Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
Vertrauen ist in diesen Zeiten ein Wert, der stark in Mitleidenschaft gezogen wird. Im Ukrainekrieg wird gerade Vertrauen zwischen Ländern verspielt. Mit zivilisatorisch noch überhaupt nicht absehbaren Folgen. Die Corona-Pandemie hat zwischenmenschlich Gräben zwischen Geimpften und den Impfnaiven geschaffen. Kein Wunder, dass sich das Kursbuch 210 auf die Spuren von Vertrauensverlust und Vertrauenskrise begibt. Christina von Braun zeichnet eine kleine Geschichte des Vertrauensverlustes in kapitalistischen Fakewelten nach mit bekannten Beispielen wie der Hochstaplerin Anna Sorokin, dem Wertpapierhändler Bernie Madoff oder dem Wirecard-Skandal.
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 22
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Inhalt
Christina von BraunFake it till you make itEine kleine Geschichte des Vertrauensverlusts
Die Autorin
Impressum
Christina von BraunFake it till you make itEine kleine Geschichte des Vertrauensverlusts
Vertrauen und Misstrauen
Im Sommer 2013 taucht die 22-jährige Anna Sorokin in New York auf. Sie gibt sich den Namen Anna Delvey und behauptet, eine reiche Erbin aus Deutschland zu sein. Für sie seien 60 Millionen Euro auf einem Trust Fund der Schweizer USB hinterlegt. Anna Delvey kleidet sich in den teuersten Boutiquen und Department Stores von New York ein, wohnt in renommierten Hotels und zeigt sich in den angesagten Restaurants von Manhattan. Um bei einem Kunstevent von Warren Buffett dabei zu sein, chartert sie einen Privatjet. Es gelingt ihr, Trusts und potenzielle Mäzene für die von ihr gegründete Anna Delvey Foundation zu interessieren – die Bilder, die sie von sich und Prominenten auf Instagram postet, genügen als Beleg ihrer Kreditwürdigkeit. Allerdings bringt eine Freundin, die sie auf einer Hotelrechnung hat sitzen lassen (es ging um läppische 62 000 Dollar), ihren Verlust zur Anzeige – und plötzlich machen sich auch anderswo Zweifel an der Existenz des reichen Vaters und der Schweizer Konten breit. (In Wirklichkeit ist der Vater ein russischer Immigrant, der in einem Transportunternehmen arbeitet.)
Als Anna Sorokin 2017 verhaftet wird, lautet die Anklage auf Täuschung von Banken und Vermögensverwaltern. Hinzu kommt eine ganze Latte unbezahlter Rechnungen. Hauptakteure der Gerichtsverhandlung sind einerseits eine nüchterne Staatsanwältin, andererseits eine Angeklagte, die sich für jeden der 18 Gerichtsauftritte von einer Topdesignerin neu einkleiden lässt, und drittens ein Anwalt, laut dessen Verteidigungsstrategie die junge Angeklagte vom vorgetäuschten Lebensstil der New Yorker Gesellschaft zu ihren Taten verleitet worden sei. »People were fake. People were phoney. And money was made on hype alone«, erklärt er den Geschworenen,1 ohne allerdings zu erwähnen, dass der gleiche Zeitgeist und dieselbe Ökonomie ein Jahr zuvor einen neuen Typus von Politiker ins Weiße Haus befördert hatte. Seiner Mandantin missfällt das Plädoyer: Sie würde lieber als raffinierte Betrügerin denn als verführte Provinzlerin dastehen.
Typisch an diesem Fall, wie auch an vielen ähnlich gelagerten Fällen, ist die zentrale Rolle der sozialen Medien. Mit den fake news