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Dieses E-Book entspricht 136 Taschenbuchseiten ... Das Schicksal bringt Myriam und Max zusammen: Als alle Reisenden eines Zuges wegen eines Brückendefekts auf die umliegenden Hotels verteilt werden müssen, finden sie sich gemeinsam im einzigen noch verbliebenen Zimmer wieder - einem Doppelzimmer. »Wir werden uns schon vertragen«, meint Myriam. Aber irgendwann müssen sie ins gemeinsame Bett: sie, die verheiratete Frau, mit einem wildfremden Mann. Als sie sich näher kommen, entdeckt die doch so anständige Myriam eine bisher unbekannte Seite in sich: die der schamlosen, verruchten, wilden Verführerin, die unanständig, lüstern und exhibitionistisch ihre Grenzen austestet ... Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.
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Seitenzahl: 189
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Impressum:
Anständige Frauen tun das nicht | Erotischer Roman
von Svenja Mund
Ich wurde in einem kleinen Dorf in der Nähe von Köln geboren, wo ich auch die Zwergschule besucht habe, die es damals dort noch gab. Ich weiß nicht, ob es meinem Intellekt geschadet hat; jedenfalls konnte ich trotzdem studieren – Biologie und Landwirtschaft an verschiedenen Universitäten in Deutschland. Gelebt habe ich damals in Wohngemeinschaften ohne feste partnerschaftliche Verbindung, was meiner eher lockeren Einstellung zum anderen Geschlecht entgegenkam. Eine Karriere im klassischen Sinne ist mir leider versagt geblieben, ich war weder Ministerin noch Mitglied des Aufsichtsrates einer großen Bank. Aber das macht ja nichts, Quotenfrau zu sein ist bestimmt nicht meine Aufgabe! Ein Mann muss einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen und ein Buch schreiben, so heißt es doch. Und eine Frau? Ich jedenfalls habe vier Bäume gepflanzt – nein, pflanzen lassen, es gibt eben noch Kavaliere! (Keine deutschen Eichen, es sind japanische Pflaumen, glaube ich.) Söhne habe ich zwei – von verschiedenen Vätern. Und nun ein Buch, welches zu schreiben die schwierigste Aufgabe war. Thema: Erotik, die ich in so vielfältiger Weise genossen habe. Ich hoffe, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ein wenig an diesem Genuss teilhaben können.
Lektorat: Marie Gerlich
Originalausgabe
© 2021 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © arturkurjan @ 123RF.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783750704206
www.blue-panther-books.de
Kapitel 1
Gedankenverloren saß Myriam im hinteren Teil des Busses, der sie nach Kiel bringen sollte. Ihren Kopf hatte sie am Polster angelehnt – seitlich, damit sie besser sehen konnte, wie die Landschaft der Holsteinischen Schweiz an ihr vorüberzog. Einzelne Strähnen ihres halblangen schwarzen Haares waren ihr ein wenig ins Gesicht gefallen, es kitzelte bei jedem Schaukeln des Fahrzeugs. Sie sah die kleinen Fischerhäuschen, teilweise mit Reet gedeckt, direkt am Ufer des Selenter Sees. Ob die Männer hier noch mit den Booten aufs Wasser hinausfuhren?
Sie konnte den Gedanken nicht weiterverfolgen, zu sehr war sie gefangen in den Erlebnissen der vergangenen Tage. Sie war in eine Welt eingetaucht, die nicht ihre war, hatte ein Leben gelebt, das das einer anderen Frau war – einer Frau, die aber auch ein Bestandteil ihres Selbst sein musste.
Oder war es nur ein Traum gewesen? Ein schöner Traum! Ein erotischer Traum!
Sie öffnete ihre Tasche und suchte nach dem kleinen Etui mit den Nähutensilien für alle Fälle. Im Seitenfach, gut versteckt unter einem Reißverschluss fand sie die drei kleinen Löckchen. Es war kein Traum! Sie hatte diese Auszeit von ihrem wirklichen Dasein tatsächlich gelebt. Langsam, aber sicher war sie hinabgetaumelt in diese andere Welt, in Bereiche ihres Seins, die sie bisher nicht für möglich gehalten hatte. Und auch dort hatte sie jegliche Grenze überschritten, Wahn und Wirklichkeit waren verschwommen.
