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Goldrausch am Sacramento Ein Ruf geht durch die Welt: »Gold am Sacramento!« Alte und Junge, Diebe und Ganoven, Glücksritter und Vagabunden stürmen daraufhin das Farmland von J. A. Zu Suter, dessen Lebensgeschichte hier erzählt wird. Die schwarze Hand lässt grüßen Blinkzeichen über den Plattensee bringen Unruhe in eine christliche Jugendgruppe, die in Ungarn zeltet. Schon bald meldet sich warnend die „schwarze Hand“. Doch auch von einer „anderen Hand“, nämlich der des Guten Hirten, erfahren die jungen Leute. Start der gelben Pfeile Die »gelben Pfeile« sind keine lammfrommen Musterknaben. Wenn sie Fußball spielen, geht auch schon einmal eine Scheibe zu Bruch. Doch sie haben nicht nur Unsinn im Sinn. Mit ihrem Jungscharleiter planen sie eine große Hilfsaktion für Alte und Hilflose in ihrer Stadt. Dabei kommt es zu einer dramatischen Rettungsaktion, bei der die »Gelben Pfeile« beweisen können, dass sie ganze Kerle sind. In einem Zeltlager wollen sie sich von den Strapazen erholen … doch es kommt ganz anders. Wieder werden die »gelben Pfeile« in Abenteuer verwickelt, die sie in Atem halten. Und zwei weitere spannende Abenteuer (Das Geheimnis der korsischen Macchia, Panik in der City) für Jungen und Mädchen ab 8 Jahren.
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Seitenzahl: 364
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Goldrausch am Sacramento
5 spannende AbenteuerAbenteuer-Band 5
Helmut Ludwig
© 2017 Folgen Verlag, Langerwehe
Autor: Helmut Ludwig
Cover: Caspar Kaufmann
ISBN: 978-3-95893-077-3
Verlags-Seite: www.folgenverlag.de
Kontakt: [email protected]
Shop: www.ceBooks.de
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Helmut Ludwig (* 6. März 1930 in Marburg/Lahn; † 3. Januar 1999 in Niederaula) war ein deutscher protestantischer Geistlicher und Schriftsteller. Ludwig, der auch in der evangelischen Pressearbeit und im Pfarrerverein aktiv war, unternahm zahlreiche Reisen ins europäische Ausland und nach Afrika. Helmut Ludwig veröffentlichte neben theologischen Schriften zahlreiche Erzählungen für Jugendliche und Erwachsene.1
1 https://de.wikipedia.org/wiki/Helmut_Ludwig
Titelblatt
Impressum
Autor
GOLDRAUSCH AM SACRAMENTO
1. Ein Abend mit Feuer am Strand
2. Die Polizei sucht vergeblich
3. Als der Wilde Westen noch sehr wild war
4. Kreuz- und Querfahrten
5. Der Vertrag ist günstig
6. Eine Kolonie entsteht …
7. Ein verhängnisvoller Fund
8. Das Feuer war runtergebrannt
9. Venedig, die sterbende Stadt
10. Der reichste Mann ist bettelarm
11. Die Gesetzlosen wüten
12. Der Riesenprozess hat Folgen
13. Ein Bettler stirbt
14. Abgesang
PANIK IN DER CITY
1. Pit bleibt die Luft weg
2. Die Lawine rollt
3. Überfallkommando und Katastropheneinsatz
4. Pit und Jörg helfen mit
5. Die Bombe
6. Notrufe
7. Notruf für roten Porsche
8. Nächtliche Stadt auf dem Pulverfass
9. Das letzte Stück
10. Zwei Jungen beim Oberbürgermeister
DIE SCHWARZE HAND LÄSST GRÜßEN
1. Eine unheimliche Nacht
2. Eine schlimme Entdeckung
3. Das darf doch nicht wahr sein!
4. Die Anschläge reißen nicht ab
5. Der Mann mit der Geldtasche
6. Jagd auf den Betrüger!
7. Das riskante Spiel läuft
8. Wohin mit so viel Geld?
9. Ein falsches Menschenbild
10. Die schwarze Hand schlägt wieder zu
11. Csärda und viel ungarisches Temperament
12. Christen gehören in die Gemeinde
13. Große Razzia
14. Warnung in der Presse
15. Die Fußspur
16. Auf zum Biotop!
17. Verfolgte Verfolger
18. Höchste Gefahr im Verzug
19. Geiselnahme
20. Eine ganze Bande fliegt auf
START DER GELBEN PFEILE
1. Es klirrt!
2. Aufregender Zeitungsbericht!
3. Eine entscheidende Gruppenstunde
4. Man wundert sich
5. Die Gruppenkasse
6. Vier Tage zurück!
7. Die Stimme aus der anderen Welt
8. Doktor Berger kommt
9. Großer Rat im Heim
10. Aufträge über Aufträge!
11. Nach einer Woche
12. Der Findling
13. Aufregung am Badestrand
14. Ein Brief kommt an!
15. Neuer Start ins große Leben
DAS GEHEIMNIS DER KORSISCHEN MACCHIA
1. Landung in Ajaccio
2. Gerüchte um Urwald-Dämonen
3. Claus ist verschwunden
4. Die Polizei hilft mit
5. Endlich eine Spur
6. Claus und die Steingötzen
7. Fragen über Fragen!
8. Das unheimliche Priesterreich
9. Zurück nach Monaco
Unsere Empfehlungen
Ein Tag mit zahlreichen neuen Eindrücken lag hinter den Mädchen und Jungen der »Meute«. Der erste Tag am Strand von Cavallino auf dem großen Zeltplatz von Signor Gino. Hier war das Ziel der großen Ferienzeltfahrt.
Um sechs waren die ersten wach gewesen, weil die Sonne schon hoch am Himmel stand. Pit, der ihr »Boss« war, hatte nichts dagegen, dass die Gruppenleiter und -leiterinnen mit ihren Gruppen das Salzwasser des Mittelmeeres ausprobierten. Daraus war dann eine große Wasserschlacht geworden. Sie hatten sich in einer Stunde richtig müde getollt. Und das vor dem Waschen und Zähneputzen! Warum hätte man auch vor dem Baden im Meer sich waschen sollen, wo das Salzwasser hinterher doch unter den Duschen mit Süßwasser wieder abgespült werden musste? Pit hatte erzählt, dass man sonst durch die Reizung der Haut, wenn das Salz am Körper millionenfach kleine Kristalle bildete und die Sonne darauf strahlte, gleich einen astreinen Sonnenbrand bekäme.
So sammelten sie alle auf die verschiedensten Weisen am ersten Tag des Strandlebens ihre Erfahrungen mit der ungewohnten Umgebung. Nach dem Frühstück setzten sie sich im Schatten einiger Bäume zusammen und sprachen über einen Abschnitt der Bibel. Pit und seine Mitarbeiter hatten sich zu Hause auf die Bibelarbeit gründlich vorbereitet. Dann wurde der Küchendienst eingeteilt, um Frau Krause, der temperamentvollen Lagermutter, bei der Vorbereitung des Mittagessens zu helfen. Drei große Propangasflaschen hatten sie mit, dazu drei Brenner und vier große Bundeswehr-Esskübel, um die ganze Meute für die Tage am Meer sättigen zu können.
