie eines von ihnen, die erschöpft und ohne Hoffnung in ein kaltes Zuhause stolperten.
Ihre trüben Gedanken verflogen, als sie einen Mann die Steilküste heraufkommen und einen Jungen ansprechen sah. Seine Kleider waren so oft geflickt, dass man kaum noch die ursprüngliche Farbe erahnen konnte. Die speckige Mütze hatte er weit in die Stirn gezogen, und er redete sichtlich laut. Ada kannte das Kind – Paul, ein Freund ihres eigenen Sohns Byron. Pauls Vater war erst kürzlich ums Leben gekommen. Sie erinnerte sich an die Begegnung mit der Küstenwache. Wir mussten einen Schmuggler erschießen. Einer von den vielen, die versucht hatten, mit verbotenen Waren so viel Geld zu machen, dass sie ihren Kindern zu Weihnachten Fleisch zu essen geben und vielleicht sogar etwas schenken konnten.
Der Mann redete weiter auf Paul ein. Der Junge schien ihm zu widersprechen, denn er wurde lauter und packte ihn am Ärmel.
Ein Schmuggler, der nun, da der Vater tot war, den Sohn in seine Bande holen wollte? Ada schüttelte den Kopf. Sie las zu viel Oliver Twist, von armen Kindern, die von gewissenlosen Verbrechern in Kriminalität und Elend gezwungen wurden. Aber war das so absurd? In diesen Zeiten passierte so etwas nur allzu oft. Entschlossen gab Ada ihrem Pferd die Sporen und galoppierte auf die beiden zu.
Als der Mann sie bemerkte, verschwand er zwischen den niedrigen Kiefern am Steilhang. Steine lösten sich und rollten noch klickend hinunter zur See, als Ada die Stelle erreichte. Der krautig bewachsene Boden dämpfte den Hufschlag, und der angespülte Tang auf den Felsen war bis hier herauf zu riechen. Der Junge verbeugte sich eifrig. Der Hauch des Pferdeatems war in der kalten Luft deutlich sichtbar.
»Hat dich der Mann belästigt, Paul? Was wollte er?«
Er presste die Lippen aufeinander, aber er hatte nicht gelernt, einer Lady gegenüber unhöflich zu sein. »Er wollte, dass ich etwas für ihn tue«, murmelte er.
»Etwas Gesetzloses?«
Er schielte zur Seite, hinaus aufs Meer, und trat unbehaglich von einem Bein aufs andere.
»Paul, wenn du einmal auf die schiefe Bahn gerätst, gibt es vielleicht kein Zurück mehr.«