Der Vermummte von Sartène - Helmut Ludwig - E-Book

Der Vermummte von Sartène E-Book

Helmut Ludwig

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Beschreibung

In den Händen der Banditos Wie in einem Krimi spielt sich die harmlos beginnende Story ab: Axel Sonntag und sein Sohn Bernd möchten in den Ferien einen interessanten Urlaub in Sardinien erleben. Sie entdecken eine sozial zwiespältige Welt, in der Arme nach eigenen Moralgesetzen ihrem Elend durch Verbrechen zu entgehen suchen. Plötzlich werden die beiden damit hautnah konfrontiert … Abenteuer auf Sizilien Eine Jugendgruppe begibt sich auf große Fahrt. Dabei lernen die jungen Menschen nicht nur Land und Leute nebst Geschichte und Gegenwart eines alten Kulturkreises kennen – sie werden Zeuge eines Fememordes an einer Terroristin. Ein spannendes Abenteuer beginnt … Wo steckt Ibo? In der Nähe der alten Lagunenstadt Venedig an der Adria schlägt eine deutsche Jugendgruppe ihre Freizeitzelte auf. Unbeschwerte Ferientage erleben sie – bis die Sache mit Ibo passiert. Aber durch die Bibelarbeiten wird das aufregende Geschehen für viele zu einem Reden Gottes, das ihr Leben nachhaltig beeinflusst. Der Vermummte von Sartène Endlich ist es soweit: Fast 50 Jungen und Mädchen treten die lange geplante, abenteuerliche Osterfahrt zur französischen Mittelmeerinsel Korsika an. Schon die Busfahrt über die noch schneebedeckten Alpen in die wärmeren Regionen des Südens wird zu einem besonderen Erlebnis. Stark beeindruckt sind alle von der Prozession der »Geketteten« in der Nacht des Karfreitags. In eine ihn völlig verdeckende rote Kapuze gehüllt und barfuß trägt der »Große Büßer« ein schweres Kreuz durch die engen Gassen der Stadt. Die Jungen und Mädchen dieser Osterfahrt erleben auf vielfache Weise, dass der auferstandene Christus auch heute noch Kraft hat, Menschen umzuwandeln und froh zu machen. 4 spannende Abenteuer in einem Band

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Der Vermummte von Sartène

4 spannende AbenteuerAbenteuer-Band 2

Helmut Ludwig

Impressum

© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe

Autor: Helmut Ludwig

Cover: Casper Kaufmann

ISBN: 978-3-95893-080-3

Verlags-Seite: www.folgenverlag.de

Kontakt: [email protected]

Shop: www.ceBooks.de

 

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Autor

Helmut Ludwig (* 6. März 1930 in Marburg/Lahn; † 3. Januar 1999 in Niederaula) war ein deutscher protestantischer Geistlicher und Schriftsteller. Ludwig, der auch in der evangelischen Pressearbeit und im Pfarrerverein aktiv war, unternahm zahlreiche Reisen ins europäische Ausland und nach Afrika. Helmut Ludwig veröffentlichte neben theologischen Schriften zahlreiche Erzählungen für Jugendliche und Erwachsene.1

1 https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Ludwig

Inhalt

Titelblatt

Impressum

Autor

ABENTEUER AUF SIZILIEN

1. Zwei Schüsse am Strand

2. Eine aufschlussreiche Entdeckung

3. Zu Gast beim Zwerg

4. Zwischenfall vor Neapel

5. Die Totenwelt von Savoca

6. Alle San Marco-Leute kamen

7. Kampf mit den Fluten

8. Traum der Italien-Reisenden: Taormina

9. Der Ätna ist der Größte

10. Die unheimliche Nacht

11. Abgesang einer großen Fahrt

1. Wie die »Kesselflicker«

DER VERMUMMTE VON SARTÈNE

2. Die Nacht im Heu

3. Fehlanzeige Genua

4. San Remo – Bastia und die Schiffsfahne

5. Von Löschflugzeugen, Legionären und einem idealen Zeltplatz

6. Der Krisenstab tritt zusammen

7. Der Beweis ist erbracht

8. Die Hochburg des prähistorischen Korsika

9. Der Vermummte von Sartène

10. Duft und Sonne über den Zelten

11. Die Fremdenlegion

1. Sardinien und die Sarden

IN DEN HÄNDEN DER BANDITOS

2. Zwei auf der Flucht

3. Entdeckung von oben

4. Abhängigkeiten?

5. Das Verhängnis nimmt seinen Lauf

6. Lösegeldforderung

7. Schreckliche, ungewisse Wartezeit

8. Der große Brand

9. Flucht

10. Wie alles endete

1. Klaus saß im Rollstuhl

WO STECKT IBO?

2. Die Rast an der Kanzelkehre war vorüber

3. Die Mikrofonansage vom Boss riss Klaus aus seinen Gedanken

4. Auch im Schlafraum der Mädchen war ganz schnell Ruhe eingekehrt

5. Die Berge wurden deutlich flacher

6. Als auch die letzte Strecke geschafft war

7. Schließlich waren alle um den Holzstoß versammelt

8. Dann kam die Zeit des Wartens

9. Ibo, der die Dinge wohl am Rande mitverfolgt

10. Als schließlich der Arzt eintraf

11. Der Besuch der Lagungenstadt

Unsere Empfehlungen

ABENTEUER AUF SIZILIEN

1. Zwei Schüsse am Strand

Ober tausend Zelte und Wohnwagen füllten den großen Campingplatz bei Civitavecchia am schwarzen Strand des Tyrrhenischen Meeres. Das ist jener Teil des Mittelmeeres, der zwischen Italien, Korsika, Sardinien und Sizilien liegt.

Einige der Gruppe waren mit ihrem Jugendpfarrer Gerd Schmidt anlässlich einer abenteuerlichen Sardinien-Fahrt vor drei Jahren schon einmal auf dem schwarzen Sandplatz von Civitavecchia gewesen, hatten die Zelte am Strand aufgebaut und waren dann mit dem Schiff vom Hafen Civitavecchia aus zum sardischen Hafen Porto Torres durch das Mare Tirreno gekreuzt.

Zwischen dem Platzwart Signor Gino und der Gruppe hatte sich nach der Sardinien-Fahrt ein Briefwechsel ergeben, weil Signor Gino von der Gruppe sehr angetan war.

Nun waren sie in einer neuen Zusammensetzung – einige standen inzwischen im Beruf oder im Studium, andere waren mit ihren Familien verzogen, neue Mitglieder waren hinzugekommen – wieder auf dem schwarzen Sandstrand von Civitavecchia gelandet. Die Gruppe war diesmal auf großer Fahrt nach Sizilien. Vierundfünfzig junge Leute waren es mit dem Busfahrer Pussel und Pfarrer Gerd Schmidt. Der große Bus war bis zum letzten Platz besetzt. Zelte, Verpflegung und Kücheneinrichtung befanden sich im Zweiachshänger, der dem Bus angekoppelt war.

Bus und Hänger standen abseits der Zelte auf dem Camping-Parkplatz. Pfarrer Schmidt saß mit einigen Mitarbeitern, dem Bürgermeister der Heimatgemeinde, mit dem ihn jahrelange Freundschaft verband, mit der Küchenchefin der Gruppe, Frau Steuber, und mit der Lagerwache am Lagerfeuer, das heruntergebrannt war. Der sardische Platzwächter, in dunkelblauer Uniform und mit einer großen Pistole im Halfter, drehte seine nächtlichen Wachrunden auf dem ausgedehnten Platz und kam zwischendurch immer wieder ans Lagerfeuer, um sich kurz aufzuwärmen; denn die Sommernacht am Tyrrhenischen Strand war kühl. Vom Meer wehte eine leichte Brise.

Die Gruppe am Lagerfeuer diskutierte verhalten, damit die naheliegenden Zeltbewohner nicht im Schlaf gestört wurden. Der Mond war wolkenverhangen. Einige Sterne leuchteten am Himmel. Vor dem »Großen Wagen« war auch eine Wolke aufgezogen. Die »Kassiopeia« aber war deutlich zu erkennen. Pfarrer Schmidt erklärte Bernd gerade das Sternbild der Kassiopeia-Gruppe. Das Gespräch kam auf die vier Himmelsrichtungen. »Und wo liegt Rom?« wollte Bernd wissen.

