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Dieser Reisebericht über das Insel-Archipel der Philippinen eröffnet dem Leser eine schier unglaubliche Fülle von Kontrasten, nicht zuletzt hervorgerufen durch die Vermischung von östlicher und westlicher Kultur, von mittelalterlichem Geisterkult und modernem Christentum, von uns kaum vorstellbarer Armut und Reichtum. Helmut Ludwig hat die Philippinen bereist und schreibt über die Lebensbedingungen der Müllkippenkinder in der Nähe von Manila, über die Vermischung von Naturreligion und christlichem Glauben, über die verfeindeten politischen Richtungen. Der Autor sagt es deutlich: Gottes Liebe müsste durch Taten, nicht zuletzt durch Taten der Mission, mehr Eingang in die Herzen der Menschen finden. Das entscheidet über die Zukunft der Philippinen.
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Seitenzahl: 184
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Rebellen, Christen und Taifune
Unterwegs auf den Philippinen
Helmut Ludwig
© 2014 Folgen Verlag, Wensin
Autor: Helmut Ludwig
Cover: Eduard Rempel, Düren
Lektorat: Tanja Löwen, Hürtgenwald
ISBN: 978-3-944187-05-1
Verlags-Seite: www.folgenverlag.de
Kontakt: [email protected]
Shop: www.ceBooks.de
Rebellen, Christen und Taifune ist erstmals als Buch 1985 im Evangelischen Missionsverlag im Christlichen Verlagshaus, Stuttgart, erschienen.
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Vorwort
1. In Bangkok hängengeblieben
2. Wenn der Mammut-Betrieb erwacht
3. Willkommen auf der Müllkippe
4. Stadtdiakonie unter den Ärmsten von Manila
5. Aus dem Traum wird ein Wunder
6. Die Totenstadt mit der Chinesischen Mauer
7. Ein Stück Missions- und Kirchengeschichte am Rizal Park
8. Serie von Großbränden
9. Protestantische Missionare und CVJM
10. Über die Bibel und anderes mehr
11. Geschichte von 1521 bis heute im »Schnellbügelkurs«
12. Entwicklungshilfe und Psychologie
13. Zwei Arten von Ghettos
14. Goldwäscher suchen Nuggets
15. Verständigungs- und Sprachprobleme
16. PANAMIN hilft auch den Kopfjägern
17. Baby-Nahrung: Entwicklungshilfe oder Absatzmarkt aus Geschäftsgründen?
18. Die Weltgesundheitsorganisation regt sich
19. Eine Lanze für die Muttermilch gebrochen
20. Reisterrassen als »achtes Weltwunder«
21. Der Fortschritt frisst die Vergangenheit auf
22. Missionare sind willkommen. Mitarbeiter gesucht!
23. Von der Arbeit mit Urstämmen bis zur Medizin und Diakonie
24. Menschen im Gitterkäfig
25. Das »Verdun« der Philippinen: Corregidor
26. Von der Goldminen-lnsel zum Korallenstrand
27. Mister Präsident und Frau - und nicht wenig Korruption
28. Über Hexen und böse Geister, Tieropfer und Beschwörungen
29. Dorfdiakonie auf Mindanao
30. Mit Soldaten gegen den Religionskonflikt?
31. Taifunsichere, verdienstreiche Ananas
32. Tagelöhner auf neuen Plantagen
33. Ein bisschen Statistik zum Nachdenken
34. Jeepneys: Gott schütze die Fahrt!
35. Nächtliche Prozession und tiefe Volksfrömmigkeit
36. Rebellen, Taifune und Radio-Mission
37. Elend ändern (Versuch eines Nachwortes)
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Dieser Reisebericht über das Insel-Archipel der Philippinen eröffnet dem Leser eine schier unglaubliche Fülle von Kontrasten, nicht zuletzt hervorgerufen durch die Vermischung von östlicher und westlicher Kultur, von mittelalterlichem Geisterkult und modernem Christentum, von uns kaum vorstellbarer Armut und Reichtum. Der inzwischen verstorbene Pfarrer Helmut Ludwig hat die Philippinen, diese von Naturschönheiten verwöhnte Inselwelt, in den 80er Jahren bereist und bewundert, aber nicht als Nur-Beobachter aus Distanz.
Nein, er ist gefesselt von dem pulsierenden Leben in dieser uns so fremden asiatischen Welt voller Widersprüche. Allerdings bleibt es nicht bei einer kurzweilig-spannenden Lektüre. Er schreibt über die Lebensbedingungen der Müllkippenkinder in der Nähe von Manila, über die Vermischung von Naturreligion und christlichem Glauben, über die verfeindeten politischen Richtungen, für die die einen Freiheitskämpfer und die anderen Rebellen sind. Der Autor sagt es deutlich: Gottes Liebe müsste durch Taten, nicht zuletzt durch Taten der Mission, mehr Eingang in die Herzen der Menschen finden. Dies entscheidet über die Zukunft der Philippinen.
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
In der Abflughalle des internationalen Flughafens von Bangkok wimmelt es wie in einem Ameisenhaufen, der angestochen wurde. Die Air-condition, die Frischluftanlage, kommt gegen die Hitze im Raum, gegen die vielen Menschen, die auf ihren Flugaufruf warten, einfach nicht an. Die Luft wird unerträglich. Eine spürbare Nervosität lagert über all den Menschen aus Indien, China, Europa, Amerika, aus vielen Ländern Asiens, unter denen auffallend viele Thailänder sind, und quirlt die Menge der Menschen bunt durcheinander. Eine Gruppe von Arabern wartet in einer Ecke des Raumes. Sie sind in all der Hektik und dem Durcheinander beieinander geblieben.
Eine größere Gruppe von Koreanern trifft soeben ein. Die Menschen stürmen die beiden Toilettenanlagen in der großen Halle und suchen dann einen Sitzplatz. Aber Sitzplätze sind längst nicht mehr zu haben. Wer sich einen eroberte, ist zäh darauf bedacht, den Platz zu behalten.
Auf der Abfluganzeige der Monitore sind nun schon vier Starts mit Verspätungsmeldungen angezeigt.
Draußen ist eine schwüle Nacht, in der eine Unmenge von Moskitos ihre Opfer suchen. Auf dem Flugfeld ist ein ständiges Kommen und Fahren von Bussen, Transportern, Gepäckcontainern, Follow-me-Einweisungsfahrzeugen für die landenden Fluggiganten, Polizeifahrzeugen und Tankwagen. Scheinwerfer und Flutlichtanlagen holen das bunte Geschehen am Rande der Start- und Landepisten aus der tiefen Schwärze der Nacht heraus. Nebeneinander stehen die startklaren Maschinen der verschiedenen Luftfahrtgesellschaften der Welt. Ein Jumbo der Air India, drei Großraumflugzeuge der PanAm, eine ganze Flotte der creme-lilafarbigen Thai-Air- Maschinen, eine Boing aus einem der Ölemirate am Persischen Golf... Militärbewachung einiger Maschinen. Die Posten tragen Schnellfeuergewehre und Maschinenpistolen.
Beinahe scheint es, als habe sich die Nervosität und Hektik aus dem Inneren der Abflughalle aufs Flugfeld und das Geschehen dort draußen übertragen. Aber dazwischen gibt es die gelöst schreitenden, lächelnden Thai-Angestellten, die dem Ganzen ein wenig Beruhigung vermitteln.
In der Halle ist eben ein Gepäckstück, vermutlich ein Koffer, gestohlen worden. Geschrei, Hin- und Herwogen der Menschenmenge. Ein Ring von Neugierigen bildet sich um die Stelle des Geschehens. Uniformierte Posten tauchen auf. Mit der Gelassenheit der Kenner der Situation, die über all der Hektik stehen, schreiten Polizisten dem Ort des Diebstahls entgegen. Die Menge gibt eine Gasse frei. Die Polizisten lächeln, eine Frau schreit hysterisch und ist nicht zu beruhigen. Zwei Männer mit Turban sind um die Tobende bemüht. Man hat ihr alles gestohlen, was sie bei sich hatte. Es war in dem Koffer, der nun verschwunden ist.
