Erhalten Sie Zugang zu diesem und mehr als 300000 Büchern ab EUR 5,99 monatlich.
"Fuer die Philosophen leben wir in einer Welt, die man durch langatmige Reden verständlich machen muss. Fuer ein Universum aus zwei Saetzen hat keiner von ihnen Verwendung." (Pragmatist William James) Philosophie ist eher eine Reflexionskunst als eine Wissenschaft. Der Zustand der akademischen Universitätsphilosophie hierzulande ist seit etwa einem halben Jahrhundert beklagenswert und geht mit sprachanalytischem oder wissenschaftstheoretischem Kleinklein an den bildungsbürgerlichen Fragestellungen völlig vorbei. Wirkmächtige, an- und aufregende Köpfe wie Wittgenstein, Heidegger, Adorno, Jaspers oder Blumenberg sind nicht in Sicht. Naseweise Dampfdenker und Paradiesvögel beherrschen die populäre Talkshow-Szene. Es wird Zeit, um anspruchsvolle und paradigmatisch neuartige Wege zu finden zwischen belangloser gewordenen Uni-Denkspezialisten und öffentlichen Sinnier-Shops. Die vorliegende Schrift versucht, Fachdenker wie Laiengrübler zu interessieren für ungewohnte Anknüpfungspunkte bei den moralistischen Traditionen Europas seit dem 17. Jahrhundert. Philosophie ist Liebe zum Witz an der Ur-Sache. Der Aphorismus als philosophische Form ist tendenziell kurz(weilig), geistreich, vieldeutig pointiert, paradox, analytisch und anschaulich zugleich, voll unauflösbarer Spannung zwischen Sinnlichkeit und Sinn, Gefühl und Gedanke, Bild und Begriff ... Der linguistic turn der Philosophie ist tot(geritten), es lebe der aphoristic turn - in dem der linguistic turn auch erst ganz zu sich kommt! Vom selben Autor siehe : 'Aphorismus - philosophischer Gehalt in literarischer Gestalt', 2019 'Neuer Cherubinischer Wandersmann - Laienbrevier voll himmlischer Spruchweisheit', 2021 'Sind Physik, Musik und Mystik die Ethik der mathematischen Logik?', 2020 'Objektivitaet durch Subjektivitaet oder umgekehrt?', Epistemologie, 2000
Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:
Seitenzahl: 148
Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:
Der linguistic turn ist tot(geritten), es lebe der aphoristic turn der Philosophie!
Von Hekuba zu Heureka
Fragmentiertes Denken in der Philosophie
Philosophie ist Liebe zum Witz an der Ursache
Philosophieren : Disziplinen und Richtungen
Aphoristische Philosophie
Kurzgeschichte der Philosophie
Onto-theologische Metaphysik und
Religionsphilosophie
Philosophorismen und Metaphorismen
LOGIK : Förmlich wahr oder logisch gelogen?
ETHIK : Moralistische Moraltheorie
ÄSTHETIK : Kunstschönes und Ansehnliches
Philosoph. Probleme : Spießer gegen Spinner?
Komisches gegen tragisches Denken
Neue platonische Ideen
Geistesgeschichtlicher Hintergrund
Für Elke in Liebe und Dankbarkeit
Von Hekuba zu Heureka
Das Problem ist nur, wie kann ein Konsument "Aha!" und "Heureka!" rufen, wenn er den Geistesblitz nicht kapiert oder nicht (wenigstens widerwillig) anerkennen und begrüßen kann.
Es lassen sich zwei Arten von Aha-Erlebnissen unterscheiden, je nachdem, ob Geistesblitzendes sich einstellt bei einem plötzlichen Verständnis entweder dessen, was der Menschheit längst bekannt ist und nur uns noch nicht, oder dessen, was mutmaßlich bisher noch kein einziger Mensch auf Erden so gesehen hat, bevor wir darauf stießen.
1.
