Fürchte den, der dich fürchtet - Rolf Friedrich Schuett - E-Book

Fürchte den, der dich fürchtet E-Book

Rolf Friedrich Schuett

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Beschreibung

In Religionen himmelt es, in Kirchen menschelt es, in Fortschritten teufelt es. Aphorismen und Essays zu kulturellen Vordringlichkeiten und gesellschaftlichen Aufdringlichkeiten Ist Philosophie nur noch als Philognomie möglich, als Liebe zum Witz bei der UrSache, als "unnachahmliche Eloquenz durch Kürze", denn "Kürze ist des Witzes Seele" (Shakespeare)? Philosophie ist Besinnung auf Scharfsinn und Stumpfsinn, ist sechster Sinn für Un(ter)sinn und Schwachsinn. Aphoristiker sind Dichter und Denker zugleich : Adorno sah in ihnen die Zukunft des Philosophierens. Vielleicht sind sie, die aus dem Zusammenhang gerissen "große Zusammenhänge vor sich sehen", Retter der individualistischen Subjektivität und am besten zuständig für das, was Robert Musil unter dem "anderen Zustand" verstand. DADA heute : Poesie und Philosophie zugleich, Weisheit als Witz nach dem Wissen. "Paradox ist die Bezeichnung, die Dummköpfe der Wahrheit geben" (Moréas). Solche Nonsens-Paradoxe sind und waren die Seele des Dadaismus.

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INHALT

Dadaheim zwischen Duell und Duett

Fragmente der Nachsokratiker in der europäischen Philosophie

Dadazumal die Eselsbrücken

Der Einzelne und sein Eigentum

Der „andere Zustand“ ohne Dadamen

Dadamals in der Antike

Salomon Maimon

: Dadarum die Dadaten

Cliffhanger zwischen Prolls und Profs

Dadafür und dadagegen, dadavor & dadanach

Dadarin und Dadaneben

Menschliches Dadasein ist dadagewesen

Zwischen Kabinett und Kabarett

Lob der Schmalspur

Archipel Mensch

Frisierte Motoren, unfrisierte Gedanken

Knallerbsen statt Kanonenschläge

Der Androide

Alles nur Geschmackssache?

Pausenclown mit Pausenbrot

Phantasielose Phantome

Expressionismus, verlorenes Expressgut?

SPINO ohne Spinozismus

Alkoholidays

FÜR ELKE IN LIEBE UND DANKBARKEIT

Dadaheim zwischen Duell und Duett

Was Naturwissenschaftler von unserem Innenleben

sagen, ist so kurios wie das, was wir vom All glauben.

Es heißt immer, das Glück sei flüchtig.

Aber nur zu bald ist es wieder hinter Gittern.

Jung verhält sich zu alt nicht mehr

wie Erstklässler zu Erstklassigkeit.

Es gibt Delikte, die sogar die Justiz nachjustieren.

Theoretiker wollen nur an keinem Tatort erwischt werden.

Kommunikation : Selbstgespräche der IT-Branche.

Auch fremd(artigst)e Gedanken haben ein Asylrecht.

Werden Berge in Täler geworfen, entstehen Ebenen.

Treffen 200 Seiten eines Buches

auch nur die zwei Seiten einer Sache?

Weltbilder sind oft zu unrealistisch,

weil sie nicht phantastisch genug sind.

Nur Wachstum realisiert, was seine Kritiker fordern.

E-Autos herzustellen, fordert viel mehr Energie,

als Benziner verbrauchen.

Gibt es nur einen einzigen Arzt, ist er gut genug.

Auch Ungerechten kann man Unrecht tun

und auch den Teufel verleumden.

Nur der theoretische und kontemplative Zweck heiligt

die aktiven und praktischen Mittel.

Jugendwahn, nicht Unsterblichkeitsglaube,

ist die Afterlife-Krise.

Hast du dich vergangen an mir, geh nicht in mich.

Gutes entsteht auf Pump. Gezahlt wird mit Inflation.

Tiefe Gedanken entstehen nicht in hängenden Köpfen.

Jeder spielt Rollen und probt vor Premierenpublikum.

Fürchte dich nicht vor Mutigen,

aber vor deiner Feigheit.

Heute kommen die Alten ganz nach den Jungen.

Auch Abgründe hat man schon gründlich überdacht.

Eine gottlose Welt ist so beliebt, weil sie glaubt,

den Teufel los zu sein.