Sie hatten ein reichhaltiges Programm. Morgen wollten sie das nahegelegene Venedig besuchen. Mit dem großen Dampfer von Punta Sabioni, der Anlegestelle auf der Landzunge, die die große Lagunenbucht von Venedig umrandete, würden sie auf die Reise gehen. Sie freuten sich alle auf die Fahrt zur Stadt der Gondeln und Kanäle, der Brücken und der engen Gässchen, der Stadt ohne Autos und Motorräder …
Am Nachmittag des ersten Strandtages stieg ein Fußballspiel gegen junge Italiener vom Nachbar-Campingplatz. Gerhard hatte das über Mittag organisiert. Er war die rechte und linke Hand vom Boss. Pit wusste, dass er sich auf Gerhard verlassen konnte. Gerhard hatte den Kopf immer voller schmissiger Ideen, Lieder und Songs. Pit studierte Theologie, Gerhard Pädagogik. Sie ergänzten einander sehr gut.
Das große Fußballspiel, bei dem die Mädchen der Meute den großen Teil der Zuschauer stellten, ging unentschieden aus. Ein Rückspiel war ausgemachte Sache. Morgen vielleicht oder auch übermorgen. Abends war eine Strandwanderung in Gruppen vorgesehen. Sie wollten Muscheln suchen. Richtige zum Kochen und Aufessen. Und tatsächlich: Noch vor Dunkelheit des langen südlichen Abends kamen sie mit Marmeladeneimern und Büchsen zurück, die mit Miesmuscheln gefüllt waren. Frau Krause musste drei Töpfe mit heißem Wasser zur Verfügung stellen. Dann kochten sie Muscheln, knackten sie auf und genossen diese »Meeresfrüchte«, die sie selbst gesammelt hatten.
Heute Abend ging die ganze Meute hinunter zum Strand. Sie wollten singen, klönen, zusammensitzen und den Mond aufgehen sehen. Gerhard hatte die Klampfe mit. Gäste kamen dazu. Junge Deutsche und einige Italiener. Die Deutschen hatten einen großen Transistorkoffer mitgebracht. Da lief auf einem Sender irgendeine deutsche Schlager-Parade, immer wieder gestört durch Wellensalat im Äther. Man merkte die große Entfernung von daheim, vom Sender der Musik. Und dann schnulzte ein Sänger mit gedämpft heiser klingender Stimme: »Such das Glück der Welt, nicht in Gold und Geld!« Und noch einmal, unüberhörbar und sehnsuchtsschwer: »Such das Glü-hück der Welt, nicht in Go-hold und Geld!« Leise und verträumt pfiff irgendjemand ein paar Takte mit. Pit sah hinüber zu Gerhard. Und sie lächelten beide mild und verständnisvoll: Kitsch und Romantik liegen oft dicht beieinander.
Aber da hatte Gerhard eine Idee:
»Leute der Meute! Wie wäre es, wenn wir Signor Gino fragten, ob wir die Abfallkartons und die Tomaten- und Pfirsich-Holzkisten, die hinter dem Einkaufslädchen am Platzeingang herumfliegen, haben dürften, um ein kleines Lagerfeuer zu machen?«
»Da muss ich erst mit Signor Gino sprechen und ihm versprechen, dass wir das Feuer kleinhalten, es hinterher ganz löschen und mit Sand zugraben«, meinte Pit. Gerhard machte den Vorschlag, dass alle mithelfen sollten, eine flache Grube in den Sand zu buddeln. Dann könnte man den Sand nachher umso leichter zum Löschen des Feuers verwenden.
Und Gerhard hatte noch eine gute Idee. Er kannte eine Geschichte, in der es auch um Glück, Gold und Geld ging, wie es eben im Schlager zu hören war. Gerhard fragte: »Kennt einer von euch die Story vom Goldrausch am Sacramento?« – Gini, die Jüngste, legte los: »Erzähl schon!«
»Erst muss die Frage mit dem Lagerfeuer geklärt sein. Dann müssen wir die Kartons und Abfallkisten herbeiholen. Und dann lässt sich über Erzählen mit mir reden!« – So geschwollen wusste Gerhard manchmal sein Talent ins Spiel zu bringen! Aber sie kannten ihn. Und sie mochten ihn gut leiden. Und sie wussten: Erzählen konnte Gerhard so, dass man Zeit und Raum vergessen konnte.
Signor Gino hatte einige erwartete Vorbehalte, gab aber zuletzt nach und sagte, er käme dann auch dazu, um nach dem Rechten zu sehen. Und damit war die Sache erlaubt.
Sie bereiteten alles für ein zünftiges Lagerfeuer vor. Und dann züngelten die ersten Flammen in die blaue Strandnacht hinein. Drüben standen die Zelte als schwarze Silhouetten vor dem Nachthimmel. Und über den Wellen ruhte der Mond.
»Du wolltest erzählen!« rief Gini. Gerhard ließ sich gerne ein bisschen drängen.
»Es ist eine wilde Sache. Als das alles damals passierte, war der Wilde Westen eben wirklich noch sehr wild!« Gerhard blinzelte schalkhaft mit den Augen und hob die Nase schelmisch schnüffelnd gegen das Mondlicht. Das Feuer brannte. Und es entstand eine eigentümlich bannende Stimmung. »Bevor ich erzähle, müssen wir noch ein Lied schmettern. Das gehört zur Sache«, sagte Gerhard. Er stimmte extra umständlich die Gitarre.
»Ihr kennt das Seemannslied vom Hamburger Veermaster, dem ollen Viermastsegler, der nach Kalifornien fuhr! Die Matrosen nennen diese Lieder Shanties. Früher hat ein Vorsänger die einzelnen Verse beim Singen erfunden. Erst beim Refrain fiel der Chor der Umstehenden ein. Und genauso entstand das Lied vom Gold am Sacramentostrand.«
»Kennen wir doch! Hat einen langen, selbstgestrickten Bart! Fang schon endlich an!« So drängten ausgerechnet die Mädchen.
»Gut«, konterte Gerhard, »dann singt gleich mit!«
So rollte dann gegen das Lied der Wellen der Seemannsgesang vom Hamburger Veermaster an: »Ick heff mol en Hamburg en Veermaster sehn … de Masten so scheep as den Schipper sien Been …« Und besonders beim Kehrreim legte sich die ganze Meute, rund um das Lagerfeuer am Strand verteilt, mächtig ins Zeug: »Blow, boys, blow for Califomio! There is plenty of gold, so I am told: on the banks of Sacramento …! »Weiß denn einer, was der Kehrreim bedeutet?« fragte Pit. »Klar!« rief Fred. »Los, Jungs – auf nach Kalifornien. Da gibt's haufenweise Gold am Ufer des Sacramento.«
Das also war das Lied jener aufregenden Begebenheiten, die damals die ganze Welt erschütterten: Am Sacramento brach der Goldrausch aus, nachdem die ersten Nuggets gefunden worden waren. Und die Gerüchte darüber drangen über den Ozean nach Europa und Russland. Sie lösten eine Lawine aus. Eine Völkerwanderung größten Ausmaßes setzte ein: Goldsucher, Glücksritter, Abenteurer, verkrachte Existenzen. Sie alle kannten nur EIN Ziel: Auf zum Sacramento! Gerhard holte noch einmal tief Luft und setzte zur Vorrede an:
»Ich habe die Geschichte nicht erfunden. Sie ist ein Tatsachenbericht. Viel besser als ich sie erzählen kann, hat ein großer Schriftsteller sie niedergeschrieben. Er heißt Stefan Zweig. Man kann die Geschichte in seinem Buch »Sternstunden der Menschheit« nachlesen, so wie er sie der Wirklichkeit nachgestaltet hat. Ich versuche zu erzählen, was sich damals am Sacramento abgespielt hat.«
»Nun fang schon endlich an!« warf Ellen dazwischen. Und Dieter knurrte: »Immer die langen Vorreden!« Gerhard ließ sich nicht beirren. Es machte ihm Spaß, dass sie ihn zur spannenden Handlung drängten.
