Akzente im Alltag - Helmut Ludwig - E-Book

Akzente im Alltag E-Book

Helmut Ludwig

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Beschreibung

Kurze Geschichten die Anstöße geben, über Probleme nachzudenken, die sich dem Menschen der heutigen Zeit stellen. Es sind Fragen und Probleme, die von jedem einzelnen beantwortet werden sollten, denen sich also auch jeder einzelne zu stellen hat. Denkanstöße allein genügen nicht. Um wirksam zu werden, müssen sie praktiziert werden, indem der einzelne seine konkrete Verantwortung seinem Nächsten gegenüber erkennt und wahrnimmt.

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Seitenzahl: 90

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Akzente im Alltag

Kurzgeschichten

Helmut Ludwig

Impressum

© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Helmut Ludwig

Cover: Caspar Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-064-3

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

 

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Das eBook Akzente im Alltag ist als Buch erstmals 1976 erschienen. Zeitabhänge Angaben beziehen sich daher auf diese Zeit.

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Autor

Helmut Ludwig (* 6. März 1930 in Marburg/Lahn; † 3. Januar 1999 in Niederaula) war ein deutscher protestantischer Geistlicher und Schriftsteller. Ludwig, der auch in der evangelischen Pressearbeit und im Pfarrerverein aktiv war, unternahm zahlreiche Reisen ins europäische Ausland und nach Afrika. Helmut Ludwig veröffentlichte neben theologischen Schriften zahlreiche Erzählungen für Jugendliche und Erwachsene.1

1 https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Ludwig

Inhalt

Titelblatt

Impressum

Autor

Das Opfer von Manhattan

Das Todesurteil?

Die Transplantation

Der dritte Jahrestag des Unglücks

Der Ausreisser

Telefonseelsorge

Einfach weitergefahren!

Das Geburtstagsgeschenk

Er sagt: Alle Schwarzen sind gleich!

Die Zeitungsabbestellungen

Die Rechenschaft

Ein Interessenkonflikt

Wunderbare Rettung

Der Kran ist schuld!

Der perfekte Mord

Todsicher

Angst

Der Todeskandidat fühlt sich unschuldig

Der Totogewinner

Die Abschlussprüfung

Das Gesicht des Verräters

Unsere Empfehlungen

Das Opfer von Manhattan

»Feuer, Feuer!« Irgendwo in Manhattan brennt es wieder. Mit schrillen Signalen bahnt sich ein Löschzug mühsam den Weg durch die abendlich verstopften Avenues. Unter der zuckenden, tausendfach bunt aufleuchtenden Lichtreklame flutet der fast undurchdringbare Manhattan-Verkehr durch die Wolkenkratzerschluchten, deren Fahrbahnen um diese Zeit einer aufgeregten Ameisenprozession gleichen. Dauernd brennt es irgendwo auf der schmalen Halbinsel zwischen dem Hudson und dem East-River. Es ist ein Hotelbrand im zwölften Stockwerk, in einer Seitenstraße. Die hellen Flammen züngeln aus den zerborstenen Fenstern heraus und lecken zum letzten, dem 13. Stockwerk, empor. Ein wildgestikulierender Neger in einer admiralsähnlichen Uniform treibt die Neugierigen vom Hoteleingang weg. Als die Männer des ersten Löschzugs sich endlich durchgekämpft haben, ist es schon allerhöchste Zeit. Kommandos, schnelle Handgriffe, Motorenlärm und das Knacken der hochtastenden Leiter.

Der zweite Löschzug trifft ein. Ein Drugstore an der Ecke ist überfüllt. Die zusammengelaufenen Zuschauer benutzen das Schauspiel zu einem abendlichen Schnellimbiss. Polizei trifft ein und drängt die Kopf an Kopf stehende emporstarrende Menge zurück, aus der unmittelbaren Gefahrenzone heraus. Fieberhaft arbeiten die Männer der Wehr. Aus dem letzten Stockwerk fliegen Sachen, flattert Wäsche, vom plötzlich kommenden Aufwind gepackt, pendelnd zu Boden.

Da zerreißt ein gellender Frauenschrei das Stimmengewirr am Brandort. Und dann sehen sie es alle: Eine farbige Mutter mit zwei Kindern hängt im 13. Stock im Fenster und brüllt, wild mit beiden Armen fuchtelnd, irgendwas nach unten. Sie muss zurück, erscheint am Nebenfenster und jammert, immer wieder von der Hitze der sengenden Flammen zurückgescheucht.

