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Bei der Recherche zur "Synopse des deutschen Bestattungsrechtes" stieß der Autor Klaus Schäfer nicht nur auf zahlreiche Unterschiede, sondern auch auf Anekdoten und Stilblüten im Amts-Deutsch. So widerspricht sich das Bestattungsgesetz eines Bundeslandes selbst. Daneben zeigt sich, dass bei genauer Betrachtung die Bestattungsgesetze sogar gegen das Grundgesetz verstoßen, was eine dringende Überarbeitung des Bestattungsrechts erfordert. Der Autor lacht nicht gern allein. Darum hat er die entdeckten Kuriositäten in einem Buch zusammengestellt. Somit kommt dem Leser das todernste Thema BESTATTUNG lachend entgegen.
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Seitenzahl: 311
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Wir reisen und handeln global, mit dem Euro fühlen wir uns als Europäer, in unseren Ausweispapieren steht „Deutsch“, doch wenn wir tot sind, dann sind wir: Bayer, Brandenburger, Hesse, ...
0 Vorspann
0.1 Inhaltsverzeichnis
0.2 Abkürzungen
0.3 Etymologisches
0.4 Gesetzestexte
0.5 Literatur
0.6 Geleitwort von Burkhard Madea
0.7 Zum Buch
1 Würde und Ehrfurcht
1.1 Würde
1.2 Ehrfurcht
1.3 Achtung
1.4 Beseitigung
1.5 Friedhofs- und Bestattungswesen
1.6 „anonym“
2 Die Todesfeststellung
2.1 Zweck der Todesfeststellung
2.2 Den Tod „auf andere Weise“ zuverlässig feststellen
2.3 „keine Lebenszeichen“
2.4 Zur Durchführung der 2. Leichenschau berechtig
2.5 Notarzt beim Toten
2.6 Notarzt bei unnatürlichem Tod
2.7 Todesbescheinigung und Gesundheitsamt
2.8 2. Leichenschau vor der Kremierung
2.9 Ein Richter sieht sich über dem Gesetz stehend
2.10 Scheintod
3 Die Hinterbliebenen
3.1 „Angehörige“
3.2 Rangfolge mit Variationen
3.3 „geschäftsfähig“ statt „volljährig“
3.4 Aufgaben der Hinterbliebenen
3.5 Mehrere Rangfolgen in einem Gesetz
3.6 Mehrfach verheiratet
3.7 Rechte der Hinterbliebenen
3.8 Kinderrechte - Rechte der Kinder
3.9 Darstellung der Situation
4 Die Sprache der Bestattungsgesetze
4.1 „untere Gesundheitsbehörde“
4.2 „zuständige Behörde“
4.3 ...behörde
4.4 Weitere Zuständigkeiten
4.5 „Polizei“
4.6 Die Nicht-Sager
4.7 „nicht natürlichen Tod“
4.8 „nicht unverzüglich“
4.9 Doppelte Verneinung
4.10 Gendersprache
4.11 Widersprüche im BestG
4.12 Kryptische Sprache
5 Tod während der Schwangerschaft
5.1 Begrifflichkeiten
5.2 Begrifflichkeiten II
5.3 „Geburtsgewicht“
5.4 Leiche oder keine Leiche
5.5 Mehrlingsschwangerschaft
5.6 Abgetriebene Kinder
5.7 Information an die Eltern
5.8 „andere Verwendung“
5.9 Gewichtsgrenze
5.10 „Schwangerschaftswoche“
6 Die Sektionen
6.1 Vorbemerkung zu den Sektionen
6.2 Bezeichnung in Variationen
6.3 Zweck der Sektionen
7 Der Transport
7.1 Zeitliche Frist
7.2 Transport in ein anderes Land
7.3 Mit Anhänger
8 Die Bestattung
8.1 „Angehörige“ und „Hinterbliebene“
8.2 Wille des Verstorbenen
8.3 Sarg bei Begräbnisfeier
8.4 Bestattungsfrist bei Urnen
8.5 Bestattungsort der Urne
8.6 Seebestattung
8.7 „auf hoher See“
8.8 „unterirdisch“
8.9 Dokumentation
9 Sonstiges
9.1 Gesetz oder Vorschrift
9.2 Muslime und Juden
9.3 „Verpflichtete“
9.4 Totenruhe
9.5 Alte Rechtschreibung
9.6 Doppelte Todesbescheinigung
9.7 Klinische Sektion
9.8 Zustimmung von Toten
9.9 Zweck der klinischen Sektion
9.10 Transport
9.11 Urnentransport
9.12 Würde oder Sprache?
9.13 Stillgeburt
9.14 Abgetriebene Kinder
9.15 Von „Menschen“
9.16 Recht der „Teilnahme“
9.17 Einschränkung des Datenschutzes
9.18 Ruhezeiten
9.19 Vorzeitige Einebnung
9.20 Verlängerung der Ruhezeit
9.21 „auf kürzestem Weg“
9.22 Ein Todesfall in Deutschland
9.23 Wunsch der Kinder zur Bestattung
10 Ordnungswidrigkeiten
10.1 Anzahl der Ordnungswidrigkeiten
10.2 Bußgeld für Ordnungswidrigkeiten
10.3 Nur eine Ordnungswidrigkeiten
11 Fazit
11.1 Kollisionen mit Grundrechten
11.2 Verstoß gegen die Kinderrechte
11.3 Rechte der Hinterbliebenen
11.4 Baustellen in den BestG
11.5 Ethik, Moral und Sitte
11.6 Lösungsmöglichkeit
BW
Baden-Württemberg
BY
Bayern
BE
Berlin
BB
Brandenburg
HB
Hansestadt Bremen
HH
Hansestadt Hamburg
HE
Hessen
MV
Mecklenburg-Vorpommern
NI
Niedersachsen
NW
Nordrhein-Westfalen
RP
Rheinland-Pfalz
SL
Saarland
SN
Sachsen
ST
Sachsen-Anhalt
SH
Schleswig-Holstein
TH
Thüringen
BestG
Bestattungsgesetz
GG
Grundgesetz
SSW
Schwangerschaftswoche
ae.
altenglisch
afr.
altfriesisch
afrz.
altfranzösisch
ahd.
althochdeutsch
ai.
altindisch
air.
altirisch
akslav.
altkrichenslavisch
andfrk.
altniederfränkisch
anord.
altnordisch
as.
altsächsisch
bair.
bairisch
erw.
erweiterter Standardwortschatz
f.
femininum
fach.
fachsprachlich
früh-rom.
frühromanisch
f./n.
femininum und neutrum
g.
germanisch
gr.
griechisch
gt.
gotisch
ig.
indogermanisch
kymr.
kymrisch (walisisch)
l.
lateinisch
lit.
litauisch
mhd.
mittelhochdeutsch
mnd.
mittelniederländisch
mndd.
mittelniederdeutsch
mndl.
mittelniederländisch
m./n.
maskulinum und neutrum
nhd.
neuhochdeutsch
obd.
oberdeutsch
obs.
obsolet (stark veraltet)
per.
peripherer Wortschatz
reg.
regional
russ.
russisch
std.
standard
wg.
westgermanisch
Es ist sinnvoll und hilfreich, sich der Herkunft (Etymologie)1 der benutzten Begriffe Gedanken zu machen. Dies hilft dabei, das Wort in der Tradition dieser Bedeutung zu verstehen und zu benutzen. Damit werden Fehldeutungen des Begriffs vermieden und Missverständnissen vorgebeugt.
beerdigen
Sf std. (8. Jh.), mhd.
erde
, ahd.
erda
, as.
ertha
Präfixableitung von 'Erde'.