»Ihr vergesst ganz, das Lagerfeuer nachzulegen!« stichelte Gerhard zurück. Pit genoss es, wie sie Gerhard wieder die Worte vom Munde wegrissen.
»Also«, begann Gerhard noch einmal, »ich komme gar nicht weiter, wenn ihr einen dauernd unterbrecht! Also, die Idee, diese Geschichte heute zu erzählen, gehört nicht in unser Programm. Die Idee ist life! Sie kam mir beim Schlagertext vom Radio vorhin: Such das Glück der Welt, nicht in Gold und Geld! Das war damals so:
In Rynenberg, einer kleinen Ortschaft der Schweiz, nahe Basel, klopften in aller Herrgottsfrühe vier Gendarmen an die hölzerne Tür einer Hütte. Es lag Schnee, und draußen war es bitterkalt. Sie mussten mehrmals pochen, denn drinnen rührte sich nichts. Irgendwo kläffte ein Köter. Der Wachtmeister der Gendarmerie unterdrückte ein Schimpfwort und trat energisch mit dem Stiefel gegen die Tür, dass es donnernd dröhnte. Da begannen im Haus Kinder zu weinen und eine Frauenstimme rief: ,Was ist denn passiert?'
,Auf machen! Polizei!'
Ein Aufschrei. Dann kamen Schritte heran, die Frauenstimme näherte sich der Tür: ,Was wollen Sie von mir? Haben Sie ihn gefunden? Ich mache mir solche Sorgen!' ,öffnen Sie! Das Weitere wird sich finden!' – Die Gendarmen wurden unwillig in der Kälte des Wintertages, an dem die Sonne noch nicht aufgegangen war.
Es dauerte noch eine geraume Weile, bis die Frau öffnete. Sie hatte sich die Kleider schnell übergeworfen. Nun trampelten die Beamten mit ihren Stiefeln ins Haus, während die Kinder wieder anfingen zu schreien. ,Sagen Sie doch, reden Sie! Haben Sie ihn gefunden?' ,Wen?' fragte der Beamte die Frau.
,Meinen Mann! Wen denn sonst? Er ist seit zwei Tagen nicht nach Hause gekommen. Ich mache mir solche Sorgen. Die Wirtschaft und das Kartenspiel … Ich sage immer: Trink doch nicht so viel! Denk an die Kinder! Nun sitzen wir seit 48 Stunden und warten, dass er heimkommt.'
,Das ist eine Finte, Chef!' murrte der untersetzte Polizist, der ganz zuletzt den Raum betrat, nachdem er sorgsam den Schnee von den Schuhen geklopft hatte.
,Durchsucht das Haus!' befahl der Wachtmeister. Und zu der Frau gewendet: ,Wir haben Auftrag, ihren Mann zu verhaften. Er wird gerichtlich gesucht. Hier, sehen Sie sich den Haftbefehl an!'
Die Frau begann zu weinen. Als sie sich ein wenig gefasst hatte, fragte sie: ,Was hat er denn getan? Das kann doch nicht sein. Es ist ein Irrtum! Bestimmt ein Irrtum! So schlecht ist er nicht, dass Sie ihn verhaften müssen/
,Seine Gläubiger haben Anzeige erstattet. Er wird gesucht wegen Bankrottbetrugs, wegen Wechselfälschung und Verdunkelungsgefahr!'
,Er hat kein Geld mehr! Wochenlang haben wir gehungert. Das Geschäft ging von Anfang an zu schlecht, um eine Familie ernähren zu können. Da ging er borgen. So bekamen wir Schulden! Aber das kann doch kein Grund zur Verhaftung sein.'
,Er hätte Bankrott anmelden müssen. So sind die Geldgeber die Betrogenen! Nun sagen Sie mir, Frau: Wo steckt er?'
,Wenn ich es wüsste! Ich … ich habe solche Angst!' ,Dann müssen wir eben das ganze Haus auf den Kopf stellen. Wir finden ihn schon!'
Die Frau weinte laut und hemmungslos. Die Kinder liefen aus den Betten herbei, klammerten sich an die klagende Mutter und heulten um die Wette. Unterdessen durchstöberten die Polizisten das Haus.
Nach einer Stunde stand fest, dass sie nichts gefunden hatten, keine Geschäftspapiere, keine Schuldscheine und auch nicht den gerichtlich Gesuchten, Johann August Suter, 31 Jahre alt, wohnhaft in Rynenberg in eben jenem Anwesen, das sie vom Keller bis zum Dach durchforscht hatten.
Der Wachtmeister trug sichtbar schlechte Laune zur Schau, verfasste einen kurzen Bericht über die Haussuchung und trug in nahezu unleserlicher Schrift das Datum ein. Dahinter setzte er dick und drohend die Jahreszahl 1834 als eine Art Schlusspunkt nach vergeblicher Arbeitsanstrengung. Und das am frühen Wintermorgen, wo alle, die nicht unbedingt schon auf sein mussten, in warmen Federbetten lagen. Als die Beamten mürrisch abzogen, ließen sie eine weinende, sorgenbeladene Frau mit drei schluchzenden und frierenden Kindern in banger Ungewissheit zurück:
Kein Mann, kein Geld, fast nichts mehr zu essen, verlassen seit zwei Tagen und nun auch noch diese Schan-de: Die Polizei zur Haussuchung! ,Das Gericht sucht ihn? Bankrottbetrug? Was für schreckliche Dinge für eine Frau wie mich, die nichts von all dem versteht V Sie versuchte, die Kinder zu trösten und war doch selbst untröstlich und einer dumpfen, zermürbenden Verzweiflung nahe.
Unterdessen wechselte der Gesuchte bei Nacht und Schnee über die gefährliche Gebirgsgrenze. Auf einsamen, steilen Pfaden erreichte er das rettende Ausland: Frankreich.