»Rund 80 km in südöstlicher Richtung ist die ›ewige Stadt‹«, antwortete Bürgermeister Martin. »Genau im Westen von uns liegt Korsika, wo wir vor zwei Jahren das letzte Mal die Zelte aufgeschlagen hatten. Südwestlich von Civitavecchia liegt Sardinien.«

Der Platzwächter mit der großen Pistole horchte auf beim Stichwort »Sardinien« und wiederholte, was die meisten hier am Feuer wussten: »Sardegna, meine Heimat, bella, bella Sardegna!«

Pfarrer Schmidt klopfte ihm bestätigend auf die Schulter: »Si, si: Bella Sardegna!«

Hotti, der eigentlich Horst hieß, fröstelte, stand auf und kramte leise seine Perlon-Windjacke aus dem Zelt. Hotti und Heido hatten noch über eine Stunde Wache zu halten, bevor die Ablösung geweckt wurde. Der sardische Platzwächter freute sich über Gesellschaft beim Wachhalten.

Bürgermeister Martin schob vom trockenen Pinien-Holz, das sie am frühen Abend zusammengetragen hatten, etwas nach, so dass das Feuer wieder aufloderte.

Nun waren sie schon einen ganzen Tag und eine halbe Nacht auf dem Platz. Es war die erste Fahrtetappe nach Sizilien. Sie wollten morgen die alte Etruskerstadt Tarquinia mit ihren Geheimnissen, den Ausgrabungen und den merkwürdigen Totenstädten besichtigen. Richtige Häuser mit Wandbildern und großen Grablagern aus Stein hatte das geheimnisumwitterte Volk der Etrusker, frühe Bewohner Italiens im Süden der Toskana, der staunenden Nachwelt hinterlassen. Doch längst noch nicht waren alle Rätsel des Etrusker-Volkes gelöst.

Pfarrer Gerd Schmidt erzählte, Tarquinia mit seinen etwa 12000 Einwohnern liege nur 20 km nördlich von Civitavecchia auf einer aussichtsreichen Kalkbergtafel über dem Marta-Tal, 5 km vom Tyrrhenischen Meer entfernt. Die Teilnehmer der nächtlichen Feuerrunde waren auf den Besuch in Tarquinia ohnehin gespannt. Es gab da die Nekropole, eine große Totenstadt mit Sarkophagen, Vasen, Schmuck, Glas, Elfenbein-schnitzereien mit Reliefs, Grabbeigaben und alten Gemälden aus dem 6. bis 2. Jahrhundert vor Christus zu sehen. Neben dem Palast und dem Dom wollten sie die Reste des alten Tarquinia, der vornehmsten der 12 etruskischen Bundesstädte, 3 km vom heutigen Tarquinia entfernt, auf einem steinigen Hügel besuchen. Die ehemals 8 km lange Stadtmauer – für die damalige Zeit eine gewaltige bauliche Leistung – hatten die räuberischen Sarazenen im 8. Jahrhundert verwüstet. Nicht weit davon lag die erst 1823 entdeckte Nekropole, eine der besterhaltenen etruskischen Gräberstädte mit Grabkammern, die in Felsen gehauen waren, ähnlich den Gräbern zur Zeit Jesu im alten Palästina. Die Etruskergräber mit ihren malerischen Ausschmückungen geben Kunde von der etruskischen Kultur, aber auch von dem Glauben an ein Leben jenseits des Todes.

Bernd unterbrach die Schilderungen von Pfarrer Schmidt und fragte unvermittelt: »Mir fällt gerade ein, was ich schon gestern fragen wollte: Warum haben Sie eigentlich für diese Fahrt das Markus-Evangelium aus-gesucht? Gibt es dafür einen besonderen Grund, weshalb wir jeden Tag ein Stück des Markusevangeliums lesen und besprechen?«

Pfarrer Schmidt schaltete um von den alten Etruskern auf das Neue Testament und auf Bernd's Frage: »Das hat mehrere Gründe«, antwortete er. »Evangelium heißt ja frohe Botschaft. Man hat diesen Begriff, der damals unter Juden und Griechen bekannt war, für die Mitteilungen der Evangelisten Matthäus, Markus, Lukas und Johannes verwandt. Das Markus-Evangelium ist also die frohe Botschaft, die Markus überliefert hat. Das Wort Evangelium bedeutete ursprünglich die Ankündigung eines Königs. Das Alte Testament redet von Gottes Königsherrschaft; während die griechische Antike von der Herrschaft und dem Evangelium des Kaisers spricht. Das wird nun auf Jesus, den Christus Gottes, bezogen. Die drei ersten neutestamentlichen Evangelien Matthäus, Markus und Lukas haben manche Parallelen in ihren Aussagen, sogar im Wortlaut. Das Johannes-Evangelium nimmt eine Sonderstellung ein. Es ist sinnvoll, mit Markus zu beginnen, weil seine Aufzeichnungen den beiden anderen Evangelien, Matthäus und Lukas, zugrunde liegen. Man kann fast alle Abschnitte des Markus-Evangeliums bei Matthäus und Lukas wiederfinden, oft sogar in der gleichen Reihenfolge. Beide haben diesem ›Rahmen‹, der vom Markus-Evangelium stammt, ›Sondergut‹ aus ihrem Wissen hinzugefügt. Aber von allen Evangelien ist Markus am dichtesten an den Geschehnissen um und mit Jesus dran. Die Markus-Aufzeichnungen sind sehr frühen Datums. Die älteste Überlieferung hat wohl eine zweifache Form gehabt.«

Bernd unterbrach ihn: »Wie und woher weiß man das alles?«

Pfarrer Gerd Schmidt fuhr fort: »Man versteht das besser aus dem damaligen Judentum. Da gab es immer eine zweifache Überlieferung: Getrennt voneinander berichtete man die Taten der großen Gesetzeslehrer und dann ihre Lehre und Weisungen, also die Worte der großen Meister. Das war so üblich und entsprach einer langen Tradition. Für die Christen entstand aus dieser Tradition nachweisbar eine ähnliche Doppelung. Von der mündlichen Weitergabe kam es zu Aufzeichnungen. In der Missionspredigt musste deutlich gemacht werden, dass Jesus gelebt und Taten vollbracht hat wie Wunderheilungen, Totenerweckungen und andere mehr. Es wurden also Fakten berichtet. Das finden wir besonders bei Markus.«

Bernd wollte weiter wissen: »Und wie ist es mit den Worten Jesu?«

Pfarrer Schmidt legte Holz nach, damit die Glut neue Nahrung bekam und fuhr fort: »Den neugewonnenen Christen wurden Jesu Worte und Lehren eingeprägt als Weisungen für das persönliche Leben und die Gemeinschaft in der Gemeinde.

Die Wort-Quelle bestand in einer besonderen Überlieferung. Nach dem Begriff ›Quelle‹ nennen wir die Sammlung der Worte Jesu ›Q‹. Aus dieser Quelle kamen die Ergänzungen zu den Taten Jesu in die Evangelien. Das ist theologisch gesichert. Alle Pfarrer lernen das auf den Universitäten und in den Predigerseminaren. Übrigens arbeitet die Mission heute noch genauso: Sie berichtet vom Kommen Jesu und von seinen Taten. Damit gibt sie biblische Geschichte weiter und vermittelt außerdem Jesu Worte und Zeugnisse.

Matthäus und Lukas haben mit Sicherheit die Taten-Aufzeichnung des Markus gekannt. Sie haben aber auch eigene Zeugnisse und Forschungsergebnisse als ihr Sondergut miteingebracht. Sie sind also eine gute und bereichernde Ergänzung dessen, was Markus in seiner frohen Botschaft auf geschrieben hat. Er war zeitlich am dichtesten dran an den Ereignissen mit und um Jesus.«

An dieser Stelle unterbrach Heido den Pfarrer, den sie auch »Boss« nannten: »Ich finde das alles wunderbar. Man sollte es auch wissen, um das Evangelium noch besser verstehen und begreifen zu können.«

»Das war einer der Gründe, warum wir uns diesmal das Markus-Evangelium für unsere tägliche Bibellese und Bibelarbeit vorgenommen haben«, antwortete Pfarrer Schmidt.