Nehmen wir an, ich wolle mir die Grundzüge der Quantentheorie klarmachen und besorge mir ein einschlägiges Werk, um mich als interessierter Laie darin zu vertiefen. Die schwierige Materie widersteht mir, und kein Zugang will sich meinem Kopf öffnen. Ich zweifle, ob ich das passende Buch habe, das mir allerdings ausdrücklich empfohlen war, versuche es immer wieder, von verschiedenen Seiten aus, doch vergeblich. Die winzigen Quanten, so geringfügig sie sind, bleiben spanische oder böhmische Dörfer für mich, ich stehe davor wie die dumme Kuh vorm neuen Tor, verstehe nur Bahnhof und fühle meinen Kopf wie vernagelt und blockiert von einem hartnäckigen Stupor.
Eine graue Gewitterwolke ballt sich langsam zusammen und brütet finster vor sich hin, die Luft wird drückend und stickig, die elektrisierende Spannung steigt – ehe ein erster schwacher Geistesblitz durch das Gewölk donnert und die hohen Gegensätze sich mit einem Schlag entladen. Als ich das schlaue Buch schon resigniert bis wütend für immer zuschlagen will, durchfährt es mich wie eine urplötzliche Erleuchtung. Was zuvor zusammenhanglos und stumm verstreut umherlag, fügt sich wie von Geisterhand bewegt mit einem Ruck zusammen zu einem sinnvollen Muster, wie hundert Puzzleteile von selbst zu einem klaren Bild. Wer oder was mir nun auf die Sprünge geholfen hat oder nicht, mit oder ohne weitere Hilfestellung, der Groschen ist doch noch gefallen. Alles stimmt mit einem Mal, und von jetzt an geht das schrittweise Verstehen fast mühelos von selber, ich sehe die Welt der Quanten nicht mehr in einem ewigen Nebel. Kurzum : Ab jetzt werde ich eine Viertelstunde lang mitreden können, wenn von Quantencomputern der Zukunft schwadroniert wird.
2.
Aber was, wenn es zu Aufgaben und Themen noch gar kein Lehrbuch gibt, weder fachlich noch populärwissenschaftlich, und keine praktische oder didaktische Anleitung? Wie, wenn ich nicht bekannte Ideen nur verstehen will, sondern neue Ideen suche, die es noch gar nicht gibt, aber schmerzlich vermisse? So geht es mir seit langem und ständig wieder. Um in einer Spezialwissenschaft Neuland zu betreten, braucht jemand jahrelanges Vorstudium, die Front der Forschung zu erreichen, aber in der Philosophie z. B., die ja kein besonderes Sach- und Fachgebiet hat, sondern auf bestimmte Weisen begrifflich über alles und jedes spricht, über deine (Ein-)Stellung im Ganzen der Welt, ist in zwei Jahrtausenden schon alles gesagt und zugleich doch wie noch gar nichts.
Die akademischen Universitätsphilosophen gehen seit langem davon aus, dass alle denkbaren Denkmethoden erprobt und alle möglichen Grübelthemen durchdekliniert sind, dass es nichts Neues unter der Sonne mehr für sie gibt, als mit den archivierten Traditionsmotiven und katalogisierten Versatzstücken nur noch postmodern zu spielen, sie zu immer neuen Cluster-Mustern zu kombinieren, zu montieren und zu collagieren. Es erstaunt, mit welch bescheidenen Begriffsvarianten solche gutdotierten Denkbeamten sich ein sorgenfrei geachtetes Hochschulleben erwirtschaften können.
Heraus kommen dickleibigste Werke mit denkbar wenigen breitgewalzten Ideechen, die von niemandem gelesen werden, weder von Fachkollegen noch von interessierten Bildungsbürgern wie früher eine Neuerscheinung etwa von Jaspers, Sartre oder auch Heidegger. Seit die "Analytische Philosophie" der Angelsachsen die weltweite Philosophenszene beherrscht mit ihren kleinteiligen sprachtheoretischen oder spezialistischen Fragestellungen, ist der nachdenkliche Durchschnittsbürger geistig unterversorgt, allein gelassen und sucht Abhilfe bei dubiosen Philosophie-Cafés und umweltanschaulichen Workshops, quasseligen Internet-Talkshows etc.
