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Ein Rückblick auf die Entstehung des Monotheismus zeigt, wie eng dieser selbst mit dem neuen alphabetischen Schreibsystem der Antike zusammenhing. Die modernen Fundamentalismen beziehen sich zwar auf transzendente Glaubensinhalte, aber es sind "sekundäre Religionen": ein Glaube, der durch Aufklärung hindurchgegangen ist und von deren weltlichen Ansprüchen geprägt ist. Außerdem wird an einem konkreten Beispiel dargestellt, mit welchen medialen Techniken die Rekrutierung junger Dschihadisten aus der westlichen Welt stattfindet.
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Seitenzahl: 67
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Christina von BraunSekundäre ReligionenFundamentalismus und Medien
Copyright © 2016 Picus Verlag Ges.m.b.H., WienAlle Rechte vorbehaltenGrafische Gestaltung: Dorothea Löcker, WienISBN 978-3-7117-3003-9eISBN 978-3-7117-5333-5
Informationen über das aktuelle Programmdes Picus Verlags und Veranstaltungen unterwww.picus.at
Christina von Braun, Professorin i. R. für Kulturwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Autorin, Filmemacherin. Schwerpunkte: Mentalitäts- und Geschlechtergeschichte, Antisemitismus, Schrift- und Medientheorie. Mitgründerin und Direktoriumsmitglied des Zentrums Jüdische Studien Berlin-Brandenburg. Sigmund Freud Kulturpreis 2013.
Letzte Publikationen (Auswahl): Christina von Braun (Hg.), Was war deutsches Judentum? 1870–1933, Oldenbourg 2015; Der Preis des Geldes. Eine Kulturgeschichte, Berlin 2012; Glauben, Wissen und Geschlecht in den drei Religionen des Buches, Wien 2009; Christina von Braun, Bettina Mathes, Verschleierte Wirklichkeit. Die Frau, der Islam und der Westen, Berlin 2007; Stille Post. Eine andere Familiengeschichte, Berlin 2007; Christina von Braun, Christoph Wulf (Hg.), Mythen des Blutes, Frankfurt/Main 2007.
www.christinavonbraun.de
Wiener Vorlesungen im Rathaus
Band 183Herausgegeben für die Kulturabteilung der Stadt Wienvon Hubert Christian Ehalt
Vortrag im Wiener Rathausam 16. November 2015
Mit einem Vorwortvon Hubert Christian Ehalt
Die Autorin
Die Wiener Vorlesungen im Rathaus
Fundamentalismus und Medien – Zusammenspiel, Divergenz, Ambivalenz Vorwort
Christina von BraunSekundäre ReligionenFundamentalismus und Medien
Am 2. April 1987 hielt der bedeutende polyglotte deutsche Soziologe Prof. Dr. René König im Rahmen der Tagung »Wien – die Stadt und die Wissenschaft« einen Vortrag im Wiener Rathaus zum Verhältnis von Stadt und Universität. In seinem Referat gab René König den Akteurinnen und Akteuren der Wiener Stadtpolitik und -verwaltung den Rat, Wien möge seine Universitäten als Impulsgeber intellektueller Kultur in die Stadt »einnisten«. Die Stadt Wien folgte diesem Ratschlag durch die Initiierung zahlreicher Förderungsinitiativen, durch die Gründung von sechs Wissenschaftsförderungsfonds, durch die Wissenschaftsfundierung ihrer Verwaltungsarbeit und last but not least durch eine Vortragsreihe, die »Wiener Vorlesungen«, das Dialogforum der Stadt Wien an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit.
Die Wiener Vorlesungen beschäftigen sich mit den großen wissenschaftlichen und intellektuellen Fragen der Zeit. Die Wissenschaften kommen in immer kürzeren Zeiträumen zu eindrucksvollen Ergebnissen, die sehr oft in für Bürgerinnen und Bürger interessante Anwendungen münden. Die Wirksamkeit der Wissenschaften bietet aber auch Probleme, die jedenfalls in immer stärkerem Maß eine Auseinandersetzung der Öffentlichkeit mit Voraussetzungen und Folgen von Forschung notwendig machen.