Die Menge nimmt Anteil. Mit Schimpfen oder Unmut, mit Bedauern oder Gelassenheit. Und immer noch strömen neue Zuschauer aus der überfüllten Halle zum Ort des Geschehens. Die ersten kommen bereits wieder zurück, damit ihre Sitzplätze, die mit Mänteln, Jacken oder Gepäckstücken als besetzt markiert sind, nicht abgeräumt oder von andern erobert werden.
Der Duty-free-shop, der zollfreie Laden, ist jetzt leer. Auch die Stände mit Thai-Seide, Souvenirs, Fotoapparaten aus Japan, mit Schmuck und Schnitzereien sind augenblicklich kaum belagert. Nur drüben am Bank- und Wechselschalter steht noch eine kleine Menschenschlange. Da werden nahezu alle Währungen der Welt in Dollar oder Bath eingetauscht. Daneben kann man schöne, farbenfrohe Thai-Briefmarken und Luftpostkarten oder -umschläge mit Dünnbriefpapier kaufen. Ein letzter Gruß vor dem Start aus Bangkok!
Die Maschine nach Kathmandu, der Stadt der Holztempel in Nepal, auf dem Dach der Welt, am Fuß des Himalaja-Gebirges, wird zum ersten Mal aufgerufen. Der grüne Signalpunkt blinkt in regelmäßigen Abständen zum Zeichen dafür, dass die Passagiere zum Gate, zum Auslass Nummer 4 kommen können, um an Bord gefahren zu werden.
Über eine schiefe Ebene abwärts erreicht man den Ausgang der Halle. Da sind die Kontrollen, die jeder Passagier zu durchlaufen hat. Röntgenkontrollen des Handgepäcks. Journalisten mit Filmmaterial werden auf Wunsch Ausnahmen gestattet. Am Gerät steht zwar, dass die Röntgen-Strahlung die Filme nicht schwärzt. Aber Garantie gibt es nicht. Journalisten aus aller Welt wissen ein Lied von herber Enttäuschung zu singen, wenn sie bei häufigem Umsteigen und ebenso häufigen Röntgenkontrollen zu Hause die Filme entwickeln ließen...
Man verlangt einen Presseausweis. Dann wird die Kontrolle des Gepäcks von Hand ohne Strahlen durchgeführt. Dafür aber um so gründlicher. Mit ringförmigem Kontrollgerät werden die Menschen, die an Bord wollen, von oben bis unten abgesucht, abgetastet. Auf die kleinsten Metalldinge reagiert der Kontrollring mit Piepsen: Ein Feuerzeug aus Metall, Schlüssel, einige Hartgeldstücke in der Börse.
Die Untersuchten, Kontrollierten heben die Hände hoch, spreizen die Arme ab. Es muss sein. Das weiß jeder. Zu viele schlimme Dinge von Bombendrohung bis zur Flugzeugentführung sind vorgekommen. Man spürt an der Gelassenheit, mit der einige die Dinge über sich ergehen lassen, dass sie solches Geschehen von vielen Flügen her gewohnt sind.
Dann werden die Bordkarten eingesammelt: Die Menschen gehen an Bord des Zubringer-Busses. In einigen Stunden werden sie in Kathmandu auf dem Dach der Welt landen. Wenn sie nicht zur Nachtzeit fliegen würden, könnten sie das herrliche Ganges-Delta und die Silberschlange des heiligen Flusses zehntausend Meter unter sich liegen sehen. Die Maschine nach Nepal sollte bei Tag geflogen sein. Durch die allgemeinen Verspätungen ist es diesmal Nacht über dem Start geworden.
Die Lücken der Fluggäste nach Nepal sind in der Halle ganz schnell wieder geschlossen, als eben eine Lufthansa- Maschine gelandet ist. Ebenfalls ein Jumbo, der ein paar Hundert Menschen in die Halle ergießt. Auch die Lufthansa-Maschine aus Singapur, der Löwenstadt, hat Stunden Verspätung. Die Gäste sind übermüdet und gereizt. Wieder steigt die Phonzahl in der Halle deutlich an. Der Ring um die Stelle des Kofferdiebstahls hat sich aufgelöst. Das hysterisch schreiende Opfer hat die Polizei mitgenommen.
Wir hören von Lufthansa-Passagieren, dass eine Maschine der malayischen Luftfahrtgesellschaft in Singapur wegen Düsenschadens liegengeblieben ist. Es ist die Maschine, die uns in Bangkok übernehmen soll. Darum also hängen wir fest. Vor vielen Stunden hat uns die Philippine-Airlines bis Bangkok gebracht. Seitdem warten wir in der Halle.
Eine Verspätungsmeldung ergänzt die vorherige. Zunächst hieß es: Die Maschine nach Frankfurt hat zwei Stunden Verspätung. Nach Ablauf der zwei Stunden kommen drei weitere Stunden hinzu. Keine Begründung, viele Vermutungen, einige Gerüchte.
Wir haben uns beide bei der Direktion des Flughafens im Büro erkundigt. Dort will man den Grund der Verspätung nicht kennen. Es ist richtig: Verspätungen im internationalen Flugverkehr sind nichts Besonderes. Manchmal dauert die Wartung länger, hält das Betanken mehr auf als üblich. Manchmal werden beim technischen Durchchecken kleine Mängel oder Fehler entdeckt, die stundenlange Reparaturen nach sich ziehen. Sicherheit für die Fluggäste ist das oberste Gebot!
Nachdem nun mitten in der Nacht eine weitere Verspätungsmeldung von ca. fünf Stunden hinzukommt und unsere Geduld am Ende ist, betreten wir noch einmal zu zweit das Büro und verleihen unserem Wunsch nach Erklärung Nachdruck mit unseren Presseausweisen. Ich zeige den philippinischen, meinen deutschen Presseausweis und den brasilianischen Korrespondentenausweis. Daraufhin werden wir in einen Nebenraum gebeten, wo schon einige Erste-Klasse-Passagiere bevorzugt warten. Auch ihnen hat man den Grund der Verspätung nicht erklärt. Wir können die Auskunft der Lufthansa-Passagiere aus Singapur weitergeben. Ohne Gewähr natürlich! Aber es hilft, die Lage aufzuhellen. Es wird auch aus den Andeutungen der freundlich-lächelnden Stewardess im Nebenraum deutlich, dass wir auf eine andere Maschine übernommen werden. Vielleicht auch von einer anderen Linie. Wir reflektieren auf die gelandete Lufthansa- Maschine, die über Kopenhagen nach Frankfurt fliegt. Aber es zeigt sich, dass die Maschine über Nacht auf dem Flughafen in Bangkok stehenbleibt. Eine PanAm-Maschine fliegt über Athen nach Rom. Vielleicht ist von da aus durch einen weiteren Linienwechsel Frankfurt zu erreichen. Noch einmal: Dringende Termine in Deutschland!
Sicher, klar, man bittet sehr freundlich um Entschuldigung. Aber dies ist ein richtiger Lay-over, ein Liegenbleiber, wie man das in der Fachsprache der Fliegerei nennt.
Aber bei einem Lay-over haben wir doch Anspruch auf Hotelunterbringung. Man bejaht das freundlich. Man will auch behilflich sein. Aber man kann jetzt, mitten in der Nacht, kein Hotel in Bangkok finden, das alle Liegenbleiber der verspäteten (ausgefallenen) Maschine aufnehmen und mit Übernachtung versorgen kann.