Schon jetzt nach so wenigen Stunden war es ihr nicht mehr möglich, die einzelnen Details zurück in ihr Bewusstsein zu rufen. Mit jeder Minute wurde das Erlebte nebulöser. Es war ihr klar, dass es ihr schon morgen wie ein wunderbarer Traum erscheinen würde, der sich – wie das mit Träumen nun mal war – Stückchen für Stückchen in Nichts auflösen würde.
Aber die drei Löckchen waren der Beweis: Vielleicht, ganz vielleicht würden sie es ihr ermöglichen, in stillen Stunden das ein oder andere Erlebnis zurück ins Bewusstsein zu rufen.
Kapitel 2
Max lag hilflos und nackt auf dem Bett in diesem fremden Hotelzimmer. Nur den Kopf konnte er ein wenig bewegen. Seine Hand- und Fußgelenke waren mit Gardinenkordeln an den Bettpfosten fixiert. Zuerst hatte er noch versucht, sich zu befreien, aber schnell erkannt, dass das ein aussichtsloses Unterfangen war.
Nachdem diese so erotische Frau ihn alleingelassen hatte, dürfte etwa eine Stunde vergangen sein. Max hörte, wie draußen jemand an der Zimmertür hantierte. Wahrscheinlich war es der Zimmerservice. In der Annahme, die Gäste seien abgereist, sollte das Zimmer gereinigt werden. Max hatte es aufgegeben, sich Erklärungen für seine missliche Lage auszudenken. Alles war so eindeutig, dass es nichts zu erklären gab.
Eine junge Frau in korrekt sitzender Hoteluniform betrat den Raum. Einen Moment blieb sie unschlüssig stehen, als wollte sie die merkwürdige Situation erst auf sich wirken lassen, bevor sie den nächsten Schritt tat. Dann kam sie näher, lächelte ihn freundlich an, fuhr langsam und zart mit dem Finger über seine Brust, nahm das winzige Stück Stoff von seinem Gesicht und beugte sich zu ihm hinunter, um ihm einen sanften Kuss auf die Lippen zu drücken.
»Der ist von Ihrer Liebsten«, meinte sie lächelnd. Dann befreite sie ihn, blickte noch einmal zu ihm hinunter und verließ das Zimmer.
Kapitel 3
Es war schon später Nachmittag. Drückende Schwüle lastete auf den vielen Menschen, die unter der großen Kuppel des Hamburger Bahnhofs auf ihre Züge warteten. Max hatte sich auf seinen Trecking-Rucksack gesetzt, jede Bewegung war zu viel. Dann kam der Zug, endlich. Er hoffte, dass die Waggons klimatisiert waren. Weil er die Großraumwagen der Intercity-Züge nicht mochte, hatte er ein Abteil in der ersten Klasse reserviert.
Die Züge nach Kopenhagen waren nicht so lang, weil sie in Puttgarden auf die Fähre gefahren werden mussten. Langes Trennen und Rangieren wären da wohl zu umständlich. Max hatte sein Abteil also schnell gefunden. Die Klimatisierung – na ja – sie war verbesserungswürdig. Er stemmte seinen Rucksack auf die Ablage, kramte die Zeitung aus der Tasche, beobachtete dann aber das Treiben auf dem Bahnsteig, ohne das Journal aufzuschlagen.
Der Mann in Uniform und roter Mütze da draußen hob seine Kelle und pfiff. Als der Zug sich in Bewegung setzte, wurde die Tür des Abteils wieder geöffnet. Eine junge Frau – das heißt, sie mochte in seinem Alter sein, um die vierzig also – schleppte ihren Koffer und eine Tasche ins Abteil. »Hallo«, sagte sie mit einem Lächeln auf den Lippen. Max grüßte zurück, sprang auf und half ihr, den Koffer auf die Ablage zu hieven. Sie bedankte sich, wieder ein Lächeln, aber Max wehrte ab – er wolle wenigstens ab und zu ein Kavalier sein. Sie quittierte dieses Charming mit verschmitzt kritischem Lächeln, setzte sich Max gegenüber und nahm ein Buch aus ihrer Tasche. Obgleich sie es nicht aufschlug, sondern geschlossen auf ihren übereinandergeschlagenen Beinen liegen ließ, entwickelte sich keine weitere Kommunikation. Irgendwie gab es keinen Anlass.
