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Dieses E-Book entspricht 196 Taschenbuchseiten ... Die attraktive Hannah ist gefangen in der Tristesse des Alltags. Job und Partnerschaft dümpeln nur noch so vor sich hin. Da erbt sie das Haus ihrer Großtante Viola in Italien. Deren Aufzeichnungen verraten, dass Viola ein frivoles Leben voller Lust und Sex geführt hat. Und dann läuft Hannah auch noch der rassige Italiener Raphaelo über den Weg. Angesteckt von der Leidenschaft in den obszönen Geschichten, leben die beiden ungehemmt ihre Gelüste aus. Sonne, Freiheit, Wollust und Tabulosigkeit: Begleiten Sie Hannah in ihr neues geiles Leben - ungebunden und frei! Diese Ausgabe ist vollständig, unzensiert und enthält keine gekürzten erotischen Szenen.
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Seitenzahl: 272
Impressum:
Fass mich an, Fremder | Erotischer Roman
von Svenja Mund
Ich wurde in einem kleinen Dorf in der Nähe von Köln geboren, wo ich auch die Zwergschule besucht habe, die es damals dort noch gab. Ich weiß nicht, ob es meinem Intellekt geschadet hat; jedenfalls konnte ich trotzdem studieren – Biologie und Landwirtschaft an verschiedenen Universitäten in Deutschland. Gelebt habe ich damals in Wohngemeinschaften ohne feste partnerschaftliche Verbindung, was meiner eher lockeren Einstellung zum anderen Geschlecht entgegenkam. Eine Karriere im klassischen Sinne ist mir leider versagt geblieben, ich war weder Ministerin noch Mitglied des Aufsichtsrates einer großen Bank. Aber das macht ja nichts, Quotenfrau zu sein ist bestimmt nicht meine Aufgabe! Ein Mann muss einen Baum pflanzen, einen Sohn zeugen und ein Buch schreiben, so heißt es doch. Und eine Frau? Ich jedenfalls habe vier Bäume gepflanzt – nein, pflanzen lassen, es gibt eben noch Kavaliere! (Keine deutschen Eichen, es sind japanische Pflaumen, glaube ich.) Söhne habe ich zwei – von verschiedenen Vätern. Und nun ein Buch, welches zu schreiben die schwierigste Aufgabe war. Thema: Erotik, die ich in so vielfältiger Weise genossen habe. Ich hoffe, dass Sie, liebe Leserin, lieber Leser, ein wenig an diesem Genuss teilhaben können.
Lektorat: Claudia Rees
Originalausgabe
© 2024 by blue panther books, Hamburg
All rights reserved
Cover: © lightfieldstudios @ 123RF.com
Umschlaggestaltung: MT Design
ISBN 9783756152735
www.blue-panther-books.de
Kapitel 1
Kichernd stolperte das junge Paar Arm in Arm über die Allee, die das Parkhotel mit der Innenstadt verband. Es dürfte schon weit nach Mitternacht gewesen sein, aber in diesen Tagen Anfang Mai war es auch zur späten Stunde noch frühsommerlich warm.
»Geile Feier«, grinste Hannah, »ich hatte ja eher mit Stimmungen wie beim alten Herrenclub mit Damenkränzchen gerechnet. Ich wusste gar nicht, dass in deiner Familie so viele junge Leute sind.«
»Die Musik war auch gut …«
»Und die Sektbar auch«, unterbrach sie ihren Partner Finn lachend.
»Tja, lockert die Stimmung«, stimmte er zu, »ich glaube, wir gaben ein ganz nettes Paar ab.«
»Wir waren das schönste Paar des Abends!«
Er sah sie an, schmunzelte schelmisch: »Meinst du?«
»Klar doch! So ein fescher Kerl wie du im Smoking. Und erst recht mit den hochgekrempelten Ärmeln, hm! Lecker!«
Finn lachte. »Erst recht mit so einem sexy Weib an der Seite«, gab er das Kompliment geschmeichelt zurück.
»Du findest mich sexy?«
»Und wie! Heute ganz besonders.«
»Was genau findest du denn sexy an mir?« Lasziv rieb sie sich an ihm und drückte kurz ihren Busen an seine Schulter.
»Alles, Liebste. Und das kurze Schwarze lässt deine Reize richtig gut zur Geltung kommen.« Er kicherte kurz. »Wenn du dich beim Tanzen recken musstest, bei einer Drehung zum Beispiel, fürchtete ich immer, dass dein Busen gleich rausrutscht.«
Schallend lachte sie auf: »Deswegen hast du mich auch so oft herumgewirbelt, was?«
»Er ist aber nicht rausgerutscht.«
»Nein? Dann versuchs doch jetzt noch mal.«
Sie blieben stehen, mit einem Hauch von Lüsternheit sahen sie sich an: »Darf ich bitten, Madame?«, fragte er dann ganz der Kavalier.
Sie hatten das Ende der Allee fast erreicht und nahmen Tanzhaltung ein. Zu einer imaginären Musik legten sie einige perfekte Schritte des Foxtrotts hin, dann leitete er eine Drehung ein, bei der Hannah ihren linken Arm ordentlich strecken musste; so verharrte er. Noch ein wenig strecken, und noch etwas, und endlich rutschte der weiche Busen über den oberen Saum des Kleidchens.