Bürgermeister Martin, der für die Ordnung im Lager und unterwegs im Bus verantwortlich war und deshalb auch »Sheriff« genannt wurde, wollte wissen, wer denn nun Markus eigentlich sei.

Der Boss wusste auch darauf eine Antwort. Die Runde um das glosende Lagerfeuer, das langsam zu verglimmen drohte, hörte gespannt zu.

»Er ist der Sohn einer Maria, in deren Haus die Christen zusammenkamen, so ist es in der Apostelgeschichte nachzulesen. Paulus und Barnabas nahmen Markus als Reisebegleiter mit. Später trennte er sich von den beiden Aposteln. Doch einige Zeit danach gehörte Markus wieder zu dem Kreis der Männer um Paulus. Dafür gibt es drei Belege im Neuen Testament. Zuletzt begegnen wir Markus als Begleiter und Dolmetscher des Petrus in Rom.

Papias, der um 130 n. Chr. in Kleinasien Bischof war, schrieb über das Markus-Evangelium: Markus, der Dolmetscher des Petrus, schrieb alles das, dessen er sich erinnerte, genau nieder … Papias beruft sich für diese Nachricht auf einen Presbyter, einen Ältesten, der mit großer Wahrscheinlichkeit Johannes war, also aus der Generation der Apostelschüler stammt.

Als Zeit der Entstehung des Markus-Evangeliums darf man die ersten Jahrzehnte der christlichen Gemeinde annehmen. Die Zerstörung Jerusalems im Jahre 70 nach Christus ist nirgendwo im Markus-Evangelium erwähnt. Die Niederschrift war also mit Sicherheit davor. Wir nehmen dafür das Jahr 40 nach Christus an. Die Urgemeinde lebte in der Erwartung auf die Wiederkunft Jesu. Erst als diese sich nicht mit ihrer Naherwartung deckte, begann man für spätere Generationen alles schriftlich festzuhalten.«

»Gleich ist die erste Wachablösung«, warf der Sheriff ein. »Es wird Zeit, dass wir in die Zelte gehen. Morgen ist auch noch ein Tag.«

Die Runde um das niedergebrannte Feuer erhob sich mit einigem Stöhnen und kleinen Unmutsäußerungen. Jetzt, wo es so interessant war, abbrechen und schlafen gehen zu müssen!

Doch dann kam alles ganz anders. Urplötzlich zerriss ein Schrei die Nacht – ein gellender, in Todesangst ausgestoßener Schrei. Und dann bleckte ein Schuss auf und ließ die bisher ruhige Nacht platzen.

Der sardische Camping-Wachmann sprang auf, griff zum Revolver und rannte zum Parkplatz, um den Jeep des Campingplatzes zu starten und zum Strand zu fahren, von wo der Schrei und der Schuss herkamen.

Die Runde um das Feuer stand zuerst verstört und geschockt da. Es folgte ein nochmaliger, schmerzerfüllter Schrei in höchster Todesnot. Dann noch ein Schuss, der klatschend durch die Nacht bellte und den Schrei ersticken ließ.

»Mein Gott, da ist jemand erschossen worden!« Der Sheriff fand in der Sekunde des Schreckens als erster das Wort.

»Wir müssen hin und helfen!« rief Pfarrer Schmidt.

Die Jungen der Lagerfeuerrunde nahmen ihre Taschenlampen. In einigen Zelten wurde es unruhig. Einige schlaftrunkene Gesichter schauten heraus. Jemand fragte, was denn los sei.

Der sardische Wachtposten brauste mit dem Jeep heran. Der Boss stoppte ihn mit einer Handbewegung. Die Jungen und die beiden Männer sprangen in den Jeep und ließen Frau Steuber im Lager zurück. Das war keine Frauensache, der sie da entgegenfuhren.

»Meinst du wirklich, da ist jemand erschossen worden?« fragte Hotti und blickte Bernd ungläubig und erschrocken an.

Der zuckte mit den Schultern.

Der Jeep brauste in irrem Tempo über die schmalen Lagerstraßen. Einige erwachsene Camper waren nach draußen gekommen. Sie standen in Grüppchen zusammen und beratschlagten.

Der Sarde hatte den Platzwart vor dem Jeep-Start geweckt und gebeten, die Karabinieri zu alarmieren.

Nach einer kurzen rasanten Fahrt war der Jeep mit seiner Besatzung am Strand.

Sie stritten sich über die Richtung, aus der die Schüsse gekommen waren. Der sardische Wachmann entschied sich aus seiner Ortskenntnis heraus für das Gestrüpp, das links vom großen Platz dem Pinien-Hain vorgelagert war und den schwarzen Sandstrand begrenzte.

Der Sarde teilte seine Mannschaft in eine Schützenkette ein. Jeder hatte seine Taschenlampe dabei. Sie durchkämmten das dichte Gestrüpp, ohne eine Spur zu entdecken.

Hotti hatte ein rotes Handtuch gefunden. Das war alles.

Ratlos fanden sie sich an der anderen Seite des Gestrüpps wieder. Bürgermeister Martin warf ein, er hätte das Gefühl, dass der Schrei vom offenen Strand her gekommen sei. Auch die Schüsse seien nach seiner Meinung nicht aus dem Gestrüpp gekommen.

Inzwischen erreichten erste Camper den Strand.

Die Gruppe um den sardischen Wachmann sammelte sich und drehte zum Strand hin. Wieder ging man in Schützenkette vor, um eine möglichst breite Fläche abkämmen zu können.

Erneut war alle Mühe vergeblich.

Plötzlich hörte man Polizeisignale, deren Heultöne anders als in der Bundesrepublik klingen. Drei Wagen der Karabinieri bahnten sich mit Blaulicht den Weg über den großen Campingplatz von Civitavecchia bis hinunter zum schwarzen Sandstrand. Inzwischen war fast die ganze Platzbelegschaft auf den Beinen. In Windeseile hatten sich die Schreie und Schüsse herumgesprochen. Aus allen Wohnwagen und Zelten traten immer mehr Menschen verschlafen hinaus in die kühle Nacht am Tyrrhenischen Meer.

Hotti war übermüdet und hundeelend zumute. Der lange Tag unter der südlichen Sonne am Strand, die ausgedehnte Runde um das Lagerfeuer, dann die kalte Nacht und der Schrecken über die furchtbaren Schreie und die bellenden Schüsse, die ganz nah geklungen hatten, zeigten ihre Wirkung. Hotti spürte, dass er sich übergeben musste.

Er suchte nach einem der langgestreckten Wasch- und Toilettenhäuser, von denen es vier auf dem großen Platz gab.

Während die Polizei die Menge vom Strand zurückdrängte, um mögliche Spuren nicht zu verwischen, und Polizeihunde eingesetzt wurden, hatte sich die Menschenmenge am Strand zu einer Mauer verdichtet, die sich von den Polizeibeamten kaum dirigieren ließ. Hotti ging in das nächstgelegene Waschhaus und suchte die Toilette. In der Dunkelheit und bei seinem eigenen Durcheinander übersah er, dass er in den Damentrakt geraten war. Da stand er plötzlich vor der Leiche.

2. Eine aufschlussreiche Entdeckung

Hotti sah das Blut und die tote Frau, die noch so jung schien. Sie lag hingestreckt am Boden des Damenwaschraumes. Das Wasser über einem Becken lief noch. Rundherum war alles rot vom Blut.

Hotti stürzte in die nächste Kabine und übergab sich. Das war nun wirklich zu viel. Es kam ihm vor wie in einem Horror-Film, so schrecklich brutal und böse.

Hotti ließ kaltes Wasser über sein Gesicht laufen und stürzte nach draußen. Er lief nicht zu Pfarrer Schmidt, auch nicht zu einem der Polizisten. Das war eine Sache für den Sheriff, der sich in allen Lebenslagen auskannte und Bescheid wusste.

Mit schreckverzerrter Stimme berichtete Hotti dem Bürgermeister, dass es eine junge Frau sei, die tot in ihrem Blut auf dem Fußboden in der Waschanlage liege.

Der Sheriff hatte Hotti beiseite gezogen, um zu vermeiden, dass andere mithörten und die Menge den Ort

des Schreckens stürmte. Als Hotti ausgeredet hatte, ging der Sheriff zu einem der Karabinieri, zog ihn am Arm und ließ nicht locker, bis der Polizist mitkam.