Mit ihren halblangen schwarzen Haaren erinnerte sie Max an die französische Schauspielerin Juliette Binoche und er musste innerlich grinsen. Diese Schauspielerin mochte er, weil sie öfter in zum Teil sehr erotischen Filmen mitgespielt hatte. Unwillkürlich versuchte er, die körperlichen Strukturen seines Gegenübers zu eruieren. Sie hatte das sommerliche Jackett abgelegt, ihre unbedeckten Schultern waren leicht gebräunt, was durch das leichte Top in Weiß unterstrichen wurde, der spitzenbesetzte Träger eines roten BHs lugte hervor. Beigefarbene dreiviertellange Hose, bequeme Sandalen, rot lackierte Fußnägel. Ihre figürlichen Reize konnte er nicht weiter erkennen, dazu hätte sie wieder aufstehen müssen. Max bedauerte, dass er zuvor nicht genauer hingesehen hatte. Erneut musste er innerlich lächeln. Offensichtlich konnte er Frauen gegenüber nur in diese Richtung denken, manche Dinge würden sich bei ihm wohl nie mehr ändern. Im Stillen genoss er den Duft ihres angenehmen Parfüms gemischt mit den zarten Aromen frischen Schweißes.
Der erste Halt war das ihm so vertraute Lübeck. Menschen wuselten auf dem Bahnsteig herum, stiegen ein und aus. Ihr Abteil wurde aber von keinem weiteren Reisenden aufgesucht. Abgesehen vom Fahrkartenkontrolleur blieben sie ungestört.
Es war warm, Max schwitzte dezent und seine Begleitung offensichtlich auch – ihr wohltuender Geruch erfüllte das Abteil. Die Fenster ließen sich in diesen modernen Zügen nicht öffnen und der Service mit erfrischenden Getränken kam auch nicht.
Nach kurzer Fahrt verlangsamte der Zug sein Tempo schon wieder, um erneut anzuhalten. Die beiden schauten hinaus auf den Haltepunkt einer kleineren Stadt – »Oldenburg in Holstein« las Max auf den blauen Schildern. Er hatte lange in Lübeck gelebt, aber hier war er noch nie gewesen.
Fragend sahen sie sich an – ein Intercity für die Provinz? Aber bevor sie darüber diskutieren konnten, knackte der Bordlautsprecher: »Sehr geehrte Fahrgäste, leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass der Intercity aufgrund eines technischen Defekts auf der Fehmarnsundbrücke seine Fahrt nicht fortsetzen kann. Bitte bleiben Sie in den Waggons und steigen Sie nicht aus. Sobald wir weitere Informationen haben, werden wir Sie benachrichtigen.« Dasselbe folgte noch einmal in Dänisch und Englisch, dann knackte es und der Lautsprecher schwieg.
Die Frau gegenüber atmete tief durch, sah ihn an: »Na, etwas Verspätung ist ja nicht so schlimm – wenn es nur nicht so drückend schwül hier drin wäre.«
»Draußen wird es auch nicht besser sein«, meinte Max, »aber Störung an der Fehmarnsundbrücke hört sich für meine Ohren nicht gut an!«
»Wie meinen Sie das?«
»Na ja, eine technische Störung am Zug kann repariert werden und wenn das länger dauert, gibt es Busse oder einen Ersatzzug. Eine Störung an einer Brücke kann natürlich auch repariert werden, das dauert aber bestimmt länger und eine Ersatzbrücke gibt es ja wohl nicht.«
»Sie meinen, die Brücke könnte kaputt sein?«
»Irgendwie hörte sich das so an, oder?« Und nach einem Lächeln: »Müssen Sie pünktlich in Kopenhagen sein?«
»Nicht unbedingt. Ich werde meine Schwester anrufen, dass der Zug Verspätung hat.« Sie griff zum Handy und tätigte das Telefonat.
Eine halbe Stunde später waren sie genauso schlau wie vorher. Die anderen Fahrgäste liefen durch den Zug und diskutierten, endlich kam dann doch der Service mit Getränken und Keksen.
»Wissen Sie, wie lange das noch dauern könnte?«, fragte Max und bestellte eine gekühlte Cola, besser gesagt zwei. Seine Begleitung hatte Anstalten gemacht, auch zu ordern, und da wollte er noch mal den Kavalier geben. Sie bedankte sich brav.