»Da ist er«, feixte Finn, neigte sich ein wenig herab und küsste die vorwitzige Brustwarze.
»Eine nackte Titte mitten auf der Straße«, lachte Hannah, »wie unanständig!«
Einen Moment genossen sie diese Position noch, dann gingen sie eng aneinander gekuschelt weiter.
»Wenn du nichts drunter trägst, kann das halt passieren«, konstatierte Finn lächelnd, als sie die Hauptstraße überquerten, um von dort in die menschenleere Gasse zum Marktplatz einzubiegen. Mit gespielter Empörung sah sie ihn an: »Ich trage was drunter!«
»Oben aber nicht«, rechtfertigte er sich.
»Wäre es dir lieber, wenn ich unten auch nichts drunter tragen würde?«
»Ich glaube, dann wäre ich zwischendurch über dich hergefallen!«
»Mitten auf der Tanzfläche?«, kicherte sie amüsiert über diesen Gedanken.
»Na ja, ich denke, bis zur Parkbank draußen hätten wir es noch geschafft.«
Still schmunzelte sie in sich hinein. Sie hatten den Marktplatz erreicht. Es dürften noch etwa tausend Meter bis zu ihrer Wohnung sein. In den Häusern rechts und links brannte kein Licht mehr zu dieser nächtlichen Stunde. Das historische Pflaster und die kleinen Zierbäumchen mit dem frischen Grün vermittelten eine geradezu romantische Stimmung. Abrupt blieb Hannah stehen, raffte das kurze Kleid hoch und zerrte den Slip darunter hervor. Mit frivolem Grinsen hängte sie das Höschen an einen der Zweige, legte ihren Arm wieder um seine Hüfte, um – ohne einen Kommentar abzugeben – langsam weiterzugehen. Finn sah sie an, wieder tauschten sie lüsterne Blicke, und mit der Hand fuhr er nun ungeniert unter das kurze Schwarze; fest knetete er ihre Backen.
»Wenn du so weitermachst, schaffen wir es nicht mehr bis nach Hause«, bemerkte sie mit bemüht lapidarem Tonfall.
»Ach nein? Was passiert denn dann?« Seine Finger ertasteten schamlos ihre Kimme.
»Dann musst du was tun.« Ihre Atmung wurde tiefer.
»Was muss ich dann tun?«, hakte er unverschämt cool nach.
Hannah blieb stehen. Dann raffte sie ihr Kleid hoch und setzte sich mit nacktem Hintern auf einen der Poller, die überall gegen unerlaubtes Parken aufgestellt waren.
»Leck mich!« Sie öffnete ihre Schenkel, um ihm ungehinderten Zutritt zu ihrem intimsten Bereich zu gewähren.
Hastig schaute Finn sich um. Es war niemand zu sehen. »Hier? Mitten auf der Straße?«
»Sofort!«
Noch einmal suchte Finn die Gasse ab, dann kniete er sich vor seine Partnerin, mit den Händen drückte er ihre Schenkel noch weiter auseinander und versenkte sein Gesicht zwischen ihren Beinen.
»Jaaa!«, stöhnte sie und legte den Kopf in den Nacken. Hemmungslos genoss sie diese feuchte Zärtlichkeit, die ihren Körper immer wieder heftig vibrieren ließen. Cunnilingus auf offener Straße! Die Gefahr ertappt zu werden, erhöhte den Reiz. Öffentlicher Sex, wie geil war das denn?!
Sie würde nicht lange brauchen, um eine erste Befriedigung zu erlangen, das wusste sie genau. Zu oft hatten sie während des Abends frivole Blicke ausgetauscht, zu oft hatte er sie in einer Weise berührt, die nicht mehr wirklich als sittlich bezeichnet werden konnte, und zu lange hatten sie nicht mehr miteinander gevögelt. Dazu kam, dass er sie verdammt gut leckte! Sein Schmatzen und Schlabbern spornte sie an, und schon nach kurzer Zeit war der Punkt überschritten, an dem sie sich noch hätte zusammenreißen können. Wenn jetzt jemand kam: Scheiß drauf! Dann würde er eben ein oral fickendes Paar sehen, na und?
Hannah hatte Mühe, den Schrei der Lust zu unterdrücken, aber wenn da jetzt noch jemand wach war hinter den Fenstern, konnte er oder sie ein eindeutiges weibliches Stöhnen vernehmen.
Entspannt rückte sie ihr Kleidchen zurecht, feixte ihn an und schlug frech vor, noch einen Absacker zu nehmen; wohl wissend, dass die Kneipen jetzt schon lange geschlossen hatten. Sie wollte ihn ein bisschen ärgern. Und locken. Finn ging auch überhaupt nicht darauf ein, er packte sie und zügigen Schrittes schleppte er sie dem gemeinsamen Bett entgegen. Aber so weit kamen sie gar nicht. Kaum war die Haustür ins Schloss gefallen, zerrten sie sich gegenseitig die Klamotten vom Leib, wobei er in Anbetracht ihres einzigen Kleidungsstückes die deutlich einfachere Aufgabe hatte. Noch in der Diele fielen sie übereinander her, nun keuchten und stöhnten sie ungeniert laut. Er war genauso schnell wie sie vorhin, und nachdem er sein Sperma in ihren Unterleib gespritzt hatte, zogen sie sich zur zweiten Runde ins Bett zurück, um sich dort dem schamlosen und ausgiebigen Liebesspiel hinzugeben.