2
bestatten
Vsw
std. (11. Jh., Bedeutung 12. Jh.), mhd.
bestaten
, ahd.
bistaten
Ist eine Verstärkung des einfachen
staten
‛an einen Ort bringen, festlegen’ (zu Statt). Das Wort wird dann verhüllend für ‛ins Grab legen’ gebraucht. Abstraktum: Bestattung.
sterben
Vsw
std. (9. Jh.), mhd.
sterben
, ahd.
sterban
, as.
stervan
Aus wg.
*sterb-a- Vst.
‛sterben’, auch in afr.
sterva
, ae.
steorfan
. Eine weitere Bedeutung zeigt sich in anord.
stjarfi
‛Starrkrampf’, anord.
starfa
‛sich abmühen’. Die Ausgangsbedeutung ist also wohl ‛starr werden’. Damit lassen sich bei gleichem Lautstand verknüpfen mir.
us(s)arb
‛Tod’, russ.
stérbnut′
‛hart werden, erstarren, absterben’ und vielleicht gr.
stérphos
‛Haut, Fell’. Besser bezeugt ist eine Grundlage mit Auslaut
-p
ohne anlautendes
s-
: l.
torpēre
‛steif sein, betäubt sein’, lit.
tirp( ti
‛erstarren, gefühllos werden, einschlafen’, russ.
terpnút′
‛erstarren’. Ein weiterer Anschluss an die Sippe von starr ist möglich. Präfigierungen: er-, versterben; Partikelverben: ab-, aussterben; Adjektiv: sterblich.
Achtung
Sf std. (9. Jh.), mhd.
ahtunge
, ahd.
ahtunga
, mndd.
achtunge
, andfrk.
ahtinga
, mndl.
achtunge
Verbalabstraktum zu 'achten', das dessen Grundwort 'Acht' abgelöst hat.
Anekdote
Sf ‛kurze, treffende Erzählung’ erw. fremd. (18. Jh.)
Entlehnt aus frz. anecdote, dieses aus gr. anékdota, eigentlich ‛nicht Herausgegebenes’ (Pl.), einer Substantivierung (n. Pl.) von gr. anékdotos ‛nicht herausgegeben’, dem PPP. von gr. ekdidónai ‛herausgeben’ und gr. a-, zu gr. didónai ‛geben, schenken’. Unter dem Titel Anekdota ist ein Text
des byzantinischen Historikers Prokop (6. Jh.) überliefert, in dem er äußerlich gesehen Klatschgeschichten und (meist negative) Charakterisierungen des Kaisers und seiner Umgebung wiedergibt. In Wirklichkeit handelt es sich um eine nicht nur in der Antike unerhörte Gegendarstellung zu seinen eigenen offiziellen Lobpreisungen auf den Kaiser und den Hof.
Ehre
Sf std. (8. Jh.), mhd.
ēre
, ahd.
ēra
, as.
ēra
Aus g.
*aizō
f. ‛Achtung’, auch in anord.
eir
‛Gnade, Milde, Hilfe’, ae.
ār
‛Wohltat, Schonung, Ehre’, afr.
ēre
; mit Rücksicht auf die außergermanischen Verwandten ist von (ig.)
**aids-ā
auszugehen, einer Erweiterung eines
s
-Stammes, der in gr.
aidṓs
‛Ehrfurcht, Scheu’ vorliegt. Dieses zu gr.
aidéomai
,
aídomai
‛ich scheue, verehre’. Eine Weiterbildung
*aids-d-
‛Scheu, Ehre geben’ in gt.
aistan
‛scheuen, achten’ und vielleicht ai.
ī4ṭṭe
‛preist, verehrt’ (Lautstand unklar). Verb: 'ehren'; Adjektive: 'ehrlich', 'ehrbar', sowie 'ehrfürchtig' und 'ehrwürdig'. Regional (bair.) steht
ehren
für das Schenken an feierlichen Anlässen (Hochzeit usw.).
Ehrfurcht
Sf std. (16. Jh.)
Rückbildung aus dem seit dem 16. Jh. nachgewiesenen Adjektiv
ehrfürchtig
, das aus Ehre und Furcht mit Adjektivsuffix) zusammengesetzt ist (also etwa ‛um die Ehre besorgt’).
Friedhof
Sm std. (9. Jh., Form 16. Jh.), mhd.
vrīthof
, ahd.
frīthof
m.
/
n.
(?)
, as.
frīdhof
Ursprünglich ‛Vorhof, eingefriedetes Grundstück’ zu ahd.
frīten
‛hegen’, gt.
freidjan
‛schonen’. In ungestörter Entwicklung wäre nhd.
Freithof
zu erwarten gewesen, was auch tatsächlich regional bezeugt ist; doch ist das Wort als Bezeichnung des Kirchhofs an Friede angeglichen worden durch das Verständnis als ‛Immunitätsland’: Die öffentlichen Beamten hatten kein Eingriffsrecht auf dem Friedhof ─ entsprechendes gilt für das gleiche Wort als Orts- und Hofbezeichnung. Ahd.
frīten
gehört zu der Sippe von 'frei, freien, Freund' und 'Friede(n)' mit der Sonderbedeutung ‛hegen, schonen, pflegen’. Unmittelbar zugrunde liegt das Adjektiv g. *
frīda
-‛gepflegt, schön’ in anord.
fríđr
, ae.
frīþ
, außergermanisch vergleichbar ist ai.
prītá
-, Partizip zu ai.
prīṇā4 ti
.
Gesetz
Sn std. (8. Jh., Form 13. Jh.), mhd.
gesetzede
f./n.
, gesetze
, ahd.
gisezzida
f.
Also eigentlich ‛das Gesetzte’ mit einem ähnlichen Bedeutungsübergang wie bei
Satzung
. Adjektiv: gesetzlich
Gottesacker
Sm erw. obs. (14. Jh.)
Im Süddeutschen und Ostmitteldeutschen verbreitetes Wort für ‛Friedhof’ (Friedhof), und zwar der nicht neben der Kirche, sondern auf einem Feldstück außerhalb des Ortes liegende.
