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Der Ararat, mit über 5000 Metern höchster Berg an der Grenze der Türkei zu Armenien, ist Ort eines in vielen Religionen verbreiteten Glaubens: Hier soll nach dem Ende der gottgewollten Sintflut die Arche Noah gestrandet sein. Dieser Mythos hat den niederländischen Autor Frank Westerman seit seiner Kindheit begleitet. Er ergründet ihn in einer atemberaubenden Zeitreise im Spannungsfeld zwischen Wissen und Glauben, Historie und Gegenwart. Das Werk ist für drei Literaturpreise nominiert und erscheint in Übersetzungen in sieben Ländern.
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Seitenzahl: 376
Frank Westerman
Ararat
Pilgerreise eines Ungläubigen
Aus dem Niederländischen von
Stefan Häring und Verena Kiefer
Ch. Links Verlag, Berlin
Die Originalausgabe erschien 2007
im Verlag Atlas, Amsterdam/Antwerpen
© Frank Westerman 2007
(www.frankwesterman.nl)
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet
diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie;
detaillierte bibliografische Daten sind im Internet
über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
© der deutschen Ausgabe:
Christoph Links Verlag – LinksDruck GmbH, 2008
Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0
Internet: www.linksverlag.de; [email protected]
Umschlaggestaltung: KahaneDesign, Berlin
unter Verwendung eines Fotos vom Nachbau
der Arche Noah am Berg Ararat durch Greenpeace
zur Warnung vor einer bevorstehenden Klimakatastrophe
im Mai 2007 (Foto Manuel Citak)
ISBN 978-3-86284-009-0
Prolog
Das Wasser hatte die Steine zu Eiern geschliffen. Milchquarz war ebenmäßig weiß und undurchsichtig. Granulit grünlich und fleckig. Außerdem gab es noch Kalkstein, der sich nahezu porös anfühlte.
Der Bergbach kullerte das Gerölle unablässig in Richtung See und zermahlte es zu Kies – »gewaschenem Kies«, wie man ihn im Unterlauf der großen Flüsse gewinnen konnte. Geschwindigkeiten von einem Kilometer pro Jahrhundert waren keine Seltenheit, während einer Eiszeit jedoch konnte der Transport ruhen.
Die Steine der Ill, eines knietiefen Baches in den österreichischen Alpen, waren bestimmt schon einige Jahrtausende unterwegs gewesen, als einige Hundert von ihnen im Sommer 1976 vorübergehend aufgehalten wurden und sich ihr Kurs geringfügig änderte. Am 23. Juli jenes Jahres nämlich hoben spielende Kinder sie mit bloßen Händen aus dem trockenen Teil des Bachbetts, schleppten sie zum Wasser und ließen sie mit einem lauten Platsch! in die Stromschnellen plumpsen.
Eines dieser Kinder war ich. Elf Jahre alt, wahrscheinlich der Jüngste. Ich erinnere mich noch daran, wie ich immer einige Momente lang die Veränderung beobachtete, die jeder Stein im Wasserlauf zu Wege brachte. Wir bauten einen Damm, der den Bach drei oder vier Handbreit aufstaute, ihn kurz beruhigte und dann plötzlich, wie beim Judo, zur Seite warf. Was für eine Gewalt! Meine rauen Fingerspitzen und das Prickeln in den Unterarmen verstärkten das Gefühl, dass wir uns den natürlichen Lauf der Dinge gefügig machen konnten. Die Ill zerrte an Knöcheln und Knien, doch sie brachte uns nicht zu Fall. An beiden Seiten erhoben sich bewaldete Abhänge, doch trotz dieser dunklen Wände hatte der Talboden nichts Grimmiges. Die nahe gelegene Brücke zum Dorf Gargellen mit ihrem Holzdach, in dem Schwalben nisteten, schuf eine sorglose Märklin-Stimmung.
Aus unserem Spiel wurde an jenem wolkenlosen Tag Ernst. Da gab es drei »Bauherren«, hochgewachsene Jungen, die aus dem Wasser heraus Anweisungen gaben. Sie hatten die T-Shirts nach Piratenart um den Kopf gewickelt. Unter Anführung des Oberbauherrn schütteten wir einen Damm auf, der bis zur Mitte der Ill reichte. Dort lag eine nicht bewachsene, längliche Insel, kaum mehr als ein Kiesstrand, der den Bach mit seinem Bugspriet zweiteilte. Die Ill fügte sich und strömte schäumend links und rechts vorbei, um sich danach am Kiel mit großem Getöse wieder zu verflechten. Sobald der Damm fertig war, wollten wir auf der Insel ein Zelt aufschlagen und ein Lagerfeuer entfachen.
Waldcamping Batmund, wo wir mit unseren Eltern die Ferien verbrachten, hatte 42 Stellplätze: Die »Ill-Insel« hinter dem angrenzenden Flutwäldchen sollte Nummer 43 werden.
Gegen Mittag war der Verbindungsdamm fertig. Es musste nur noch ein Ankerstein gesetzt werden, und zu diesem Zwecke hatte der Oberbauherr einen Baumstamm aus dem Wald geholt, den er ganz allein, während die anderen zuschauten, wie einen Rammbock unter einen Felsblock am Hang bohrte.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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