Kapitel 2
Die Sonne schien schon lange zwischen den Vorhängen hindurch in das Zimmer, als Hannah sich aus dem Bett rappeln konnte. Ohne sich zu bekleiden, trottete sie in die Küche, löschte den Durst mit einem Glas Wasser und warf die Kaffeemaschine an. Nackt am Tisch sitzend, genoss sie noch einmal die Erinnerung an den gestrigen Abend. Wunderbar! Wie am Anfang ihrer Beziehung. Im stressigen Alltag war davon so viel verloren gegangen. Warum nur? Warum konnten sie sich nicht wenigstens am Wochenende mal einen Tag nur für sie beide nehmen? Den ganzen Tag im Bett bleiben, immer wieder vögeln, zwischendurch und den lieben Gott einen guten Mann sein lassen. Nach der zweiten Tasse bereitete sie das Frühstück, stellte alles auf ein Tablett, um ihrem Finn damit einen netten Start in den Tag zu bereiten. Ob sie ihn noch mal verführen konnte?
Sie schlug die Bettdecke zur Seite und bettete ihr Haupt auf seinem Schoß. Tief atmete sie die Düfte der vergangenen Lust in ihre Lungen, vorsichtig streckte sie die Zunge heraus, um von den angetrockneten Spuren zu naschen. Finns Schwanz zuckte, und der Mann wehrte sich nicht gegen ihre Liebkosungen, was Hannah ermutigte, den nächsten Schritt einzuleiten. Langsam rutschte sie näher an ihn heran, schwang ihr Bein über ihn und präsentierte sich obszön mit offenen Schenkeln direkt über seinem Gesicht. Umgehend spürte sie seine Zunge an ihren Schamlippen, und sein Schwanz zuckte lüstern. Finn begann sich unter ihr zu winden, er wollte die Stellung wechseln, um sie richtig ficken zu können, aber Hannah drückte ihn immer wieder zurück in die Laken. Jetzt hatte sie die Regie. Sie wollte ihn schmecken und er sollte sie schmecken. Er sollte von ihrem Saft naschen, sollte sie mit seinen Lippen aussaugen, er sollte das Elixier ihrer Möse schlucken, wie sie sein Sperma schlucken wollte. Mit dem Mund konnte sie seine Lust auch besser kontrollieren und dirigieren. Mal den Steifen tief ins Maul, mal nur die Zunge um die Eichel spielen lassen. Sie nahm ein Ei in den Mund, kugelte es ein wenig, dann das andere. Sie nahm etwas Abstand, um zu beobachten, wie sein Schwanz zuckte. Sie massierte ihn vorsichtig; sollte sie ihm so einen runterholen, damit er ihr ins Gesicht spritzte? Der Gedanke ließ ihren Unterleib erzittern, wann hatte sie das zuletzt erlebt? Minute für Minute lockten sie ihre Lust, immer wieder entzog sie sich seiner Zunge, um das Spiel in die Länge zu ziehen, abwechselnd wichste oder lutschte sie seinen Steifen, und als er gerade tief in ihrem Maul steckte, traf er genau den richtigen Punkt. Ihre Möse krampfte, es kam über sie, wie ein Donnerschlag, sie konnte sich nicht mehr beherrschen und wollte es auch nicht mehr. Der Schrei ihrer Lust erstickte im vollen Mund zu einem obszönen Röcheln, und im gleichen Moment katapultierte sein Steifer das Sperma in sie hinein: Her damit! Alles! Sie wollte ihn auslutschen, leer saugen, und immer wieder musste sie diese Köstlichkeit schlucken.
Erschöpft und befriedigt blieben sie aufeinanderliegen, und wenn es nach ihr gegangen wäre, wären sie so liegen geblieben, bis ihre Körper erneut von der Gier überwältigt worden wären. Geil, in der nächsten Runde würde sie ihn in ihr Gesicht spritzen lassen.
Aber dazu kam es nicht mehr. Finn rollte sie von sich herunter und ging pinkeln. Hannah wusste, dass dies das Ende ihrer erotischen Spielereien bedeutete. Es war schon Sonntagnachmittag, eine Zeit, in der sich Finn mental schon auf den nächsten Arbeitstag vorbereitete. Sie drehte sich auf die Seite, um wenigstens den Geschmack seines Spermas noch genießen zu können.
Am frühen Abend kroch sie endlich aus dem Bett. Wieder begab sie sich unbekleidet in die Küche, um das Abendessen zu bereiten. Sie hatte sich absichtlich nichts angezogen. Um ihn noch einmal zu verführen? Nein, das würde ihr nicht gelingen. Aber vielleicht hatte sie den Mut, mit Finn über ihren Sex zu sprechen: Sie brauchte öfter mal ein Wochenende wie dieses! Und wenn sie sich dabei im Evakostüm zeigte, würde sie ihn vielleicht dazu animieren können.