Darum sind wir im Nebenraum, sitzen mit den Erste-Klasse-Passagieren zusammen, obwohl wir nur Touristen-Klasse gebucht haben.
Man will uns helfen, wenn es nicht mehr werden. Wenn sich der Anspruch auf Hotelunterbringung in dieser Nacht nicht noch plötzlich herumspricht und alle Möglichkeiten der Unterbringung in Bangkok blockiert.
Wir sitzen und warten eine weitere Stunde. Aber wir erleben mit, dass der Apparat anläuft, dass man telefoniert, dass man uns helfen wird. In dieser Stunde entsteht die Idee zu diesem Buch, die Idee, das zu Papier zu bringen, was wir im großen Archipel der Inselwelt der Philippinen in den zurückliegenden Wochen erlebt haben.
Aus dem Tagebuch werden Kapitelüberschriften geformt, gestrichen, verworfen, neu formuliert. Die Idee gewinnt ganz langsam Gestalt. Soviel steht fest: Mitteilenswert ist das, was wir in jener Gegend, die sieben Stunden zeitvorausverschoben gegenüber Europa auf der anderen Seite der Welt liegt, erlebt und kennengelernt haben.
Wir, das sind zwei seit vielen Jahren herumreisende »Globetrotter« in journalistischen Aufgaben, gelegentlich mit Redaktionsauftrag, in missionarischen und kirchlichen Angelegenheiten, bei privaten Reisen, wo es galt, Material für Volkshochschul- und Erwachsenenbildungsarbeit zu Vorträgen und Diaserien hereinzuholen, zu recherchieren. Gelegentlich interessierte uns Entwicklungshilfearbeit in fernen Ländern und Kontinenten. Globetrotter ...
54 Länder haben wir bis heute bereist und kennengelernt. Da waren zunächst vierzehn Länder im Schwarzen Afrika, die wir bereisten: Von der Elfenbeinküste bis zum Tschad, von Kenia, Uganda bis zur weiten Sahara, von Kamerun bis Südafrika, von Südwest- bis Nordafrika, wo das Schwarze Afrika zum Braunen wird.
Dann kamen Reisen nach Brasilien und Nepal, nach Mexiko und in die Inselwelt der Karibik. Es kam der Auftrag, ein Universitätsseminar in Brasilien zu gestalten.
Wir erlebten die farbige Welt der Ölemirate am Persischen Golf, die Abgeschiedenheit im Innern des Sultanats Oman, den Bürgerkrieg im Libanon, mussten für Israel und, von Schwarzafrika kommend, für Südafrika einen Zweitpass haben. Denn wo die Länder der einen Seite unserer Welt ihre Visa-Stempel in den Pass gedrückt hatten, würden andere Länder die Einreise nicht akzeptieren. Nicht mit einem Pass, der ein israelisches oder südafrikanisches Visum aufzuweisen hatte. Wir, die wir uns nun also von einem Aufenthalt auf der Inselwelt der Philippinen aus mit einem Lay-over in Bangkok auf dem Heimflug befinden.
Wir, das ist ein durch für ihn freundliche Umstände früh im Ruhestand befindlicher Pensionär, sportlich, reiselustig und gesund und der noch im Dienst befindliche Pfarrer, Journalist, Pressebeauftragte, Schriftsteller, Herausgeber von Büchern, Anthologien und christlichem Gemeinde- und Jugendarbeitsangebot. Ich bin Pfarrer in derselben Gemeinde, in der der andere der beiden Globetrotter als Bürgermeister beschäftigt war. Viele Jahre. Es war schon damals eine gute Zusammenarbeit. Wir haben uns in der Verantwortung für die Jugend jener Gemeinde gefunden und eine gemeinsame Jugendarbeit aufgebaut, die deutlich kirchliche Prägung hat und noch immer existiert.
Wer es genau wissen will: Letztes Jahr haben wir zusammen mit sechzig Jugendlichen in Asien gezeltet. Es war ein abenteuerliches, aber wunderbar gelungenes Unternehmen, über das es beinahe so viel zu berichten gibt wie über das, was in diesem Buch aus dem Bereich der fernen Philippinen eingefangen ist.
Damit dürfte unsere Wir-Identität, die durch dieses Buch hindurchführt, fürs erste hinreichend geklärt sein.
Wir hängen also fest in Bangkok, werden nun mit einem Kleinbus in ein halbfertiges Luxus-Hotel der Stadt Bangkok gebracht, bekommen zusammen mit den liegengebliebenen Erste-Klasse-Passagieren mitten in der Nacht ein wahrhaft fürstliches Essen serviert und finden prächtig ausgestattete Hotelzimmer mit Kühlschrank, Fernseher und allem Komfort in dieser Nacht in Bangkok vor.
Wir ahnen freilich in dieser Nacht noch nicht, dass wir, nachdem wir am kommenden Morgen wieder zum Flugplatz gebracht werden, auch an diesem Tag nicht abfliegen können. Telexe gehen nach Europa. Termine platzen. Wir kommen in das halbfertige Luxushotel zurück, verbringen dort die zweite Nacht. Und das alles auf Kosten der Fluglinie. Nach einigem Hin und Her übernimmt uns dann eine andere Lufthansa-Maschine. Die Fluggesellschaften regeln den »Schaden« unter sich. Mit zwei Tagen Verspätung treffen wir über Karatschi, Athen, Rom glücklich und endlich in Frankfurt ein.
Da sind die Kapitel dieses Buches längst konzipiert. Nun muss das Folgende nur noch zu Papier gebracht werden.
Das liest sich dann so:
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Manila, die gewaltige Großstadt, die sich heutzutage Metro-Manila nennt, ist ein wahres Mammut-Gebilde. Eine unüberschaubare Metropole mit einem Rhythmus, der nicht regierbar ist, aber dennoch irgendwie immer wieder funktioniert. Manila ist ein Zustand, hat jemand gesagt und versucht, damit das tagtägliche Verkehrschaos und andere Dinge zu umschreiben. Manila ist eine Stadt mit tiefen Kummerfalten, hat ein anderer über die Philippinen-Metropole behauptet. Und wieder ein anderer hat festgestellt: Um Manila hat sich niemand gekümmert. Die Stadt wuchs wild heran.
Das alles stimmt und ist richtig. Man kann es jeden Morgen, den Gott werden lässt, spüren, einatmen mit den unvorstellbaren Auto- und Dieselabgasen und direkt miterleben, wenn man in der Früh-Rush-Hour mitten im Straßenverkehr steckenbleibt und plötzlich nichts mehr geht.
Das ist bei Büro- und Geschäftsschluss abends in keiner Weise anders. Menschen, nicht wenige junge darunter, tragen Mundschutztücher, die von außen ruß- und abgasgeschwärzt sind und ahnen lassen, was die Menschen der großen Stadt alles einatmen müssen. Noch sind die Mundschutzmasken nicht die Regel, eher Ausnahmen. Aber die Maskenträger nehmen täglich zu. dass die Stadt giftig ist, spricht sich langsam herum.
Die Gesichter der Menschen von Manila signalisieren Asien. Das Englisch der fremdsprachigen Schicht signalisiert mit seinem Akzent Amerika. Und die immer offenen Kirchen und Kapellen Manilas, die vielbesucht sind, signalisieren Religiosität. Steckt wirklicher Glaube dahinter?
Mit den Frühaufstehern von Manila quellen die von der Nacht gezeichneten, übermüdeten Hospitaly-Girls aus den Lokalen und Discos der großen Stadt. Sie tippeln vorbei an dem Heer der Straßenkehrer, die fast alle den farbenkräftigen Erkennungsschutz-Überhänger oder die T-Shirts mit dem Aufdruck »Wir dienen Metro-Manila« tragen. Es sind weit über sechstausend Straßenkehrer jeden Morgen in Manila unterwegs. Ein Großteil der Reinigungsbrigade besteht aus Freiwilligen. Manila hat sich öffentlich vorgenommen, die sauberste Stadt Asiens werden zu wollen. Aber bis zum Erreichen dieses Ideal-Zieles ist es noch sehr weit.