Hotti, der Sheriff und der Polizist gelangten unbemerkt von den anderen in den Waschraum.

Da lag die junge Frau, Arme und Beine in letzter Not weggestreckt. Sie lag im Badeanzug und einem über-geworfenen Bademantel. Ein Schuss hatte die Schulterpartie zerfetzt, der zweite musste direkt ins Herz getroffen haben.

Eine Frau betrat den Raum, um die Damentoilette aufzusuchen, und überraschte die Männer mit der am Boden liegenden Frau. Ohne sich aufhalten zu lassen, stürzte sie wie wild nach draußen. Gellend schrie sie um Hilfe.

Innerhalb kürzester Zeit war die Menschenmenge vom Strand herangekommen und belagerte die Stätte des Grauens. Die Polizisten konnten die Menschen nur mit Mühe und lauten Befehlen vom Betreten des Waschraumes abhalten, der zum Tatort geworden war.

Roger, der mit den anderen in den Zelten wachgeworden und auch zum Strand gelaufen war, stand nun ganz dicht vor der Tür des Waschraumes. Im kalten, weißen Licht der Neon-Röhren sah er die Tote liegen und wusste: Das war sie! Die und keine andere! Er hatte sie an dem Punktmuster des Badeanzuges sofort wiedererkannt. Blaue Punkte auf rotem Grund. Das biss sich farblich so, dass es den Augen wehtat.

Roger sah nicht mehr das Blut, die Einschüsse. Er sah nur noch den roten Badeanzug, den die Tote trug, und wusste: Diese Frau war ihm am frühen Nachmittag aufgefallen. Eine Verwechslung war unmöglich.

Roger hatte die Frau mit dem auffälligen Badeanzug beobachtet. Sie hatte sich mit einem jungen Mann gestritten. Dieser war heftig und sehr ärgerlich gewesen. Mit den Händen gestikulierend, hatte er laut auf sie eingeredet und dabei die junge Frau immer wieder beschwörend angeschaut. Schließlich war die Frau davongegangen und hatte den Mann stehengelassen. Wie sah der Mann nur aus? Roger konnte sich an ihn nicht mehr genau erinnern. Nur das wusste er noch, dass er einen dichten, schwarzen Kinnbart trug, der sein Gesicht finster machte. Außerdem hatte er fanatisch glimmende Augen, die er in seiner Wut zu einem schmalen Schlitz verengen konnte, und dann sah der Mann gefährlich aus.

Was trug der Mann? Roger konnte sich auch daran nicht mehr erinnern. Aber weil der Mensch so wütend und zu allem entschlossen ausgesehen hatte, als die junge Frau ihn einfach stehenließ und davon eilte, hatte Roger ihn durch das dichte Gewühl der vielen Badegäste am Nachmittag verfolgt und beobachtet, wo der Mann hinging, nämlich in einen der zahlreichen Camping-Wohnwagen. Doch wo der Wagen stand, das wusste Roger nicht mehr.

Die Weite des Platzes machte die Orientierung nicht leicht. Roger erinnerte sich nur noch, dass der Hänger über dem Nummernschild das Abziehbild einer roten Hand trug. Das konnte man sicher fast an jedem Kiosk kaufen. Außerdem hatte der Camping-Hänger rundherum ein gewürfeltes Rallye-Band gehabt, das auch über die Eingangstür ging. Aber das war kein untrügliches Kennzeichen. Vielleicht gab es sogar mehrere solcher Caravan-Hänger auf dem großen Platz. Roger hatte sich dann am Nachmittag die Hände an einer der offenen Waschanlagen, außerhalb der festen Toiletten- und Hygiene-Häuser, gewaschen und die ganze Sache wieder vergessen. Ein kleiner Streit am Strand! Das gab es hundertfach und auch im Urlaub. Nicht alle Leute fanden im Urlaub Ruhe und Erholung. Unter den vielen Menschen gab es auch Streit und Unruhe.

Aber nun lag die junge Frau mit dem grellgepunkteten Badeanzug tot auf dem kalten Betonboden der Damen-Waschanlage. Sie hatte in ihrer Todesnot geschrien. Und jemand hatte zweimal kaltblütig auf sie geschossen, die junge Frau getötet. Roger musste handeln, musste seine Beobachtungen weitergeben. Er durfte das Erlebnis vom Nachmittag nicht für sich behalten. Es konnte doch sein, dass es sich bei dem streitbaren Mann vom Nachmittag um den …

Roger wollte diese Gedanken einfach verdrängen. Vielleicht war alles nur Einbildung. Vielleicht hatte der Mann mit dem Caravan-Hänger mit dem Todesschützen gar nichts zu tun. Vielleicht war alles nur ein Zufall.

Doch der grellgepunktete Badeanzug strahlte Signale aus, denen sich Roger nicht entziehen konnte. Er wühlte sich durch die Menge und suchte den Boss.

Die Karabinieri hatten Verstärkung bekommen. Ein großer Mannschaftswagen, voll von Polizisten, war herangekommen. Die Männer versuchten, die Menge aufzulösen. Ein Polizei-Fotograf und ein Arzt gingen ihren Aufgaben nach. Der nächtliche Platz glich einem Ameisenhaufen, in den irgend jemand einen Stock hineingestoßen hatte, so dass nun alles durcheinanderwimmelte.

Roger hatte den Boss gefunden und ausgepackt. Pfarrer Schmidt und der Sheriff besprachen sich kurz, nahmen dann den sardischen Wachmann als Dolmetscher hinzu und verhalfen Roger zu seiner Aussage.

Gleich darauf wurde Roger von drei Karabinieri in die Mitte genommen. Er sollte sie zu dem Wohnwagen führen.

Roger irrte mit den Polizisten in der Nacht herum und versuchte mit seiner Taschenlampe und den Strahlern der Karabinieri sich auf dem Platz mit den vielen Zelten und Camping-Hängern zu orientieren. Das dauerte lange. Endlich hatte er die offene Waschanlage wiedergefunden.

Kein Zweifel, das war die richtige Anlage. Da lag noch das dicke Stück Lux-Seife, das schon am Nachmittag dort gelegen hatte und das jemand vergessen haben musste.

Nun orientierte sich Roger mit den Karabinieri und den beiden deutschen Freizeitleitern, die mitgekommen waren, von der Waschanlage aus rückwärts auf den Weg, den er am Nachmittag gegangen war. Und dann standen sie vor dem Caravan-Hänger. Eine Verwechslung schien ausgeschlossen: Da war das Abzieh-bild der roten Hand über dem italienischen Nummernschild mit der Mailänder-Nummer. Und da war der aufgeklebte Rallye-Streifen mit dem Würfelmuster, der auch über die Tür des Wohnwagens hinweg geklebt war.

»Das ist der Wagen! Ich bin ganz sicher!« sagte Roger.

Einer der Karabinieri klopfte! Es kam keine Antwort.

Erneutes Klopfen: »Aufmachen, Polizei! Bitte, machen Sie doch auf!«

Die Beamten hatten ihre Waffen entsichert.

Aus dem Wohnwagen kam keine Reaktion. Die Beamten berieten sich kurz.

Aufbrechen? Das könnte Ärger mit dem Staatsanwalt geben. Sie waren immer wieder zu äußerst korrektem Vorgehen aufgefordert worden. Aber die Beamten waren durch die letzten Entführungs- und Mordfälle nervös geworden. Alles konnte schnell zu einem Hinterhalt werden.

Wiederholt waren Beamte bei Ermittlungseinsätzen einfach niedergeschossen worden. Terroristen und Entführer kannten keine Gnade und schossen sich rücksichtslos den Weg frei.

Einer der Beamten leuchtete mit der Taschenlampe in das Innere des Camping-Wagens. Die Vorhänge waren nicht geschlossen. Es war niemand im Wagen.

Roger wurde eindringlich befragt, ob er ganz sicher wäre, dass dies der Wagen sei, in dem der Mann verschwunden sei, der am Nachmittag mit der nun Toten gestritten habe.

Seitdem Roger den Wagen wieder vor sich sah, gab es für ihn keine Zweifel mehr. Das war der Wagen!

Der Tenente wurde herbeigeholt. Er entschied, den Staatsanwalt telefonisch zu benachrichtigen. Mitten in der Nacht?