Sie hatte Brot, Aufschnitt und hart gekochte Eier aufgetischt, dazu Bier für ihn und Rotwein für sich selbst.
»Abendessen ist fertig«, rief sie ins Wohnzimmer, wo er am Schreibtisch saß.
»Oh, ja, das passt jetzt gut«, murmelte er, als er die Küche betrat. Dann stutzte er: »Du hast ja immer noch nichts an!«
»Nein«, kam es keck von ihr, und sie reckte ihm ihre Brüste entgegen.
»Du, sorry, aber ich glaube, nach der letzten Nacht kann ich jetzt nicht mehr. Außerdem solltest du dir was anziehen; du weißt, wenn Vater kommt.«
Da war es wieder. Seine verdammten Eltern. Hannah und Finn wohnten in der Souterrainwohnung unten in deren Haus. Es war ja nett, dass sie dort mietfrei leben durften, aber die Alten betrachteten es offensichtlich als ihr Recht, dort jederzeit ein und aus gehen zu können. Finn hatte die Firma vor zwei Jahren von seinem Vater übernommen, aber warum hielt der sich nicht einfach raus? Natürlich, Finn konnte ab und zu einen Rat von dem erfahrenen Elektriker gebrauchen. Aber deswegen musste der sich doch nicht dauernd ungefragt einmischen! Und am Sonntagabend besprachen die Männer oft die Aufträge der kommenden Woche.
Hannah verdrehte die Augen: »Nicht mal in den eigenen vier Wänden kann man machen, was man will!« Sie trottete zurück ins Schlafzimmer, warf sich ein langes Sommerkleid über und kam zurück in die Küche. Schmollend. Den Sex konnte sie sich abschminken. Aber vielleicht darüber reden?
Sie riss sich also zusammen und versuchte, den Frust zu verbergen: »Das war ein schönes Wochenende, fandest du nicht auch?«
»Doch, doch. Wer hätte gedacht, dass so eine blöde Familienfeier das hervorbringt?«
»Wir sollten uns so was häufiger mal gönnen, auch ohne Familienfeier.«
»Ja, das will ich ja auch. Aber manchmal kann ich am Wochenende einfach keine große Unternehmung mehr machen. Du ahnst ja nicht …«
»Manchmal? Immer! Wann haben wir das letzte Mal gevögelt vor diesem Wochenende? In der Woche geht es sowieso nicht, du musst ja immer früh raus. Aber …«
»Du musst doch auch immer früh raus! Und abends fällst du oft vor mir ins Bett.«
»Aber am Wochenende. Warum nehmen wir uns nicht einen Tag in der Woche für uns? Oder warum können wir nicht mal ein paar Tage wegfahren? Muss ja nicht weit sein, in den Harz oder so. Hauptsache mal raus hier!«
»Hannah! Darüber haben wir doch schon oft gesprochen: Im Moment geht das nicht, das weißt du doch. Einen Verdienstausfall können wir uns jetzt nicht leisten. Die Fotovoltaiksparte muss erst richtig anlaufen. Aber dann können wir jedes Jahr vier Wochen Urlaub machen. Versprochen.«
»Ja, ja, ich weiß. Das sagst du nun schon seit zwei Jahren.«
»Es dauert eben, bis so was richtig läuft. Vater versteht davon nichts, und Clemens und Hannes müssen erst noch Erfahrungen sammeln; sie können keine Aufträge akquirieren.«
Finn langte zu Hannah über den Tisch, um ihre Hand zu halten.
»Bald wird alles gut«, versuchte er sie zu trösten.
»Ja, ich weiß«, meinte sie resignierend und schüttete sich den Wein hinter die Binde, »aber vielleicht können wir ja vereinbaren …«
Die Tür sprang auf, Finns Vater kam, wie von Hannah schon fast befürchtet, einfach herein.
»Na, da sind ja meine Turteltäubchen«, rief er strahlend, »seid ihr endlich aus dem Bett gekommen?«
»Ach, Vater«, kam es von Hannah, »kannst du nicht anklopfen, bevor du reinkommst?«
»Wieso? Ihr sitzt hier doch gesittet rum. Oder habe ich euch bei etwas Wichtigem gestört?«
»Nein, nein«, meinte Finn, »setz dich. Ein Bier?«
»Ja, gern. Hannah, holst du mir eins?«
Mit einem Seufzer erhob Hannah sich, holte zwei Bierflaschen aus dem Kühlschrank und schob sie den Männern über den Tisch zu.
»Wir müssen den Auftrag Gehrmann noch mal besprechen«, fuhr der Alte an Finn gewandt fort, »sehen wir uns nachher im Büro?«
Finn nickte und prostete seinem Vater zu.