Uni-Philosophie besteht weitgehend nur noch aus gutgemeinten humanistischen Selbstverständlichkeiten und hausbackenen Banalitäten in immer anspruchsvolleren Imponier-Terminologien, ihre sich umkreisende Unfruchtbarkeit zu verschleiern. Aber Philosophie ist eine Kunst, die sie nicht versteht, und keine Wissenschaft, die sie gern sein möchte.
Eine Metaphysik in Metaphern, die eine einzige neue Idee nicht zu zehn Bänden auswalzt, sondern zehn brandneue Ideen auf einer einzigen Buchseite verewigt, wird disqualifiziert als windig subjektivistischer Geistesblitz, der philosophischen Gehalt in literarischer Gestalt präsentiert und deshalb (trotz linguistic turn) von seriösen Fachleuten mit Misstrauen betrachtet und nicht anerkannt wird, obwohl es in der Geistesgeschichte eine bedeutende europäische Moralistik von Geistesblitzen und Heureka-Bonmots gibt, welche die „mores“, die Sitten und Gebräuche ganzer Epochen unbefangen und weitgehend unvoreingenommen untersucht haben.
Wer breite Ausdeutungen braucht, weil ihm spielerische Andeutungen nicht genügen, dem ist ohnehin nicht zu helfen, weil er gar nicht genug Lebenszeit hat, ausreichend viele Felder zu beackern. Ein Philosoph muss zu allen Gegenständen originell Erhellendes sagen können, nicht nur wie der Wissenschaftler innovativ zu seinem einzigen, aber da die weite Welt in kein enges geistiges Bezugssystem hineinpasst, muss er möglichst viele übervertraute Objekte von einem überraschenden Blickwinkel aus zeigen können, um seine überdotierte Existenz zu rechtfertigen. Zeitgenossen wollen ja nicht nur einzelwissenschaftlich aufgeklärt, sondern auch existenziell erhellt werden im Ganzen.
Aphorismen nun sind im Idealfall konzentrierte Geistesblitze pur, ohne weitere Verdünnung, unverwässerte Ideen-Extrakte und geistreiche Destillate, entweder bekannte oder noch unerhörte Gedanken in sprachlich ungewohnten Gestalten. Was kurz und bündig auf den springenden Punkt gebracht ist in reizender bis aufreizender Sprachform, Schlag auf Schlag im Trommelfeuer von Heureka-Rufen, löst viel leichter die ersehnten punktuellen Aha-Momente aus als das pedantisch geregelte argumentative Für und Wider im breitgetretenen Quark voluminöser Abhandlungen, die nie zu Potte kommen, bevor der Leser eingeschlafen ist.
Verblüffende Querverbindungen zwischen entferntesten Standpunkten, ungewohnte Sichtweisen auf sattsam Bekanntes, geschliffene Angriffe auf abgeschliffenste Begriffe, vieldeutig schillernd statt unrealistisch eindeutig, tendenziell prägnant und elegant, amüsant und frappant: Unvernünftige Kurzschlüsse statt niemals endende rational(isierend)e Schlussketten kürzen die lange Leitung des Hörers durch viel negative Dialektik statt positiv(istisch)e Dialoge.
Geistreiche Schmetterlinge ohne Hufeisen an den Flügeln stieben davon in die Lüfte, und die siebenhundert Katheder-Weisen sehen ihnen nach voller Staunen und Stupor, ganz ohne Heurek-Aha.
Überfällig in ehrwürdiger philosophia perennis wäre längst ein aphoristic (re)turn, um frische Geistesblitze in uralte Geistessysteme zu schleudern und sie in neuem Licht zu zeigen. Schopenhauer hielt Christoph Lichtenberg zu Recht für einen "wahren Philosophen". Nietzsche und Adorno hatten erst wieder den Anfang gemacht und dieses schöpferische Paradigma nicht etwa schon selber erschöpft. Auch Wittgenstein überrumpelte alle vom Fach mit nichts als (frühromantischen?) Fragmenten in endlosen Kladden und Schmierheften in der Nachfolge von Novalis und Friedrich Schlegel.