Nach Wochen landete Johann August Suter erschöpft und niedergeschlagen in Paris. Er suchte Arbeit, um wieder zu Geld zu kommen. Er war bereit, alles zu tun, was Verdienst versprach. Aber wer sollte ihn anstellen? Er besaß keine Papiere. Unter seinem richtigen Namen wurde er steckbrieflich in der Schweiz gesucht. Wochenlang irrte Johann August Suter durch die Gassen von Paris. Nachts war es bitterkalt draußen. Spätabends verkroch er sich unter die Seinebrücken, deckte sich mit Lumpen und Zeitungen zu und versuchte hungrig und fröstelnd einzuschlafen. Aber die Kälte drang durch. Halbe Nächte durchgeisterte der Flüchtling vor der Polizei die Straßen der großen Stadt. Am frühen Morgen durch wühlte er die eben vor die Türen gestellten Abfalleimer, bevor die Müllabfuhr eintraf. Was er fand, verkaufte er tagsüber den Trödlern und Flohmarkthändlern für lächerliche Sümmchen. So verdiente er sich einige Nächte im Obdachlosenasyl, das von meist zwielichtigen Menschen bevölkert wurde. Eines Tages stellte Johann August Suter fest, dass sein Nebenmann gestorben war, der die ganze Nacht über erbärmlich gehustet hatte. Bevor das Ableben des Lungenkranken entdeckt wurde, bemächtigte sich Suter des Passes, den der Gestorbene bei sich trug.
,Er nützt ihm doch nichts mehr!' sagte er draußen vor sich hin, um den Diebstahl vor sich selbst zu rechtfertigen. Nun besaß Johann August Suter einen Pass mit neuem Namen und konnte weiter untertauchen.
Er verließ Paris, um nach Le Havre zu wandern. Zermürbende Tage lagen hinter ihm, als er in der bunten Hafenstadt eintraf. Man munkelte von großen Auswandererschiffen, die für wenig Geld eine Überfahrt nach Amerika ermöglichen sollten. Es gab viele europamüde Auswanderer; nicht alle besaßen eine reine Weste. Johann August Suter hatte kein Geld zur Ausreise. Aber er hatte Glück. Einer der Unterdeckarbeiter war plötzlich an Fieber erkrankt. Suter besaß einen Pass und konnte einspringen. Er verdiente nichts, bekam aber freie Überfahrt nach New York, dazu kostenlose Verpflegung und Unterkunft auf dem Zwischendeck. Am 7. Juli landete der in der Schweiz Gesuchte auf dem Boden der ,Neuen Welt'.
Amerika war das Land der unbegrenzten Möglichkeiten; das wollte Suter ausprobieren.
Zwei Jahre lang versuchte sich Suter in allen möglichen Geschäften. Zunächst wurde er Packer in einem neuentstandenen Versand-Drugstore1. Die Arbeit gefiel ihm nicht sonderlich. Der Dollar floss nicht so, wie Johann August Suter es sich von der Neuen Welt erträumt hatte. Mit einem Kollegen aus der Packerei schmiedete er Pläne. Er wollte sich selbständig machen. Die beiden eröffneten eine Drogerie. Da im Wilden Westen manches noch sehr im argen lag, brauchte man in dieser Branche weder Prüfung noch Diplom. Suter drehte Pillen, sein /Teilhaber' finanzierte das ,Geschäft'. Aber die Kunden blieben aus. Und Ladenmiete musste man auch damals schon im Wilden Westen bezahlen. So konnte es nicht ausbleiben, dass die Sache schief ging. Johann August Suter versuchte sich als Zahnarzt. Er erstand einige Zangen und einen weißen Kittel und ließ ein großes Plakat malen. Vor dem Ausreißen schmerzender Zähne verabreichte der frischgebackene ,Zahnarzt' seinen Kunden echten Whisky, der hinterher teuer berechnet wurde. Da diese Behandlung aber schmerzlindernd war und in jener Zeit die Zähne ohne Betäubung gezogen wurden, sprach sich Suters Methode herum, und er bekam Zulauf. In dieser Zeit verdiente der Flüchtling vor der Schweizer Polizei nicht wenige harte Dollar. Nebenher betrieb er einen Arzneiverkauf, wie das damals ohne weiteres möglich war. Zwei Jahre lang ging alles gut. Johann August Suter legte seinen Erlös auf die hohe Kante und wurde ein sparsamer Mensch, der Pläne spann, um seinem Leben wieder einen vernünftigen Inhalt zu geben. Er erwog sogar, seine Frau mit den Kindern in die Neue Welt zu holen. Aber dazu reichte das Geld noch lange nicht. Nach über zweijähriger Praxis' pachtete Suter eine Taverne, um sein Geld zu vermehren und anzulegen; denn in dieser Zeit gingen wilde Gerüchte über Kursstürze des Dollars durch Goldfunde und Falschmünzer um.
Nach mehrmonatiger Pächterzeit kaufte er das Wirtshaus, das aus einer schlichten Blockhütte bestand, wie sie die Pioniere damals bauten. Johann August Suter war Wirtshausbesitzer und kein ganz armer Mann mehr. Er nahm sich vor, in Zukunft ein rechtschaffenes Leben zu führen und unter seine Vergangenheit einen Schlussstrich zu ziehen. Aber das Leben in einer Taverne des Wilden Westens war alles andere als ein gemütlicher Job. Es gab häufig Schlägereien. Als einmal ein Betrunkener eine Schießerei begann und den ganzen Laden zertrümmerte, ließ sich Suter die Versicherungssumme auszahlen, verkaufte das schlimm zugerichtete Kneipenblockhaus und siedelte nach Missouri über.
Dort erst fand er seine innere Ruhe wieder. Er erstand Land, errichtete ein bescheidenes Holzhaus und wurde Farmer.
Suter gab sich redlich Mühe, zurück auf den ordentlichen Weg zu kommen. Die Ernte gedieh gut, Geld kam ein, die alten Pläne für eine Überfahrt der Familie aus der Schweiz nahmen neue Formen an.
Aber der junge Farmer hatte Abenteurerblut in seinen Adern. Er konnte nicht recht sesshaft werden. Er träumte von großem Reichtum. Alles ging ihm zu langsam. An seiner kleinen Farm zogen auf der Durchgangsstraße Jäger und Trapper vorüber, die hin und wieder nachts bei dem Besitzer abstiegen. Sie erzählten von der Weite des Wilden Westens. Suter spürte das Blut in seinen Adern. Er horchte auf, wenn von Abenteuern und angeblichen Goldfunden erzählt wurde. Aber die Trapper wussten auch nichts Genaues zu berichten. Immer waren es nur Gerüchte, die keine festen Grundlagen aufweisen konnten. Täglich kamen Abenteurer, Goldsucher, Pelzhändler und abgemusterte Soldaten vorbei, die alle nur ein Ziel verfolgten: Westwärts! Dort habe man Gold gefunden.