Wohin tippeln die vielen Girls, die mit den Straßenreini- gern zu den Frühaufstehern von Manila zählen, die vielfach kaum eine Stunde der Nacht geschlafen haben? Streben sie übermüdet so früh am Morgen nach Hause? Sie eilen in die Kirchen, zu den Frühmessen in der großen Stadt! Möchten sie abbitten, was in der Nacht geschah? Möchten sie geistliche Hilfe nach den tausend körperlichen Demütigungen, die sie aus purer Armut in Kauf nehmen? Möchten sie Vergebung dieses Lebens, das kein Leben ist? Wer wollte solche Fragen beantworten? Fest steht, dass die Girls frühmorgens die Kirchen füllen...
Die Armseligkeit der Nacht liegt dann hinter ihnen, wenn die Sonne sich über dem Meer und der Skyline der Stadt erhebt und einen neuen Tag beleuchtet mit jenem unbeschreiblichen Licht, das die Maler einfangen in pastellzarten Farben jener Bilder, die auf Zuckersackleinen gemalt und auf dem Flohmarkt verkauft werden.
Die sportlichen, shortbekleideten Jogger treiben ihren Frühsport auf dem Endlos-Bürgersteig entlang dem Roxas Boulevard unter sich im Frühwind vom Golf her schaukelnden Palmwipfeln. Die so den Tag beginnen, sind erstaunlich viele, nicht nur junge Filipinos. Man hält auf Sport-Appeal in Manila.
Während noch immer sich der Verkehr in den Straßen der gewaltigen Stadt selbst blockiert und das stop and go der zahllosen Autos ein immer neues, spannendes Spiel ist, laufen in den Hochhäusern und Behörden schon die Telefone und Fernschreiber heiß. In Chinatown ist man um diese Zeit schon emsig bei der Arbeit, öffnen sich auch die Alchimisten-Apotheken, wo Eidechsen getrocknet gegen nachlassende Mannesstärke verkauft werden und ein schier unübersehbares Angebot an Kräutern und Wurzeln auf Käufer wartet. Um diese Zeit erheben sich die Obdachlosen, deren Zahl ein ganzes Heer von Menschen aller Altersstufen umfasst, im Rizal-Park und in den Anlagen und unter den Bänken mitten im Straßenlabyrinth von Metro-Manila. Sechs Millionen Menschen leben in dieser Mammut-Stadt. Einige Statistiken wollen noch mehr nachweisen können. Diese Mammut-Stadt wächst mit jedem Tag und platzt schon jetzt aus allen Nähten.
Jeden Tag ziehen neue Obdachlose aus allen Gegenden des Landes zu und erhoffen das große Glück, zumindest aber ein bisschen Arbeit und Verdienst in Metro-Manila. Etwa 1,5 Millionen der Einwohner Manilas leben schon jetzt in den grauenhaften Slums von Tondo mitten in der Stadt. In Caloocan City schleudern die Leichtmetall-Fabriken die Abluft gen Himmel. Über die Stadt senkt sich die Dunstglocke schon am frühen Morgen. In Quezon City füllen sich die Etagen der Regierungsgebäude mit Angestellten. Dort arbeitet man auch jene Statistiken aus, die wissen, dass im Jahr 2000, immer angenommen, dass kein Atomkrieg die Erde vernichtet, in Metro-Manila 20 Millionen Menschen leben werden.
Wenn die laute Stadt erwacht, erhebt sich auch das Heer der arbeitenden Kinder. Viele verkaufen schon ganz frühmorgens in Bussen und an den ständig stoppenden Jeepneys Zigaretten, einzeln, Stück für Stück, denn wer kann sich morgens, wo noch nichts verdient wurde, eine ganze Packung leisten? Kinder bieten Zeitungen an und Kaugummis und Bonbons und Erdnüsse zum Knabbern. Andere Kinder waschen im Blitzverfahren Autoscheiben, wenn die Kolonnen nicht weiterkommen, festsitzen.
Es ist um diese Zeit schon über 30 Grad Celsius in Manila. Nur die leichte Brise von See her lässt das nicht so ermüdend merken. Die Supermärkte von Manila füllen sich langsam. Dort ist es zumeist, dank der Air Condition, schön kühl und erfrischend. Dort spielt leise Musik schon am frühen Morgen, um die Käufer in wohlige Stimmung zu wiegen, was den Absatz nachweisbar fördert.
Dort erstehen dann für wenige Pesos die Trunksüchtigen ihren billigen Fusel, der im Land hergestellt wird. Alle eingeführten Alkoholika sind sehr teuer.
Um diese Zeit sind die Menschenkäfige in den Polizeistationen zum Platzen und lautkräftig angefüllt. Das alles gehört zum Erwachen der Mammut-Stadt!
Auf der Müllkippe von Manila wühlen die Menschen um diese Zeit längst in Schutt, Abfall und dem, was in der großen Stadt weggeworfen wurde. Sie wühlen und sortieren, um überleben zu können.
Um die gleiche Zeit bereiten die Hausangestellten am Rand von Makati im Forbes-Park, dem Millionärs-Ghetto von Manila, Frühstück mit Juice und Ham and Eggs, Schinken mit Ei, für die Herrschaft. Banken, Versicherungsgesellschaften, Konzerne, vollklimatisierte Büros, diplomatische Vertretungen und Industrie-Zentralen sind um diese Zeit noch nicht funktionstüchtig und einsatzbereit. Für sie beginnt das Erwachen in Manila ein bis zwei Stunden später. Vor den Hotels aber wird mit dem Erwachen der Metropole mit viel Wasser und Putzmittel geschrubbt und gesäubert, werden Teppiche auf offener Straße gestaubsaugt oder geklopft. Um diese Zeit erwachen auch die Stadtteile Ermita und Malate mit den vielen Touristen, die die lautstarke Verkehrs-Symphonie aus den Betten getrieben hat.
Am Pasig-Fluss und im Hafen heulen die Sirenen und Signalhörner. Hier findet sich nicht eine einzige Wasserlilie mehr, so wie einst, als diese Blumen der Stadt ihren Namen gaben. Unvorstellbar verschmutzt ist der Pasig-Fluss mit den einstigen Wasserlilien heute. May Nilad hieß Manila einst. Das bedeutet: Ort, an dem die Wasserlilien blühen. Hier erbauten die Spanier vor rund vierhundert Jahren ihre Stadt. Heute heißt der Altstadtteil von damals Intramuros. Die Mauern von Intramuros (innerhalb der Mauern) sind heute dem Verfall preisgegeben. Aber man sieht die mächtigen Mauerwälle von damals noch immer. Manila, May Nilad, sollte des spanischen Reiches »höchste Edle und ständige Getreue« sein. Koloniale Treueschwüre haben in der heutigen Mammut-Stadt jede Verbindlichkeit verloren. Man möchte selbständig und unabhängig sein und ist doch abhängig vom ungeliebten Japan und vom an Beliebtheit nachlassenden Amerika.
Städtebaulich, das wird jeden Morgen, wenn die Sonne aufgeht, erneut deutlich, ist Manila eine Stadt, um die sich niemand gekümmert hat, eine Stadt mit ernsten Kummerfalten. Verwirrung und Zufälligkeit herrschen über dem Baudurcheinander der gewaltigen Stadt, nimmt man die Ghettos der Reichen mit ihren Villen oder die eigenwilligen Beton-Konstruktionen der modernen Innenstadt oder entlang dem Roxas Boulevard von solchem harten Urteil aus.