Literatur hilft so wenig gegen Physik und Biologie

wie Astronomie gegen Astrologie. Und umgekehrt.

Es gibt hier durchaus noch eine Zensur, doch kaum

Verbietungswürdiges mehr.

Kurzgeschichten sind zu lang(weilig)e Aphorismen.

Man nimmt jetzt alles in Kauf, was Kaufkraft gibt.

Die Umwelt ist die moderne religiöse Hinterwelt, und

ein Umweltall gibt es nicht.

Erfahrungen macht man nur in Fahrtrichtung.

Ruhe genießt heute einen schlechteren Ruf als Ruhm

oder Revolution.

Muss ich deine Macht anerkennen,

um meine zu erhalten?

Übertrifft die Anzahl der Blackouts die Dunkelziffer

unserer Lichtblicke?

Kein Sterbens(w)örtchen ohne Macht(w)ortwechsel!

Das Böse ist immer konkret,

das Gute bleibt verdammt abstrakt.

Schrecksekunden sind nicht Schweigeminuten,

sie werden Schweigetage voller Redeflüsse.

Gut und Böse sind heute auf Augenhöhe, Mann und Frau auf Herz- oder Hinternhöhe, Dummkopf und Klugscheißer auf Brillenhöhe.

Auf Zielgeraden liegen viele krumme Dinger herum.

Das Diesseits wird erhofft und gefürchtet als Jenseits des Jenseits.

Sklaven kämpfen um freie Wahl

zwischen Tariffreiheit und Arbeitslosigkeit.

Genies : geisteswissenschaftliche Geisterfahrer.

Schadenfreude ist kein Urlaub von Staatstrauerarbeit.

Von sich schließt der Schlüssel auf ein Märchenschloss, nicht aber die Logik auf die Welt.

Liebe an deinen Feinden ihren Hass und Neid!

Teufel sind Herdenvieh, die Guten aber Splittergruppen wie splitterproduzierende Aphoristiker.

Kinderwunsch: Wenn ihr nicht bleibet wie die Kinder!

Der Lügner ist der Souverän. Er misst sich an keiner Wahrheit, und Handlungen haben volle Souveränität, messen sie sich nicht an Motiven und Folgen.

Trostspenden sind noch von der Vergnügungssteuer absetzbar.

Der Gang der Dinge ist nicht aufrecht und endet im Notfall mit Verfallsdatum.

Schütte nicht das Kind von Traurigkeit mit dem Bad in der Menge aus!

Praktiken sind den Theoretikern zu abgefallen, notwendige Theorien den Praktikern nur Anwendungen bloßer Redewendungen.

Heißt dein bester Freund Hein, sind deine Feinde halb so schlimm.

Entweder hast du Recht, bekommst dein Recht oder ist dir alles recht.

Was wir sind, vermögen wir nur ohne Vermögen.

Gebirge : Ins Getriebe geworfene Sandkörner.

Man verliebt sich, sobald man es nicht will, aber nicht, wenn man es durch Unwillen erreichen will.

Wer liebt, der trauert nicht der Freiheit nach. Wer einer Liebe nachtrauert, genießt nicht die Freiheit.

Was man lieben muss, das kann man verlieren – wie traurig. Was man verlieren kann, das liebt man – vertrauensvoll.

Verlierst du die geliebte Person (an Nebenbuhler oder Freund Hein), trauerst du dich frei für neue oder begräbst sie in deiner Totenstarre.

Den Denker macht noch nicht,

dass er sich Gedanken macht.

Von meiner Demut herab : Geld ist schlecht, weil man ohne schlechter wird als mit.

Ich weiß nicht, was ich will, will aber auch meinen unfreien Willen haben.

Liebst du den Nächsten, den du dir erschaffst?

Mancher fürchtet die Liebe, wie man aus Angst hasst.

Einmaleins ist eins und sollte mal zwei oder drei sein.

(Str)engster Pragmatismus nützt weniger

als die ausschweifendste Phantasie.

Nur Hilfsbedürftige können oft helfen,

und Gegenargumente verstärken nur die Vorurteile.

Moralisch gut scheint mir,

was ich vernünftig fordern kann.

Moderne Moral identifiziert leuchtende Vorbilder und abschreckende Beispiele.

Am besten toleriert mich, wer mir Recht gibt.

Jeder hat das Recht, auch seine eigene Meinung nicht zu tolerieren.

