Anti-Genderismus - Christina von Braun - E-Book

Anti-Genderismus E-Book

Christina von Braun

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Beschreibung

Die Aufhebung der Geschlechterpolarität, die Christina von Braun in ihrem Beitrag im Kursbuch 192 als größte Veränderung der letzten 40 Jahre auf dem Gebiet von Geschlecht bezeichnet, stoße auf beträchtlichen Widerstand und zwar aus ganz unterschiedlichen Richtungen in der Gesellschaft. Er formiere sich in Kirche, Politik und Kultur ebenso wie in Wissenschaft und sogar auf feministischer Seite. Ein gemeinsamer Nenner dieses Gender-Bashings sei dabei genauso wenig auszumachen wie eine wirklich stringente Argumentation. Denn letztlich würden diese bislang stabilen Kritikformen, die Gender kategorisch verurteilen, nur verbergen, dass in und mit ihnen immer auch über die flexiblen Grenzen der sozialen Zugehörigkeit verhandelt wird.

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Seitenzahl: 26

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Frauen II

 

Inhalt

Christina von Braun Anti-Genderismus Über das Feindbild Geschlechterforschung

Die Autorin

Impressum

Christina von Braun Anti-Genderismus Über das Feindbild Geschlechterforschung

Die zweifellos größte Veränderung der letzten 40 Jahre auf dem Gebiet von Geschlecht ist das Nachlassen sexueller Eindeutigkeiten. Das hatte einerseits zur Folge, dass auch das männliche Geschlecht in den Fokus der Betrachtung rückte; andererseits verwandelte sich die Frauenforschung zunehmend in Geschlechterforschung – oder Gender Studies. Die Aufhebung der Geschlechterpolarität stößt auf beträchtlichen Wider­stand und führt manchmal zu einer gewissen Blindheit der politischen Analyse. So wurden nach der letzten Bundestagswahl die unterschiedlichen Wahlerfolge der AfD in Ost- und Westdeutschland ausführlich thematisiert, doch der breite Graben, der sich zwischen der männlichen und der weiblichen Wählerschaft der AfD auftat, fand wenig Beachtung. Das gilt auch für den durchaus weiterführenden Aufsatz von Ines Geipel, die in der Welt am Sonntag zwar den männlichen Ossi thematisierte (also Geschlechterbilder in die Betrachtung der Wahlergebnisse einbezog), aber letztlich war auch bei ihr die Mauer zwischen Ost und West das prädominante Erklärungsmuster.1

Dabei verlangt die Tatsache, dass die AfD auch in Bayern und Baden-Württemberg beträchtliche Wahlgewinne einfuhr und populistische Bewegungen in Ländern ohne Teilungsgeschichte wie Frankreich, Niederlande, USA erfolgreich sind, nach anderen Erklärungsmustern. Meiner Ansicht nach liegt das Bemerkenswerte an der Bundestagswahl von September 2017 woanders: Die Programme der AfD sind einerseits ein Plädoyer für »traditionelle Werte«, darunter eine größere Geschlech­terpolarität. Andererseits gingen solche Forderungen historisch immer mit dem Versuch einer Homogenisierung der Gemeinschaft einher. Der Zusammenhang von völkischer Einheit und Geschlechterhierarchie ist geradezu paradigmatisch im Nationalismus des 19. Jahrhunderts zu stu­dieren. Im deutschen Herbst 2017 ergab sich jedoch die Situation, dass die Forderung nach geschlechtlicher Eindeutigkeit das Auseinanderfal­len der nationalen Einheit begleitete. Das war neu und verlangt nach neuen analytischen Kategorien.

Dieser Sonderfall wird noch dadurch verschärft, dass die Kritik an der Kategorie Gender (die gern als Ursache für die Auflösung der Geschlech­tergrenzen gilt) aus sehr unterschiedlichen Richtungen kommt. Bei den Gegnern der Frauenbewegung und -forschung vor 40 Jahren war es ein­facher. Ob sie dem rechten oder dem linken Spektrum angehörten, in einem waren sie sich einig: Dass Frauen fürs Kaffeekochen zuständig sind, galt als normal, ja biologisch verankert. Bei der Frage von Gender ist das anders: Hier bläst der Gegenwind aus so unterschiedlichen Rich­tungen, dass ein gemeinsamer Nenner kaum auszumachen ist.

Wer sind die Gender-Gegner?

Da wäre zunächst die katholische Kirche zu nennen. Als 2011 in den französischen Schulbüchern die sexuelle Identität nicht nur biologisch, sondern auch soziokulturell erklärt werden sollte, protestierten 100 Politiker der konservativen, katholisch geprägten UMP lautstark. Es handle sich um eine »unwissenschaftliche These«, schrieben sie,2 und sie erhielten Rückendeckung vom französischen Berater des Va­tikans für Familienfragen, der Gender als eine »totalitäre Ideologie« beschrieb, »die repressiver und schädlicher als der Marxismus ist«.3 Später stimmte auch Papst Franziskus in den Kanon ein, als er der Gen­der-Theorie vorwarf, einen »Weltkrieg zur Zerstörung der Ehe« zu führen.4