Natürlich mitten in der Nacht! Sie, die Beamten, mussten auch mitten in der Nacht ihren Dienst tun. Und hier war schließlich ein Mord passiert. Nach allem, was sich in letzter Zeit an Entführungen, Schießereien und Attentaten in Italien ereignet hatte, konnte man nie wissen, was im Hintergrund stand.

Der Staatsanwalt musste entscheiden, ob die Tür aufgebrochen und der Camping-Hänger durchsucht werden sollte oder nicht. Der Tenente wollte hierfür nicht die Verantwortung übernehmen.

Der Staatsanwalt wurde telefonisch benachrichtigt. Kurze Zeit später erhielt der Tenente die fernmündliche Nachricht, den Wagen zu öffnen und zu durchsuchen. Der schriftliche Durchsuchungsbefehl ginge am kommenden Morgen zu.

Eine halbe Stunde später war der Wagen umstellt, das Schloss geöffnet. Aber inzwischen war der Camping-Hänger nicht mehr leer. Der Mann mit dem vollen schwarzen Bart, der sich unter die Menge der aufgeschreckten Menschen am schwarzen Strand gemischt hatte, war vorsichtig zurückgekehrt und hatte sich unbemerkt von allen zur Ruhe begeben.

Als er die Geräusche beim Aufbrechen seiner Wohnwagentür hörte, nahm er blitzschnell die Pistole an sich, lud das Magazin neu auf, entsicherte und wartete, bis der erste Polizist eintreten würde. Er konnte nicht sehen, dass draußen im Dunkeln die anderen Beamten in Deckung lagen.

Der Tenente öffnete vorsichtig die Tür. Er ging davon aus, dass der Wagen leer war, wie seine Männer ihm versichert hatten.

Als der Tenente, der vorsichtig genug vorging, den Wagen betreten wollte, bellte ein Schuss auf, der den Tenente in den Arm traf. Sofort eröffneten die Beamten das Feuer. Der Mann im Wohnwagen rannte beim Hinausspringen in die Nacht mitten in die Feuerstöße einer Maschinenpistole hinein und war sofort tot.

Das zweite Opfer in dieser blutigen Nacht am schwarzen Strand des Tyrrhenischen Meeres, eine Nacht, die für Mitglieder der Sizilien-Fahrt mit einer guten Gesprächsrunde am Lagerfeuer begann und so plötzlich geplatzt war.

Als die Schüsse verstummten, war die Menge der sensationslüsternen nächtlichen Zuschauer wieder versammelt. Die Beamten drängten die Schaulustigen zurück. Der verletzte Tenente wurde mit dem Rotkreuzwagen in ein Hospital gefahren. Die Karabinieri durchsuchten den Caravan-Hänger gründlich und förderten wichtige Unterlagen, Korrespondenzen und Listen einer Terror-Organisation zutage.

Einer der Gruppenchefs hatte sich auf dem belebten Campingplatz unter all den Urlaubern wohl sehr sicher gefühlt, bis die Dame mit dem grellgepunkteten Badeanzug aussteigen und nicht mehr mitmachen wollte. –

Am nächsten Tag stand in allen römischen Zeitungen zu lesen, was sich in jener Nacht bei Civitavecchia zugetragen hatte. Man schrieb vom Fememord der Organisation an einer Komplizin. Es wurde auch angedeutet, dass mehrere Verhaftungen unmittelbar bevor-stünden.

Das ärgerte später den Polizeichef vom Terroristen-Dezernat in Rom sehr. Immer diese Indiskretionen der Presse, die den Gangstern zur Warnung wurden. Die Polizei schlug noch in den ersten Morgenstunden zu, gleichzeitig mit dem Verkauf der ersten Morgenblätter an den Kiosken und auf den Straßen Roms.

Fernschreiber und Telex-Apparate stellten die Verbindungen zwischen Rom und Mailand her. In Mailand wurde eine Anarchisten-Wohnung ausfindig gemacht, in der die Polizei weiteres Material der Organisation fand, die erst kürzlich einen norditalienischen Industriellen entführt und dessen Angehörige um einen Millionen-Lire-Betrag erpresst hatte.

Die Sizilien-Fahrer mit ihrem »Boss«, Pfarrer Gerd Schmidt, hatten nach dieser unruhigen Nacht programmgemäß ihren Tarquinia-Besichtigungstag.

Sie blieben noch eine Nacht auf dem weiten Platz mit dem schwarzen Strand. Am Morgen darauf wurden die Zelte abgebaut und im Hänger verstaut. Die Gruppe fuhr über die Autobahn an Rom vorbei in Richtung Neapel-Sizilien.

Rom hatte man sich für die Rückfahrt aufgehoben, um auch auf der Heimfahrt noch einen Höhepunkt zu haben.

Nicht nur Hotti, Roger und die anderen Beteiligten der aufregenden Nacht waren froh, dem Publicity- Rummel zu entkommen, den das aktive Eingreifen der Gruppe in jener Nacht ausgelöst hatte. Die Jugendlichen waren es satt, immer wieder nach Einzelheiten des Geschehens jener Nacht befragt zu werden. Bernd hatte in all dem Rummel sein Gebet um Bewahrung der Gruppe und der Familie zu Hause regelrecht vergessen. Erst bei der weiteren Lesung des Markus-Evangeliums erinnerte er sich daran, dass sie nicht auf große Fahrt gegangen waren, um nur neue Eindrücke aus einem anderen Land mit nach Hause zu bringen, sondern auch, um Gemeinschaft unter Gottes Wort zu erleben. Gerade das hatte sie bei den Fahrten der zurückliegenden Jahre so zusammenwachsen lassen.

Und so entdeckte Bernd sich dabei, dass er in sein Gebet im Gedenken an das Jesus-Wort »Liebet eure Feinde!« auch Terroristen mit einschloss und Gott darum bat, dass Menschen im Bann von Hass und Terror zur Einsicht kommen möchten.

Sie waren früh am Morgen gestartet. Der Fahrer hatte Rom auf der Umgehungsautobahn umfahren. Aus der Ferne hatten sie die Kuppeln und Türme der »Ewigen Stadt« liegen sehen.

3. Zu Gast beim Zwerg

Die Autostrada verläuft unterhalb der römischen Campagna, jener Landschaft, die früher von vielen Malern wegen ihres schwermütigen Reizes oft aufgesucht und gemalt wurde. Ihr gegenüber lagen die Albaner Berge, das bewaldete vulkanische Ringgebirge von etwa sechzig Kilometer Umfang. Auf dem Mittelstreifen der Autostrada wuchsen weiße, rote, rosa- und lachsfarbige Oleanderbüsche, die Karin so liebte.

Der Boss studierte die Karte. Der Sheriff gab sich einem Nickerchen hin. Er hatte in des letzten Nächten wenig Schlaf gehabt. Gerald sah hinüber zu den Albaner Bergen und dachte über die Berufungsgeschichte bei Markus nach. Er kam davon nicht los und überlegte, welche Vollmacht und Faszination von Jesus ausgegangen sein mussten, wenn er »auf einen Berg ging und rief zu sich, wen er wollte, und die gingen zu ihm hin.«

Und dann hieß es da: »Und er setzte zwölf ein, die er auch Apostel nannte; die sollten bei ihm sein, und er wollte sie aussenden, damit sie predigen …« (Mark. 3,13.14). Und dann gab er ihnen Vollmacht aus seiner eigenen Macht. So einfach und selbstverständlich war das alles. Die Jünger hatte Jesus mitten aus dem Alltag herausgeholt. Sie ließen alles zurück und folgten ihm.

Gerald kam einfach nicht davon los. Er wollte Mathematik studieren. Der Boss war immer wieder daran, ihn für Theologie zu gewinnen. Aber Gerald hatte sich vorgenommen, sich von keinem dreinreden zu lassen. Er wusste selbst, was er zu tun hatte.

Karin und Michael hatten es zuerst gemerkt: Irgend etwas stimmte mit dem Motor nicht. Er tuckerte so merkwürdig. Das Geräusch kam ihnen fremd vor. Sie unterhielten sich darüber. Inzwischen hatte es auch Herr Pussel gemerkt. Er drosselte das Tempo, bremste kurz, zog wieder an …

Im Spiegel sah er, wie der Auspuff eine blauschwarze Wolke in die Landschaft spie.