Arbeitsteilung heißt : Würden alle mitarbeiten, bliebe für jeden fast nichts übrig als Arbeitslosigkeit.

Volkes Stimme ist so selten wie Regierungserklärung Gottes Wort.

Ein Rechtsstaat ist widernatürlich, weil gegen das Naturgesetz des Stärkeren gerichtet.

Wer in Demokratien revolutionär wirken will, schreibt so, dass kein Zensor ihn verstände.

Kunstpreise zu erhalten, ist keine Kunst mehr.

Eine erdbebenverwüstete Stadt ist ein Naturdenkmal, und Poesie steht längst unter Dichtmalschutz.

Mit dem Alleinsein ist man nie so allein wie in Gesellschaft.

Was nicht weh tut, ist langweilig oder falsch.

Man tut etwas, solange man nicht weiß, was daraus folgt oder woraus es folgt.

Meinungsfrei? Mimosen dürfte man gar nichts, Grobianen aber alles sagen, und tut das Gegenteil.

Irrationale Wegrationalisierer

gehören gehörig wegrationalisiert.

Heideggers altes Da-sein entschloss sich schließlich zu dem Beschluss, ausschließlich Schluss zu machen mit logischem Schließen und sich dem Aufschluss über Offenkundiges abschließend zu verschließen.

Verantwortlich bist du nicht nur deinem Gewissen, sondern auch unserem.

Massenware ist schlecht, Luxus ist gut? Nein, Bosheit ist Massenware, Gutsein ist Luxus.

Wohl dem Leben, das kein Gegenstand eines guten Romans sein könnte!

Greis an zwei Krückstöcken : Nordic walking.

Stell dir vor, dass du dir nichts mehr vorstellen kannst.

Man arbeitet nur daran, arbeiten zu lassen.

Ich bin mir durchaus bewusst, dass mir manches nicht bewusst ist und dass ich bewusstlos sein könnte.

Dass alles sinnlos und gleichgültig sein könnte, wäre nicht sinnloser und gleichgültiger.

Welchen Sinn hat das Universum, welchen deine Mahlzeit darin? Haben beide Fragen denselben Sinn?

Wer sich ernstnimmt und nicht nur angenehm leben will, muss sich lächerlich werden.

Um sich mir überlegen zu fühlen, genügt es,

sich zu langweilen bei dem, was mich fesselt.

Wer den Kürzeren zieht, fasst sich ebenso kurz wie der, den er kurzhält.

Genommenes wird schnell “Gegebenes”.

Erlassen ist das bessere Erfassen.

Aphorismen sind Umwege durch Abkürzungen, Kulturen eher umgekehrt.

Fernsehkanalisation. Aphoristiker geben Redewendungen die notwendige Wende und fassen sich zugleich aristokratisch und plebejisch kurz.

Der Kopf reflektiert darauf, dass Augen nicht die Welt reflektieren.

Wer nicht freuden- und warenhausbacken sein will, wird schnell irrenhausbacken.

Gläubiger versetzen Schuldenberge – in Aufregung.

Physik wird immer metaphysischer, Philosophie immer handgreiflicher, Kunst immer anlagefreundlicher.

Hat der Ewige Wissen, Sein und Kraft so nötig wie sein Geschöpf Dummheit, Feigheit und Ignoranz?

Menschen großziehen heißt sie kleinstoßen.

Mancher mag zu dumm sein, um Denker zu werden, doch noch zu klug, um Dichter zu werden.

Man liegt im Leben, steht im Sterben und sitzt in der Tinte. Man stellt sich lebendig, legt sich zum Schlafen und setzt mich in Positur.

Unmenschen bilden das Allzumenschliche, Über- und Untermenschen den Humanitätshumus.

Ein Vorsprung setzt sich niemals aus Fortschritten zusammen, ein Ursprung nicht aus Gleichschritten.

Wirf Schatten und fang Grillen. Wenn Große größenwahnsinnig werden, sehen sie nur ihre wahre Größe.

Mein sterblicher Kern verbirgt die unsterbliche Hülle.

Erfahrungen wollen erflogen und ersessen werden.

Der größte Buchladen : Geldläufige Schubladen.

Was die Welt im Innersten zusammenhält, ist deine Innenwelt, die mit ihr und dir zerfallen ist.

Ein Buch ist als Palimpsest zu lesen oder als Plagiat.