Kirchhof
Sm erw. reg. (12. Jh.), mhd.
kirch(h)of
, mndd.
kerkhof
Bezeichnet zunächst den Hof vor der Kirche im wörtlichen Sinn. In frühneuhochdeutscher Zeit regional (nord- und westdeutsch) zu ‛Begräbnisstätte’ verengt.
Leiche
Sf std. (8. Jh.), mhd.
līch
, ahd.
lī(c)h
f./n. u.ä., as.
līk
Aus g.
*līka-
n. ‛Körper, Fleisch, Leiche’, auch in gt.
leik
n., anord.
lík
n. , ae.
līc
n. Das Femininum ist nur deutsch und wohl sekundär. Herkunft unklar. Die sehr komplexen Vergleichsmöglichkeiten lassen vermuten, dass zu der Wurzel ig.
*al-
‛wachsen, nähren’ ein ig. (w./oeur.)
*(a)līko
(u.ä.) ‛Wuchs, Körper, Gestalt’ gebildet wurde, das außer in dem germanischen Wort noch auftritt in russ.
lik
‛Antlitz’ neben akslav.
lice
‛Gesicht, Person, Wange’, lit.
liẽknas
‛schlank gewachsen, wohlgestaltet’, ohne Tektal lit.
liemuõ
‛Leibesgestalt, Körperwuchs’, mit abweichendem Tektal air.
li
‛Schönheit, Farbe, Gesichtsfarbe’, kymr.
lliw
‛Form, Haltung, Farbe’.
Leichnam
Sm std. (8. Jh.), mhd.
līcham(e), lichnam(e)
, ahd.
lī(c)h-hamo, lihhinamo
, as.
līkhamo
Aus g.
*līka-hamōn
m. ‛Körper’. Der erste Bestandteil ist das gleiche Wort wie Leiche, mit dem
Leichnam
die Bedeutungsentwicklung teilt; der zweite ist das unter Hemd dargestellte Wort für ‛Körperbedeckung, Körper’; entsprechend ae.
flǣsc-hama
‛Körper’. Also eigentlich ‛Lebensbedeckung, Gefäß des Lebens’; das Wort ist wohl dichterischen Ursprungs. Das
n
in der neuhochdeutschen Form stammt aus einer Variante mit
n-
stämmigem Vorderglied mhd.
līchnam(e)
, ahd.
līhhinamo
.
Mensch
Sm std. (8. Jh.), mhd.
mensch(e)
m./n., ahd.
men(n)isco
u.ä., as.
mennisko
Wie afr.
mann(i)ska
, menn(i)ska Substantivierung eines Zugehörigkeitsadjektivs zu Mann in der alten Bedeutung ‛Mensch’. Das Adjektiv g.
*manniska-
‛menschlich’ in gt.
mannisks
, anord.
mennskr
, ae.
mennisc
, as.
mennisk, mannisk
, ahd.
mennisc(īn), mannaschīn
u.ä. Ebenso steht ai.
manuṣyà
- Adj. ‛menschlich, Mensch’ neben ai.
mánuṣ
‛Mensch’. Das Wort tritt seit dem 17. Jh. auch als Neutrum auf zur Bezeichnung weiblicher Dienstboten; daraus regional (obd.) einerseits ‛Mädchen’, andererseits ein verächtlicher Ausdruck ‛Weibsbild’. Adjektiv: menschlich; Kollektivum: Menschheit; Abstraktum: Menschentum.
Obduktion
Sf ‛Öffnung einer Leiche zur Feststellung der Todesursache’ per. fach. (18. Jh.)
Entlehnt aus l.
obductio (-ōnis)
‛Verhüllen, Bedecken’, einer Ableitung von l.
obdūcere (obductum)
‛etwas über einen Gegenstand ziehen, verschließen, verhehlen’, zu l.
dūcere
‛ziehen’ und l.
ob
-. Bezeichnet wird damit vermutlich das Ende des Vorgangs.
Sarg
Sm std. (9. Jh.), mhd.
sarc(h)
, ahd.
sarc
, as.
sark
Entlehnt aus einem vorauszusetzenden früh-rom.
*sarcus
, das auch afrz.
sarcou
ergeben hat. Das volle kirchen-lateinische Wort ist
sarcophagus
, das aus gr.
sarkophágos
entlehnt ist (Sarkophag).
Sektion
Sf ‛Öffnung einer Leiche; Abteilung’ per. fach. (16. Jh.)
In verschiedenen Schritten ins Deutsche entlehnt aus l.
sectio
, Abstraktum zu l.
secāre
‛schneiden’; sezieren.
Tod
Sm std. (8. Jh.), mhd.
tōt
, ahd.
tōd
, as.
dōth
Aus g. *
dauþu
- m. ‛Tod’, auch in gt.
dauþus
, anord.
dauđr
, ae.
dēaþ
, afr.
dāth
. Verbalabstraktum zu g. *
dau-ja
Vst. ‛sterben’ in anord.
deyja
(unklar ist die morphologische Beurteilung von gt.
þata diwano
‛das Sterbliche’). Außergermanisch vergleicht sich mit diesem Verb der Bedeutung nach zunächst die Erweiterung gr.
apo-thnḗiskō
‛ich sterbe’ (ig. *
d h wenə
-), vielleicht auch l.
fūnus
n. ‛Leichenbegängnis’ und air.
duine
‛Mensch’ (‛Sterblicher’). Das weitere ist semantisch unklar; die Wörter gehören offenbar zu *
d h eu
- ‛atmen, leben usw.’ (Tier), doch ist der Übergang zu ‛sterben’ nicht recht klar (‛das Leben aushauchen’?). Er zeigt sich in lit.
dvė(sti
‛verenden’ neben lit.
dvėsúoti
‛schwer atmen, keuchen’ und in akslav.
daviti
‛würgen, erwürgen’. Die Einzelheiten
bleiben klärungsbedürftig. Adjektiv: tödlich.
Urne
f std. (17. Jh.)
Entlehnt aus l.
ūrna
gleicher Bedeutung.
Würde
Sf std. (8. Jh.), mhd.
wirde, werde
, ahd.
wirda, wirdī, werdī
Abstraktum zu wert, also eigentlich ‛Wert, Wertsein’. Adjektiv: würdig
1 KLUGE online: https://www.degruyter.com/database/kluge/html
2 Nicht im KLUGE belegt: In die Erde legen.
Abk.