Aber die Innenstadt der modernen Beton-Hochburgen, die frühmorgens wimmelt, ist nachts ganz leer und verlassen. Und es ist gefährlich, durch die verlassenen Straßen einen einsamen Abendbummel zu machen. Von der Nacht schon ganz zu schweigen.
Schon am frühen Morgen aber spürt man durch das mächtige Erwachen des Mammut-Gebildes Metro-Manila den ungebrochenen Optimismus dieser Stadt. Nicht einmal auf der Müllkippe oder in den schrecklichen Slums von Tondo gibt es das, was wir die totale Resignation nennen würden. Der Wille zum Überleben ist unbändig. Resignation und unbändiger Wille schließen sich auch gegenseitig aus, wenn man im Planungsamt der mächtigen Stadt (es gibt so etwas tatsächlich: ein Planungsamt) die Zukunftspläne Manilas einsehen kann. Es sind höchst ehrgeizige Planungen, die dort geboren werden.
Vieles wurde hier schon am Leben, an der Wirklichkeit der Stadt, kostspielig vorbeigeplant. Da ist das riesige Tagungszentrum für umgerechnet 200 Millionen DM. Es steht die meiste Zeit des Jahres leer. 80 Millionen hat die kostspielige Herzklinik gekostet, die nicht voll ausgelastet ist, während eine immense Kindersterblichkeit und die ständig schwärende Tuberkulose noch immer nicht in den Griff zu bekommen sind.
Wenn die Mammut-Stadt Manila erwacht, dann hat in den Hospitälern und Kliniken der Tag schon längst begonnen.
Wir haben über dem Betrachten des Erwachens beinahe das Frühstücken vergessen. Im Restaurant, das nicht zu einem der Touristenhotels gehört, in dem die Einheimischen ihr Frühstück einnehmen, ist es inzwischen ein wenig ruhiger geworden. Der erste Schub der Frühgäste ist vorbei. Wir machen um die Theke, an der unter anderem auch angebrütete Enteneier, in dem das Küken mit Haut und Federchen schon ausgebildet ist, als Spezialität zu haben sind, einen großen Bogen. Die freundliche Philippino-Serviererin begrüßt uns lächelnd mit Mabuhay und fragt, ob es dasselbe wie gestern sein darf: Juice aus frischen Orangen, Shanghay-Reis mit gebackenen Krabben und Rührei, stark gewürzt natürlich, Toast, Butter und Tee, wenn es recht ist?
[ Zum Inhaltsverzeichnis ]
Am Chinesischen Friedhof vorbei, ein Stück an der »Chinesischen Mauer« entlang, führt die Ausfallstraße von Manila in die Berge von Luzon. Nur einheimische Kenner wissen um die Abzweigung zur Müllkippe von Manila. Hier kommt ohnehin kein Tourist vorbei. Die Ausfallstraße wird am Stadtrand von tiefen Schlaglöchern unterbrochen. Dann kommt die Abzweigung, nach der wir mehrfach fragen müssen. Ein Lastwagen, mit unzähligen Blechdosen beladen, begegnet uns. Die Straße wird immer schlechter. Unser Jeep ruckt durch Schlaglöcher und über Erdbuckel. Die Lastwagen, die Tag für Tag die Abfälle der Müllkippe zur Weiterverwertung abholen, haben die Straßendecke in Grund und Boden gefahren. Vor uns taucht die malerische Kulisse der Berge auf. Aber wir müssen uns auf das konzentrieren, was einmal eine Straße war. Das letzte Stück zur Müllkippe müssen wir zu Fuß gehen. Da kommt auch kein Jeep mehr durch...
Es riecht zunehmend nach Rauch und Qualm. Die Brandwolken der Tag und Nacht brennenden Müllkippe liegen über dem Tal und driften im leichten Aufwind in Richtung der Berge, die nun vor Qualm nicht mehr zu sehen sind. Eine schier unendliche Schutt- und Abfall-Landschaft breitet sich rechterhand der zerstörten Straße aus.
Das letzte Stück zur Müllkippe kann man nur zu Fuß gehen. Der Zugang ist bewacht. Ein Fallbaum taucht auf und eine Bretterbude für den Müllkippen-Pförtner. Der Eintritt wird uns verweigert. Es folgt ein langes Palaver. Da waren vor einiger Zeit deutsche Reporter einer großen Illustrierten der Bundesrepublik dort und haben Aufnahmen vom grauenhaften Leben der Menschen auf der Müllkippe geschossen. Es gab Ärger über den Bericht und die Bilder. Seither darf kein Journalist mehr die Müllkippe betreten.
Jene deutsche Illustrierte hatte es auch noch gewagt, die deutliche Nähe der Müllkippe zum großen Trinkwasser- Reservoire von Manila zu erwähnen. Konnten Gifte und Schadstoffe der Müllkippe in das Wasser gelangen?
Erst nach langem Hin und Her wird mit Hilfe der Presseausweise der Philippinen, der Bundesrepublik und aus Brasilien das Verhandlungsklima freundlicher. Zigaretten und ein Wegwerf-Feuerzeug öffnen schließlich den Zugang der Müllkippe für uns und unsere Kameras. Ein unbeschreiblicher, gewaltiger, schier unendlich scheinender Müllberg, dessen Unrat Tag und Nacht brennt und qualmt, liegt vor uns. Kinder, Jugendliche und Erwachsene wühlen im Unrat der großen Stadt vor dem Hintergrund der Flammen und Rauchwolken.
»Hej Joe«, ruft einer der Halbwüchsigen und begrüßt uns damit so, wie Europäer und Americanos gleicherweise überall im Land begrüßt werden. Sein Mabuhay, was übersetzt soviel wie »Willkommen!« bedeutet, ist offensichtlich nicht ironisch gemeint. Die Menschen hier leben mit und von der Müllkippe. Sie wohnen sogar auf dem Berg der Abfälle und des Unrates. Unbeschreibliches Elend begegnet einem an dieser Stätte menschlichen Grauens. Kinder wühlen im Großstadtschutt zwischen Ratten und Mäusen und bei einer Vielzahl von Insekten und Moskitos. Jugendliche sortieren die dem Abfall abgerungenen Materialien nach Blech, Eisen, Kunststoff, nach altem Gummi, Plastik und nach Holzresten. Die Holzreste werden zum Verbrennen weiterverkauft. Begehrt sind Blechdosen aller Arten. Ganze Berge von Blechbüchsen entstehen unter den fleißigen Händen der Sammler, von Männern bewacht, damit kein Konkurrent auch nur eine Büchse entwenden könnte. Massenweise stapeln sich leere Zuckersäcke, Stoff-Fetzen, Kleidungsreste, kleine Berge von Plastik-Tüten, Pappe, von Kisten und dünnen Brettern.
Immer wieder tauchen neue Kolonnen auf, die, dem brennenden Abhang zu, die gewaltige Müllkippe durchkämmen und aufwühlen. Eine Mutter steht mit ihrem Baby im stinkenden Qualm des Müllkippenbrandes. Das Kind schreit und sieht erbärmlich unterernährt aus.
Ein Kreis von Menschen hat sich um uns gebildet. Man hat gegen den Umgang mit der Kamera nichts einzuwenden. Sollen die draußen in der Welt das auf den Film gebannte Elend doch sehen! Sollen sie zur Kenntnis nehmen, was hier Leben heißt! Ein junger Mann zeigt uns sein Ohr, dessen Ohrläppchen nur noch teilweise vorhanden ist. Als Kind ist er nachts, so verdeutlicht er uns, von Ratten angenagt worden! Ähnlich wie in den Slums von Tondo sind auch hier, mitten auf der Müllkippe, Hütten und kleine Zelte aus zusammengeflickten Zuckersäcken errichtet worden. Hütten aus Pappe, Blech und Brettern allenfalls. In solchen Hütten leben Familien, Kinder, Säuglinge, die gesundheitlich oft schon früh vom Pesthauch der brennenden Müllkippe gezeichnet sind. Viele überleben die Kindheit nicht. Was zählt hier ein Menschenleben? Unbeschreiblich ist das Elend und Grauen der Müllkippenmenschen von Manila.