»Das kann dauern«, murmelte der Mann mit dem weißen Käppi auf dem Kopf, »da sind ein paar Lkw auf der Brücke zusammengerumst, es ist wohl ordentlich was kaputt gegangen.« Er reichte den beiden das Gewünschte.
»Wie kaputt gegangen? An der Brücke?«
»Da soll einer ein paar der Tragseile weggemäht haben und wohl ins Wasser gefallen sein. Ich sag ja immer, die vielen Laster sollen von der Straße, die Bahn ist viel besser.« Er schob in demonstrativ gelangweilter Geste die Abteiltür zu und verschwand.
Ratlos sahen sich Max und die Frau an und tranken erst mal einen ordentlichen Schluck des erfrischenden Getränks. Max wollte gerade irgendwas Banales sagen wie Und, was machen wir jetzt?, aber er verkniff sich diesen Ausdruck von Hilflosigkeit.
Dann ging die Tür wieder auf und ein Zugbegleiter trat ein. »Es tut mir leid, der Zug kann nicht weiterfahren, da die Fehmarnsundbrücke beschädigt ist und heute nicht mehr repariert werden kann.«
»Na ja«, warf Max ein, »wenn da die Tragseile wegrasiert sind, dann wird sie auch morgen oder übermorgen nicht repariert, oder?«
»Wahrscheinlich nicht. Deswegen werden wir uns hier um Unterkünfte bemühen, gegebenenfalls fahren wir Sie zurück nach Lübeck oder Hamburg.«
»Wie?! Zurück? Da gibt es doch sicher andere Möglichkeiten!«
»So wie es aussieht, bleibt die Brücke für einen längeren Zeitraum gesperrt, sodass der Zugverkehr nach Dänemark über Kiel und Flensburg umgeleitet werden muss.«
»Und warum fahren wir jetzt nicht gleich nach Kiel? So weit kann das doch nicht sein.«
»Wir würden den letzten Zug nach Kopenhagen nicht mehr erreichen.« Sein Walkie-Talkie krächzte, dann ertönte eine Stimme: »In dem Scheißnest gibt’s nichts mehr, alles voll!«
»Okay«, antwortete der Uniformierte, dann wandte er sich wieder an Max und seine Reisebegleitung: »Wir werden Sie nach Lübeck zurückfahren, denn …«
»Ich hab’s gehört, in dem Scheißnest gibt’s nichts mehr.«
»Wissen Sie, der Zug ist voll besetzt und jetzt im Hochsommer sind hier an der Ostsee alle Quartiere belegt.«
»Und in Lübeck finden Sie genug?«
»Wir hoffen es. Bestimmt aber in Hamburg.«
»Ich fahr doch jetzt nicht zurück nach Hamburg!«, warf die Dunkelhaarige ein, aber der Uniformierte zuckte nur mit den Schultern: »Es bleibt Ihnen überlassen, auf eigene Faust weiterzureisen.«
»Was machen Sie denn jetzt?«, fragte sie Max, nachdem der Mann weitergegangen war, um die anderen Fahrgäste zu informieren.
Er hatte keine Ahnung, aber diese Blöße wollte er sich nicht geben. Als starker männlicher Beschützer musste ihm jetzt eine Lösung einfallen. »Wenn die uns nach Lübeck zurückfahren«, begann er, um Zeit zu gewinnen, »dann stehen wir da auch noch länger rum, bis die genügend Unterkünfte und ’nen Bus organisiert haben, der uns da hinfährt. Und wenn es in Lübeck auch nicht genug Zimmer gibt, kommt dasselbe in Hamburg noch einmal auf uns zu. Nicht gut, könnte die halbe Nacht dauern.«
Sie sah ihn immer noch erwartungsvoll an und wartete auf eine Entscheidung, möglichst so, dass sie sich anschließen könnte!
»Ich such mir hier was«, sagte Max schließlich bestimmt. Etwas anderes fiel ihm schlicht nicht ein.
»Aber es gibt doch keine freien Zimmer mehr«, gab sie zu bedenken.
»Nicht für zweihundert Fahrgäste, aber für Einzelne muss doch noch was zu finden sein!«
»Nicht, wenn alle so denken.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie zum Bahnsteig draußen, auf dem sich vereinzelt Reisende mit ihrem Gepäck versammelten.