Du stellst dir vieles vor, was sich dir nie vorstellt.

Mittelmaßlos. Auf Erhebendes werden Steuern erhoben, Erhabenes lässt man fallen.

Tiefe Gedanken machen sich breit und verbreiten sich höchstwahrscheinlich in niederen Sphären.

Ein offenes Herz ist kein blutiger Entschließmuskel.

Aufgeklärte haben die niedrigste Dunkelziffer.

Jeder Redefluss mündet ins Tote Meer der Geldflüsse.

Lächerlich ist, wer nichts mehr zu weinen hat.

Der Mensch ist das, was er vorhat mit dem, was er vor sich hat, damit er sich hinter sich hat.

Geherrscht hat immer nur, was längst ausgedient hat.

Wo Geschichte nicht mehr zählt,

erzählt man sich Geschichten.

Geschichte ist von gestern, Obsoletes nicht historisch.

Fast keiner geht in die Ewigkeit ein,

doch fast jeder in der Ewigkeit.

Wer noch schwer auf Draht war,

ist nun drahtlos ratlos.

Er weigerte sich immer, Tieren, Pflanzen und Steine sprachlich zu bestimmen. Das kam ihm vor, als würde er Elektronen verschiedene Eigennamen geben.

Du siehst die Welt nicht mit deinen, sondern mit den

Augen der Gesellschaft, die dein Ansehen ansieht.

Unser kerniger Vorwuchs leidet

an schlimmster Schalengesundheit.

Wetten, dass die Gesellschaft ein Glücksspielcasino ist? Freie Bahn dem tüchtigsten Würfel!

Der eine hat Glück im Spiel, dem andern glückt die Liebe. Wer auf Zufall setzt, ersetzt Geschicklichkeit geschickt durch Schicksal.

Der Mensch ist auch Glücksritter, der soziale Willkür durch Gottes Würfel verdrängt.

Ich wette auf gutes Wetter morgen und zugleich, dass ich die Wette verliere. So verliere ich zum Glück nie.

Weisheit ist die lächerliche Fähigkeit, seine Auslacher begründet auszulachen.

Für Adorno war alles lächerlich falsch, weil nichts seinem eigenen Begriff entspricht.

Nicht lächerlich ist nur Abstraktes, das begreift, wie lächerlich es sich vorm Konkreten macht.

Komisch wirkt Starrsinn vorm Lebendigen, aber auch Flexibilität vorm Charakter.

Analytische Denker verdrängen mit philosophischem Unsinn auch die Komik ihres pedantischen Eifers.

Mancher Charakter verrät nur,

man solle ihn nicht erraten können.

Pedanten kann man auch ziemlich pedantisch meiden. Interesse an Forschern ist oft Neugier auf Neugierige.

Das Artensterben erreicht leider nie Esel, Kamele und Ameisen.

Schriftsteller schließen Frieden mit Papierkriegen.

Die Würfel sind gefallen. Die Unterwürfigen auch.

Agnostiker wissen viel Falsches,

da sie von Wahrheit nichts wissen wollen.

Gute Aphorismen schwanken zwischen Bosheit und Falschheit, doch weiße Weste ist ihnen eher als weiße Fahne ein rotes Tuch.

Demut (und Kleinmut) geht vor dem Fall.

Zeitgeist ist das gute Gewissen der Gewissenlosen.

Es ist noch kein aufrechter Müßiggang

vom Himmel(bett) gefallen.

Geist ist keine Nebenwirkung des Körpers,

doch leibliches Wohl ein Placebo des Kopfes.

Jugend macht Erfahrungen, doch nur per Anhalter.

Tut Muße! Habermas geht zu verschwenderisch um mit der Verknappung der Unsinnressourcen.

Wer nichts zu verteidigen hat, ist tolerant.

Jedes Leben hat ein happy end.

Irgendwann ist es zu Ende.

Gegen Unvergänglichkeit helfen nur Moden.

Kausalität : Ursachen wirken wie Nebenwirkungen, Wirkungen wie Urursachen.

Künstler können daheim verreist sein. Sie haben die Fähigkeit, sich zuhause wie in der Fremde zu fühlen.

Kunst ersetzt Erfolg durch Qualität,

Literatur den Film durch Phantasie.

Zuständig fühlen sich immer nur Unverantwortliche.

Hilft keine Werbung, ist es Kunst. Stümper sind zu allem zu gebrauchen, Künstler zu nichts.