Stand
Bezeichnung
BW
01.09.22
Bestattungsgesetz
BY
01.09.16
Bestattungsgesetz
BE
27.09.21
Gesetz über das Leichen- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz)
BB
15.10.18
Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Brandenburg (Brandenburgisches Bestattungsgesetz BbgBestG)
HB
20.10.20
Gesetz über das Leichenwesen
HH
30.10.19
Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (Bestattungsgesetz)
HE
23.08.18
Friedhofs- und Bestattungsgesetz (FBG)
MV
13.07.21
Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen im Land Mecklenburg-Vorpommern (Bestattungsgesetz - BestattG M-V)
NI
23.02.22
Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen (BestattG)
NW
27.08.22
Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Bestattungsgesetz - BestG NRW)
RP
19.12.19
Bestattungsgesetz (BestG)
SL
22.01.21
Gesetz Nr. 2019 über das Friedhofs-, Bestattungs- und Leichenwesen (Bestattungsgesetz - BestattG -)
SN
26.04.18
Sächsisches Gesetz über das Friedhofs-, Leichen- und Bestattungswesen (Sächsisches Bestattungsgesetz – SächsBestG)
ST
17.02.11
Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Sachsen-Anhalt (Bestattungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt - BestattG LSA)
SH
02.05.18
Gesetz über das Leichen-, Bestattungs- und Friedhofswesen des Landes Schleswig-Holstein (Bestattungsgesetz - BestattG)
TH
06.06.18
Thüringer Bestattungsgesetz (ThürBestG)
Tab. 1 Das Datum des Inkrafttreten und die Namen der BestG der einzelnen Länder
Barth, Hermann: Vergiftete Frucht? - Überlegungen zum Gebrauch neuer Sprachformen für theologische Inhalte aus Anlaß der Diskussion über "Kirche der Freiheit" - Referat bei der Jahrestagung des AEU in Dresden. In: EKD: Artikel (24.11.2006) [EKD 2006]
Europäische Union: Charta der Grundrechte der Europäischen Union. (2000/C 364/01). Nach: https://www.europarl.europa.eu/charter/pdf/text_de.pdf Zugriffam 03.03.2023.
Haase, Jürgen: Bestattungsorte. Zur Atmosphäre sepulkralkultureller Räume der Gegenwart. In: Thomas Meier, Winfried Schenk (Hg.): Tod und Gedenken in der Landschaft. Bonn 2016.
Huber, Wolfgang: Was ist vertretbar? Ethische Probleme der Organtransplantation. In: EKD: Artikel (11.09.2001) [EKD 2001]
Huber, Wolfgang: Sterbebegleitung - ein Hoffnungszeichen. In: EKD: Artikel (16.05.2003) [EKD 2003]
Huber, Wolfgang: "Der Tod - Grenze oder Macht?" - Vortrag beim Tag der Geisteswissenschaften der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. In: EKD: Artikel (12.11.2004) [EKD 2004a]
Huber, Wolfgang: "Würdige Bestattungen sind Grundanliegen der Christenheit" Festpredigt von Wolfgang Huber vor Friedhofsverwaltern. In: EKD Pressemitteilung (09.09.2004) [EKD 2004b]
Internationale Arbeitsgemeinschaft der liturgischen Kommission im deutschen Sprachgebiet: Benediktionale. Freiburg 1991.
Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 25. Auflage. 2011
Kongregation für die Glaubenslehre: Instruktion Ad resurgendum cum Christo über die Beerdigung der Verstorbenen und die Aufbewahrung der Asche im Fall der Feuerbestattung. Bonn 2016. (KGL 2016)
Pschyrembel. Klinisches Wörterbuch. 268. Auflage. Berlin 2020.
Schäfer, Klaus: Synopse des deutschen Bestattungsrechts. Synoptischer Vergleich der Bestattungsgesetze aller 16 Bundesländer. Regensburg 2022.
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Unsere Sorge um die Toten und die Hinterbliebenen Bestattungskultur und Begleitung von Trauernden aus christlicher Sicht. Bonn 1994. 4. Auflage 2000 [DBK 2000]
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Christliche Bestattungskultur. Orientierung und Information. Bonn 2004. [DBK 2004]
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Tote begraben und Trauernde trösten. Bestattungskultur im Wandel aus katholischer Sicht. – Bonn 2005. [DBK 2005]
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): „Der Herr vollende an Dir, was er in der Taufe begonnen hat.“ Katholische Bestattungskultur angesichts neuer Herausforderungen. Bonn 2011. [DBK 2011]
Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.): Tote begraben und Trauernde trösten Bestattungskultur im Wandel aus katholischer Sicht. Bonn 2005. 3. Auflage 2017. [DBK 2017]
Vereinte Nationen: UN-Kinderrechtskonvention. Zitiert nach: Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Übereinkommen über die Rechte des Kindes. 7. Auflage. Berlin 2022. Nach: https://www.bmfsfj.de/resource/blob/93140/78b9572c1bffdda3345d8d393acbbfe8/uebereinkommen-ueber-die-rechte-des-kindes-data.pdfZugriffam03.03.2023.
Rund 50 % der Menschen versterben heute im Krankenhaus. Insofern ist es folgerichtig, dass ein Krankenhausseelsorger, der die Sterbenden in der Krankheit zum Tode begleitet und auch Angehörige, Freunde und Hinterbliebene betreut, aus seiner fachlichen Sicht einen Blick auf den Umgang mit Verstorbenen sowie den gesetzlichen Regelungen, die sich mit dem Tod, seiner Feststellung, der Bestattung etc. befassen, richtet.
Erst unlängst hat der Autor eine umfassende Synopse des deutschen Bestattungsrechts publiziert, in der in über 100 vergleichenden Tabellen der Umgang mit den Verstorbenen von der Feststellung des Todes bis zur Bestattung in den Bestattungsgesetzen der einzelnen Bundesländer dargestellt wird. Darüber hinaus interessierte den Autor, welche Rechte und Pflichten die Hinterbliebenen nach den Bestattungsgesetzen haben.
Das vorliegende Buch „Anekdoten aus dem Totenreich. Den Bestattungsgesetzen auf den Mund geschaut“, ist eine Fortführung dieser Synopse. Bei seinen Recherchen stieß der Autor immer wieder auf „Seltsames und Besonderes“, was ihn dazu veranlasste, diese Anekdoten in einem kleinen Büchlein einer breiteren Leserschaft zuzuführen. Er, der Autor, wollte nicht allein über manche Stilblüten lachen. Wer die Anekdoten in Ruhe liest, dem wird an mancher Stelle allerdings nicht zum Lachen zumute sein, sondern an der deutschen Kleinstaaterei verzweifeln. Es ist überhaupt nicht einzusehen, dass Leichenschau und Bestattungsgesetze nicht bundeseinheitlich geregelt werden, sondern jedes Bundesland sein eigenes Bestattungsgesetz, unter Umständen noch eine Bestattungsverordnung hat.