»Wer zuerst kommt, mahlt zuerst«, konterte Max.
Sie sahen sich an. Ohne ein weiteres Wort rafften sie ihre Sachen zusammen und verließen zügig, aber ohne Hast den Zug. Ohne Umschweife steuerte Max den Taxistand am Bahnhofsvorplatz an, achtete aber unauffällig darauf, dass die Dunkelhaarige ihm auch folgen konnte. Andere Fahrgäste hatten den gleichen Gedanken, aber Max hatte das letzte freie Taxi vor ihnen erreicht.
»Zum nächsten Hotel bitte«, erklärte er dem gelangweilt dreinschauenden Fahrer.
»Schlechte Karten«, kommentierte der, während sie ihr Gepäck hinten verstauten, »aber wir können es ja versuchen.«
Die kurze Fahrt offenbarte keinerlei Highlights in dieser kleinen Stadt, auch von touristischem Trubel war nichts zu sehen – was seine Hoffnung auf ein freies Zimmer, nein, zwei freie Zimmer stärkte.
Der Chauffeur hielt in einer von Kastanien gesäumten Straße an. »Das ist das größte Hotel im Ort. Ich warte lieber hier, bis Sie das geklärt haben.«
Sie bedankten sich, holten optimistisch ihr Gepäck aus dem Heck des Wagens und begaben sich zur Rezeption. Das »größte Hotel« machte eher den Eindruck vom kleinsten Hotel, aber egal, der Taxifahrer musste es ja wissen.
»Tut mir leid«, bedauerte der junge Mann hinter dem Tresen denn auch gleich, »jetzt ist Hauptsaison und nun kommen noch die vielen Gestrandeten hinzu, Sie sind da nicht die Einzigen. Das sieht wirklich schlecht aus, aber ich kann ja mal rumtelefonieren.«
Max bestellte zwei Whiskey, welche sie beide auf Ex herunterkippten.
»In Heiligenhafen haben sie ein großes neues Hotel gebaut, ich versuch’s mal da.«
»Heiligenhafen? Ist das weit weg?«
»Fünfzehn Minuten mit dem Auto«, meinte der Rezeptionist und wählte die Nummer.
Noch zwei Whisky.
»Im Strandhotel ist noch ein Doppelzimmer frei«, meinte er schließlich, »soll ich es Ihnen reservieren?«
Die beiden sahen sich an, tausend Fantasien, Bedenken, Versuchungen spielten sich in Bruchteilen von Sekunden vor ihren inneren Augen ab.
»Es ist schön da«, kommentierte der Mann, »direkt am Wasser gebaut.« Aber die Attraktivität des Hotels interessierte die beiden im Moment wirklich nicht.
»Nehmen Sie das Zimmer«, meinte Max schließlich, wieder ganz der Kavalier, »ich such mir was anderes.« An den Wirt gewandt sagte er: »Reservieren Sie. Auf den Namen …«
»Felken«, half sie ihm weiter. Unschlüssig sah sie ihn an, fand es nett, dass er ihr den Vortritt ließ. »Aber es ist doch alles belegt, wo wollen Sie denn bleiben?«
Er lächelte: »Ich werd schon was finden. Notfalls schlaf ich auf der Parkbank, hab ja Schlafsack und so mit.«
Sie lachte. »Na, vielen Dank. Ich drücke Ihnen die Daumen.«
Im Hinausgehen drehte sie sich noch mal um, lächelte ihn an: »War nett mit Ihnen.« Sie öffnete die Tür, blieb stehen, schaute erneut zu Max. Wieder rotierten die Gedanken. Sie war eine moderne Frau! Nein, ich geh nicht mit fremden Männern ins Hotel – wie spießig! Erst recht in so einer Notsituation! Aber er war ihr ja wirklich vollkommen fremd …
»Ach, was soll’s, kommen Sie mit, wir werden uns schon vertragen«, hörte sie sich sagen, ohne ihre Gedanken zu Ende geführt zu haben. Umgehend bereute sie das Gesagte, aber nun war es zu spät. Für den Bruchteil einer Sekunde bekam sie weiche Knie; sie lächelte Max an und versuchte, sich nichts anmerken zu lassen.