Prosa und Kontrasa : Reduktion als Produktion

„Maximen nach dem Sinn der Alten und solche nach dem Sinn der Jungen, Maximen der Vatertreuen und Vaterlosen, der Europäer und Orientalen, der Religiösen und Nichtreligiösen, mögen im vorschnellen Hinblick den Anschein der Willkürlichkeit aller Setzungen erwecken … Aber es ist töricht, die imperfekten Maximen nicht von der perfekten Maximenlosigkeit zu unterscheiden, die uns längst zerstört hätte.“ (Hermann Wein: „Kentaurische Philosophie“, München 1968, S. 231 f.)

Bakterienkulturforum. Medizin ist das einzige Fach, das wie ein Heilmittel wirkt.

Jugendsünden : Alterserscheinungen.

Jugend macht nicht glücklich, doch Alter unglücklich.

Zum Glück fehlt mir nur noch Glück.

Ritter zeichnen sich durch den Mut ihrer Knappen aus

In vino veritas : Denker haben nur Rosinen im Kopf.

Heute werden Herden als Helden verehrt

und Helden als Heloten geschmäht.

Maimons Grundsatz: Bestimmungen sind unbestimmbar, und Bestimmbares bestimmt nichts.

Massenveranstaltungen : Menschenverunstaltungen.

Aphorismenbände mit Illustrationen

sind wie Fahrräder mit Nachtisch.

Lebenswege sind nun eher aus demselben Holz

geschnitzt wie Dienstwege als wie Feldwege.

Kleingeducktes. Die schweigende Mehrheit :

Alles quasselt durcheinander.

Sorg(en)falt(en). Eine Rechtssache ist oft eine Fehlinterpretation der rechten Sprache.

Die Bilderflut wurde der Bildungslückenbüßer.

Aus den vielen Worten, die der Aphorismus verliert, werden ganze Romane gemacht.

Der Irre bekämpft mit seinen Neurosen den Psychiater

Frauen verdrehen uns den Kopf, damit sie uns nicht ins Gesicht sehen müssen.

Hemmungslose sind in ihre Ungebundenheit verstrickt

Folgt blindlings den Verblendeten. Klare Gedanken lassen sich so wenig auslegen wie Standpunkte.

Auch Fußtritte bringen oft einige Schritte weiter.

Hartbitter. Bücherwürmer begegnen den Herren des Erdreichs am Ende ganz auf Augenhöhe.

Das Sprichwort macht den Satz zum S(ch)atz. Der Aphorismus kurvt zwischen nichtssagendem Gerede und bered(e)tem Schweigen.

Die Gedanken sind frei – von Hand und Fuß und Kopf

Vernetzte Spinnereien. ZuNeigungen verpflichten zum ZuFall, AbNeigungen zum AbFall.

Maschinen tun nicht nur Menschenunmögliches, sondern schon Unmenschenmögliches.

Leben kommt unter die Steuerräder, die es ansteuert.

Wer immer neu anfängt, endet auch nur einmal und nicht später.

Der Weg ist das Ziel? Der Dienstweg des Trotts ist die Zielscheibe des Spotts. Der Dienstweg zum Holzweg.

Fragen lassen sich noch verantworten,

Antworten wirken schon fragwürdig.

Leben : Weitsprung ins Ich. Religion : Hochsprung zum Ursprung (mit Seitensprung ins Diesseits).

Bücken auf Krücken? Spring über Brücken!

Tiefpunkte : Mauern vor springenden Standpunkten.

Geurteilt wird letztlich im Namen des Namenlosen.

Formale Logik ist der Gefrierfachbereich des Kopfes.

Aufrechter Werdegang ist am Anfang ein Lehrgang.

Wird Wahrheit nur glaubwürdig, ist der Glaube nur fragwürdig.

Wer mit dem Teufel die Binsenweisheit gefressen hat, kann den Löffel abgeben.

Denker zeigen uns die Weisheitszähne knirschend.

Cogito, ergometricus sum.

Deal. Ideal. iDeal.

Auch Zurückhaltung will lange geübt sein,

und meist muss man erst das Üben meistern.

Macht Geld weniger glücklich

als sein Fehlen unglücklich?

Lebenssinn 3.0 : All-inclusive-wellness mit malerischem Blick auf Elendsviertel und Kriegsgräuel.

Wenige Junge nähren viele Alte statt wenige Reiche viele Arme.