Bei Kilometer 12 hinter Rom ruckte der Motor noch drei-viermal und stand, während der Fahrer den Bus rechts heranlaufen ließ, um ihn von der Autostrada zu bekommen.

Der Motor stand. Herr Pussel ließ ihn noch einmal an.

Die Kolben tuckerten. Dann kam eine blauweiße Ölwolke aus dem Auspuff und gleich darauf eine schwarze Rußwolke. Pussel und der Boss stiegen aus und gingen nach hinten. Beide sahen sich an, ahnten, wussten, was Michael eben zu Karin gesagt hatte: »Ich glaube, das ist ein Kolbenfresser.«

Mit diesem Wort aus dem Autofahrer-Jargon bezeichnet man das Festsitzen eines Motorkolbens. Das bedeutet: Motortotalschaden.

Fahrer Pussel sah den Boss an und sagte nur: »Ade, Sizilien! Da hilft nur noch beten!« Was Fahrer Pussel mehr gedankenlos vor sich hin gesagt hatte, traf wirklich die Sachlage. Motorschaden in Italien, mitten auf der Autostrada: Aus! Vierundfünfzig Mann im Bus, ein großer Zweiachshänger hinten dran. Kein Zeltplatz weit und breit. Ob man den festsitzenden Kolben ausgeschliffen bekam? Das konnte Tage dauern, wenn es hier überhaupt zu machen war.

Der Sheriff war ausgestiegen. Gerald ließ die anderen nicht aus dem Bus. Schließlich waren sie auf der Autobahn!

Der Boss hielt hinter dem Bus einen Dreier-Rat ab. Fahrer Pussel war sicher: Kolbenschaden! Er war gelernter Kraftfahrzeugschlosser. Ihm konnte so schnell keiner etwas vormachen.

»Das heißt also?« fragte der Boss.

Der Fahrer zuckte vielsagend die Schultern hoch. »Ersatzteile dürfte es hier kaum geben. Wahrscheinlich muss ein neuer Motor rein, wie ich die Lage beurteile.«

Der Sheriff wollte wissen: »Was ist das für ein Fabrikat?«

»Henschel«, antwortete Pussel kurz. »Ich bin gespannt, ob die in Rom eine Generalvertretung mit Werkstatt haben. Der schwere Hänger dürfte dem nicht mehr neuen Motor den Rest gegeben haben.«

Der Sheriff ging die Lage praktisch an: »Es geht bergab. Wir müssen von der Autostrada, um aussteigen zu können.«

Pussel sagte: »Ich lasse den Bus also bis zur nächsten

Abfahrt rollen. Hoffentlich kommt recht bald eine.«

»Sonst?« fragte Pfarrer Gerd Schmidt.

»Sonst müssen wir einen Abschleppwagen mit Abschleppstange haben. Anders geht das nicht«, sagte der Fahrer.

Sie stiegen ein, bestätigten durch Kopfnicken Karins Frage: Kolbenschaden!

Der Bus rollte langsam bergab, ging in eine langgezogene Rechtskurve. Da rief der Fahrer glücklich: »Gott sei Dank, eine Abfahrt. Ich hatte es fast aufgegeben.«

Der Boss sagte ganz ernsthaft: »Da hüft nur noch beten.« –

Auch die Abfahrt hatte leichtes Gefälle. Als der Bus ausgelaufen war und vor einer Steigung stehenblieb, stand er genau gegenüber einem kleinen Hotel auf der linken Seite; und rechts vorn gab es eine Werkstatt. Fahrer Pussel sagte überrascht: »Das darf doch nicht wahr sein!«

Eine Stunde später ergab sich folgende Lage: Die Gruppe saß auf den mitgebrachten Camping-Hockern im Gartenhof des Hotels, das mitten in den Weinbergen stand. Der Chef des Hotels war ein winziges Männchen, ein Zwerg, flink, freundlich und in Sardinien beheimatet, wie die Mädchen und Jungen schnell herausgefunden hatten. Schon wieder ein Sarde! »Ob das Glück bedeutet?« unkte Michael.

Der Boss hatte versucht, vom Hotel aus nach Deutschland zu telefonieren, um den Busunternehmer zu benachrichtigen und zu fragen, was zu tun sei. Fahrer Pussel versuchte, die Werkstatt zu mobilisieren. Das Ergebnis war deprimierend: Ferien in Italien.

Der Zwerg bestätigte: »In dieser Zeit hat in Italien alles geschlossen. Chiusa! Schluss, geschlossen, aus! Feria in Italia, Urlaub, Ferien in ganz Italien!«

Der Sheriff studierte das Branchenverzeichnis des römischen Telefonbuches. Der Zwerg rief hintereinander 14 Werkstätten an. Während die meisten Betriebsferien meldeten, einige mit automatischem Anrufbeantworter, andere durch Notdienst, stellte sich bereits eine Stunde nach der Totalpanne heraus: Es gibt in Rom weder eine Henschel-Vertretung noch einen Austausch-Motor dieses Fabrikats.

»Das Werk ist in Ulm«, wusste Fahrer Pussel.

»Wir sind aber bei Rom«, setzte der Sheriff dagegen.

Der Zwerg versuchte die Verbindung nach Deutschland herzustellen. Es blieb vergeblich. Die Leitungen waren überlastet. Kein Durchkommen.

»Zwei vernünftige Leute fahren per Anhalter die Umgebung ab und versuchen, eine Werkstatt zu finden, die geöffnet hat. Ein Mechaniker muss her«, ordnete Pfarrer Gerd Schmidt an.

Heido und Bernd stoppten die vorbeifahrenden Wagen, um eine Werkstatt ausfindig zu machen.

Pussel stand ölverschmiert im blauen Overall über den Motor gebeugt und schraubte die Kolbenkappen ab. Klaus, der eine Kraftfahrzeugmechaniker-Lehre absolvierte, half ihm dabei.

Am Abend dieses Tages stand fest: Feria in Italia! Keine Werkstatt geöffnet!

Fahrer Pussel sagte immer wieder vor sich hin: »Das gibt's doch nicht! Das darf doch nicht wahr sein!«

Der Boss wusste: Da hilft nur noch beten!

Frau Steuber hatte einen rettenden Einfall: »Wir bauen die Zelte auf. Und morgen muss eine Abordnung per Anhalter oder mit einer Taxe nach Rom fahren und bei der Deutschen Botschaft um Hilfe ersuchen.«

Das war die Idee, die alle Niedergeschlagenheit in neue Hoffnung verwandelte. Der Zwerg half der Gruppe in großartiger Gastfreundschaft. Die Mädchen durften ihre Luftmatratzen zum Nachtlager in der großen Kellergarage des Hotels aufblasen. Die Jungen schlugen die Zelte mitten im Weinberg auf einem Fahrweg für Traktoren und Weinlesefuhrwerke auf. Die Trauben waren bereits reif. Aber es war natürlich Ehrensache, dass sich da keiner vergriff.

Am Abend des zweiten Tages dieses Zwangsaufenthaltes blickte der Boss mit Erleichterung auf die strategischen Ergebnisse eines langen Tages zurück. So sah der »Tag der Strategie« aus, der aus der Panne herausführen sollte:

Fahrer Pussel und der Boss waren per Anhalter nach Rom gefahren. Die 12 km bis zum Stadtrand waren schnell zurückgelegt. Gleich der zweite Wagen hatte gehalten und die beiden Tramper mitgenommen. In Rom fuhren sie mit einer Taxe zur Deutschen Botschaft. Die Straßen Roms waren nur von wenigen Menschen bevölkert. Pfarrer Gerd Schmidt kannte Rom von Jugend auf. Aber so leer hatte er die italienische Hauptstadt noch nie erlebt. Ganz Rom schien in Ferien zu sein, am Strand oder irgendwo im Land unterwegs. Die Deutsche Botschaft wurde von Polizei mit Maschinenpistolen bewacht. Attentate, Bombendrohungen und die politische Kriminalität hatten überall eine gereizte, verunsicherte Atmosphäre hinterlassen.

Die Botschaft unterhielt in einem schusssicheren Glaspavillon einen Urlaubs-Notdienst. Auch dieser Mann trug eine Pistole sichtbar im Halfter. Er verwies Pfarrer und Fahrer an das Deutsche Konsulat. Das hatte erst ab 17 Uhr geöffnet.