Wenn ein Berufsphilosoph zu allen relevanten Gebieten sich gnomisch äußert, wird seine Welt-Enzyklopädie in the long run ganz von selbst und zwanglos zu einem unmethodischen System von systemsprengenden Gedankenexperimenten.
Eine Philosophie der Zukunft sollte sich nicht in einen systematisch ausgesponnenen Grundgedanken einspinnen, sondern eine lebenslange Kette von sentenziösen Heurek-Aha-Momenten in gutpointierter Umgangssprache sein für jedermann.
"Heraklit wird nie veralten." (Nietzsche)
Open end. – "Aha!"
Fragmentiertes Denken in der europäischen Philosophie
Die aphoristisch unterwanderte Philosophiegeschichte Europas begann mit Heraklits dunklen „vorsokratischen Fragmenten" zwischen antagonistischen Spannungspolen. Platon war Literat und Philosoph zugleich, ein Dichter der Dialoge und Denker der Ideen (pointierte Arten/Species zwischen unbestimmten Gattungen und sinnfälligen Individuen). Auf ihn berief sich noch im 19. Jh. der Moralist J. Joubert, „Platone platonior". Der Platoniker Plutarch war ein früher und einflussreicher Moralist, der konzis formulierte. Platons Meisterschüler Aristoteles beschrieb in seiner „Rhetorik" (Kapitel II, 21) die „Gnome" (griechisch: Erkenntnis) hinter der Affektenlehre. Der sophistische Arzt Hippokrates verfasste um 400 vor Chr. erste medizinische „aphorismoi". Der pointierte Lakonismus des römischen Stoikers Seneca bildete in den ersten Jahrzehnten nach Christus einen Vorläufer des aphoristischen Stilideals.
Auf der Grenze zwischen Mittelalter und Neuzeit konnte Nikolaus von Kues den Widerspruch zwischen dem einen Schöpfer und seiner vielfältigen Schöpfung nur noch in paradoxen Gedanken überbrücken, die schon der Dialektik Adornos ähneln (wie der Neophänomenologe Hermann Schmitz 1977 in einem Hegel-Vortrag sah). Francis Bacon verteidigte zum ersten Mal gedankenexperimentelle Forschungsaphorismen ausdrücklich gegen die methodische Pedanterie scholastischer Summensysteme. Montaignes„Essais" von 1580 begründeten die europäische Moralistik i. e. S., mit vielen Apophthegmata-Zitaten aus der lateinischen Antike. – Blaise Pascals aphoristische „Pensées" und Balthasar Gracians prä-aphoristisches „Handorakel der Weltklugheit" (1647) beeinflussten Larochefoucauld, den Urahn des literarischen Salon-Aphorismus von 1665 in der Fronde gegen den Hof von Versailles.
Das Werk des logischen Rationalisten Leibniz liegt ähnlich überfragmentiert vor wie das des logischen Mystikers Wittgenstein und spiegelt ein infinitesimal überfragmentiertes Weltbild. Seine gleichsam aphoristisch konzipierten „Monaden" (Einheiten) sind miroirs vivants, jede eine monde concentré, ein perspektivischer Kleinstspiegel des Universums aller anderen Monaden. „Monaden haben keine Fenster" zu anderen metaphysischen Aphorismen, und jede reflektiert die Konstellationen aller anderen (sozialdarwinistisch konkurrierenden) Alternativ-Möglichkeiten. Kants praktische Vernunft ging aus von „Maximen des Handelns", willkürlich wählbaren moralistischen Klugheitsregeln (hypothetische Imperative), die er dann einem moralischen Generalisierbarkeitstest unterwarf, ob sie auch reine Naturgesetze seien. Kants „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" untersuchte, bevor die Frühromantiker ihn zum „Prinzip und Organ der Universalphilosophie" erhoben, den Witz als „Assoziation heterogener Vorstellungen der Einbildungskraft" (als „gemeinsame Wurzel von Verstand und Sinnlichkeit" verstanden). Kant empfahl diesen Esprit als belebend gesundes und „freies Spiel aller Gemütskräfte", weil „das Paradoxon das Gemüt zur Aufmerksamkeit und Nachforschung erweckt, die oft zu Entdeckungen führt", also zu fruchtbaren Hypothesen. Gerhard Neumann sprach von einer „transzendentalen Moralistik" seit Kants „kopernikamscher Wende", welche zu Fichtes Entdeckung einer von objektiven Fakten „entfremdeten Subjektivität" (Herm. Schmitz) führte, die ohne Fichtes „Tathandlung" in die Fragmente der „romantischen Ironie" mündete.