Immer wieder drehten sich die Gespräche abends vor den lodernden Scheiten im Kamin um die sagenhaften Goldfunde. Alles drängte nach Westen. Hin und wieder wollte einer der Abenteurer wissen, dass Kalifornien jenes geheimnisvolle Goldland wäre, wo das große Glück im Sande lag. Die Vorüberziehenden mussten die weiten Steppen durchqueren, um das Glück beim Gold-suchen zu finden. Viele wurden von Indianern überfallen und getötet. Die Wilden sammelten die Skalpe der Abenteurer mit grimmiger Verbitterung. Sie fühlten sich aus ihrem Land verdrängt und verraten. Eines Nachts ging über Suters Farm ein schweres Gewitter nieder. Ein Wolkenbruch zerstörte die kommende Ernte. In jener Nacht schlief Johann August Suter schlecht. Gegen Morgen plagten ihn wirre Träume. Er sah große Büffelherden und weite Steppen. Dann hörte er einen riesigen Strom rauschen und sah Männer, die im Sande wühlten und mit unförmigen Sieben ausgerüstet waren. Plötzlich quoll der Fluss über seine Ufer. Und da war es lauter Gold, das die Männer im Sand überflutete und erstickte. Gold, reines Gold. Suter stöhnte im Traum und raffte von dem gelben Strom, soviel er tragen konnte. Aber er sank immer tiefer in die zähe Masse des überquellenden Flusses ein, bis er ertrank. Da erwachte er schweißgebadet und sprang auf. Er dachte, er hätte Fieber. Zwei Tage darauf verkaufte er seine Farm und brach auf, um das geheimnisumwitterte Goldland zu suchen.
1Gemischtwarengeschäft mit Imbissecke
Es hieß, dass in Kalifornien Milch und Honig flössen. Es war ein unerforschtes Land, das weit hinter den Bergen und Steppen, hinter der Todeszone der Indianerbezirke irgendwo in der weiten Ferne des Westens liegen musste. Man sollte dort das billigste Land der Erde kaufen können. Aber zahllose Landnehmer und Pioniere hatten ihr Ziel nie erreicht. Es waren nicht immer die Rothäute, die sie daran hinderten.
Suter erstand einen Wagen, zwei Büffel, zwei Pferde und fand eine kleine Gruppe abenteuerlicher Gestalten, die sich ihm anschlossen, als er vom Fort Independence schwer bewaffnet loszog.
Im Oktober 1838 erreichten nur wenige der Verwegenen das befestigte Fort Vancouver. Zwei Meuterer mussten sie unterwegs zurücklassen. Eine Frau war am Fieber gestorben. Drei tödliche Verluste hatten sie nach einem überraschenden Überfall der Indianer zu beklagen.
Johann August Suter fand in einem der Offiziere des Forts einen verstehenden Freund, den das Pochen seines Abenteurerblutes bis zu diesem Vorposten der Zivilisation hinausgetrieben hatte.
,Lass deine Pläne fallen. Du erreichst das Ziel doch nicht. Oder glaubst du, ich säße hier in diesem verlausten Fort, wenn das Goldsuchen so einfach wäre?'
,Du verstehst nichts davon', erwiderte Suter. ,Man muss Glück dabei haben, dann wird man reich, steinreich! Weißt du, was das heißt, alles kaufen und besitzen können?'
Der Offizier trank noch einen Schluck und lachte bitter: ,Das sind Träume, Phantastereien. Du jagst einem Traumbild nach und wirst es doch nicht erreichen!'
Da wurde Suter böse. Es gab zwischen den beiden Männern einen heftigen Streit. Sie trennten sich.
Mit einem alten Windjammer ging die Reise weiter. Bei der Zwischenlandung auf den geheimnisvollen Sandwich-Inseln wäre der morsche Kasten mit den geflickten Segeln beinahe zu Bruch gegangen. Wochen später erreichte Suter nach entsetzlichen Strapazen das Gestade am Ende der Welt. Er war in San Franzisco.
Schauer überfielen den Abenteurer, wenn er an die wagehalsigen Manöver vor den Gestaden Alaskas dachte, wo es noch einige Wochen vor der Landung in San Franzisco um Leib und Leben gegangen war. Er hatte alles auf eine Karte gesetzt und durchgehalten.
San Franzisco war damals ein Nest voller Spelunken und Kneipen, in denen Herumtreiber und Deserteure, Goldsucher und Gesuchte abstiegen und untertauchten. Das Fischerdorf war einfach ein kleines Provinznest in der Nähe der mexikanischen Wälder. Es ging wild und zügellos genug dort zu. Es herrschtet; raue Sitten und wilde Gebräuche, an denen selbst die frommen Franziskaner wenig zu ändern vermochten, die dort die Missionsstation unterhielten und die dem Ort seinen Namen gegeben hatten.
Rund um San Franzisco lag das Land brach, und üppig wucherte der Urwald. Niemand fand sich, der an solchem Land interessiert war. Dazu müsste man arbeiten, und das wollten die wenigsten im damaligen San Franzisco. Täglich zogen Goldwäschertransporte zum Sacramento, von denen nie wieder etwas gehört wurde. Immer wieder neue Abenteurer kamen an und niemand vermisste die Verlorenen und Untergegangenen. Es gab keine Polizei, die eine gewisse Ordnung in der Stadt der Gesetzlosen garantiert hätte.
Revolten waren in dieser altspanischen Unordnung nichts Ungewöhnliches. Immer war gerade irgendwo eine wilde Schießerei im Gange. Die Opfer wurden verscharrt, ohne dass je das Auge des Gesetzes danach gesehen hätte. Es gab kaum Arbeitskräfte, noch weniger Tiere für eine Expedition. Und am schlimmsten war, dass es keine Initiative und keine Energie, kein Wollen und kein Vollbringen in diesem Hexenkessel San Franzisco gab.
Nachdem Suter sich am großen Fluss umgesehen hatte, stand sein Entschluss fest: Ich will der König des Sakramentes sein! Das Land rund um San Franzisco bot genügend Raum für ein Königreich. Das hatte der Abenteurer und ehemaliger Farmer sofort erkannt.
Er beschloss, Land zu kaufen.
Ein Desperado in einer Spelunke San Franziscos wusste, wie man zu Land und Wohlstand kommen konnte, vorausgesetzt, dass man selbst arbeiten wollte oder billige Arbeitskräfte anwerben konnte.
,Du musst zur Landeshauptstadt reiten und dem Gouverneur deinen Plan erzählen. Der Mann heißt Alverado und ist bestimmt froh, jemanden zu finden, der arbeitswillig ist', erklärte der Desperado. ,Wo ist der Weg nach Monte Rey?' fragte Suter kurz entschlossen. ,Ohne Maultier kommst du nicht durch. Aber die Sache lohnt sich. Du könntest mich an der Aktion beteiligen. Nur zum Arbeiten bin ich – wie ich fürchte – nicht sehr tauglich. Der Gouverneur erteilt eine Konzession über zehn Jahre. Die bist dahin bebaute und urbar gemachte Fläche geht nach Ablauf eines Jahrzehntes in den Besitz des Kolonisators über', erwiderte sein Gegenüber.
Suter war begeistert: ,Gebt mir zehn Jahre! Dann bin ich der ungekrönte König des Sacramento!'
Die beiden Männer besiegelten den gemeinsamen Plan mit einem Handschlag, wie es damals üblich war.
Zwei Tage später brachen sie auf nach Monte Rey.
Der Vertrag kam zustande. Der Gouverneur setzte sein Siegel unter das Schriftstück: Was Johann August Suter und seine Männer in zehn Jahren bewirtschaften konnten, das sollte in ihrem Besitz verbleiben. Suter sah bebautes Land aus dem Urwald hervorgehen. Er hatte den festen Vorsatz, hier sesshaft zu werden, sein Glück mit der Gründung einer Kolonie zu versuchen. In zehn Jahren sollte die ganze Welt wissen: Am Sacramento liegt das Land Neu-Helvetien (= Neu-Schweiz)! So sollte die Kolonie benannt werden.