Aus den Wiener Vorlesungen ist ein intellektuelles Netz aus Veranstaltungen, Publikationen und TV-Sendungen geworden. Die Vorlesungen waren als Projekt der Wissenschaftsvermittlung, der Aufklärung, aber auch der Kritik geplant, und sie arbeiten an diesen Zielsetzungen durch ständige Selbstreflexion, Methoden- und Formatwechsel, vor allem aber durch die Einladung von Vortragenden, die eine interessante Botschaft haben. Somit ist das Konzept der Wiener Vorlesungen von Beginn der Initiative an klar und prägnant: Prominente Denkerinnen und Denker stellen ihre Analysen und Einschätzungen zur Entstehung und zur Bewältigung der brisanten Probleme der Gegenwart zur Diskussion. Die Wiener Vorlesungen skizzieren nun seit Anfang 1987 vor einem immer noch wachsenden Publikum in dichter Folge ein facettenreiches Bild der gesellschaftlichen und geistigen Situation der Zeit. Das Faszinierende an diesem Projekt ist, dass es immer wieder gelingt, für Vorlesungen, die anspruchsvolle Analysen liefern, ein sehr großes Publikum zu gewinnen, das nicht nur zuhört, sondern auch mitdiskutiert.
Das Wiener Rathaus, Ort der kommunalpolitischen Willensbildung und der Stadtverwaltung, verwandelt bei den Wiener Vorlesungen seine Identität von einem Haus der Politik und Verwaltung zu einer Stadtuniversität. Das Publikum kommt aus allen Segmenten der Bevölkerung; sehr viele Zuhörerinnen und Zuhörer sind in den akademischen Feldern der Universitäten beheimatet; das Wichtige an diesem Projekt ist jedoch, dass auch sehr viele Menschen zu den Vorträgen kommen, die sonst an wissenschaftlichen Veranstaltungen nicht teilnehmen. Das Rathaus ist ein guter Vortragsort, viele Besucherinnen und Besucher der Wiener Vorlesungen identifizieren es als einen »Ort ihrer Angelegenheiten« und sie verstärken durch ihre Anwesenheit den demokratischen Charakter des Hauses.
Die Referentinnen und Referenten der Wiener Vorlesungen sind Persönlichkeiten, die ihre Wissenschaft und ihr Metier durch die Fähigkeit bereichert haben, Klischees zu kritisieren und zu zerschlagen und weit über die Grenzen ihres Faches hinauszusehen. Das Besondere an den Wiener Vorlesungen liegt auch in dem dichten Netz an kollegialen und oft freundschaftlichen Banden, die die Stadt zu einem wachsenden Kreis von Forscherinnen und Forschern und Intellektuellen in aller Welt knüpft.
In den fast 30 Jahren des Bestehens der Wiener Vorlesungen ist das Interesse an Wissenschaft ständig gewachsen. Die Wiener Vorlesungen haben dieses Interesse aufgegriffen und verstehen sich zunehmend als Schnittstelle zwischen der Forschung und einer an Wissenschaft interessierten Öffentlichkeit.
Die Vortragenden – bisher etwa sechstausend – kommen aus allen Kontinenten, Ländern und Regionen der Welt, und die Stadt Wien schafft mit der Einladung prominenter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine kontinuierliche Einbindung in die weltweite »scientific community«. Für die Planung und Koordination der Wiener Vorlesungen war es mir stets ein besonderes Anliegen, diese freundschaftlichen Kontakte zu knüpfen, zu entwickeln und zu pflegen.