Jedes universalpoetische Fragment stellt eine witzige Teilsynthese dar als indirektes Symbol des unerschöpflichen Absoluten; jedes endliche Bruchstück bildet für Schlegel und Novalis eine Allegorie des unendlichen Ganzen, das anders als indirekt andeutend gar nicht zu erkennen und auszusprechen sei.
Der unromantische Salomon Maimon arbeitete dem frühromantischen Projekt vor, indem er schon vor Fichte, Schlegel und Novalis ein Fichte ohne „Tathandlung" war, Kants reine Ideenvernunft durch transzendentale Einbildungskraft ersetzte, den transzendentalen Zirkel zwischen subjektiver Bestimmung und objektiver Bestimmtheit einführte und die absolute Abstraktion als Emanzipation der Ideen von Kants „Ding an sich" lehrte. (Mathematische Konstruktionen der Imagination schienen ihm allerdings vollkommener als die „ästhetischen Ideen" der romantischen Phantasie.)
Schon Salomon Maimon hatte noch vor Gottlieb Fichte in Kants Ideen der reinen Vernunft nur Vollkommenheitsideen einer Einbildungskraft gesehen, die seit Schlegel und Novalis ins „reine Schweben" der romantischen Phantasie über allen Fakten geriet. Friedrich Hegels System war motiviert vom Versuch, diesen ironischen Subjektivismus der romantischen Fragmente ins große Ganze wiedereinzufangen, zu entschärfen und dann dialektisch zu überbieten, ohne in einen bloßen Fakten-Objektivismus zurückzufallen.
(Diese Interpretation des „deutschen Idealismus" benutzt dankbar das bedeutende Werk von Hermann Schmilz : „Selbstdarstellung als Philosophie", Bonn 1995).
Vom frühromantischen Motiv der schrankenlos wendigen, emanzipierten Subjektivität zehrten noch Schopenhauers „Aphorismen zur Lebensweisheit" (aus dem „Weltauge" über allem Treiben) und die ideologiekritischen Aphorismen Fr. Nietzsches; beide waren durch die europäische Moralistik gegangen und von Larochefoucauld, Lichtenberg und Chamfort tief beeindruckt. Seit Lichtenberg übrigens war der literarische mit dem philosophisch-wissenschaftlichen Aphorismus pietistisch-positivistisch verbunden.
Der Einfluss des frühromantischen Fragmentarismus reichte bis zum logischen Atomismus Wittgensteins, der unter dem Eindruck des sprachkritischen Aphoristikers Karl Kraus seinen „Tractatus" von 1922 ursprünglich „Der Satz" nennen wollte. Im Fragment „zeigt sich nur indirekt", was nicht der Fall sei, also das in formaler Logik und mathematischer Physik „Unaussprechliche", das Ganze, das er das Mystische nannte: die Art und Weise, wie das Subjekt über sein Objekt redet. (Siehe Manfred Frank: „Stil in der Philosophie", Stuttgart 1992)
Im 20. Jh. hat noch einmal Theodor W. Adorno die ideologiekritische Potenz und die „negative Dialektik" des individualistischen Einzelaphorismus verteidigt gegen kollektiven Konformismus, Hegels Allversöhnungssynthese und andere potent(iell)e Weltbemächtigungssysteme. Im Aphorismus sah er nach Nietzsche eine „rationale Vernunftkritik" und pries (wie Löwith und Blumenberg) einen Paul Valéry, dessen Gnomik die unaufhebbare Spannung festhielt zwischen Kunst und Philosophie, Bild und Begriff, konkreter Lebenserfahrung und den formalen Wissens(chafts)systemen.