Masche : Man kann nur noch Maschine werden oder Maschinist.

Six commonsenses. Erfahrung macht sicher, obwohl Verständnis nie vollständig ist.

Machen Begriffe und Anschauungen einander klarer oder braucht man dazu Ideen?

Du bewirkst, was dich bestimmt, und dich bewirkt, was du bestimmst.

Tu nicht forsch, was du erforschst, doch erforsche die Forschen!

Es ist Ding an sich. Wer erkennt von der Innenwelt mehr als von der Nachwelt oder Außenwelt?

Man hilft dir, wenn du das Richtige tust. Gott hilft dir, wenn du das Falsche denkst.

Du bist kein Mensch; du tust weder Gutes noch Böses.

Wer kein Arbeiter ist, war es auch nie.

Atheisten glauben, es bringe Glück,

an Gott nicht zu glauben.

Welcher Mensch denkt, dass er seine Nach- und Unterwelt lenkt?

Zwergrätsel zu Spottpreis(ung)en

„Paradox ist die Bezeichnung, die Dummköpfe der Wahrheit geben.“ (Moréas)

Metaphysik : Sind Leiber und Geister, Festkörper und Körperschaften Metaphern füreinander?

Weltbilder und Lebensweisheiten sind paradox, trivial oder falsch.

Die Philosophie machte dem gesunden Menschenverstand eher zu viele als zu wenige Zugeständnisse.

Wer bloßes Objekt ist, wird subjektiv.

Die objektiv sind, haben Objekte und sind keine.

Höheres Bewusstsein ist nichts als vertieftes Wissen.

Man verschließt die Augen mehr vor den Untatsachen.

Wer dienert, hilft keinem.

In der besten aller möglichen Welten

gilt das Böse im Menschen.

Im Sozialismus waren auch die Eigenliebe und Eigenschaften volkseigen.

Gesellschaftlich kämpft man nun für den berechtigten Desinteressenausgleich.

In vino veritas. Wer zu viel reinen Wein einschenkt, erzeugt Alkoholiker.

Würde : Aufrechter Gang in Verfall und Niederlage.

Man hat oft höhere Beweggründe zu niederen Idealen.

Wer sich zu kurz fasst, geht oft zu weit, doch von Geistesblitzen Erschlagene leben lustig weiter.

Selbstvertrauen ist gut, Selbstmisstrauen ist besser,

Selbstkontrolle am besten.

Gesundes Volksempfinden ist eine heile Bazille.

Wenn die Welt mal verändert ist,

will sie sich immer wieder oder nie mehr verändern.

Wer untreu wird,

kann immer noch ein dummer Hund sein.

Die wachsende Mitmenschlichkeit bedroht jeden.

Manche Gesetze verstoßen gegen mich.

Bei Juristen hat sich das Volk einen Namen gemacht.

Wo ein freier oder fester Wille ist, da ist auch ein Dienstweg zum Holzweg des größten Widerstandes.

Glaube ans Jammertal versetzt keine Schuld(en)berge.

Zweifelsfrei ist heute fast jeder glaubensfrei.

Was nun wirklich gilt,

ist prinzipielles Gegenteil aller Prinzipien.

Geldmittel haben den Zweck, größere zu heiligen.

Realismus : platonischer Materialismus.

Altruismus : platonische Eigenliebe.

Eigenliebe : platonische Selbstbefriedigung.

Der Sesshafte kam ins Schwimmen

gegen den Flüchtlingsstrom.

Die Gesellschaft ist die Keimzelle des Narzissten.

In Wahrheit ist alles möglich, doch

in Wirklichkeit nichts notwendig,

.

Du wirst nie vergessen. (Du warst nie bekannt.)

Selbstmord beruht eher auf Gegenseitigkeit

als Selbsterkenntnis und Selbstbewusstsein.

Die Wahrheit kann man eher in Gewahrsam nehmen als wahrnehmen.

Glaubt nicht an die Gottverlassenen oder Gottlosen!

Zur Weltliteratur fehlen mir die Ohnmachtworte.

Käuflichkeit erzeugt Kaufkraft.

Wer über Witze spottet, hat auch Humor.

Arbeitslose können nicht mehr fliegen.

Mit einem Wort : Schweigen! Mein Wort will keine Leser verletzen, sondern nur ihr dickes Fell zeigen.