Das Anliegen der Wiener Vorlesungen ist eine Schärfung des Blicks auf die Differenziertheit und Widersprüchlichkeit der Wirklichkeit. Sie vertreten die Auffassung, dass Kritik ein integraler Bestandteil der Aufgabe der Wissenschaft ist. Eine genaue Sicht auf Probleme im Medium fundierter und innovativer wissenschaftlicher Analysen dämpft die Emotionen, zeigt neue Wege auf und bildet somit eine wichtige Grundlage für eine humane Welt heute und morgen. Das Publikum macht das Wiener Rathaus durch seine Teilnahme an den Wiener Vorlesungen und den anschließenden Diskussionen zum Ort einer kompetenten Auseinandersetzung mit den brennenden Fragen der Gegenwart, und es trägt zur Verbreitung jenes Virus bei, das für ein gutes politisches Klima verantwortlich ist.
Die Wiener Vorlesungen analysieren mit dem Wissen um die unterschiedlichen zeitlichen Bedingungshorizonte der Gegenwart (Naturgeschichte, Sozialgeschichte, Ereignisgeschichte) die wichtigen Probleme, die wir heute für morgen bewältigen müssen. Wir sind uns bewusst, dass die Wirklichkeit der Menschen aus materiellen und diskursiven Elementen besteht, die durch Wechselwirkungsverhältnisse miteinander verbunden sind. Die Wiener Vorlesungen thematisieren die gegenwärtigen Verhältnisse als Fakten und als Diskurse. Sie analysieren, bewerten und bilanzieren, befähigen zur Stellungnahme und geben Impulse für weiterführende Diskussionen.
Hubert Christian Ehalt
In den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts konnte man, jedenfalls in Europa, den Eindruck gewinnen, dass Religion und Religiosität kulturelle Phänomene seien, deren Einfluss und Gestaltungs-, Präge- und Strahlkraft definitiv an einem Ende angelangt sind. Kultur und Lebenswelten wurden immer weniger durch Religion, religiöse Auffassungen und Praktiken geprägt. Der westliche Lebensstil mit seinem Konsumismus schien die Werte und die Normierungen des Religiösen definitiv geschlagen zu haben.
Religion wurde auf zwei wichtigen Ebenen aus ihren zentralen gesellschaftlichen Positionen verdrängt. Die Welt wurde – wie Max Weber das am Beginn des 20. Jahrhunderts dargestellt hat – entzaubert. An die Stelle des Glaubens an Gott und religiöse Werte trat der Glaube an die Erklärungskraft und die Leistungsfähigkeit der Wissenschaften und der wissenschaftlichen Rationalität. Die Mondlandung, die Entdeckung der DNA-Struktur, die Erkenntnisse der Molekularbiologie und der Quantenphysik haben dazu beigetragen, an die Stelle von Religion und Religionsglauben das Vertrauen auf den wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Problemlösungsfähigkeit zu setzen.
Die Zielvorstellung eines den religiösen Werten entsprechenden gottgefälligen Lebens wurde durch Tatsachen, Dramaturgie und Dynamik der Konsum-, Erlebnis- und Eventgesellschaft zurückgedrängt. Von Europa ausgehend breiteten sich Säkularisierung und Verwissenschaftlichung weltweit aus.
Aber Gesellschaft, Kultur und sozialer Wandel, der Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Politik, Technik, Technologien und Medien, Werthaltungen, Normierungen und Ritualisierungen repräsentieren ein höchst komplexes Geschehen, dessen Entwicklungen nicht prognostizierbar sind.
Religiöser Fundamentalismus und fundamentalistische Entwicklungen waren wohl im gesamten 20. Jahrhundert anwesend; sie befanden sich in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in der westlichen Welt jedoch auf einem deutlich sichtbaren Rückzug.
Terroranschläge in aller Welt, zunehmend auch in Europa, berufen sich auf eine fundamentalistische Auslegung des Islam, wobei zu fragen ist, ob es bei diesem Terror tatsächlich um religiöse Inhalte geht, oder ob diese nur politische Zielsetzungen verschleiern sollen. Zudem ist festzuhalten, dass sich der offizielle Islam und viele gläubige Muslime von diesen Anschlägen distanzieren. Gleichzeitig konstatiert die nichtislamische Welt, dass diese Distanzierung zu wenig deutlich erfolgt.