Freuds „Abfuhrtheorie scheitert an den sinnigen Witzen, die zum Nachdenken anregen und trotzdem Lust schenken." (H. Schmitz: „Der unerschöpfliche Gegenstand", Bonn 1995, S. 166) Diesen „sinnreichen" Witz der Urteilskraft hatte Kant im Auge.
„Denken und Sein werden vom Widerspruch bestimmt." (Aristoteles) „Meine Philosophie ist ein System von Fragmenten." (Fr. Schlegel) „Nietzsches Philosophie ist ... ein System in Aphorismen." (Karl Löwith, 1978) Nach Habermas sind Adornos „Minima Moralia" als „Sammlung von Aphorismen zu lesen, als sei sie ein philosophisches Hauptwerk." „Die Zukunft der Literatur und der Philosophie liegt ... in aphoristischen Texten." (Th. Stölzel, 1998)
Aphoristik „erscheint als literarische Anthropologie im 17. und 18. Jahrhundert, als lebendigster Ausdruck des Konflikts von logisch-mathematischer und ästhetischer Wahrheit (Gerhard Neumann: „Ideenparadiese", München 1976) um die Wende zum 19. Jahrhundert in Deutschland, als Integration von Poesie und Philosophie im romantischen Fragment, als Einheit von Erleben und Denken, Wahrheit und Dichtung bei Nietzsche ..." (Friedemann Spicker, 1999)
Philosophie ist Liebe zum Witz an der Ursache oder zu einer Dirne namens Sophie
Die Fähigkeiten, um mit Philosophie sein Geld zu verdienen, sollten dafür schon disqualifizieren.
Politik heißt, philosophische Fragen durch ständige Realisierung abzuwehren.
Sie leben weniger nach als von ihrer Lehre : Der Wahrheitsgehalt einer Philosophie ist umgekehrt proportional zum Jahresgehalt des Philosophen.
Philosophen sind immer überflüssig: Entweder sind sie deiner Ansicht oder nicht.
Philosophie beruht auch auf dem Fehlschluss, dass Reiche mit der Armut mehr anfangen könnten als Arme mit dem Reichtum.
Ein guter Philosoph hängt seinen Gedanken nach jeder Windstille und ist ein Mensch, der sich nicht nur seinen Teil denkt.
Philosophen gelten schon als dunkel, weil sie uns klar machen, warum uns eigentlich klar ist, dass 1 + 1=2 ist.
Wenn Philosophen regieren, kann Gewalt sich rechtfertigen.
Moralisch handeln nur noch Philosophen, die über Meta-Ethik diskutieren, aber interdisziplinäre Expertenkommissionen ersetzen keine Allgemeinbildung.
Philosophie : Hintergedanken sind der Hinterwelt Lohn.
Ein Philosoph darf sich nicht durchsetzen. Er muss den Kopf über der eigenen Verwässerung halten.
Philosophie ist eine Alternative zur bloßen Alternative von materialistischen Reden über Geister und geistreichen Reden über materielle Dinge.
Das ist Anfang und Ende der Philosophie: Du stutzt — anderen die Flügel.
Erst kommt das Fressen, dann die Philosophie des Fressens und das Scheißen auf die Mm-oral.
Ein Philosoph ist ein Mensch, der andere lieber im Denksport schlägt als im Affekt.
Wer sich für die Idee opfert, dass keiner für Ideen sterben soll, war ein Philosoph.
Wer Froschkönigperspektiven aus Vogelscheuchenperspektiven betrachtet, ist noch kein Philosoph.
Nur die Leidenschaft für Vernunft geht mit den Philosophen nicht mehr durch.
Jede Philosophie ist so wahr, dass nicht einmal ihr Gegenteil falsch ist, und zugleich so sinnlos, dass nicht einmal ihr Gegenteil mehr Sinn macht.
Moderne Gespräche sind di-alogisch, philosophische Touristen erleben auf jedem Gebiet heute kostenlos die tollsten Frag- und Denkwürdigkeiten.
Ein Philosoph blutet nicht durchs Leben.
Für physisch Arbeitende gehörte Metaphysik zur physischen Erfüllung und physische Erfüllung zu den metaphysischen Dingen.