Warum sortieren sie all die Unrats- und Abfallmaterialien auseinander? Warum nehmen sie dieses Leben in Kauf? Händler und Altmaterial-Verwerter kommen Tag für Tag mit Lastwagen, soweit Straße und Weg reichen, in die Nähe der Stätte des Unrats und zahlen winzige Beträge für die Berge des aussortierten Materials. Kunststoff erbringt so viel wie nichts. Am meisten, so sagt man uns, ist an Alteisen zu verdienen. Aber es sind »Pfennig«- Beträge, allenfalls wenige Pesos. Da jagen sich die Such-Kolonnen die Areale auf der Müllkippe gegenseitig ab. Am meisten stoßen uns die fetten Ratten ab, die mit großer Dreistigkeit das Feld behaupten.
Wer kümmert sich um diese Menschen auf der permanenten Dunkelseite des Lebens? In Kairo sind es Mönche, Schwestern und die Kleinen Brüder vom Herzen Jesu, wie wir hörten. In Kalkutta hat sich die weltweit bekannte Mutter Theresa mit ihren Schwestern engagiert. Gibt es jemand, der sich des unbeschreiblichen Elends der Müllkippenmenschen von Manila annimmt?
Wir fragten und erfuhren von der aufopferungsvollen Arbeit der Christoffel-Blindenmission in Bensheim.
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Seitdem der deutsche Pastor Ernst Christoffel im Jahr 1908 sein von Kirche und Staat unabhängiges, allein von Spenden getragenes Blindenmissionswerk gegründet hat, konnte sich seine Missionsdiakonie auf mehr als 90 Armutsländer ausdehnen und jährlich über 2,1 Millionen sehgefährdete und leprakranke Männer, Frauen und Kinder vor dem Erblinden bewahren. Über 107000 Menschen, die bereits erblindet waren, wurden im Zeitraum eines Jahres durch eine Staroperation geheilt. Sie erhielten ihr Augenlicht zurück. Das sind Heilungserfolge, die sich wahrhaftig sehen lassen können. Aber sie sind nur möglich, solange es Menschen gibt, die im Gebet und mit Spenden hinter dieser Arbeit der Liebe zum armen Menschen stehen. Die Christoffel-Blindenmission hat sich zum Ziel gesetzt: Niemals soll ein Augenkranker blind werden müssen, nur weil er arm ist und die rettenden Münzen für die nötige Medizin fehlen.
Über die medizinische und chirurgische Hilfe hinaus ist die Christoffel-Blindenmission in der Verbreitung der guten Nachricht von der Liebe Gottes zu den Menschen unablässig tätig. Die Mitarbeiter der Christoffel-Blindenmission reden mit den Ärmsten der Armen, auch mit den Müllkippenmenschen von Manila, über Gott und seine Rettungsabsichten durch Jesus Christus, damit der Dienst am Menschen keine halbe Sache bleibt. Die Spender-Gemeinschaft der Christoffel-Blindenmission unterhält weltweit Armenapotheken.
Im Verlauf der letzten Jahre ist eine bemerkenswerte Missionsdiakonie bis in die entlegensten Inselgruppen, so auch auf die Philippinen, vorgedrungen. Ihre Stadtdiakonie-Mitarbeiter in Manila wissen von erschütternden Schicksalen zu berichten. Da ist zum Beispiel Omar: Omar ist dort geboren, wo die städtische Mülldeponie sich ausdehnt. Auf dem schmutzigen Lehmboden einer zugigen Bretter-Hütte erblickte er mitten auf der Müllkippe das Licht der Welt. Der kleine Omar war so winzig, dass das Bündel mit den schmutzigen Stoffresten und Windeln in dem Wust von Abfall und Gerümpel kaum zu sehen war. Hunger und Entbehrung begleiteten Omars Leben von Anfang an. Die Müllkippenmenschen wurden und werden als asoziales Lumpenvolk beschimpft und können sich außerhalb der Welt der Müllkippe kaum irgendwo sehen lassen. Sie sind ausgestoßen und verachtet. Es gibt Jugendliche und nicht wenige Alte, die sich nachts nur mit Lumpen oder altem Zeitungspapier zudecken können und während der ganzen Nacht den Gestank der brennenden Müllkippe einatmen müssen. Nicht selten teilen sich dreißig oder mehr Familien eine einzige Latrine, soweit überhaupt eine vorhanden ist!
Die Müllkippenmenschen leben in ständiger Nachbarschaft mit dem schleichenden Tod. Ohne die Stadtmissionare gäbe es für sie keinen Arzt und keine Medikamente gegen Malaria und Typhus und gegen die gefürchtete Cholera.
Die Schule der Kinder und Heranwachsenden ist die Müllkippe. Sie lehrt weder Lesen noch Schreiben. Aber sie lehrt, sich rücksichtslos durchzusetzen, die Ellenbogen zu gebrauchen. Es ist die Regel eines tierischen Lebens. Die Kinder der Müllkippe träumen vom anderen, vom besseren Leben, in dem man sich wenigstens einmal am Tag satt essen kann, wenigstens einmal in der Woche sich waschen oder gar duschen könnte. Doch die Trinkwasser-Reservoire in der Nähe der Müllkippe, riesige Freiluft-Seen, sind streng gesperrt. Die Kinder der Müllkippe von Manila können von sauberem Hemd und heiler Hose nur träumen.
Domenica beispielsweise haust in einer Hütte aus Kanisterblech. Überall frisst der Rost Löcher in die »Wände«. Tagsüber trägt Domenica den schmutzigen Korb auf dem Rücken, der die Ausbeute der Material-Suche fasst. Mit einem Eisenhaken stochert sie den ganzen Tag im Abfall herum. Wie alt Domenica ist? Ein Kind noch. Sie weiß nicht, wann sie auf der Müllkippe geboren wurde. Hier ist ohnehin ein Tag wie der andere. Tage, Jahre zählen hier nicht.
Die große Schwester Milagros ist wieder einmal schwanger. Sie verstaut die Tagesfunde in alte Säcke.
Die Christoffel-Blindenmission hat mit den Mitarbeitern anderer Missionen ein Familien-Hilfswerk gegründet. Soforthilfeaktionen mit Kinderspeisung und Armenapotheke wurden begonnen. Ein technischer Notdienst entstand. Langzeitmaßnahmen wie Ausbildungsvorhaben und Arbeitsbeschaffungsaktionen folgten. Christliche Sozialarbeiter, Ärzte, Krankenschwestern schämen sich nicht, sich die Hände schmutzig zu machen. Ihnen geht es darum, Gottes Liebe auch den Müllkippenmenschen von Manila erfahrbar zu machen.
Wie viele Leute auf der Müllkippe insgesamt leben, wollten wir wissen. Die Antwort lautet: Rund 10 000!
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Aus dem Traum von einem sauberen Hemd und einer heilen Hose ist ein Wunder geworden. Ein Wunder zwischen Unrast und Müll. Gibt es so etwas überhaupt?
In der Armen-Ambulanz herrscht Tag für Tag ein Riesenandrang.
Die Arbeit der Missionare hat sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen. Ein Arzt und eine Krankenschwester betreuen die sehr einfache Kranken-Behandlungsstation. Die Müllkippenleute wissen nicht, wie ihnen geschieht. So etwas gab es bis dahin nicht, nicht einmal im Traum.