+ + +

Fragmente der Nachsokratiker in der europäischen Philosophie

Die aphoristisch unterwanderte Philosophiegeschichte Europas begann mit Heraklits dunklen „vorsokratischen Fragmenten" zwischen antagonis-tischen Spannungspolen. Platon war Literat und Philosoph zugleich, ein Dichter der Dialoge und Denker der Ideen. Auf ihn berief sich noch im 19. Jahrhundert der Moralist Joseph Joubert, „Platone platonior".

Platons Meisterschüler Aristoteles beschrieb in seiner „Rhetorik" (Kapitel II, 21) das „gnomische Enthymem“ („Gnome": Erkenntnis) hinter der Affektenlehre. Der sophistische Arzt Hippokrates verfaßte um 400 vor Chr. erste medizinische „aphorismoi". Der pointierte Lakonismus des römischen Stoikers Seneca bildete in den ersten Jahrzehnten nach Christus einen Vorläufer des aphoristischen Stilideals.

Francis Bacon verteidigte zum ersten Mal gedankenexperimentelle Forschungsaphorismen ausdrücklich gegen die methodische Pedanterie scholastischer Summen-Systeme. Montaignes „Essais“ von 1580 begründeten die europäische Moralistik i. e. S., mit vielen Apophthegmta-Zitaten aus der lateinischen Antike. Blaise Pascals aphoristische „Pensées" und Balthasar Gracians prä-aphoristisches „Handorakel der Weltklugheit" (1647) beeinflußten Larochefoucauld, den Urahn des literarischen Salon-Aphorismus von 1665, in der aristokratischen Fronde gegen den absolutistischen Hof von Versailles.

Das Werk des logischen Rationalisten Leibniz liegt so überfragmentiert vor wie das des logischen Mystikers Wittgenstein und spiegelt ein infinitesimal überfragmentiertes Weltbild. Seine gleichsam aphoristisch konzipierten „Monaden" (Einheiten) sind miroirs vivants, jede eine monde concentré, ein perspektivischer Kleinstspiegel des Universums aller anderen Monaden. „Monaden haben keine Fenster" zu anderen metaphysischen Aphorismen, und jede reflektiert die Konstellationen aller anderen (sozialdarwinistisch konkurrierenden) Alternativmöglichkeiten.

Seit Lichtenberg war der literarische mit dem philosophisch-wissenschaftlichen Aphorismus pietistisch-positivistisch verbunden.

Kants praktische Vernunft ging aus von „Maximen des Handelns", willkürlich wählbaren moralistischen Klugheitsregeln (hypothetische Imperative), die er dann einem moralischen Generalisierbarkeitstest unterwarf, ob sie auch reine Naturgesetze seien. Kants „Anthropologie in pragmatischer Hinsicht" untersuchte, bevor die Frühromantiker ihn zum „Prinzip und Organ der Universalphilosophie" erhoben, den Witz als „Assoziation heterogener Vorstellungen der Einbildungskraft" („gemeinsame Wurzel von Verstand und Sinnlichkeit"). Kant empfahl diesen Esprit als belebend gesundes und „freies Spiel aller Gemütskräfte", weil „das Paradoxon das Gemüt zur Aufmerksamkeit und Nachforschung erweckt, die oft zu Entdeckungen führt", also zu fruchtbaren Hypothesen. Gerhard Neumann sprach von einer „transzendentalen Moralistik" seit Kants großer „kopernikanischer Wende", welche zu Fichtes Entdeckung einer von objektiven Fakten „entfremdeten Subjektivität" (Hermann Schmitz) führte, die ohne Fichtes „Tathandlung" in die Fragmente der „romantischen Ironie" mündete. Jedes universalpoetische Fragment stellt eine witzige Teilsynthese dar als indirektes Symbol des unerschöpflichen Absoluten; jedes endliche Bruchstück bildet für Schlegel und Novalis eine Allegorie des unendlichen Ganzen, das anders als indirekt gar nicht zu erkennen und auszusprechen sei.

Der unromantische Salomon Maimon arbeitete dem frühromantischen Projekt vor, indem er schon vor Fichte, Schlegel und Novalis ein Fichte ohne „Tathandlung" war, Kants reine Ideenvernunft der Dialektik durch transzendentale Einbildungskraft ersetzte, den transzendentalen Zirkel zwischen subjektiver Bestimmung und objektiver Bestimmtheit einführte und die absolute Abstraktion