Der Autor vergleicht die Bestattungsgesetze der Bundesländer systematisch anhand folgender thematischer Schwerpunkte:
Würde und Ehrfurcht
Die Todesfeststellung
Die Hinterbliebenen
Die Sprache der Bestattungsgesetze
Tod während der Schwangerschaft
Die Sektionen
Der Transport des Leichnams
Die Bestattung
Sonstiges
Ordnungswidrigkeiten
Fazit
In allen Kapiteln spürt er bis in die Formulierungen Gedankenlosigkeiten bei der Abfassung der Gesetze nach. So kommt in allen 16 Bestattungsgesetzen der Begriff „Würde“ insgesamt 35 Mal vor. Das entspricht einem Durchschnitt von 2,2 je Bestattungsgesetz. Berücksichtigt man, dass in den Bestattungsgesetzen von Berlin, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen keine „Würde“ vorkommt, ergibt es für die verbleibenden 12 Bundesländer einen Durchschnitt von 2,9 „Würde“ je Bestattungsgesetz. Bedenkt man, dass sich die „Würde“ nur an 29 Stellen direkt oder indirekt auf den Verstorbenen bezieht, sinkt die durchschnittliche Anzahl wieder. An 10 Stellen bezieht sich die „Würde“ auf den Friedhof bzw. auf den Ort (der Bestattung). An 4 Stellen ist es uneindeutig, auf wen oder was sich die Würde bezieht. In 8 Bundesländern ist die Würde des Verstorbenen zu achten, in jeweils 3 Bundesländern die Würde des Menschen, die Würde der verstorbenen Person, in jeweils zwei Bundesländern die Menschenwürde bzw. die Totenwürde. In einem Bundesland ist die Würde menschlichen Lebens zu achten. In 6 Bundesländern ist die Würde des Friedhofs zu beachten, in drei Bundesländern der „Ort“, gemeint ist hierbei auch der Friedhof. In einem Bundesland ist die Würde der Bestattungseinrichtung zu achten, in einem Bundesland die Grabstätten.
Soweit ein kurzer Auszug aus der Analyse der Bestattungsgesetze zum Begriff „Würde“.
Dies wird mit zahlreichen weiteren Beispielen belegt, etwa unterschieden zu den in den Bestattungsgesetzen festgehaltenen „Ordnungswidrigkeiten“.
So bewegen sich z. B. die Bußgelder bei einem Verstoß gegen das Bestattungsgesetz, je nach Bundesland zwischen 1.000 und 25.000 €. Derart große Unterschiede in der maximalen Höhe der Bußgelder haben naturgemäß nichts mit Gleichheit vor dem Gesetz zu tun und man fragt sich, ob hier die dem Gesetzgeber obliegende Pflicht zur Normenklarheit garantiert ist.
Einige Bestattungsgesetze nennen die „Würde des Menschen“ meinen aber die „Würde des Verstorbenen“. Andere Bestattungsgesetze nennen die „Menschenwürde“, meinen aber die „Totenwürde“. Bis ins Kleinste spürt der Autor begrifflichen Unklarheiten nach oder auch einer Verrohung der Sprache zum Umgang mit Verstorbenen oder Leichenteilen bzw. Feten, die auf schickliche und gesundheitsunbedenkliche Weise zu „beseitigen“ sind. Der Begriff „zu beseitigen“ verstößt nach dem Autor gegen die über den Tod hinausreichende Würde des Menschen und damit gegen Artikel 1 GG.
In einem abschließenden Kapitel werden noch einmal alle dem Autor besonders wichtigen Punkte angesprochen.
Der Autor resümiert: „Wir reisen und handeln global, wir leben als Europäer und zahlen mit Euro, unsere amtlichen Papiere weisen uns als Deutsche aus, doch mit dem Eintritt des Todes sind wir plötzlich Bayer, Brandenburger, Saarländer … . Dabei sollten nach § 3 GG vor dem Gesetz alle Menschen gleich sein.“
Der Autor plädiert nachdrücklich dafür, den sprachlichen Wildwuchs in den Bestattungsgesetzen abzuschaffen.3 Der Umgang mit den Verstorbenen und den Hinterbliebenen sei den Bundesländern zu entziehen und in einem neuen Bestattungsgesetz zu verabschieden. Bei den Bundesländern soll entsprechend einem Vorschlag des Autors ein reines „Friedhofsgesetz“ verbleiben, während ein „Bestattungsgesetz“ als Bundesgesetz erlassen werden soll. Dieser Forderung ist uneingeschränkt zuzustimmen.
Bereits 2002 hatte die Bundesärztekammer einen Entwurf einer Gesetzgebung zu einer bundeseinheitlichen, ärztlichen Leichenschau – und Todesbescheinigung vorgelegt. Dieser Vorschlag ist leider nicht weiter aufgegriffen worden und es steht zu befürchten, dass die Ministerialräte der Gesundheitsministerien der Bundesländer auch weiterhin heftigst ihre Schreibtische verteidigen werden und einer bundeseinheitlichen Regelung im Wege stehen.
In Deutschland verlaufen Reformbemühungen zur Hebung der Qualität der ärztlichen Leichenschau und Novellierung der Bestattungsgesetze zyklisch nach vorgegebenem Muster. Bereits 1983 waren nacheinander Generalbundesanwalt und Generalstaatsanwälte, Justizministerkonferenz, Gesundheitsministerkonferenz und schließlich eine von dieser eingesetzte Arbeitsgruppe der Arbeitsgemeinschaft leitender Medizinalbeamten der Länder mit der Zielsetzung der Erarbeitung eines bundeseinheitlichen Leichenschauscheins tätig. Deren Bemühungen sind bekanntlich im Sande verlaufen.
Ab 2007 war wiederum die Justizministerkonferenz mit einer Verbesserung der Qualität der äußeren Leichenschau befasst. Der Strafrechtsausschuss der Justizministerkonferenz richtete eine Projektgruppe ein, die Empfehlungen aussprach. Daraufhin wurde wiederum die Gesundheitsministerkonferenz tätig, die die Arbeitsgemeinschaft der obersten Landesgesundheitsbehörden (AOLG) beauftragte, die Reformvorschläge der Projektgruppe zu überprüfen. Die AOLG hält die Vorschläge der Projektgruppe (Entkopplung von Todesfeststellung und äußerer Leichenschau, Leichenschau darf nur von einem speziell aus- und weitergebildeten Arzt durchgeführt werden) für nicht umsetzbar.
Als lokale Initiative ist die Empfehlung zur Wiedereinführung des „Laien- Leichenschauers“ zu registrieren. Hier wird vorgeschlagen, die „forensische Leichenschau“ auch von qualifizierten Nicht-Ärzten besonderer Bestallung (Polizisten, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter etc.) durchführen zu lassen.
Derartige Reformbestrebungen kann man nur staunend und mit Verwunderung zur Kenntnis nehmen, da sie nichts an den seit Jahrzehnten bekannten strukturellen Problemen der Leichenschau und den Schwierigkeiten mit denen die Kollegen in Kliniken und Praxis zu kämpfen haben, ändern.
Den aus der Sicht meines Faches – der Rechtsmedizin – wiederholt aufgezeigten Systemmängeln der Leichenschau und ihrer Regelung in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer stellt Pater Schäfer zahlreiche weitere Mängel an die Seite, die geradezu nach einer bundeseinheitlichen Regelung rufen.