Freiwillig begeben sich hilfsbereite Menschen mitten in ihre Armut, um zu helfen und zu heilen, um Kranke zu behandeln und Kinder zu impfen. Im gewaltigen Infektions-Herd der ungezieferverseuchten Müll- und Abfallhalde, die sich inzwischen auf mindestens zweieinhalb Kilometer Länge ausgedehnt hat und ständig wächst, kämpfen Christen im Auftrag Gottes gegen Krankheit und Tod.
Ein Missionsarzt erklärt: »Ohne unsere Armen-Ambulanzen wäre das Familienhilfswerk hier kaum denkbar. Bei großem Patientenandrang brauchen wir Tag für Tag große Mengen an Medikamenten und Verbandszeug. Wenn wir mit unserer Arbeit Schritt halten wollen, muss der Nachschub dringend verdoppelt werden.«
Schon 20,- Mark können ein Müllkippenkind für einen Monat sattmachen. Denn so viel kostet umgerechnet in Pesos monatlich ein Kostgänger des Speisungsprogramms der Stadtdiakonie in Manila.
Jaime ist noch ein Kind, ein Junge, der zu neunzig Prozent blind ist. Er schiebt seine Schwester, die der Kinderlähmung anheimfiel, im Schubkarren umher. Niemand nimmt Notiz von ihm. Er gehört einfach dazu, hinein in die Solidarität der Ärmsten der Armen. Viele Kinder haben keine Eltern mehr. Sie leben in der Notgemeinschaft der Müllkippenleute. Kinder, die ausgesetzt wurden, gehören ebenfalls zum Alltag der Mülldeponie. Müllplatz-Infektionen, Würmer und Hautausschlag sind Selbstverständlichkeiten, die zum Kindsein der Mülldeponie-Kinder gehören. Wer will sich darüber aufregen? Jaime ist einem Mitarbeiter, der sich um Kinder im Müllhaldengebiet kümmert, aufgefallen und konnte ins »CRIBS-Kinderheim« (Creating Responsive Infants by Sharing) einziehen.
Dieses Heim wird von der Christoffel-Blindenmission gemeinsam mit der Vereinigten Christlichen Kirche von Manila unterhalten. Hier erfahren Findelkinder ein Wunder, von dem sie nie zu träumen wagten. Hier erleben sie erstmalig in ihrem Müllkippendasein Liebe und Zuwendung, Fürsorge und Geborgenheit.
Zum Angebot der Stadtdiakonie gehört auch, möglichst jedem Hungernden auf der Müllkippe wenigstens einmal am Tag eine kraftspendende, vitaminreiche Mahlzeit zu sichern. Der Bedarf steigt ständig. Denn die Eröffnung der Armenküchen hat sich unter den Müllkippenmenschen wie ein Lauffeuer herumgesprochen.
Tagtäglich werden sie von bis zu vierhundert Jungen und Mädchen aus dem Müllkippengebiet umringt, die um Essen betteln.
Aus dem Traum ist ein Wunder geworden...
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Jeder Reiseführer, der auf sich und seinen Autor hält, zeigt oder beschreibt den Manila-Besuchern den berühmten Chinesenfriedhof am Rand der großen Stadt hinter der emsigen und hektischen Chinesenstadt von Manila mit dem Namen Chinatown. Man erreicht ihn über die Rizal-Avenue und kann abbiegen zur Aurora-Avenue, von dort zur Blumentritt-Straße, die man als Endstation an vielen Jeepneys angeschrieben findet. Aber es ist ganz und gar nicht einfach, den Eingang in diese große Totenstadt mitten in der Stadt zu finden, denn der riesige Chinesenfriedhof ist von einer mächtigen Mauer umgeben, die die Ruhe der Toten vor dem lauten Verkehr draußen schützen soll. Man nennt die gewaltige Mauer mit den hermetisch verriegelten Metall-Toren auch die Chinesische Mauer von Manila. Im ganzen großen Inselreich der Philippinen ist der Chinesenfriedhof mit eigener Toten-Verbrennungsstätte eine Einmaligkeit.
Wenn der Besucher Glück hat, wird ihm auf lautes Klopfen an den mächtigen Eisentüren schließlich von innen geöffnet, wenn gerade jemand in der Nähe ist. Wir sind fast eine Stunde von Tor zu Tor gelaufen, um vergeblich Eingang zu suchen.
Aber es ist dennoch nicht so selten, wie Freunde uns versicherten, dass man von innen geöffnet bekommt; denn die Chinesen besuchen und pflegen die Häuser ihrer Toten oft.
Einmaliges verbirgt sich hinter der Chinesischen Mauer von Manila: Große, nicht selten bis zu dreistöckige Totenhäuser mit Zimmern, Stuben, ja mit hauseigenen Toiletten und mit lauter Tonband-Übertragung von Trauermusik, Totenmessen oder buddhistischen Toten-Riten, die auf Band genommen wurden. Eh-achenköpfige Wachefiguren an den Hauseingängen, aus Stuck oder Metall geformt, sind nicht selten. Während die Verstorbenen der ärmeren Bevölkerungsschicht der weitausgedehnten Chinesenstadt von Manila kleine, kästchenförmige und von Betonplatten verschlossene Mauernischen im unteren Teil des Chinesenfriedhofs zugedacht bekommen, befinden sich an den großen Totenhäusern nicht selten komplette Hausanbauten.
Ständig sind irgendwo auf dem Chinese Cemetery, wie der Friedhof in Englisch auf dem Stadtplan bezeichnet wird, Angehörige, manchmal ganze Familien mit Kindern, damit beschäftigt, die Totenhäuser zu putzen und sauber zu halten.
Dass die Totenhäuser auch noch Briefkästen haben, dürfte möglicherweise welt-einmalig sein. Aus einigen Totenhäusern klingen ständig auf Tonträgern aufgezeichnete Totenklagen mit Trauermusik, die europäischen Ohren ungewohnt erscheint.
Die Totenklagen erinnern an neutestamentliche Bräuche im Orient, wo die Klageweiber die Toten, die eben Verstorbenen, die noch am Tag des Todes beerdigt wurden, beweinen und lautstark deren Sterben beklagen, indem sie Dinge aus dem Lebenslauf des Toten herausschreien und jammern.
Einige Totenhäuser sind tatsächlich mit elektrischen Klima-Anlagen ausgestattet. In manchen der großen Häuser bildet die Asche des Verstorbenen den eigentlichen Haus-Inhalt.
Am Eingang auf der Höhe der Anlage, von der Blumentritt-Straße her, nahe dem Chinese Hospital, dem Chinesischen Krankenhaus, steht eine Andachts- und Gedenkstätte im Pagodenstil mit eingebautem Krematorium. Von dort aus gehen breite Straßen und enge Gassen in den weitverzweigten Friedhof hinein. Wir erleben mit, wie ein Toter verbrannt wird, während die Trauernden in der kapellenähnlichen Pagodenhalle um das überlebensgroße Bild des Toten versammelt sind. Das Bild trägt einen breiten Trauerflor. Der Sarg mit dem Verstorbenen brennt in einer ölgefeuerten Anlage fast drei Stunden, bis alles zu Asche verbrannt ist...
Überall an den Gräbern, Grüften, Totenhäusern und an den schmucklosen Mauer-Kasten-Nischengräbern sind chinesische Lebenszeichen angebracht. Überall flattern auch Totenfähnchen.
Ganz ungewohnt für unser Empfinden ist, dass manche der Totenhäuser mit Klingel- oder mit elektrischen Gong-Anlagen ausgestattet sind. Befindet sich die Familie zur Ahnen-Andacht oder zum Säubern im Totenhaus, wird auf das Läuten hin von innen geöffnet und der Gast hereingebeten. Die toten Ahnen »leben« mit den Lebenden. Die Ahnen-Verehrung ist feierlicher Brauch. Man könnte auch sagen, dass die Familie der Lebenden die toten Ahnen mitten unter sich weiß. In einem der deutschsprachigen Reiseführer ist das alles in einem knappen Satz zusammengefasst: Unbedingt empfehlenswert ist ein Ausflug an den Nordrand Manilas zum Chinesischen Friedhof mit einer bizarren Fülle von reichlich geschmückten Grabstätten als Ausdruck chinesischer Toten- und Ahnenverehrung.