»Übrigens«, richtete der sich nun an Hannah, »ich habe eine tolle Neuigkeit für euch: Das graue Haus nebenan steht doch schon seit Jahren leer. Ich habe es jetzt günstig geschossen. Wir renovieren es, dann könnt ihr da einziehen. Dann seid ihr endlich unter euch. Da sind genug Zimmer drin.« Er schob Teller und Gläser zur Seite, um den Plan eines Grundrisses auf dem Tisch auszubreiten. »Hier ist der Eingang, dort Arbeitszimmer, Wohnbereich mit Küche. Dort das Gästeklo. Dann Treppe rauf, hier«, mit einem Stift zeigte er auf die entsprechende Stelle des Plans und schaute Hannah erwartungsfroh an, »zum Schlafzimmer und daneben zwei Kinderzimmer. Was sagst du nun?«
Hannah wusste nicht, was sie sagen sollte. Finn und sie waren nun schon vier Jahre zusammen, aber das Thema Familienplanung war stets nur am Rande behandelt worden. Wahrscheinlich auch deswegen, weil sie auf entsprechende Versuche stets äußerst reserviert reagiert hatte. Mit Ende zwanzig kam sie zwar allmählich in das Alter, in dem frau sich diesbezüglich ernsthaft Gedanken machen sollte, aber ihre Lebensumstände waren nicht so, dass sie einen eindeutigen Entschluss fassen konnte. Finn hatte die Firma von seinem Vater übernommen. Auch wenn sie wegen aller möglichen Investitionen und Modernisierungen zurzeit hoch verschuldet war, hatte sie schon den Eindruck, dass die Zukunft gesichert war. Finn als Chef und sie seine Frau im Büro. Eine Situation, von der andere Frauen wahrscheinlich träumten. Sie irgendwie nicht. Oder höchstens manchmal. War das das Leben, das sie sich vorgestellt hatte? Und warum hatte sie dann Journalismus studiert und warum sprach sie fließend fünf Sprachen? ›Das kann uns nur nützlich sein, wenn du das Büro managst und die Werbung machst‹, hatte Finn immer gesagt. Ja, vielleicht war es das, aber für wen? Auch für sie?
»Na, da hat es dir die Sprache verschlagen, was?«, riss der Alte sie aus ihren Gedanken, und auch Finn lächelte sie voller Erwartung an.
»Ja, Vati«, zwang sie sich zu einem Kommentar, »das ist ja eine tolle Idee von dir. Aber – aber wir sind doch gar nicht verheiratet.«
Der Alte lachte: »Ach, das macht doch nichts. Heutzutage muss man doch nicht verheiratet sein, um eine Familie zu gründen, oder was meinst du, Finn? Außerdem: Was noch nicht ist, kann ja noch werden!«
»Lass mal, Vater«, versuchte er seinen Daddy zu bremsen, wohl wissend um den Konflikt in Bezug auf die Ehe bei seiner Partnerin, »das kriegen wir schon hin.«
»Na siehst du, sag ich doch. Morgen sehen wir uns das Haus mal zusammen an. Ihr habt doch bestimmt auch eigene Wünsche, wie euer neues Zuhause aussehen soll.«
Finn und sein Vater sprachen noch diese oder jene Idee der Gestaltung durch, Hannah entschuldigte sich. Letzte Nacht habe sie wenig Schlaf bekommen, und sie wolle morgen fit sein.
Im Bett liegend bekam sie kein Auge zu. Sie hörte die Männer palavern, noch ein Bier trinkend, und dann verschwanden sie im Büro, um den Auftrag Gehrmann zu besprechen.
Das kam jetzt alles ein bisschen sehr plötzlich. Wie sollte das alles weitergehen? So wie bisher? Arbeit, Arbeit und noch einmal Arbeit? Wo sollte ihre Beziehung bleiben? Klar, dieses Wochenende war ein Highlight gewesen. Und wann war das vorherige Highlight? Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern. Auch der Sex ließ ihrer Meinung nach zu wünschen übrig. Ab und zu schliefen sie zwar miteinander, am Sonntagmorgen oder so. Aber wo war das Feuer, das sie zu Beginn ihrer Beziehung empfunden hatte? Warum rief er sie nicht von unterwegs an, um sie aufzufordern, sich schon mal nackt auf den Tisch zu legen? Warum kam er nicht ins Büro, verschloss die Tür, um sie dann gnadenlos auf dem Schreibtisch zu nageln?
Lag es an ihr? Hatte er keine Lust mehr auf ihren Körper? Vielleicht sollte sie mal wieder versuchen, ihn zu verführen. Vielleicht sollte sie sich einfach mal nackt auf den Küchentisch legen, wenn er nach Hause kam!
Und wenn er dann mit seinem Vater kam? Nein, das war keine gute Idee, seine Eltern waren einfach zu allgegenwärtig. Und das würde sich auch nicht ändern, wenn sie nebenan im neuen Haus wohnten. Nie mehr! Erst recht nicht, wenn sie mit Finn Kinder bekommen sollte. Sie sah es geradezu vor sich, wie seine Mutter sich aufdrängte, um die Kinder zu hüten. Sie selbst hätte doch keine Zeit dazu, würde die argumentierten. Du musst Finn doch im Büro helfen, würde sie sagen.
Ach scheiße! Sie wollte keine Kinder! Nicht unter diesen Umständen und nicht jetzt!
Aber spätestens, wenn sie im neuen Haus wohnen würden, würde Finn bestimmt Kinder haben wollen. Wollte er eigentlich jetzt schon, aber ihr Argument, die Wohnung sei zu klein, hatte er akzeptiert. Im neuen Haus wäre das kein Argument mehr!
Und welche Alternative hatte sie?
Sich durchsetzen: Seine Eltern raus. Wohnen am anderen Ende der Stadt. Teilhaberschaft an der Firma.