Die Leiter tastet sich weiter aufwärts – Meter um Meter zittert sie an der Hauswand des brennenden Hotels empor. Die Menge tief unten am Boden des Hochhauses hat begriffen: Der schreienden Frau mit ihren beiden Kindern ist der Rückweg abgeschnitten. Der Lift funktioniert nicht mehr. Sie kommt nicht mehr hinunter! Im Augenblick verstummt der Lärm der durcheinanderfliegenden Stimmen und Kommandos. Alle starren gebannt nach oben, wo die schwarze Mutter eben wieder ins Innere des Zimmers zurückspringt, weil der vernichtende Atem der Glut zum 13. Stock emporschlägt. Ein gellender, ohnmächtig-verzweifelter Schrei … Die Leiter kommt näher. Zwei Feuerwehrmänner erklimmen die unteren Sprossen, während oben Meter um Meter sich fortpflanzt, bis das letzte Leiterstück einrastet, dicht unterhalb des 13. Stockwerks, seitlich vorbei an den prasselnden Flammen. Wasser wird knallend hinauf gejagt. Die Motorspritze dröhnt auf vollen Touren. Peitschend zischt der Strahl ins 12. Stockwerk. Qualm, beißender Rauch, dazwischen wieder helllodernde Flammenzungen.

Eine dramatische Rettungsaktion nimmt ihren Anfang. So etwas geschieht selbst in Manhattan nicht jeden Tag. Wird der aufwärtsklimmende Feuerwehrmann das letzte Stück bis zum dritten Fenster der 13. Etage überbrücken können? Es fehlt ein Stück. Die Leiter ist zu kurz! Eineinhalb Meter nur oder zwei … Die Zuschauermenge erstarrt, als sie erkannt hat, dass die Leiter nicht ganz ausreicht. Was nun? Dichter heranfahren? Die Leiter steiler ansetzen? Es geht nicht, dem Einsatzleiter der Wehr bricht der kalte Schweiß aus. Er vermag die Lage nüchtern abzuschätzen und kennt die Möglichkeiten seiner Männer und Maschinen, und er weiß: Es reicht nicht! Von der breiten Avenue kommen neue Zuschauergruppen. Es hat sich herumgesprochen in den wenigen Minuten … Und über allem Getümmel eine farbige Mutter, eine Negerin mit ihren beiden Kindern, die wimmernd in die schreckliche Tiefe starren. Springen ist aussichtslos. Kein Sprungtuch hält das aus!

Der zuoberst kletternde Rettungsmann erkennt: Es reicht nicht! Sie müssen verbrennen, wenn wir der Flammen nicht Herr werden. Qualmschwaden dringen aus dem Fenster des 13. Stockwerks, in dem die Frau zuerst erschien … Es geht um Sekunden. Ein Wettlauf mit dem Tod …

Dem Mann auf der Leiter krampft sich das Herz zusammen. Er hat schon viel erlebt. Aber wie er auf den letzten Sprossen, auf der winzigen obersten Plattform der Leiter, der völlig verzweifelten Frau gegenübersteht und in die Augen der Kinder schaut, so überläuft es ihn eiskalt. Fieberhaft überlegt er … Springen lassen und auffangen? Geht nicht! Selbst wenn er fangen würde, die Leiter bebt leicht und flattert oben ein wenig. Das würde der federnde Mechanismus nicht abfangen können. Der Mann reckt sich empor, streckt die Arme hoch hinauf! Es fehlt noch etwa ein Meter. Ich müsste auf den Rand der vibrierenden Plattform klettern, mich an die Hauswand lehnen, eine Brücke bilden, freistehend, ohne Schutz und Sicherung.

Der zweite Mann ist oben angekommen. Er sieht: Aussichtslos! Und dann erstarrt er, als er die Absicht seines Kollegen erkennt. Er will warnen, sagen, dass sich das Opfer für eine Schwarze nicht lohnt, dass es schiefgehen wird, dass er hinunterstürzen muss, frei, ohne Sicherung auf schwankendem Plattformrand … Die Angst um den Kameraden presst dem zweiten Mann die Kehle zu. Er hat schon harte Situationen erlebt. Aber das hier? Der Retter setzt sein Leben aufs Spiel! Er riskiert alles um einer Schwarzen willen. Tief unten steht schweigend und entsetzt die Menschenmenge und verfolgt das Schauspiel auf dem Gipfel der Leiter!