Max ließ sich das nicht zweimal sagen – er strahlte sie an und gemeinsam verließen sie die Rezeption.
»Wie heißen Sie eigentlich?«, fragte Max, als sie im Taxi nach Heiligenhafen saßen, aber dann fiel ihm ein, dass sie ihren Namen ja eben schon gesagt hatte, wie unaufmerksam von ihm! »Myriam«, stellte sie sich vor. Entweder hatte sie seinen Fauxpas nicht bemerkt oder hatte ihn absichtlich übergangen. Jedenfalls fand Max es angenehm, dass sie sich mit Vornamen vorstellte, das ließ Unkompliziertheit vermuten – na ja, wenn eine Frau mit einem fremden Mann das Hotelzimmer teilte, musste sie ja irgendwie unkompliziert sein.
»Max«, stellte er sich vor. Inzwischen hatten sie die Autobahn erreicht, der Chauffeur wählte aber die Landstraße: »Alles dicht, die stauen sich fast bis Oldenburg.«
Kapitel 4
Das Hotel war ein Neubau direkt am Strand, modern, zuvorkommender Service. Besonders angenehm war der unkomplizierte Umgangston: Man duzte sich hier. Das Zimmer im zweiten Stock gefiel ihnen, großes Fenster bis zum Boden mit Blick auf den Strand, das Meer und die bald untergehende Sonne – das ideale Nest für ein romantisches Beisammensein. Unauffällig schaute Myriam zu Max: Ob er den gleichen Gedanken hatte? Aber sie waren nicht hier wegen eines romantischen Beisammenseins, holte sie sich in die Realität zurück.
Nachdem sie eingetreten waren, stellten sie ihre Gepäckstücke ab. Einen Moment betrachteten sie das Zimmer. Es war gemütlich eingerichtet: Tischchen mit zwei Stühlen, am Fenster bequeme Sessel und gegenüber ein breites Bett. Wieder Gedanken, Fantasien, Unsicherheiten.
»Ich mach mich mal frisch«, unterbrach Myriam den Moment, um sich wieder der Realität zu widmen. Sie kramte ihr Waschzeug aus dem Koffer und verschwand in der Nasszelle. Die war etwas hellhörig. Er hörte Geklimper, dann pinkelte sie offensichtlich, er hörte die Klospülung, den Wasserhahn. Als sie wieder rauskam, roch sie angenehm frisch, obgleich Max ihren dezenten Schweißgeruch doch sehr gemocht hatte.
Er machte sich auch frisch, pinkelte ebenfalls, um ihr die Hellhörigkeit der Nasszelle zu demonstrieren, aber auch, um mit ihr sozusagen in Bezug auf Intimität gleichzuziehen; sie sollte auf keinen Fall das Gefühl haben, sich genieren zu müssen!
»Und jetzt?«, fragte sie unternehmungslustig und rieb sich die Hände.
»Hunger?«
»Ich glaube, dein Gedanke ist genau der richtige … äh« – sie hielt sich die Hand vor den Mund – »Entschuldigung, ich hab einfach Du gesagt …«
Max lachte. »Wollte ich dir sowieso vorschlagen.« Er hob ihr seinen Arm hin, sie hakte sich lachend ein. Irgendwie war er eine nette Begleitung, fand sie, und aller Frust über den Zwangsaufenthalt war verflogen.
Fisch. Wenn man an der Küste ist, muss man auch Fisch essen. An der Rezeption ließen sie sich in Bezug auf Restaurants beraten. Natürlich habe das Hotel auch eine Gastronomie, versuchte die junge Frau sie zum Dableiben zu animieren, aber Max bestand auf einem kleinen Spaziergang zur Altstadt, die bei der Herfahrt einen gemütlichen Eindruck auf ihn gemacht hatte.
Nach fünfzehn Minuten Weg durch eine touristisch geprägte Neustadt voller Trubel erreichten sie ein ansprechendes Restaurant, dessen Außenterrasse einem alten Segelschiff nachempfunden war. Es gab verschiedene Sorten Pfannenfisch, deftige Bratkartoffeln mit Speck und Zwiebeln und ein Bier dazu, welches sie beide erst mal fast in einem Zug leerten – Durst!