Und welches Druckmittel hätte sie? Ihre Liebe zu Finn. Aber in der Vergangenheit hatte sie immer den Eindruck gehabt, dass er im Fall des Falles doch eher auf der Seite seiner Eltern stand. Sie hatte nicht einmal ihren Wunsch durchsetzen können, dass die nicht immer einfach in ihre Wohnung kamen. Der Alte hielt noch fünfundzwanzig Prozent an der Firma als stiller Teilhaber. Wenn er denn wenigstens mal still wäre! Er würde niemals verzichten und es zulassen, dass Finn und sie je fünfzig Prozent bekämen.
Und selbst wenn sie darauf verzichtete: Sie wollte mal wieder in den Urlaub fahren! Die Welt sehen. Ab und zu wenigstens mal ein Wochenende freihaben. Das alles ginge ja wohl nicht, wenn erst mal kleine Kinder da wären, von den Finanzen mal ganz abgesehen! Sie hatte nicht einmal ein eigenes Auto!Wie oft hatte sie sich über diese Themen schon das Hirn zermartert, aber nach der heutigen Eröffnung des Schwiegervaters in spe sah sie sich zunehmend in eine aussichtslose Situation gedrängt. Wahrscheinlich würde sie versuchen, für ihre Interessen zu kämpfen, aber gegen eine derartige Übermacht kam sie nicht an. Sie fühlte sich oft alleingelassen von Finn und würde früher oder später kapitulieren.
Wie sie es bisher immer getan hatte.
Kapitel 3
Sie wusste nicht, wann Finn ins Bett gekommen war; es musste schon spät gewesen sein. Beim Morgenkaffee war er wie immer wortkarg und mit seinen Gedanken schon in der Firma. Hannah räumte die Tassen noch weg, schnappte sich ihre Tasche und trottete rüber ins Büro. Jenny, die Halbtagskraft für einfache Tätigkeiten war schon da: »Hi Hannah. Heute ist Montag: Es gab fünf Anrufe von Kunden, bitte zurückrufen. Der Hellweg fragt nach seiner Anlage, Dieter ist krank und Wolfgang sagt, sein Auto springt nicht an.«
Die muntere Fröhlichkeit dieser Frau ging Hannah auf die Nerven. »Morgen Jenny«, muffelte sie, »wenn Dieter krank ist, kann Wolfgang ja mit seinem Auto fahren. Also, alle Probleme gelöst. Hast du schon Kaffee? Gib mir auch mal einen«, schob sie hinterher, ohne auf eine Antwort zu warten. Jenny war auf Tratschen aus, was Hannah nun überhaupt nicht leiden konnte. Zum Glück war viel Kundenverkehr, sodass sie diese Jenny nicht die ganze Zeit ertragen musste. Gegen Mittag verschwand sie ja; Hannah wäre am liebsten auch gegangen. Die Woche fing genauso an wie an jedem Montag, und sie würde genauso enden wie jeden Freitag. In diesem Monat, im nächsten Jahr, und im übernächsten Jahrzehnt. Super! Eine Perspektive, von der jede junge Frau träumt. Und das alles ohne eigenes Geld! Jenny bekam wenigstens Gehalt, sie selbst hatte Finn nicht angestellt. Was das an Steuerersparnis für ihn gebracht hätte, hätte sich das Finanzamt von ihr zurückgeholt. Nein, sie tat all das aus Liebe!
Kapitel 4
Es war ein Dienstag, als der Briefträger die Post nicht einfach einwarf, sondern ins Büro kam: Stefan, Hannahs Lieblingsbriefträger.
»Nanu, willst du auch einen Kaffee?«, wurde er von ihr begrüßt.
»Gerne.« Er setzte sich und kramte in seiner Tasche herum: »Du hast ein Einschreiben. Vom Gericht!«
»Was?«
»Hier. Du musst unterschreiben.«
»Für mich oder die Firma?«
»Für dich. Ganz persönlich!«
Hannah nahm das braune Schreiben, riss den Umschlag auf; Stefan beugte sich zu ihr hin.
»Nun guck nicht so neugierig«, grinste sie und zog ihre Hand zurück. Dann vertiefte sie sich in das Dokument.
»Geil!«, jubilierte sie dann und sprang auf. »Lass dich umarmen, Stefan, das ist so was von geil!«
Der schaute sie nur verdutzt an: »Äh – was ist denn?«
Aber Hannah war schon mit dem Brief in der Hand wedelnd aus dem Büro gelaufen, um Finn zu suchen. Der war natürlich nicht da, egal. Sie holte eine Flasche Sekt aus der Speisekammer, ließ den Korken knallen und warf sich auf den Stuhl. Die Beine lang gestreckt schlürfte sie das prickelnde Getränk und dann noch ein zweites Gläschen. Ungeduldig wartete sie auf Finn, um ihm diese Neuigkeit zu berichten.
Endlich hörte sie den Schlüssel; er kam in die Küche und stutzte: »Was ist das denn? Sekt am helllichten Tag? Warum bist du nicht im Büro?«
»Hier! Lies das!« Hannah reichte ihm den Umschlag vom Gericht, ohne auf seine Fragen zu antworten.