Dem Buch ist eine weite Verbreitung und sorgsame Lektüre zu wünschen, vor allen Dingen auch in den Gesundheitsministerien der Länder.
Ich fürchte nur, dass die Lektüre des Buches nicht nur zum Lachen über manche Stilblüten führt, sondern auch zu Befremden über die Gedankenlosigkeit bei der Formulierung von Gesetzestexten und berechtigte Zweifeln an der deutschen Kleinstaaterei in diesem uns alle betreffenden Bereich.
Persönlich habe ich das Buch mit großem Gewinn gelesen, großem Gewinn deswegen, weil die Sichtweise des Autors viel weiter ist, als meine, die zweifellos einer professionellen Deformation unterliegt.
Bonn, im April 2024
Prof. Dr. Burkhard Madea
3 Man fühlt sich hier ein Nietzsches Mahnung erinnert: „Nehmt eure Sprache ernst. Wer es hier nicht zu dem Gefühl einer heiligsten Pflicht bringt, in dem ist nicht einmal der Keim für eine höhere Bildung vorhanden. Die Sprache verbessern heißt, den Gedanken verbessern und nichts weiter.“
Anfänge in Karlsruhe
Alles begann im September 1999. Ich trat meine Stelle in den St. Vincentius-Kliniken in Karlsruhe als Klinikseelsorger an. Meine evangelische Kollegin Barbara Schreiber hatte nur noch wenige Monate bis zu ihrer Pensionierung. Es war klar, dass ihre halbe Stelle von der Landeskirche gestrichen würde. Daher meinte sie, dass ich ihre Stationen mit übernehmen solle, die Frauenklinik. Ich wehrte ab. Was habe ich als Mann, katholischer Priester und Ordensmann in der Frauenklinik zu suchen?! Doch Pfarrerin Schreiber sagte hierauf: „Frauen wollen ihre Themen auch gerne mit einem Mann besprechen. Probiere es einfach mal aus.“
Von meinen Vorgängern übernahm ich die jährliche Trauerfeier von fehlgeborenen Kindern.4 Diese wurde seit dem Jahr 1986 in der Klinik begangen. Hierzu wurden die Eltern eingeladen, wenn sie hierzu bei der Fehlgeburt ihres Kindes in der Klinik ihre Postanschrift hinterließen.
Im Jahr 2000 regte mein evangelischer Kollege Rainer Karcher an, dass wir die Eltern nach dem Gottesdienst zu einem Gespräch mit Tee und Gebäck einladen. Hierbei wurde der Wunsch der Eltern geäußert, dass sie bei der Bestattung auf dem Friedhof mit dabei sein wollten. Dies war aber wegen der Kürze der Zeit leider nicht mehr möglich.
Damit sich dieses nicht wiederholte, setzte ich mich mit dem Leitungsteam der Selbstshilfegruppe der verwaisten Eltern in Karlsruhe, Mona Geier-Miksch, Christina Nutzenberger und Almut Fricke-Roth, in Verbindung. Zusammen mit dem Bestatter Stier wandten wir uns an Herr Römelt, den damaligen Leiter des Karlsruher Friedhofs- und Bestattungswesens. Dieser war für den Wunsch eines eigenen Gräberfeldes sehr offen, übertrug aber wegen seiner bevorstehenden Berentung die Umsetzung an seinen Nachfolger, Herrn Vogel. Es wurde beschlossen, dass jährlich dreimal – vor Ostern, vor den großen Ferien und vor der Adventszeit – die in den Karlsruher Pathologien gesammelten fehlgeborenen Kindern gemeinschaftlich bestattet wurden. Die Eltern von fehlgeborenen Kindern wurden in der Klinik mit einem eigenen Flyer darüber informiert. Die Termine eines Kalenderjahres wurden von der Klinikseelsorge und Vertretern der verwaisten Eltern vor Drucklegung ausgemacht.
Bereits im Frühjahr 2001 erfolgte die erste gemeinschaftliche Bestattung auf dem dafür neu angelegten Gräberfeld. In den nächsten Wochen fragten Frauen mit einer Ausschabung5 nach, ob auch ihr Kind bei der Bestattung mit dabei ist. Ich hielt mit den Gynäkologen6 und den Pathologen Rücksprache. Es wurde schließlich vereinbart, dass alles, was einmal Schwangerschaft war und was der Frau entnommen wurde, auch die abgetriebenen Kinder, bei dieser Sammelbestattung beigesetzt werden.
Die erste derart umfassende Bestattung erfolgte bereits im Sommer 2001. Um auch alle Frauen mit Schwangerschaftsabbruch hierüber zu informieren, wurden die Schwangerschaftskonfliktberatungsstellen hierüber in Kenntnis gesetzt, ebenso die niedergelassenen Frauenärzte, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen. Ihnen allen wurden Flyer mit den drei Bestattungsterminen des Kalenderjahres (sie wurden jährlich von einer Arbeitsgruppe aus Klinikseelsorgern und verwaisten Eltern festgelegt) zur Verfügung gestellt.
Parallel hierzu hatte ich eine Arbeit für meine zweite Dienstprüfung zu schreiben. Hierzu wurde mein Thema „Bestattung fehlgeborener Kinder in Karlsruhe“ angenommen. Um diese Arbeit noch mit einer kleinen Umfrage zu ergänzen, erstellte ich einen im Internet stehenden Fragebogen und bat den Bundesverband „Initiative Regenbogen e.V.“ darum, diesen über ihren Verteiler bekannt zu machen. Die Antworten von über 70 verwaisten Müttern arbeitete ich in diese Arbeit ein.
Diese Antworten lösten bei mir Interesse aus. Ich wollte mehr darüber wissen, was und wie die verwaisten Eltern den Tod ihres Kindes während der Schwangerschaft erleben. Ich wollte wissen, was sie dabei verletzte, was ihnen dabei half, was sie dabei tröstete. So startete ich eine breit angelegte Online-Umfrage. Bis zum Jahr 2012 hatte ich über 100 Fragebögen erstellt und zur Beantwortung ins Internet gestellt. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass man zu einem Thema so viele Fragen stellen kann.