Um 17 Uhr wurden Pfarrer und Fahrer in einen panzerplattengesicherten Vorraum geführt, mussten ihre Pässe zeigen, zwei Formulare ausfüllen, ihr Anliegen schriftlich fixieren. Erst dann wurden sie vorgelassen. Danach aber ging alles viel schneller als erwartet. Winnen hieß der freundliche junge Konsulatsbeamte, der seinen Landsleuten völlig unbürokratisch half. Er hatte offensichtlich sehr viele und gute Beziehungen in Rom.

Zuerst wurde über die diplomatische Leitung in kürzester Zeit die Telefon Verbindung nach Deutschland hergestellt. Der Busunternehmer war gleich am Apparat. Pfarrer Gerd Schmidt vereinbarte nach einigem war gleich am Apparat. Pfarrer Gerd Schmidt vereinbarte nach einigem heute Abend würde ein Kombi-Bulli nach Ulm fahren und morgen früh den Motor im Werk laden. Es würde aber Nacht werden, bis der Wagen mit dem Motor im Hotel ankommen konnte. Ein Kranwagen sollte besorgt werden. Der Werkmeister und ein Mechaniker würden im Bulli mitkommen. Die Motoren sollten möglichst in einer Werkstatt aus- und eingebaut werden.

»Und wie soll der morgige Tag überbrückt werden?« fragte Pfarrer Gerd Schmidt den Busunternehmer in Deutschland.

Der Chef zeigte sich großzügig: »Die beiden verlorenen Tage dürfen Sie dranhängen! Sie brauchen erst zwei Tage später als abgemacht zurückzukommen. Die Jugendlichen sollen Karten nach Hause schreiben, damit die Eltern Bescheid wissen. Der Meister nimmt die Postkarten mit. Die Firma frankiert sie als Betriebsunkosten und schickt sie ab …«

Entscheidungen, Einzelüberlegungen und Pläne! An alles musste gedacht werden.

Pfarrer Schmidt wusste, dass die Meute beim Sheriff und den Mitarbeitern in den besten Händen war. Während die Jugendlichen ihre Bibelbesprechung diesmal ohne den Boss hielten und anschließend Fußball spielten, nachmittags zum nahegelegenen Schwimmbad wanderten, das der Zwerg empfohlen hatte, liefen die Verhandlungen in Rom so weiter:

Pfarrer Gerd Schmidt bekam vom deutschen Busunternehmer die Erlaubnis, für den morgigen Tag einen römischen Bus zu chartern, um der Gruppe Rom zu zeigen, was ja ursprünglich für die Rückfahrt vorgesehen war. Sobald der neue Motor eingebaut sei, könne die Fahrt in Richtung Neapel – Sizilien weitergehen. Herr Winnen rief vom Konsulat aus zwei römische Busunternehmer an, handelte beim zweiten einen annehmbaren Preis aus, den vermutlich die Versicherung des deutschen Busunternehmers erstatten würde, machte die Abholzeit für den kommenden Tag fest und ließ von seiner Sekretärin der Gruppe für alle Fälle einen Schutzbrief des Deutschen Konsulats in italienischer Sprache ausstellen. Das konnte nützlich sein, weil die Polizei in und um Rom sehr darauf achtete, dass man die offiziellen Campingplätze benutzte und nicht wild zeltete. Aber ohne Bus konnte die Gruppe keinen Campingplatz in der Umgebung erreichen.

Der Abschied vom Konsulat war herzlich. Herr Winnen freute sich, dass er hatte helfen können. »Unser Konsulat«, so sagte er beim Abschied, »ist Pannenhilfe, Überbrückungszahlstelle bei Scheck- und Geldbestohlenen, Seelsorgestelle für Ratsuchende und Verzweifelte, Vermittlungszentrale wie in Ihrem Fall.«

Pfarrer Gerd Schmidt und sein Fahrer Pussel bedankten sich sehr herzlich für alle Hilfe. Diesmal handelten sie mit einem römischen Taxifahrer einen annehmbaren Fahrpreis aus und wurden direkt zurück zum Hotel gefahren. Dort empfing man sie mit ganz großem Bahnhof!

Am nächsten Tag lernte die Freizeitgruppe Rom kennen. Ein Tag ist dafür natürlich viel zu wenig und kann nur einen ersten, vorläufigen Eindruck vermitteln. Weil Pfarrer Gerd Schmidt aber Rom sehr gut kannte, packte er möglichst viele Eindrücke in diesen geschenkten Tag hinein. Am Abend waren sie dann auch geschafft. Eine Fülle von Eindrücken musste verarbeitet werden.

Bernd schrieb sich Stichwortsätze in sein Tagebuch: Sebastians-Katakomben besucht, wo die Christen in der Verfolgungszeit zwischen den unterirdischen Grabnischen ihre Versammlungen und Gottesdienstfeiern abhielten.

Via appia Antica entlangfahren, die Königin der Straßen, um 312 vor Christus vom Zensor Appius Claudius Caesus angelegt und teilweise noch gut erhalten. Gräberreihen links und rechts der Via appia Antica.

Das Kapitol besucht, den »Hauptberg«, den kleinsten der sieben Hügel Roms, aber den geschichtlich bedeutendsten. Kapitolinisches Museum. Nationaldenkmal besucht, Denkmal des Königs Viktor Emanuel II., das seiner Form wegen von einigen Römern respektlos »Die Schreibmaschine« genannt wird.

Das Forum Romanum besichtigt. Im riesigen Kolosseum gewesen, einem der bedeutendsten Bauwerke der Erde, von Kaiser Vespasian dreistöckig als Amphitheater errichtet, von Titus aufgestockt auf vier Etagen, 80 nach Christus mit hundert Tage dauernden Kampfspielen eingeweiht, 50000 Sitzplätze, diente zuerst Sport und Spielen, wurde später mit Märtyrerblut besprengt, als die Christen in der Verfolgungszeit hier wilden Tieren vorgeworfen wurden. Von Papst Benedikt XIV. im 18. Jahrhundert wegen des Märtyrerblutes der Passion Christi geweiht. Ein 1926 in der Arena aufgerichtetes Bronzekreuz erinnert daran.

Triumphbogen des Konstantin gesehen. Die römischen Bäder der Caracalla-Thermen besichtigt, technische Meisterschaft im Gewölbebau. Trajanssäule fotografiert, in deren Sockel einst die goldene Urne mit der Asche des Kaisers stand. Lateranspalast und die über einem Mithras-Heiligtum 1108 erbaute Kirche San Clemente, gutes Beispiel einer altchristlichen Basilika. Kirche San Giovanni in Laterano bewundert. Man nennt sie »Die Mutter und das Haupt aller Kirchen Roms und der Erde«. Das Gebäude der Scala Santa, der heiligen Treppe mit den 28 Marmorstufen, gesehen. Auf dieser Treppe soll der dornengekrönte Jesus im Palast des Pilatus in Jerusalem hinabgeführt worden sein. Man darf sie nur kniend ersteigen.

Die mächtige Kirche Santa Maria Maggiore fotografiert, die größte unter den 80 Marienkirchen der Stadt Rom.

Den gewaltigen Hauptbahnhof Roms besichtigt. 1950 wurde die »Statione Termini« als ein bahnbrechendes modernes Gebäude vollendet. Gang über die Spanische Treppe mit den Blumenverkäufern. Das Pantheon besichtigt, von Marco Agrippa 27 v. Chr. als Tempel erbaut, schon 609 n. Chr. zur christlichen Kirche geweiht. Hier ist das Grab des Malers Raffael. Wir waren auch an der Fontana di Trevi, dem größten und schönsten Barockbrunnen Roms. Dort werfen die Leute Münzen hinein, weil sie glauben, dann kämen sie wieder nach Rom. Der Boss sagt, es sei ein alter, heidnischer Brauch. Wir haben noch sehr viel mehr gesehen: Die Engelsburg, die ja früher ein Grabmal war, den Tiber, der mitten durch Rom fließt und sehr schmutzig ist. Der Höhepunkt für alle aber war der gewaltige Petersdom.

Pfarrer Schmidt hatte gesagt, dass wir auf der Rückfahrt noch mehr von Rom zu sehen bekommen. Dieser Tag war ein Geschenk des Omnibusunternehmers wegen unserer Motorpanne, aber auch ein Geschenk des Himmels.