Neuigkeiten werden langweilig. Das Freizeithobby guter Journalisten sind Metaphysik oder ewige Unwahrheiten.
Der Metaphysiker ist totgesagt und totgeschwiegen. Er arbeitet für seine geistige Existenz mehr als für die physische Existenz anderer.
… und führe uns nicht in gentechnische Versuche und philosophische Experimentalessays darüber!
Wissenschaftsgeschichte besteht aus überholten Forschern, Literaturgeschichte aus nicht mehr gelesenen Autoren und Philosophiegeschichte aus noch unverstandenen Werken.
Das 21. Jh. will die Probleme genetisch lösen, die technische Lösungen des 20. Jhs. aufwarfen für soziale Probleme des 19. Jhs., als die Lösung metaphysischer Probleme moralische Probleme bereitete.
Wissenschaft sucht die Lösung aller Rätsel, Philosophie findet das Rätsel aller Lösungen.
Kunst erschafft, was sich durch Begriffe nicht vernichten lässt; Philosophen erkennen, was sich durch Künstler / Techniker nicht erzeugen lässt.
Kultur war der Weg von Hysterie, Zwangsneurose und homoerotischer Paranoia zu Kunst, Religion und philosophischem System – und zurück.
Philosoph ist ein Mensch, der alles, was uns handgreiflich überwältigt, begrifflich bewältigt, ohne dass er aufhört, sich vergewaltigt zu fühlen.
Psychologie entstand, als die Seele sterblich wurde, Philosophie blühte auf, als das Wissen die Weisheit verdrängte, und Kunst kam von Können als man nichts mehr von der Welt verstand.
Kunst kommt von gekonnter Impotenz, Musik von zugedröhnter Taubheit, Literatur von beredtem Schweigen, Malerei von blinder Sehenswürdigkeit und Philosophie von schlauer Unwissenheit.
Ob wir vor- oder nach- oder antimetaphysisch denken, ist eine metaphysische Entscheidung.
Als die Griechen Sklaven hatten, philosophierten sie. Obwohl die Deutschen Maschinen haben, philosophieren sie nicht.
Religion und Philosophie differieren darin, dass das Höhere sich dem Niederen opfert oder verdankt.
Philosophie löst uralte Probleme dadurch, dass sie brandneue entdeckt.
Wenn Politiker, Philosophen und Journalisten argumentieren, überzeugen sie eher davon, mich überredet zu haben, als dass sie mich überreden, überzeugt zu sein.
Die Philosophen können die Welt nicht mehr anders interpretieren, es kömmt ihnen deshalb darauf an, ihre Umwelt zu verändern.
Die Unterwelt, Nachwelt und Hinterwelt ist alles, was kein Fall für Philosophen mehr ist.
In manchen Philosophien kann ich schwer unterscheiden zwischen einem Beweisgrund, der mich überredet, und einer Rhetorik, die mich überzeugt.
Eine Philosophie kann nichts verstehen, sobald sie selbstverständlich wird, aber einiges erklären, solange sie einigermaßen unerklärlich bleibt.
Philosophen haben meine Welt bisher nur verschieden interpretiert; es kömmt ihr aber darauf an, die Philosophen zu verändern.
Wir Nichtphilosophen haben unsere Welt bisher nie interpretiert; es kömmt aber darauf an, uns nicht verändern zu lassen.
Ernster mit dem linguistic turn in der Philosophie machten Heideggers Etymologien als Wittgensteins Sprachspiele.
Philosophie treibt Probleme in Wissenschaften oder dorthin, wo keine Wissenschaft sie – bisher oder jemals – behandeln kann.
Philosoph : Weltbeleuchter als Blickwinkeladvokat.
Philosophie ist Intuition oder Produktion in der Maske der Deduktion oder Abduktion.
Erst steht der Philosoph starr vor Staunen, dann starrt er auf seine erstarrten Begriffe.
Philosophischer Logos war nicht der Weg von religiösen Mythen zu wissenschaftlicher Logik und blieb von Künsten durch Begriffsanalysen getrennt.