Während dieser Zeit wurde ich angefragt, ob ich als Seelsorger in einem Internetforum für Frauen nach Schwangerschaftsabbruch zur Verfügung stehen wollte. Durch mein inzwischen bundesweit bekannt gewordenes Engagement wurden die Betreiberinnen auf mich aufmerksam. Ich sagte zu. Kurz danach trennte sich ein Teil der Frauen aus diesem Forum und gründete ein zweites Internetforum für Frauen nach Schwangerschaftsabbruch. Somit stand ich jahrelang in beiden Internetforen als Seelsorger zur Verfügung. Dies war eine für mich sehr lehrreiche Zeit. Ich lernte Aussagen kennen, die die Not dieser Frauen deutlich beschrieben, u.a. „In der Situation hat man die Wahl zwischen zwei falschen Entscheidungen“ oder „Wenn ich gekonnt hätte, hätte ich nicht das Kind abgetrieben, sondern die Umstände“.7
Durch diese Tätigkeit blieb es nicht aus, dass ich damit begann, unter den Frauen mit Schwangerschaftsabbruch ebenso eine Online-Umfrage durchzuführen. Dabei wurden die meisten Fragebögen, die ich den verwaisten Eltern gestellt hatte, entsprechend abgeändert und nun auch den Frauen mit Schwangerschaftsabbruch gestellt. Gemeinsam war: Ein Grab für ihr Kind ist ihnen sehr wichtig.
Ich erstellte die Internetseite www.kindergrab.de und installierte dort ein Internetforum, in dem sich verwaiste Eltern austauschen konnten. Auf der Internetseite trug ich in einer Tabelle übersichtlich die gesetzlichen Bestimmungen aller 16 Bundesländer im Umgang mit fehlgeborenen und abgetriebenen Kindern zusammen. Ich war erschrocken, über das, auf was ich gestoßen bin. Daher startete ich am 28.12.2002, dem Tag der unschuldigen Kinder, die Aktion „allen Menschen ein Gab“. Eine verwaiste Mutter erstellte mir hierzu die beiden nebenstehende Logos.
Durch die von mir durchgeführten Online-Umfragen und die Moderation der Monatstreffen der verwaisten Eltern aus dem Raum Karlsruhe hatte ich einen tiefen Einblick, welche Worte verwaiste Eltern verletzen und welche sie trösten. Auf diesem Hintergrund brachte ich 2009 das Buch „Trösten – aber wie?“8 und 2010 das Handbuch „Trauerfeiern beim Tod von Kindern“ heraus. Für Kinder kam 2012 das Büchlein „Letzte Gespräche mit Oma“ hinzu.9
Den Urlaub 2012 verbrachte ich im Klostergarten, um die Ergebnisse der Online-Umfragen auszuwerten. Ende 2012 veröffentlichte ich diese in 3 Bänden „Stillgeburt“10 und 3 Bänden „Abbruch“.11 Seit Sommer 2021 sind alle 6 Bände kostenlos als PDF-Datei aus dem Internet zu beziehen.12
2014 wurde ich Rektor unserer Ordens-Niederlassung in Bruchsal. Dadurch war ich von dem Thema „Stillgeburt“ getrennt. Ich wandte mich nun dem Thema Organspende zu, da insbesondere zum Thema Hirntod viele Halb- und Unwahrheiten verbreitet werden. Daher nahm ich zur sachlich korrekten und umfassenden Aufklärung zu Hirntod und Organspende 2014 die Internetseite www.organspende-wiki.de in Betrieb. Nach meiner Amtszeit von 3 Jahren wollte ich wieder in die Klinikseelsorge zurück. Da meine Stelle in Karlsruhe nachbesetzt war, musste ich mich neu orientieren. So kam ich im November 2017 als Klinikseelsorger an die Uni-Klinik in Regensburg. Der volle Zugriff auf die Uni-Bibliothek öffnete mir Wege, die mir bis dahin verschlossen waren.
Eine schmerzliche Erfahrung machte ich mit einer Internetseite, die mich noch bis Regensburg beschäftigte: Am 07.02.2005 legte ich die Internetseite www.stillgeburt.de zu. Im Herbst 2013 wollte ich mit der Domain zu einem anderen Provider umziehen. Dabei gab es ein Missgeschick, das eine Verzögerung nach sich zog. Dies nutzte ein Unbekannter aus und nahm den Domainnamen weg. Jahrelang wurde diese Domain dazu missbraucht, um auf Sex-Seiten zu verlinken. 2020 wurde die Seite für 200 € zum Kauf angeboten. Dieser Preis ist mir als Ordensamnn für einen Rückkauf des Domainnamens zu teuer.
In Regensburg stellte ich fest, dass die Uni-Klinik keine eigene Frauenklinik hat. Damit war ich noch nicht wieder beim Thema „Stillgeburt“. Aber dafür hatte ich nun vollen Zugriff auf die medizinischen und juristischen Bücher der Regensburger Uni-Bibliothek. Bei meinen Recherchen stellte ich fest, dass es nur wenige juristische Bücher zum Bestattungsrecht gibt. Darunter ist auch ein Buch, das die Gesetzestexte aller 16 Bundesländer enthält, aber ohne eigene Anmerkungen. Es wurde kein Vergleich mit mit dem Gesetzestext der anderen Bundesländer unternommen. Eine Synopse,13 wie ich sie aus der Theologie kenne, bei der die Evangelientexte von Matthäus, Markus und Lukas nebeneinander stehen, wodurch die Textunterschiede sogleich auffallen, war mit 16 Bundesländer unmöglich. Ich fand keine wirklich vergleichende Synopse der Bestattungsgesetze aller 16 Bundesländer . Daher machte ich mich an diese Arbeit.
Ich wollte wissen, wie die einzelnen Bundesländer den Umgang mit den Verstorbenen von der Feststellung des Todes bis zur Bestattung in ihren Bestattungsgesetzen vorschreiben. Auch interessierte mich, welche Rechte und Pflichten die Hinterbliebenen nach den Bestattungsgesetzen haben. Während die wissenschaftlichen Arbeiten der meisten Philosophen als Quelle einfach nur das Buch angeben,14 Juristen jedoch exakt die Quelle angeben – oft nicht nur Gesetz und Paragraph, sondern auch Absatz,manchmal sogar den Satz15; in den Kommentaren die Randnummer16 - wollte ich als Quelle mindestens den Paragraphen angeben, in dem diese Aussage steht. Für diese Synopse des deutschen Bestattungsrechts wurden somit über 100 vergleichende Tabellen erstellt, die meist Paragraph und Absatz als Quelle nennen, um es den Juristen leicht zu machen.
Bei dieser Recherche stieß ich immer wieder auf Seltsames und Besonderes, was mich dazu veranlasste, diese Anekdoten in einem kleinen Büchlein einer breiten Leserschaft zuzuführen. Ich wollte nicht allein über diese Stilblüten lachen.
Mögen Sie sich beim Lesen dieses Büchleins nicht nur wundern, sondern an einigen Stellen auch herzhaft lachen, denn so etwas haben Sie sicher nicht in einem Gesetzestext erwartet.
In 20 Jahren Arbeit als Klinikseelsorger17 konnte der Verfasser zum Thema Sterben, Tod und Trauer reichlich Erfahrung machen, zumal, nach Aussage des Statistischen Bundesamtes, rund die Hälfte der in Deutschland verstorbenen Menschen in Krankenhäusern sterben.18
So gibt dieses Buch nicht nur die Theorie der Bestattungsgesetze wieder, sondern konfrontiert die Gesetzestexte mit der Realität des gelebten und zuweilen auch erlittenen Lebens.