Kritisch sah er sie an, setzte sich und fummelte das Schreiben heraus. »Das ist ja auf Spanisch, oder was?«, brummelte er. »Das kommt vom Gericht aus Berlin.«
»Ach ja, habe ich ganz vergessen. Es ist auf Italienisch. Komm, ich übersetz es dir. ›Das Gericht in Neapel eröffnet Ihnen hiermit den Sie betreffenden Teil des Testamentes der Frau Viola Schumann, zuletzt wohnhaft in Santa Maria di Castellabate, Licosa, Via Brusconi Numero Uno. Frau Schumann verfügt, dass ihr Vermächtnis wie folgt aufgeteilt werden soll.‹ Dann kommen ein paar geschwärzte Zeilen, und dann bin ich dran. ›Meine Enkelnichte, so kann man das ungefähr übersetzen … Jedenfalls: Frau Hannah Griebing soll das Anwesen in Licosa, Via Brusconi Numero Uno bekommen.« Erwartungsfreudig sah sie Finn an.
»Soll das heißen, dass du ein Haus geerbt hast?«
»Ja! Ja! Genau das soll es heißen!« Wieder sprang sie auf, umarmte ihn und küsste ihn ab.
»Ein Haus in Italien. Hm.«
»Nun sei doch nicht so skeptisch. Ein Haus! Ein ganzes Haus!«
»Na ja, in Italien muss man ja schon damit rechnen, dass das so eine alte Bruchbude ist. Aber das Grundstück könnte was wert sein. Wo liegt das denn überhaupt?«
»Danke, dass du meine Freude so teilst«, schmollte Hannah. »In dem Testament steht was von Anwesen. Ich habe auf Google schon nachgesehen: Es liegt südlich von Neapel, direkt am Meer!«
»Direkt am Meer. Hm, dann ist es bestimmt was wert«, sinnierte er. Dann lächelte er sie an: »Cool. Ein Grundstück am Meer, das hat schon was.«
»Grundstück, Grundstück! Es ist ein ganzes Haus, ein Anwesen!«
»Entschuldige, aber ich möchte nicht, dass du dich jetzt so freust, und nachher ist es wirklich nur eine Bruchbude. Du weißt, wie Anwesen in Italien aussehen können.«
»Nein, weiß ich nicht! Ich war noch nicht in Italien.« Der Mann hatte wirklich ein Talent, jede Freude im Keim zu ersticken.
»Wer ist diese Frau denn eigentlich, die dir das vermacht hat?«
»Meine Großtante. Ich habe sie persönlich nie kennengelernt und wundere mich schon, dass sie mich derart bedacht hat. Ich kenne sie nur von Erzählungen: Die Hippietante wurde sie bei uns immer genannt. In den Sechzigern ist sie in die Hippieszene abgetaucht, Indien und so, ist wohl viel in der Welt rumgekommen. Dass sie zuletzt in Italien lebte, habe ich nicht gewusst.«
»Also, das erscheint mir doch alles ziemlich obskur. Zeig mir die Hütte doch mal bei Google.«
Gesagt, getan. Gemeinsam saßen sie vor dem PC und gaben die Daten ein.
»Da ist es!«, rief Hannah begeistert, »von wegen Hütte! Das ist wirklich ein Anwesen. Direkt am Meer! Was sagst du nun?«
»Ja«, kam es zögerlich von ihm, »könnte was wert sein.«
»Auf jeden Fall haben wir jetzt einen Grund, da mal hinzufliegen.«
»Ich weiß nicht. Das können wir doch auch von hier aus regeln.«
»Wie meinst du das, regeln?«
»Wir haben doch überhaupt keine Ahnung von den Immobilienpreisen da und müssten sowieso einen Makler beauftragen. Das können wir auch von hier. Und der kann die Hütte doch dann auch gleich verkaufen.«
»Äh – spinnst du? Vielleicht will ich das Haus ja gar nicht verkaufen!«
»Was sollen wir denn damit? Kostet nur Geld. Und es könnte hundert- oder zweihunderttausend bringen. Damit könnten wir endlich die Finanzierungslücke schließen.«
»Welche Finanzierungslücke, bitte schön?«
»Entschuldigung, das habe ich dir, glaube ich, noch nicht gesagt. Die Bank wollte den neuen Generator nicht finanzieren. Vater hat das Geld vorgelegt.«
Wütend starrte sie ihn an. Dass er ihr das verheimlicht hatte, war schon schlimm genug. Und nun wollte er auch noch ihr Haus benutzen, um aus dieser Lage herauszukommen. Ja, IHR Haus und nicht SEINS! Ihre gute Laune war schlagartig verflogen. Sie holte den Weinbrand und schüttete sich einen ordentlichen Schluck hinter die Kehle. Dann stapfte sie ins Schlafzimmer, die Tränen kullerten über ihre Wangen.
»Schatz«, rief er von der Küche, »ich muss wieder in die Firma. Wir reden heute Abend darüber. Bis dann.«
Hannah begab sich nicht wieder in die Firma, sollten sie doch sehen, wie sie zurechtkamen. Den ganzen Nachmittag hatte sie Zeit, über das Problem nachzudenken, und je länger sie das tat, umso mehr verfestigte sich ihr Entschluss, sich das Anwesen wenigstens einmal anzusehen. Sie würde sich diesmal durchsetzen! Weder Finn noch dessen Eltern würden sie daran hindern, dorthin zu fahren!