Ein anderer Reiseführer stellt fest: Es ist vielleicht etwas pietätlos, einen Friedhof als Sehenswürdigkeit aufzuführen, aber diese welt-einzigartige Totenstadt darf nicht verschwiegen werden. Hier findet man die wohl protzigsten Grabmäler der ganzen Welt. Besonders lebendig wird der Chinesenfriedhof am 1. November, wenn sich die Nachkommen zum gemeinsamen Ahnenbesuch versammeln... Während die Toten von Chinatown in Manila hinter der mächtigen Chinesischen Mauer ruhen, herrscht jenseits des Chinese Cemetery ein emsiges, geschäftiges und fleißiges Treiben unter den Lebenden der Chinesenstadt, in der man noch Shanghai-Kutschen mit Lederverdeck und Rikschas erleben kann.
Wir streifen durch die Straßen und Gassen der lebhaften Chinesenstadt und denken darüber nach, dass es auch bei uns Grabmäler und Grüfte gibt, die in Größe und ausufernder Ausführung an eine Art von Prestige-Denken über Tod und Grab hinaus grenzen.
Wir sprechen darüber, dass dies alles die Liebe nicht ersetzen oder ausgleichen kann, die wir uns im Leben gegenseitig oft schuldig bleiben, weil jeder emsig und vielbeschäftigt dahinlebt und vielfach nur wenig Zeit für Gottes Wort, für Gottes Gebot der Liebe zum Nächsten und für die Liebe untereinander bleibt.
Die laute und geschäftige Chinesenstadt kommt uns wie ein wimmelnder Ameisenstaat vor. Bleibt da Zeit und Raum für Gottes Liebe zu uns Menschen? Oder ist Ahnenverehrung alles, was danach, nach dem Tod, übrigbleibt?
In Chinatown gibt es neben dem Katholizismus die »drei Wege«, die im Land China beheimatet sind: Konfuzianismus, Taoismus und Buddhismus. Alle diese Wege münden in den großen Friedhof der Chinesen von Manila ein. Ursprünglich weckte der Konfuzianismus innerhalb der traditionellen Ahnenverehrung neue Impulse.
Der Taoismus steuerte die mystische Interpretation der Welt und des Lebens in der Welt bei.
Der Mahayana-Buddhismus lehrte die Möglichkeit der Erlösung für alle durch Glauben und durch praktische Frömmigkeit.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich in China diese drei Wege oft gekreuzt, vereinigt oder berührt und sind zu einer Art von Volksreligion zusammengewachsen. In den letzten Jahrhunderten hat das Christentum durch Mission viel Neues gebracht. All dies findet sich heute in der Chinesenstadt von Manila wieder.
Man spricht von der Verflechtung der Wege in chinesischen Religionsvorstellungen.
Konfuzius, der eigentlich K'ung-fu-tzu hieß, wurde 551 vor Christus im Stadtstaat Lu in Nordchina geboren. Er starb 479 vor Christus. Legenden der späteren Zeit wollen um seine adlige Herkunft wissen. Konfuzius aber lebte als einfacher Mensch, verlor ein zeitweise ausgeübtes politisches Amt, zog als religiöser Lehrmeister umher und sammelte Schüler um sich, mit denen er ethische, soziale und politische Probleme seiner Zeit diskutierte und praktizierte. Das Gespräch blieb seine Lehrmethode. Sein Hauptkonzept war die Ordnung. Daraus erwuchs das konfuzianische Ideal des Mannes: Die Tugend. Als Sohn sorgt er für seine Eltern und verehrt die Ahnen. Der Ahnenkult, so wie er heute auf dem Chinesenfriedhof von Manila betrieben wird, war aber schon vor Konfuzius in China beheimatet.
Die Konfuzianer müssen nicht an einen Gott glauben. Es genügt, den Meister Konfuzius zu verehren und zugleich einer anderen Religion zu folgen.
Viele Chinatown-Bewohner von Manila hängen dem Taoismus an. Tao bedeutet Weg oder Lebensweise, auch Lehrgrundsatz kann es bedeuten. Während der Konfuzianismus mehr die Lebenspraxis betont, meint der Taoismus mehr die Lehre. Tao ist höchstes Prinzip, erste Ursache und letzte Wirklichkeit. Das Tao bestimmt den Verlauf des Weltgeschehens. Es ist gleichzeitig der Weg, auf dem der Mensch in Harmonie mit dem Universum lebt. Laotse wird als Schreiber des Buches bezeichnet, das die Lehre des Taoismus enthält und »Chinas einflussreichstes Buch« genannt wurde, bevor es die »Mao-Bibel« gab. Laotse wurde 604 vor Christus geboren. Die neuere Forschung ist allerdings skeptisch, was sein Leben und die Autorenschaft des Buches anbelangt. Man hält das Buch heute in der Wissenschaft für eine Text-Sammlung aus dem 4. vorchristlichen Jahrhundert. Laotse bedeutet »Alter Meister« und könnte auch der Titel eines oder mehrerer Weisheitslehrer gewesen sein.
Der Taoismus will durch Überwindung der Begierden und stilles Sichversenken mit dem Ewigen eins werden und eine Erleuchtung erzielen, die ähnlich der eines Yoga übenden Buddhisten ist. Im volkstümlichen Taoismus haben die traditionellen Götter Chinas Aufnahme gefunden. Dies sind drei Götter, von denen einer Laotse ist. Es gibt acht Geister, denen große Bedeutung zugestanden wird. Die Priester besorgen den Tempeldienst. Die Gläubigen müssen den Tempel besuchen, wenn sie Heilung erfahren oder Macht über den Tod gewinnen wollen.
Nicht wenige Bewohner von Chinatown in Manila sind Anhänger des neuen Buddhismus. Der Mahayana-Bud- dhismus kam im 1. Jahrhundert vor Christus nach China. Weil die Lehre von der Wiedergeburt, der Reinkarnation, und die starke Betonung mönchischen Lebens gegen die Ahnenverehrung und Hochschätzung der Familie standen, erfuhr der Mahayana-Buddhismus in China zuerst Widerstand, denn die Ahnenverehrung galt als sehr heilig. Später fand der Buddhismus aber wegen seiner liberalen Haltung viele Anhänger in China.
Die Buddha-Verehrung zielt auf Erlösung durch Glauben. Alle Menschen werden einmal Buddha sein. Im Mahayana-Buddhismus gibt es zahlreiche Buddhas. Besonders beliebt ist der kommende oder lachende Buddha. Er bringt den Gläubigen Glück. Einer der Gründe für die Übernahme des Buddhismus in China ist eine Gemeinsamkeit mit dem Taoismus: die Ruhe und die Meditation.
Der Besuch auf dem welt-einmaligen Chinesenfriedhof von Manila hat uns sehr ins Nachdenken gebracht.
Offenbarung kennen die alten chinesischen Religionen alle. Aber wo bleibt die Offenbarung von der Liebe Gottes zu den Menschen durch Jesus Christus, der Menschen zum Bruder und Erlöser geworden ist?
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Dieses Buch ist aus dem echten Anliegen entstanden, zu verstehen, was in Bezug auf Musik im christlichen Leben und Wandel vor Gott wohlgefällig ist und ob die Bibel wie auch die Kirchengeschichte hierzu hilfreiche Hinweise gibt, um diese Frage zu klären. Möge der Leser aus diesem Grund das vorliegende Buch in erster Linie als Denkanstoß denn als Antwort auf alle Fragen betrachten.