Myriam wischte sich den Schaum von den Lippen und grinste ihn an. Sie gefiel ihm zunehmend besser und er ertappte sich dabei, wie der ein oder andere Gedanke an erotische Erlebnisse mit ihr in sein Hirn drang. Unauffällig betrachtete er auch mal ihren Busen und glaubte ab und zu sehen, wie sich ihre Brustwarzen durch den Stoff drückten. Sie trug einen BH, aber der war wohl sehr dünn und ohne Verstärkungen, wie er anhand der leicht wogenden Bewegungen ihrer Brüste vermutete. Es amüsierte ihn, aber er machte sich nicht wirklich Hoffnungen auf ein erotisches Abenteuer. Auf keinen Fall würde er eine unzweideutige Initiative ergreifen, auch keine zweideutige.
Myriam fühlte sich wohl in seiner Gesellschaft. Er war ein netter Kerl, ein hübscher dazu, wie sie fand, und mit so jemandem zeigt frau sich doch gern in der Öffentlichkeit. Wenn sie nach dem Essen einfach nach Hause gingen, würde sie den Abend als angenehm in Erinnerung behalten. Aber sie würden zusammen ins Hotel gehen, ins gleiche Zimmer – eine gewisse Pikanterie war da nicht von der Hand zu weisen. Es war der Anflug eines Gedankens, den sie dann aber nicht weiter vertiefte, und so war er genauso schnell wieder weg. Und auch wieder da: Es war sehr warm, sie würden sich ausziehen, viel Haut zeigen, dicht beieinander liegen …
»Wirst du in Kopenhagen erwartet?«, fragte sie, als der Nachtisch gebracht wurde: rote Grütze mit Vanillesoße. Sie hatte mit Appetit reingehauen, auch noch ein Bier getrunken – nicht so pingelig wegen der Kalorien und so, das gefiel ihm.
Innerlich musste Max lächeln. Diese Frage war die erste in einem Unterhaltungszyklus, in dem sie versuchen würde, herauszubekommen, ob er gebunden war oder nicht, davon war er überzeugt. Ebenso überzeugt war er davon, dass Frauen derartige Fragen nicht bewusst mit dem besagten Ziel stellten. Und auf keinen Fall würden sie gedanklich je nach Ergebnis der Befragung schon Entscheidungen treffen: Wenn ungebunden, vielleicht doch ein Nümmerchen oder so. Er war sich sicher, dass alles einfach aus Interesse gefragt wurde, im Unterbewusstsein begleitet von einer anderen Art des Interesses, und je nach Ergebnis wäre er als Mann interessanter oder auch nicht. Interessant nicht in Bezug auf Bett, sondern eher allgemein erotisch, ein dezenter Flirt vielleicht.
»Nein«, antwortete er, »nicht in Kopenhagen. Ich will weiter nach Stockholm, da treffe ich mich mit ein paar Freunden.«
»Und was macht ihr in Stockholm?«
»Wir reisen weiter nach Finnland, in den Osten, nach Russland rein, Ladogasee, rauf zur Kola Halbinsel. Mit dem Auto in fremde Gebiete.«
»Abenteuer, was? Deswegen auch der Rucksack statt Koffer, nicht wahr?«
»Stimmt. Wird bestimmt spannend, wir fahren mit mehreren Geländewagen durch die Wildnis.«
»Wie, einfach rein in den Wald?«
»Straßen gibt es da nicht so viele, wir werden sicher öfter durchs Gelände fahren.«
»Das ist aber gefährlich, oder? Da gibt’s doch Wölfe und Bären.«
»Vielleicht auch Luchse, aber die sind scheu. Und zwei Jäger haben wir auch dabei.«
»’ne richtige Männertour, was?«
»Es fahren auch Frauen mit.«
»Fährt deine Freundin da nur mit, um dir einen Gefallen zu tun? Damit sie bei dir ist und du den Russinnen nicht schöne Augen machst?«
»Meine Freundin ist nicht dabei«, lachte er, »und die Frauen sind genauso abenteuerlustig wie wir Männer.«
»Und was macht deine Freundin in der Zeit?«
»Tja …«
»Jetzt sag nur, du weißt es nicht!«
»Wir leben ja nicht zusammen. Das heißt, wir sehen uns oft monatelang nicht. Es ist mit Sicherheit nicht so eine Beziehung, wie man sich allgemein eine Beziehung vorstellt.«
»Sondern?«