Man schrieb das Jahr 1839. Suters Karawane eroberte sich das Sacramentotal. Unter großen Strapazen wanderten die abgemagerten Maultiere, die der Kolonist in San Franzisco aufgetrieben und mietweise erstanden
hatte, mit Menschen und Material auf dürftigen Tragesätteln und Gurten flussaufwärts. Drei weiße Antreiber, bis an die Zähne bewaffnet, befehligten 60 Farbige und Halbblütige, eine Reihe von Kanaken, die 30 Büffelwagen mit Lebensmitteln und Korn, mit Munition, Verpflegung und einer Herde Schafe voranzubringen hatten. Alles war nur gemietet und zusammengepumpt. Einige Tagesreisen von San Franzisco entfernt wurde das große Lager aufgeschlagen. Suter begann, seine Pläne in die Tat umzusetzen. Er versprach allen Mitbeteiligten die Freiheit und ein Leben in Überfluss und Reichtum, wenn sie bedingungslos seinen Befehlen gehorchten.
Er ließ große Urwaldflächen anstecken und abbrennen, um das Land auf diese Weise urbar zu machen. Wochenlang schwelten die Flammen, war der Himmel von unübersehbaren Rauchschwaden verdeckt. Gierig fraß sich das Feuer durch die wuchernden Wälder. Die Wasser am oberen Sacramento erhitzten sich und dampften zischend die überwucherten Ufer entlang.
Eine riesige Naturkatastrophe schien ausgebrochen zu sein.
Als sich die Rauchschwaden lichteten, ließ Johann August Suter Magazine anlegen und Brunnen bohren, um ausreichendes Wasser zur Fruchtbarmachung der zukünftigen Felder zu gewinnen. Er hatte eine glückliche Hand. Seine Farmererfahrungen von damals kamen ihm zugute. Der aschegedüngte Boden wurde besät, Hürden für die Herden aufgebaut, Notunterkünfte ausgebaut. Dass all dies mit den primitivsten Gerätschaften geschah, gehört zu den wirklichen Pioniertaten Suters und seiner Männer.
Das Ausbreiten der jungen Kolonie Neu-Helvetien sprach sich flussabwärts durch die Boten herum, die Nachschub aus San Franzisco heranholten. Aus den Missionssiedlungen kam arbeitswilliger Nachwuchs. Die Erfolge wuchsen zusehends. Suter schien mit allen Voraussagen recht gehabt zu haben. Die Herden vermehrten sich. Die Farbigen erwiesen sich als gute Arbeitskräfte, solange die Antreiber hinterher blieben.
Dann kamen die ersten nächtlichen Überfälle der Eingeborenen. Es gab bittere Verluste auf beiden Seiten. Wachen mussten Tag und Nacht Posten stehen. Sie fehlten bei der harten Arbeit der Urbarmachung.
Immer wieder wurden die Kolonisten überfallen, Magazine standen in Flammen, Tiere wurden getötet.
Suter ließ weiterbauen. Mühlen wuchsen aus dem Boden. Bewässerungskanäle sorgten dafür, dass die fruchtbare Witterung des Landes reichlich genutzt und den Feldern genügend Feuchtigkeit zugeführt wurde.
Jede Woche hielt Suter mit seinen Pionieren Lagebesprechungen, bei denen das Erreichte gebührend gefeiert, das Nächstliegende geplant wurde.
Die Kanaken bauten aus dem Holz des stehengebliebenen Waldes Einbäume, um den Fluss zu bezwingen. Gemüse und Getreide wuchsen und gediehen prächtig. Alle Erwartungen waren am Ende des ersten Jahres in Neu-Helvetien übertroffen. Es fanden sich in San Franzisco genug Abnehmer für die Früchte der Kolonie.
Mit Naturalien konnten die entstandenen Schulden abgetragen werden. Suters Pläne reichten weiter: Schiffe sollten mit Früchten ausgestattet werden und die Sandwich-Inseln beliefern. Sklaven wurden auf der Rückreise mitgebracht. Man versprach ihnen bei guter Arbeitsleistung die Freiheit. Jener Desperado, der in einer Spelunke San Franziscos Suter in seinen Plänen bestärkt hatte, war nun der zweite Mann der großen Neugründung.
Suter wurde Boss genannt und blieb König am Sacramento.
,Sam', sagte er eines Tages zum zweiten Mann im Lande, ,wir sollten Wein anbauen und Geschäfte machen.'
,Gut, Boss, aber woher sollen wir Weinstöcke bekommen?'
,Ich habe mir das alles gründlich überlegt. Wir wollen sie aus Frankreich heranholen. Immer wieder legen französische Schiffe in Kalifornien an. Sie müssen uns die benötigten Weinreben übers große Wasser bringen. Dann werden wir hier leben wie Gott in Frankreich!' Ein knappes Jahr später waren die ersten Weinberge angelegt. Die Reben gediehen prächtig im fruchtbaren Klima Neu-Helvetiens. Farmen und Befestigungsanlagen erwuchsen der neuen Kolonie. Überall erzählte man sich, dass nicht im Sande gefundene Nuggets, sondern Fleiß und Zähigkeit das Erreichte ermöglichten.
Wo es Arbeit gab, verschwanden die lichtscheuen Elemente, um ihr Glück anderwärts zu versuchen. Handelshäuser und Banken boten Kredite und machten mit Suter Geschäfte. Immer wieder kamen Boote mit reichen Männern den Sacramento heraufgefahren, die an der neuen Kolonie verdienen wollten. Suter stand auf der Höhe seiner Schaffenskraft.
An seinem 45. Geburtstag schenkten ihm seine Männer ein Klavier, das sie eigens aus Europa kommen ließen. Johann August Suter war der König am Sacramento. Er hatte sein Ziel erreicht, aber sein Gewissen ließ ihm keine Ruhe. In der heimatlichen Schweiz hatte er Frau und Kinder einst verraten und seitdem nie wieder von sich hören lassen. Das Unrecht drückte ihn, dem es auch jetzt noch schwer fiel, seine Abenteuerlust zu zügeln. Er beschloss, an seine ozeanweit entfernte Frau zu schreiben.
14 Jahre waren es her, dass er vor den Häschern der Polizei davongelaufen, geflohen war. Nichts war ihm erspart geblieben. Manche alte Schuld machte sich jetzt bemerkbar. Nun hatte er Geld und Gut und wollte alles wiedergutmachen. Er beschloss sogar, seine damaligen Gläubiger in der Schweiz, die er schmählich betrogen hatte, zu entschädigen.
Als der Brief nach Europa abging und der fernen Familie zuschwamm, brachen politische Unruhen im Lande aus. Kalifornien, das bisher zu Mexiko gehörte, wurde den Vereinigten Staaten von Amerika übereignet. Es kam zu Zusammenstößen zwischen den Desperados und Deserteuren und den neuen Polizeitruppen in San Franzisco. Die Vereinigten Staaten versuchten, Ordnung in die Unordnung zu bringen. Es gab blutige Feuergefechte.
