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Dieser Essay zum Kursbuch 172 untersucht den gesellschaftlichen Stellenwert von Geld unter Berücksichtigung seiner Geschichte. Christine von Braun plädiert dafür, Geld als Mittel der sozialen Kohäsion anzuerkennen. Opfer durch Finanzkrisen müssen vermieden werden. Nur durch einen fairen Umgang ist die gesellschaftliche Rolle des Geldes sicherzustellen.
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Seitenzahl: 22
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Christina von Braun
Wir zahlen alle den Preis des Geldes
Auf der Suche nach einer neuen ökonomischen Rationalität
Wir leben in einer Zeit der Finanzkrisen, der Eurokrisen, in denen die Spekulationsgewinne einiger für viele Millionen Menschen den Verlust des Arbeitsplatzes oder der Behausung bedeuten. Das ist in den letzten drei Jahren wiederholt thematisiert worden. Bisher wenig thematisiert wurde die Tatsache, dass der Schaden nicht nur »die anderen«, sondern auch die Spekulanten trifft. Denn auch ihre Gewinne lösen sich in Luft auf, wenn ihr Geld nichts mehr wert ist. Warum das so ist, zeigt ein Blick in die Geschichte des Geldes.
Geld als soziales Netz
Geld ist mehr als Wertmesser, Zahlungsmittel, Wertaufbewahrungsmittel, Tauschmittel – es ist ein soziales Bindemittel, das Gemeinschaften zerstören oder auch erzeugen kann. In dieser Hinsicht übernahm es viele Eigenschaften aus den Gemeinschaften, die nach dem Gesetz der zeremoniellen Gabe funktionieren. In diesen konstituiert die Gabe das soziale Band: Jede Gabe muss durch eine andere erwidert werden. Geschieht dies nicht oder wird gar die Annahme verweigert, kommt dies einer Kriegserklärung gleich. Bei der Gabe geht es nicht um irgendeinen Wert, vielmehr, so Marcel Mauss, gibt man sich selbst, »und zwar darum, weil man sich selbst – sich und seine Besitztümer – den anderen ›schuldet‹«.1 Diese Implikation des Gebers in die gegebene Sache, so Marcel Hénaff, ist nicht metaphorisch gemeint: »Das ganze Netz der Leistungen besteht darin, daß jeder anderswo etwas von sich riskiert und bei sich etwas von dem anderen erhält.«2
Das Beziehungsgeflecht, das durch die Gabe etabliert wird, erreicht seine größte Verdichtung im Austausch der Frauen: der höchsten Gabe, die eine Gruppe vom »Eigenen« zu geben vermag. Der Anthropologe Claude Lévi-Strauss hat den Gabentausch von Marcel Mauss in diesem Sinne weiterentwickelt und schlug vor, in der Exogamie den zentralen Teil des Gabentausches zu sehen.3 Dass Frauen in den Gabentausch einbezogen werden, bedeutet nicht