Vom Hudson dröhnt der dumpfe Lärm einer Schiffssirene herüber. Da hat der Mann auf der obersten Plattform sich endgültig entschieden. Denn da ist eine Mutter mit zwei Kindern. Sie werden verbrennen, wenn nicht einer die Kluft überbrückt. Die Leiter schwankt leicht, als der Mann auf der Plattform sich auf den Rand der Sicherheitsstrebe schwingt, sich aus der Hocke langsam, Zentimeter um Zentimeter, an der rauen Hauswand emporgreift. Die schwarze Mutter hat begriffen. Ihre Augen quellen angstvoll weit hervor. Die rettenden Hände kommen näher und erreichen schließlich bei ausgestreckten Armen das heiße Holz am Fensterbrett, krallen sich daran fest, dass eine Brücke des Menschenkörpers sich zum Fenster zur Umzäunung der Plattform wölbt. Keine Kommandos kommen mehr von unten herauf. Der zuckende Flammenschein beleuchtet gespenstisch die Szene, als der Negerjunge, von der zitternden Mutter unterstützt, sich aufs Fenstersims schwingt. Drüben knistert das Wasser in die Flammen. Der farbige Junge klettert auf die Schultern der Menschenbrücke … Nur nicht nach unten sehen! Nur nicht die Nerven verlieren. Der Retter beißt die Zähne zusammen. Wird seine Kraft ausreichen?

Der Kamerad steht auf der Plattform und fasst zu, stützt, hilft, umklammert die Fußgelenke des Brückenbauers. Der Junge rutscht behände und mutig tiefer, der rettenden Plattform zu. Dann hat er sie erreicht. Die atemlose Spannung weit da unten zerreißt, bricht sich in zustimmenden Rufen Bahn und brandet empor. Der Brückenbauer fühlt das Nachlassen seiner Kraft.

Das zweite Kind, ein lockenhaariges Mädchen mit der aschgrauen Angst im Gesicht, klettert dem geretteten Bruder nach, zitternd, fiebernd vor Entsetzen und Grauen … und erreicht auch die rettende Plattform.

Die Kinder sind in Sicherheit. Jetzt die Mutter!

Der Retter spürt seine Hände nicht mehr, als die Frau auf seine Schultern steigt und über ihn hinweg dem neugeschenkten Leben zustrebt.

Dann ist es vollbracht. Der Retter hört nicht mehr die Jubelrufe der Menge. Er versucht den Rückweg, langsam, loslassen, die Wand … tiefer, abwärts greifen … Die Hände … sie wollen nicht mehr gehorchen … Die Leiter schwankt leicht … festklammern an der Wand … Drei Menschen sind gerettet, am Leben … Der Retter zittert, greift nach, da … er rutscht, fasst noch einmal zu, packt ins Leere, stürzt… Ein Schrei der Menge … Aus! – Drei Menschen sind gerettet. Einer ließ dafür sein Leben.

Das Todesurteil?

Sie machte sich selbst die bittersten Vorwürfe und war am Ende ihrer Kräfte. Warum hatte sie den Arzt gedrängt, ihr die ganze Wahrheit zu sagen? Warum war es nicht bei der barmherzigen Lüge geblieben? Sicher hatte es der Arzt zuerst nur gut mit ihr gemeint, als er auswich, vertröstete, sich nicht festlegen lassen wollte. Er hatte gesagt: Seien Sie gefasst und vernünftig, Frau Hermann; es muss nicht bösartig sein. – Aber sie hatte gedrängt, wollte es genau wissen. Und nun kamen wieder diese Fragen, die sie immer versucht hatte zu unterdrücken: Was hatte ihr Leben noch für einen Sinn? Warum hatte sie keine richtige Aufgabe mehr? Ihr Sohn war untergetaucht, lebte seit Jahren in der Legion auf Korsika und schrieb nur selten. Sie hatte ihn sehr geliebt, aber sie hatte ihn zu sehr behüten wollen. Sie wollte ihn solange wie möglich als Kind im Hause haben und hatte jede Selbständigkeit verhindert. Und er ließ sich gerne bevormunden – er war es nicht anders gewöhnt. Als er dann vor selbständige Entscheidungen gestellt war, versagte er. Als das Kind unterwegs war und ihm ein Prozess wegen Verführung einer Minderjährigen drohte, tauchte er in der Legion unter und ließ seine Mutter ganz allein zurück.