James nannten sie den Schreiner, der die Aufbauarbeiten des großen Sägewerkes in der Nähe der Farm Coloma zu leiten und zu überwachen hatte. Suter versprach sich großen Nutzen von der Fertigung eines Bretter- und Balkenlagers für den weiteren Ausbau der Siedlung, deren Zentrum die Farm Coloma sein sollte. Das Wasser des Flusses lieferte die Energie für das geplante Werk kostenlos. James war ein tüchtiger und umsichtiger Mann, dessen Fähigkeiten Suter in der Vergangenheit wiederholt erprobt hatte.
Suter saß über neuen Plänen in seinem Arbeitsraum. Er plante zwei große Musterdörfer am Sacramento. Plötzlich flog die schwere Holztür weit auf, schlug krachend gegen die Wand. In der Öffnung stand, ohne seine Ankunft vermeldet zu haben, James, der erst vor wenigen Stunden seinen Arbeitsplatz verlassen hatte und direkt von der Baustelle in Suters Planungsraum gestürzt kam. Er trug alle Anzeichen höchster Erregung und Bestürzung auf seinem Gesicht. Mit einem Blick übersah Johann August Suter, dass etwas Außergewöhnliches passiert sein musste. Vielleicht hatten die Arbeiter gemeutert? Vielleicht …
,Was ist los, James?' rief Suter seinem Störenfried entgegen.
Der zog schnell die Tür hinter sich zu und tat plötzlich furchtbar geheimnisvoll.
,Nun sag schon, was passiert ist. Ich bin auf alles gefasst!' donnerte Suter den völlig verwirrten James an. ,Wir müssen die Tür verschließen, Boss. Es darf uns keiner überraschen. Was ich zu sagen habe, bedeutet Himmel und Hölle am Sacramento.'
Johann August Suter war bis zum äußersten durch das Verhalten James' überrascht. Sorgfältig verschloss er die schwere Tür.
,Wir müssen die Fenster verhängen, glaub mir, Boss. Es ist etwas Unerhörtes, das ich dir sagen und zeigen muss. Es darf niemand außer uns davon wissen!' Suter schloss am hellen Tage die Holzschalter.
Da packte James aus. Er griff umständlich in die Hosentasche, zog ein nicht sehr sauberes Tuch heraus und schüttelte dessen Inhalt auf die Tischplatte, mitten auf die Pläne, die Suter noch vor wenigen Minuten sorgfältig studiert hatte.
Johann August Suter starrte zunächst sprachlos auf jene Handvoll Sand mit den kleinen Goldklümpchen.
,Gold! Boss! Wir haben Gold gefunden!' stammelte James.
,Mein Gott, Gold!' japste Suter und konnte es noch nicht glauben.
,Erzähle Mann, erzähle. Aber sag's leise, damit uns niemand hören kann. Wo hast du die Nuggets her?'
,Wir legten den Kanal zum Sägewerksgelände an. Sie gruben noch nicht sehr tief, als ich ein helles Glänzen im Sand entdeckte. Sofort schickte ich die Arbeiter zur anderen Seite und befahl ihnen, dort die Fundamente weiter auszuheben. Sie wissen nicht, was sie hervorgeholt haben. Sie gaben nicht acht auf die Schätze im Sand des Sacramentotals, weil sie nicht ahnen konnten, dass Gold im Sand lag. Ich habe Johnny mit der Aufsicht betraut und bin sofort zu dir gekommen, Boss!'
,Gold, pures Gold!' flüsterte Suter erregt und berauscht vor sich hin. Dann sah er James fest in die Augen und befahl: ,Schwöre, dass es unser Geheimnis bleibt! Schwöre mir bei allem, was dir lieb und wert ist. Du wirst mein Teilhaber! Du wirst der zweite Mann im Königreich am Sacramento sein. Wenn die anderen wissen, was los ist, bricht die Hölle aus. Sie werden uns umbringen, um ungestört wühlen zu können. Du musst alles für dich behalten. Wir brechen sofort auf zum Sägewerk. Pack die Nuggets ein und fege den Sand von den Papieren!'
James, der seinem Herrn und Boss restlos vertraute, gehorchte.
Nach einem heimlichen Nachtritt, den sie dem offenen Aufbruch am Tage vorzogen, standen die beiden Männer auf dem Gelände des zukünftigen Sägewerks, das nie mehr gebaut werden sollte. Ob Johann August Su-ter und James Marshall in dieser Stunde bereits die Katastrophe ahnten, die in kurzer Zeit hereinbrechen sollte? Gierig und berauscht wühlten sie im Sand der Fundstelle.
Wenige Stunden später wussten sie, dass alle Vorsicht umsonst gewesen war. Auch die Arbeiter hatten einige Goldkörner entdeckt. Der Rausch kam über sie. Sie durchwühlten den Boden wie Tiere. Kein Mensch kümmerte sich mehr um Suters Anordnungen. Auch James war machtlos.
Es kam zu einer regelrechten Meuterei, die Suter nur dadurch im Keim ersticken konnte, dass er allen Arbeitern Teilhaberschaft an der Ausbeutung versprach, wenn sie die Vorgänge streng für sich behielten.
Glaubte er ernsthaft, damit den Rausch der Habgier in die Gewalt zu bekommen, die Sucht nach Reichtum und Gold in geordnete Bahnen zu lenken? Dazu war Suter selbst bereits zu weit der Gier verfallen. Er wollte der reichste Mann der Neuen Welt werden. Er wollte Minen anlegen, Goldpreise diktieren, er spürte das fieberhafte Jagen nach Macht und absoluter Unabhängigkeit.
Die Arbeiter wurden mit Mühe beruhigt und mussten Suter in die Hand hinein feierlich versprechen, dass sie das Geheimnis des Goldfundes für sich behalten würden.
Dafür gab Johann August Suter die Fundstelle zwei Tage zum Durch wühlen, Graben und Sieben frei. Danach sollte alles, was gefunden wurde, zusammengetan und später aufgeteilt werden. Der Boss gab sich mit dem feierlichen Ehrenwort seiner Männer zufrieden und begann selbst, die beiden Tage auszunutzen. Auf den Knien kroch er in der noch und noch durchkrümelten Erde herum und buddelte mit beiden Händen süchtig im goldhaltigen Sand. Er fand auch einige Nuggets, die er sorgfältig in seinen Taschen verbarg. Nach Ablauf der Frist von 48 Stunden ließ der König vom Sacramento die Fundstelle absperren. Kein Mensch sollte Zutritt haben. Man verbreitete das Gerücht, eine Seuche sei ausgebrochen. Und hinter diesem Gerücht lauerte eine furchtbare Wahrheit.
Die Seuche des Goldrausches forderte die ersten Opfer, nachdem sich einige Arbeiter sinnlos betrunken und geschlagen hatten. Zwei Männer standen nach der wütenden Schlacht nicht wieder auf. Alle Hemmungen fielen, und arbeitsame Hände verwandelten sich in goldgierige Pranken.