Der Tod eines nahestehenden Menschen wird uns alle einmal treffen, es sei denn, wir sterben vor den Anderen.
Daher geht das Bestattungsrecht uns alle etwas an.
Der Tod kann nicht völlig verhindert werden. Durch entsprechende Gesetzgebung kann jedoch verhindert werden, dass zu dem durch den Tod verursachten Leid noch durch Bestattungsgesetze und Menschen verursachtes Leid hinzu kommt.
Bestattungsgesetze sollten nicht zum Mittäter des Unrechts werden, sondern Unrecht verhindern und den Trauernden in ihrem Leid bestehen.
Bestattungsgesetze sollten eine Bestattungskultur erhalten, die die Bezeichnung „Kultur“ zurecht trägt.
4 Tot geborene Kinder mit weniger als 500 Gramm sind fehlgeborene Kinder. Die Geburt dieser Kinder wird als „Fehlgeburt“ bezeichnet.
5 Diesen Frauen starb ihr Kind in den ersten 12 SSW. Meist geht das Kind samt Plazenta danach ab. Doch manchmal bleibt alles oder bleiben Reste in der Gebärmutter. Diese Reste können nach Jahren Krebs auslösen. Um dem vorzubeugen, erfolgt beim frühen Tod eines Kindes eine Ausschabung.
6 Sie zeigten mir, was bei einer Ausschabung der Frau typischer Weise entnommen wird. Das ist Gewebe. Vom Kind ist da nichts zu erkennen, entweder, weil es sich im Körper aufgelöst hat (Autolyse) oder weil es bei der Toilette natürlich abgegangen ist.
7 Wem das noch nicht deutlich genug ist, noch dieses: Eine junge Frau war gegen Abtreibung. Sie engagierte sich öffentlich dagegen. Doch dann wurde sie ungewollt schwanger. Plötzlich sah für sie die Welt anders aus. Nach heftigen inneren Kämpfen entschied sie sich für einen Schwangerschaftsabbruch. Darunter litt sie sehr, weil sie genau das getan hat, was sie zuvor so vehement bekämpft hat. Sie hat ihren eigenen Idealen nicht entsprochen.
Dieses Beispiel zeigt deutlich auf, dass man leicht reden kann, wie andere Menschen zu leben haben. Doch wenn man selbst in der Situation ist, sieht plötzlich alles anders aus.
8 Seit 2023 in 6. Auflage.
9 Der Sadifa-Verlag liefert seine Produkte trotz ISBN nicht an den Buchhandel, um die Produkte möglichst preiswert anbieten zu können. So war es ihm möglich, die 1. Auflage mit 7,50 €, die 2. Auflage mit 5,00 € und seit der 3. Auflage für 3,00 € herauszubringen.
10 Band 1 und 2 haben 653 Seiten, Band 3 hat 341 Seiten.
11 Band 1 hat 460 Seiten, Band 2 hat 416 Seiten und Band 3 hat 408 Seiten.
12https://www.schaefer-sac.de/wiki/index.php?title=Bücher#Freebooks
13 Eine Synopse (altgriechisch „synoptikós“ ‚das Ganze zusammensehend' zu „sýnopsis“ ‚Zusammenschau', ‚Übersicht'; aus „syn“ ‚zusammen' und „ópsis“ ‚Sicht'), ist eine zusammenfassende und vergleichende Übersicht und Gegenüberstellung gleichartiger Daten und Texte in zwei oder mehr Dokumenten. (Wikipedia)
14 Wenn man den Text der Quelle nachlesen will, hat man hunderte von Seiten aufmerksam zu lesen, um die Stelle zu finden. Bei Hunderten von Quellen ist es nahezu unmöglich, eine derartige wissenschaftliche Arbeit in allen ihren Aussagen zu kontrollieren.
15 Einige Gesetzestexte sind nicht nur nach Paragraph und Absatz nummeriert, sondern bis auf die Ebene der Sätze.
16 In den juristischen Kommentaren wird die Randnummer mitgeführt. Diese fortlaufende Zahl nummeriert die zu einem Paragraphen verfassten Absätze. Damit ist es einfach, die Aussage zu finden, auf die Bezug genommen wird.
17 Hierzu sind insbesondere die Rechte der Hinterbliebenen zu nennen, die in der Literatur kaum thematisiert werden:
Die Rechte der Erwachsene, die von der Verabschiedung vom Toten und/oder von der Teilnahme an der Bestattung ausgeschlossen werden.
Die Rechte der Kinder, die kaum gefragt werden, ob sie den Verstorbenen sehen wollen bzw. ob sie an der Bestattung teilnehmen wollen. Oft wird von Eltern oder dominanten Verwandten über sie bestimmt, dass dies nichts für sie sei. Sie sollen den Verstorbenen „so in Erinnerung bewahren, wie er war“. Damit wird aber nicht nur gegen Artikel 12 der UN-Kinderrechtskonvention verstoßen, sondern auch Trauerarbeit erschwert.
18 Schätzungen zu Folge sterben rund je 20% in Altenheimen und zu Hause, rund je 5% in Hospizen und Palliativstationen. Damit sind die Krankenhäuser in Deutschland die großen Sterbeorte.
Unser Grundgesetz stellt mit Artikel 1 die Würde des Menschen in den Mittelpunkt unseres gesellschaftlichen Lebens. Die Würde des Menschen ist das Fundament, auf dem unsere Gesellschaft aufbaut.
(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.
(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.
(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.
Doch Mensch ist man nur, so lange man lebt. Mit Eintritt des Todes ist man kein Mensch mehr, sondern ein Toter, ein Verstorbener, ein Leichnam, eine Leiche. Endet mit dem Leben des Menschen auch seine Würde? Dieser Frage ging das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) nach und entschied als höchstes deutsches Gericht am 24.02.1971 in BVerfGE 30, 173, Rn. 59: Es würde
mit dem verfassungsverbürgten Gebot der Unverletzlichkeit der Menschenwürde, das allen Grundrechten zugrunde liegt, unvereinbar sein, wenn der Mensch, dem Würde kraft seines Personseins zukommt, in diesem allgemeinen Achtungsanspruch auch nach seinem Tode herabgewürdigt oder erniedrigt werden dürfte. Dementsprechend endet die in Art. 1 Abs. 1 GG aller staatlichen Gewalt auferlegte Verpflichtung, dem Einzelnen Schutz gegen Angriffe auf seine Menschenwürde zu gewähren, nicht mit dem Tode.
Damit ist klar, dass die Würde des Menschen über dessen Tod hinaus reicht. Es stellt sich daher die Frage, in wie weit dies auch in den Bestattungsgesetzen der Bundesländer sichtbar wird.