Als Finn abends nach Hause kam, unterbreitete sie ihm ihren Entschluss. Er war natürlich nicht einverstanden. »Dein Platz ist hier an meiner Seite, und nicht in Italien«, fauchte er, »und dein Job ist im Büro und nicht der Häuserverkauf da unten!«
Sie sah ein, dass es zwecklos war, weiter mit ihm darüber zu diskutieren. Also stimmte sie ihm halbherzig zu und ging ins Bett.
In den folgenden Tagen hing der Haussegen schief, aber Hannah erledigte still und leise die Formalitäten: Notar, Geburtsurkunde, Gericht, und was da sonst noch zugehörte. Jeden Versuch seinerseits, sie umzustimmen, erstickte sie durch Schweigen im Keim. Auch mit seinen Eltern hatte er offensichtlich darüber gesprochen. Als Hannah eines Mittags aus dem Büro kam, saß seine Mutter am Küchentisch. »Ach, Kindchen«, fing die an, und Hannah war auf hundertachtzig: »Nenn mich nicht immer Kindchen! Außerdem will ich nicht, dass du dauernd ungefragt in unserer Wohnung rumläufst. Und wenn du mich wegen des Hauses in Italien umstimmen willst: Vergiss es! Lass mich jetzt allein!«
Finn war außer sich, als er abends kam. Wie sie so mit seiner Mutter sprechen könne, und dergleichen. Um dem Ganzen ein Ende zu bereiten, schlug er vor, am kommenden Wochenende einen Familienrat einzuberufen, um das Problem gemeinsam zu besprechen. Hannah war klar, wie das ablaufen würde: Finn und seine Eltern würden sie vorführen!
Und genau so war es dann auch. Aber ungeachtet der Umstimmungsversuche unterbreitete sie gebetsmühlenartig ihren Plan: Am kommenden Freitag würde sie nach Neapel fliegen, um sich das Haus anzusehen. Während des Wochenendes hätte sie Zeit genug, alles genau zu erkunden, und am Montag würde sie sich um die Formalitäten kümmern. Was das genau sein sollte, definierte sie nicht. Die anderen interpretierten ihre Offerte als Maklerbesuch, und sie unternahm nichts, sie eines anderen zu belehren. Schließlich wusste sie noch gar nicht, was sie dort erwartete; wenn das Anwesen eine Ruine war, würde sie wahrscheinlich wirklich einen Makler aufsuchen. Am Dienstag könnte sie dann wieder zurückfliegen. Die paar Tage könne die Firma ja wohl ohne sie auskommen. Finns Vater kapierte als Erster, dass da nicht weiter mit ihr drüber zu reden war, also akzeptierte er ihren Vorschlag. Und damit die anderen auch.
Mürrisch, aber um des lieben Friedens willen hatte Finn sie noch bis zum Bahnhof gebracht; nach Hamburg zum Flughafen war ihm zu weit. Nun gut, dann war es eben so. Hannah hatte so sehr gehofft, dass er ihren Wunsch wirklich akzeptiert hätte und mit nach Neapel gekommen wäre, aber er konnte sich nicht so lange loseisen von seiner Firma.
So lange! Freitag bis Dienstag hätte sein Alter doch die Regie mal übernehmen können; er mischte sich doch sowieso überall ein. Ein paar Tage zu zweit im sonnigen Italien hätten ihrer Beziehung verdammt gutgetan, gerade nach den streitvollen letzten Tagen. Aber vielleicht sah ja nur sie das so. Vielleicht war Finn mit allem zufrieden, so wie es lief.
Sie streckte die Beine aus und reckte sich. Je weiter der Zug sie fort von ihrem Zuhause der Ferne entgegenbrachte, umso mehr verschwand die Wehmut darüber, allein reisen zu müssen, und machte in ihrem Gemüt Platz für freudige Erwartungen auf ein paar Tage ohne den ganzen Alltag: kein Finn. Gut. Aber auch keine Schwiegereltern in spe, keine Firma, kein Telefon und keine Jenny.
Vom Hauptbahnhof mit der S-Bahn zum Flughafen zu fahren, grenzte schon an eine Herausforderung für sie. Sie war eben doch schon zu lange aus dem Großstadttrubel heraus, und Finn, der Workaholic, hätte sie ruhig bis nach Hamburg fahren können. Zum Glück hatte sie wenig Gepäck, und als sie das Terminal betrat, hellte sich ihre Laune wieder auf.
Erst als der Flieger mit Schwung der Schwerkraft trotzte und sich schließlich wie ein leichter Vogel in die Lüfte begab, konnte Hannah es glauben, tatsächlich ein paar Tage frei zu sein. Ja, frei. Erst bei dieser gedanklichen Formulierung wurde ihr bewusst, dass das Gegenteil von frei unfrei war. Eingesperrt. Gefangen in einer kleinen Welt aus Arbeit und Pflichten. Keine wirklichen Bedrohungen dieser Idylle von außen, aber auch keine Überraschungen und Abenteuer.