Soweit die Tagebuchnotizen von Bernd.

4. Zwischenfall vor Neapel

Am frühen Abend war der Motor aus Deutschland eingetroffen und gebührend bejubelt worden.

Bürgermeister Martin, der Sheriff, hatte mit Hilfe des gastfreundlichen sardischen Zwergs in der Umgebung einen Kranwagen auftreiben können. Damit wurde bei Nacht und Regen, der sich auf den sonnenscheinreichen Tag hin einstellte, der Motor unter freiem Himmel gewechselt. Die Männer der Technik brachten mit dieser Leistung ein wahres Wunderwerk zustande.

Sie arbeiteten eine volle Nacht und den halben Vormittag über. Dann fuhr Herr Pussel den Motor ein und unternahm mit Bernd und Karin an Bord die Jungfernfahrt mit dem Austauschmotor. In der Zwischenzeit wurden die Zelte im Weinberg abgebaut, das Gepäck und die Utensilien im Hänger verstaut.

Der Abschied vom gastfreundlichen Zwerg ging allen zu Herzen! Lange winkte der winzige Mann hinter dem Bus her. Die Fahrt ging über die Autostrada durch die Berge in Richtung Neapel. Am Wege sahen die Mädchen und Jungen der Sizilien-Fahrt das Kloster Monte Cassino auf jenem Berg liegen, auf dem im Zweiten Weltkrieg in mörderischen Kämpfen viel Blut geflossen war.

Die Sonne brannte unbarmherzig heiß vom Himmel.

Während Frau Steuber mit dem Boss beriet, was es zum Mittagessen geben sollte, gab es plötzlich hinten am Bus einen ohrenbetäubenden Schlag, der die im Bus vor sich hin dösende Gruppe hochfahren ließ.

»Uns bleibt auch nichts erspart«, schimpfte Herr Pussel vor sich hin. Er bestätigte, was der Boss sofort vermutet hatte: Ein Reifen war durch die Hitze geplatzt.

Der Bus wurde rechts herangefahren. Herr Pussel kramte seinen blauen Overall heraus und begab sich an die Arbeit. Klaus, Uwe, Gerald und Bernd halfen ihm. In einer Dreiviertelstunde war auch diese Panne behoben und der geplatzte Reifen gegen das Reserverad ausgewechselt.

Der Asphalt der Straße war in der sengenden Sonne so weich geworden, dass der Wagenheber sich tief in die Straße gedrückt hatte und Steine und Bretter untergelegt werden mussten, um den schweren Bus heben zu können.

In der Zwischenzeit hatte Frau Steuber die Verpflegung zubereitet, so dass die Panne für eine Mahlzeit genutzt werden konnte.

Die Gruppe hatte für die Hin- und Rückfahrt Fertigverpflegung mitgenommen, die die Bundeswehr bei ihren Manövern benutzte. Die hatte Bürgermeister Martin besorgt, der in Erfahrung gebracht hatte, dass die Bundeswehr von Zeit zu Zeit die abgelagerten Bestände verkauft, um die Lager zu räumen und neue Manöver-Verpflegung anschaffen zu können. Vier Sorten von Mittagsmahlzeiten, alles sauber in Aluminium-Folie verpackt, gibt es zur Auswahl. Die Päckchen brauchen nur in heißem Wasser auf gewärmt zu werden; dann schneidet man die obere Seite der Alu-Folie auf und hat gleich den fertigen Essbehälter zur Hand. Nur Löffel und Gabel sind nötig!

Frau Steuber verfügt über zwei große Gasbrenner, die überall aufgestellt werden und an zwei Propangas-Stahlflaschen angeschlossen werden können.

Die Gruppe nahm zu jeder Fahrt die gesamte Verpflegung im Hänger mit, um unterwegs völlig selbständig zu sein. Frau Steuber hatte ihre Checkliste und brauchte nach der Erfahrung der vergangenen Jahre nur abzuchecken, was gebraucht und eingekauft werden musste.

Die große Fahrt zum Süden ging weiter. In Neapel gab es eine Stadtrundfahrt. Mehr ließ das weite Ziel Sizilien nicht zu. Der Boss war aber der Meinung, man dürfe eine Schönheit wie die Stadt Neapel nicht ganz unbesehen am Wege liegenlassen.

Hinter Neapel ragte der Felsen-Basalt-Kegel des Vesuv gegen den strahlend-blauen Himmel. Die untergegangene und wieder aus der Lavaasche ausgegrabene Stadt Pompeji, einst mit Menschen, Tieren und Gebäuden ein Opfer des Vesuv-Ausbruchs, sollte auf der Rückfahrt ausführlich besichtigt werden, um die Hinfahrt nach Sizilien nicht mit zu vielen Eindrücken zu befrachten.

Am Abend wurden die Zelte bei einem malerischschönen Sonnenuntergang über dem Tyrrhenischen Meer in der Nähe vor Salerno auf geschlagen. Auf dem kleinen Campingplatz mit der freundlichen Wirtin und deren beiden tüchtig mitarbeitenden Söhnen hielt Pfarrer Gerd Schmidt die Abendandacht. Während die Wellen des Meeres an den Strand klatschten, saßen die Mädchen und Jungen der Freizeitgruppe im Kreis und hörten die Geschichte aus Markus 4: Jesus stillt den Sturm auf dem Meer.

Bernd notierte in seinem Notizbuch einen Satz, der ihn beeindruckt hatte: Und der Wind legte sich, und es entstand eine große Stille. Und Jesus sagte zu ihnen:

Was seid ihr so ängstlich? Habt ihr noch immer keinen Glauben?

Bernd wollte glauben und nicht ängstlich sein. In den Tagen der Gemeinschaft mit der Gruppe schien es Bernd leichter zu fallen, zu glauben. Die Bewährungsprobe war erst zu Hause und am Arbeitsplatz zu bestehen. Da musste sich bewähren, was sie auf ihren großen, gemeinsamen Fahrten einübten.

Als die Sonne hinter dem Horizont versank, war es ohne die gewohnte Dämmerungszeit gleich ganz dunkel. Um 22.30 lagen alle Mädchen und Jungen in ihren Zelten und schliefen einem neuen Tag entgegen.

Abseits des Lagers, drunten am Strand, hatten Michael und Kai-Uwe, die heute zur ersten Nachtwache eingeteilt waren, Holz zusammengetragen und entzündeten ein kleines Lagerfeuer. Herr Pussel musste diesmal mit etwas Diesel nachhelfen, da ein Teil des Holzes feucht geworden war und nicht gleich brennen wollte.

So saßen die Wache, das Leitungsteam der Fahrt, Herr Pussel und Frau Steuber noch eine Stunde zusammen und klönten über die Erlebnisse der letzten Tage, bis die Müdigkeit auch sie in die Zelte trieb.

Von der Landschaft der Campania ging die Fahrt weiter durch die herbe, raue Schönheit der Bergwelt Calabriens. Cosenza lag am Wege, wo 410 n. Chr. der Westgotenkönig Alarich gestorben war. Ihm hatten die letzten treuen Goten im abgeleiteten Flußbett des Busento ein Grab bereitet, wo sie den großen Gotenkönig mit seinen Schätzen begruben. 1965 wurden 8 km südlich von Cosenza bei Carolei Grabungsarbeiten zur Auffindung des Grabes und der sagenhaften Goten-Schätze begonnen. Am Corso Telesio von Cosenza, der gewundenen Hauptstraße der Altstadt, steht die frühgotische Kathedrale, die 1222 geweiht wurde und in der der unglückliche Stauferkönig Heinrich VII. beigesetzt worden war. Sein Grab ist aber verschollen.

Bei San Giovanni wurde der große Bus mit dem Hänger auf das gewaltige Fährschiff verladen, das den Bus und die Gruppe über die Meerenge von Messina vom Festland zur Insel Sizilien brachte. Das Ziel der großen Fahrt war erreicht!

Im Hafen von Messina kletterte Fahrer Pussel wieder hinter das Steuer. Durch winzige, oft ganz schmale Ortsdurchfahrten ging die Weiterfahrt nach Taormina und von dort zum traumhaft schönen alten Weingut San Marco am Fuß des feuerspeienden Ätna, wo ihre Zelte für mehr als eine Woche stehen sollten.

5. Die Totenwelt von Savoca