Suter ritt zurück und überließ einstweilen das Kommando über die wildgewordenen Ausbeuter James Marshall. Er plante im geheimen die Anforderung der Staatspolizei. Jeder Schritt musste jetzt genau durchdacht werden. Es war nur eine Frage der Zeit, bis das Geheimnis des Quarantänelagers bekannt würde. Dann war alles weitere nicht mehr vorauszusehen. Dann würden die Zustände in dem Spelunkennest San Franzisco erst die vorderste Vorhölle der Dinge sein, die sich am Sacramento abspielen mussten.
Suter war durch die Goldfunde auf dem Boden seiner Kolonie, die ihm mit Siegel und Unterschrift verbrieft war, der reichste Mann der Neuen Welt geworden. Warum sollte er also selbst buddeln und wühlen? Das mussten andere für ihn tun. Er würde vom Ertrag ihrer Arbeit leben und täglich reicher werden. Man konnte das Schürf recht auch für unsinnig viel Geld verpachten. Jedenfalls musste zunächst alles geheim bleiben, bis eine ordnungsgemäße Absperrung durch Truppen und Waffen möglich war. Platzte die Sache vorher, dann war alles vorbei und verloren. Das wusste Suter nun ganz genau.
Der reichste Mann Amerikas wurde wenige Tage nach dem Beginn der Schweigepflicht verraten.
Keiner hat jemals herausgefunden, wer das Geheimnis zuerst verriet. War es der Bote, den Suter zum Gouverneur schickte, um Polizeitruppen zu erbitten? Er betrank sich und zahlte mit Rohgold. Bald wussten es alle. Der Rausch breitete sich aus, bevor Truppen ein treffen konnten. Die Menschen verließen ihre Arbeitsplätze, ihre Unterkünfte und Behausungen. Familien lösten sich über Nacht auf. Jeder handelte auf eigene Faust. Die Nachricht vom Gold am Sacramento verbreitete sich mit telegrammartiger Geschwindigkeit über weiteste Entfernungen. Die Hölle brach los! Die teuflische Parole hieß: Gold, Gold, Gold am Sacramento!«
Hier endete Gerhard seine Erzählung. Das Lagerfeuer war heruntergebrannt und glühte in der Sandgrube, die sie gebuddelt hatten. Gerhard sagte seinen Zuhörern: »Es ist spät geworden. Pit hat schon zweimal zur Uhr geschaut. Wir machen hier für heute Schluss. Morgen geht es weiter …«
Gerhard kam mit dieser Erklärung nicht zu Ende. Ein afrikanisch-nächtliches Geheul des Protestes setzte ein. Gini rief: »Weitermachen!«
Die Meute stimmte ihr zu. Aber Gerhard blieb dabei: »Es ist spät. Wir teilen die Wache noch ein. Pit spricht uns den Abendsegen. Und morgen Abend geht es weiter. Wenn alles morgen gut klappt, werden wir Signor Gino fragen, ob wir wieder ein Lagerfeuer hier anzünden dürfen.«
Das nahmen sie dem Erzähler ab. Die Meute wühlte mit den Händen Sand über die Feuerstelle. Sie trafen sich noch an der nahen Buhne direkt am Meer. Pit sprach Abendsegen und Abendgebet, er schloss mit ein, die zu Hause geblieben waren: Eltern, Geschwister, Freunde.
Fred und Dieter waren zur ersten Wache eingeteilt und merkten sich die Namen ihrer Ablösung, die sie nach zwei Stunden zu wecken hatten. Der Mond stand über dem silbern glänzenden Meer. Es war eine schöne Nacht. Frau Krause räumte noch leise in ihrer Küchenecke herum, um die letzten Vorbereitungen für den kommenden Morgen zu treffen.
Pit und Gerhard gingen nach der Lagerarbeit des Tages noch baden und schwammen ein Stück hinaus, ohne ein Wort zu sagen. Die Mondnacht war einfach zu schön, um zerredet zu werden. Die Wache ging im Lager auf und ab, setzte sich dann in Strandnähe nieder, ohne das Lager aus den Augen zu lassen.
Es war eine ruhige Nacht. Sogar Fred und Dieter verzichteten darauf, miteinander zu sprechen. Jeder von ihnen hing seinen Gedanken nach. Und jeder dachte an Kalifornien, das ferne Land; an den Sacramento, den Wilden Westen und das Fieber, in das die Menschen sich hineingesteigert hatten, als es um Gold und Reichtumsträume ging …
Die ersten der Meute krochen um Viertel nach sechs aus den Zelten und versuchten, Pit zur Badeaufsicht zu gewinnen. Schließlich hatten sie bei Gerhard mehr Erfolg. Pit, einmal wachgeworden, kroch aus dem Zelt und ging zum Waschen. Beim Rasieren dachte er über das Konzept der Morgenandacht nach, das er gestern nach dem Baden im Zelt beim Taschenlampenschein ausgearbeitet hatte.
Die ersten kamen zum Waschen. Die Waschräume auf dem Platz von Signor Gino waren sauber und gepflegt. Nach der Morgenandacht und dem Frühstück gab Pit den Tagesplan bekannt. Die Sonne stand strahlend am azurblauen Himmel.
»Wir besuchen heute Venedig!« sagte er. Und die Meute freute sich auf das Erlebnis der Lagunenstadt.
Der Bus wurde saubergemacht, bevor sie los fuhren. In Punta Sabioni löste Pit für die ganze Meute die Karten. Dann kam der große Dampfer.
Gerhard erklärte unterwegs denen, die sich an der Reling auf dem Sonnendeck um ihn geschart hatten: »So lange man mit der Hand und dem Ruder der Gondolieri die Boote auf den Kanälen bewegte, war Venedig noch keine sterbende Stadt. Es war die zauberhafteste Stadt des nördlichen Italien, eine Stadt, die einst sehr reich war, einen Stadtstaat gebildet hatte und mit Schiffen und Handel das Mittelmeer weit und breit beherrschte. Dann kamen die Motorboote, auf die man heute nicht mehr verzichten kann, mit ihren Antriebsschrauben, mit Umweltverschmutzung durch Dieselabgase, die die Marmor- und Backsteinpaläste zerstören. Die Schiffsschrauben mahlen in den flachen Kanälen mit der Kraft der Motoren den feinen Lagunensand im Wasser um und um. Das wirkt auf die Fundamente der Paläste und Häuser, die direkt in das Wasser hineingebaut worden sind, wie ein dauerndes Sandstrahlgebläse und schafft erhebliche Fundamentzerstörungen. Viele Venetianer sind fortgezogen aus der sterbenden Stadt und ziehen das Festland, mit dem Venedig nur durch einen schmalen Eisenbahn- und Straßendamm verbunden ist, dem Weiterleben in der sterbenden Stadt vor.« Während Gerhard erzählte, legte das Schiff amberühmten Lido, der Touristeninsel vor der eigentlichen Inselstadt, an.
Pit ergänzte: »Auf 118 kleinen Inseln ist Venedig gebaut. Mehr als 150 Kanäle durchziehen die ganze Wasserstadt, die einst die glänzendste Handelsstadt der Erde war. Noch heute ist sie Sitz eines Erzbischofs und zählt rund 360 000 Einwohner.
Dann bog der große Dampfer in den Canal Grande ein, in den großen Kanal mit den stolzen Palästen und der Krönung durch den Dogenpalast, den Markusdom und den Markusplatz, den viele den schönsten Platz der Welt nennen.