Argula von Grumbach - Uwe Birnstein - E-Book

Argula von Grumbach E-Book

Uwe Birnstein

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Beschreibung

Argula von Grumbach (1492-1554) ist eine der wichtigsten Figuren der Reformation in Bayern sowie eine der wenigen eigenständigen Frauen der Reformation. Mutig und couragiert setzte sie sich in Schrift und Wort für die Erneuerung der Kirche ein.

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Seitenzahl: 135

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Uwe Birnstein

Argula vonGrumbach

Das Leben der bayerischen Reformatorin

Zu diesem Buch

Argula von Grumbach (1492–1554) setzte sich couragiert für die Erneuerung der Kirche ein. Leidenschaftlich und beharrlich forderte sie Amtsträger und Akademiker mit der Bibel heraus. Argulas Schriften wurden noch zu ihren Lebzeiten Bestseller. Sie stand mit berühmten Reformatoren in Kontakt, mit Martin Luther etwa traf sie sich.

Argula von Grumbach war eine der wenigen eigenständigen Frauen der Reformation, von denen wir wissen. Mutig agierte sie sogar gegen den Willen ihres Ehemannes, was die ganze Familie zu spüren bekam. Und sie war eine der wichtigsten Figuren der Reformation in Deutschland.

Die leicht lesbare Biografie, eine Einführung in Argulas Leben und Wirken, wird ergänzt durch einen informativen Reiseführer an ihre Wirkungsstätten (Beratzhausen – München – Dietfurt – Lenting – Burggrumbach – Nürnberg – Ingolstadt – Regensburg – Köfering – Coburg – Augsburg – Zeilitzheim – Hausham).

Über den Autor

Der evangelische Theologe Uwe Birnstein (geboren 1962) arbeitet seit 1989 freiberuflich als Autor und Redakteur für Zeitschriften, Hörfunk und Fernsehen. Er veröffentlichte mehrere Bücher zu theologischen und historischen Themen. Zum Thema Reformation zuletzt erschienen: Der Reformator. Wie Johannes Calvin Zucht und Freiheit lehrte, Berlin 2009; Der Erzieher. Was Philipp Melanchthon Europa lehrte, Berlin 2010.

Infos und Kontakt, auch für Lesungsanfragen: www.birnstein.de

Impressum

Zitate Argula von Grumbachs sind kursiv gesetzt. Zur besseren Verständlichkeit sind sämtliche Zitate im Regelfall in heutiges Deutsch übertragen.

Dieses Buch als E-Book:

ISBN 978-3-86256-749-2, Bestell-Nummer 590 048E

Dieses Buch in gedruckter Form:

ISBN 978-3-86256-048-6, Bestell-Nummer 590 048

Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.d-nb.de abrufbar

Redaktionelle Mitarbeit: Sonja Poppe Umschlaggestaltung: spoon design, Olaf Johannson Umschlagbild: Uwe Birnstein (Argula-Statue von Mihai Buculei in Beratzhausen)

Satz: Neufeld Media, Weißenburg in Bayern

© 2014 Neufeld Verlag Schwarzenfeld

Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit Genehmigung des Verlages

www.neufeld-verlag.de / www.neufeld-verlag.ch

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INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

BIOGRAFIE – DAS LEBEN DER ARGULA VON GRUMBACH

KAPITEL 1

Kindheit zwischen Fantasy und Bibel

Ritterliche Kindheit

Die geschenkte Bibel

Hofdame bei Kunigunde

KAPITEL 2

Ehefrau mit großem Netzwerk

Die Staufferin wird Frau von Grumbach

Familienleben in Dietfurt

Argulas evangelisches Netzwerk

KAPITEL 3

Die Affäre Seehofer

Ritter und die Reformation

Arsacius Seehofer

Argulas Protest

Der Sendbrief

Appell an Jugendfreund Herzog Wilhelm

Arsacius‘ Schicksal

KAPITEL 4

Mutter Courage

Der Ingolstädter Rat

Argula beim Nürnberger Reichstag

Ein Brief an Luthers Kurfürsten

Werben um den Onkel

KAPITEL 5

Spott und Männermacht

Spott statt Gespräche

Die Angst der Männer vor gebildeten Frauen

Friedrich wird seines Amtes enthoben

Argula ermahnt die Regensburger Stadtväter

KAPITEL 6

Gipfeltreffen mit Martin Luther

Bauern proben den Aufstand

Erziehungsprobleme

Besuch bei Luther auf der Veste Coburg

Argula beim Augsburger Reichstag

KAPITEL 7

Neues Glück und tiefe Trauer

Die Managerin

Die zweite Ehe mit Burian von Schlick

„Vier Kindlein, von Gott versorgt“

Die letzten Jahre

EPILOG

Knapp 500 Jahre später

Lebensdaten

Literatur

Nachklang: Louise Otto-Peters: Argula von Grumbach

REISEFÜHRER – AUF DEN SPUREN ARGULA VON GRUMBACHS

Allgemeine Informationen Vorschläge für Touren

Tour 1:

Tour 2

Tour 3

Tour 4

INFORMATIONEN ZU EINZELNEN ORTEN

Beratzhausen

München

Dietfurt

Lenting

Burggrumbach

Nürnberg

Ingolstadt

Regensburg

Köfering

Coburg

Augsburg

Zeilitzheim

Hausham

ÜBER DEN VERLAG

VORWORT

„Argula – wie bitte?“ Ich kann mich noch erinnern, was ich dachte, als ich den Namen zum ersten Mal hörte. „Argula“ – das klang nach einem Wesen nicht von dieser Welt, irgendwo anzusiedeln zwischen Römersaga und Raumschiff Enterprise. Doch dann näherte ich mich jener Argula und erfuhr, dass sie eine hochwohlgeborene „Freiin von Stauff “ war. Ich las ihre Schriften – und es taten sich mir Welten auf. Da hatte eine fromme adelige Frau aus der fränkischen Provinz den Gelehrten ihrer Zeit die Leviten gelesen. Nicht nur denen, auch den Politikern, den bayerischen Herzögen sogar. Bibelkundig und selbstbewusst hatte sie gemahnt, den wahren Glauben genauso wenig zu unterdrücken wie die Lehren Martin Luthers und all der anderen Reformatoren; traten die doch wortmächtig dafür ein, dass sich der Glaube bitteschön an der Bibel orientieren solle und nicht an der Kirche oder dem, was die Kleriker und Schriftgelehrten behaupteten.

Argula, verheiratete „von Grumbach“: Die Menschen spürten, dass ihre Worte die Wahrheit trafen und zur rechten Zeit kamen. Deswegen wurden ihre Briefe zigtausendfach gedruckt; sie wurde zu einer Bestsellerautorin ihrer Zeit. Ich stelle mir vor, wie bei den Leserinnen und Lesern der Mut wuchs und der heilige Zorn über all die Unverschämtheiten einer selbstgerechten Kirche, die es wagte, Gott für ihre mickrigen Eitelkeiten und hybriden Machtpläne in Anspruch zu nehmen. Ihr Ehemann teilte Argulas Glaubensleidenschaft nicht – er ließ sie dennoch gewähren. Friedrich von Grumbach: ein neuer Mann, der das ganz und gar unübliche Engagement seiner Frau tolerierte, sogar als er ihretwegen seine Stelle als Landpfleger verlor? Was für eine Geschichte! Und dann hatte diese Frau auch noch den Mut, Martin Luther zu besuchen, den „großen“ Reformator, um mit ihm Theologisches und Privates zu besprechen!

Auf die Spuren dieser Frau wollte ich mich begeben. Zwei Männer der Reformation hatte ich bereits porträtiert: Philipp Melanchthon, den gebildeten Humanisten an Luthers Seite, und Johannes Calvin, den bärbeißigen Reformator Genfs, dem jedes Mittel Recht war, Gottes „Ehre“ rein zu halten. Argula eröffnete mir eine andere Perspektive der Reformation. Da machten sich einfache Menschen aus dem Volk, Nichtstudierte, auf, die Welt des Glaubens zu entdecken. Und als sie fündig wurden, vertrauten sie nur ihrem Herzen und ihrem Gewissen und traten couragiert für das Erkannte ein. Nicht unbedingt als Luther-Fans, sondern als eigenständige Menschen, die sich mutig ihres eigenen Verstandes und Glaubens bedienten. Viele Frauen gehörten zu dieser Bewegung, die heute womöglich „Reformation von unten“ heißen würde. Argula ist eine der außergewöhnlichsten von ihnen.

Argulas Spuren entdeckte ich bei meinen Reisen durch Bayern an vielen Orten: in ihrem Geburtsort Beratzhausen, natürlich; in der wunderschönen Region entlang der Laber und im Altmühltal, wo Dietfurt liegt, jener Ort, in dem sie ihren ersten und berühmten Sendbrief schrieb. Aber auch in den Städten: an der Ingolstädter „Hohen Schule“, in München, Nürnberg und Regensburg. Und dann auf der Veste Coburg, wo Argula Luther besuchte und wo die Vögel unter dem Fenster seiner Kammer genauso zwitscherten, wo der Blick heute genauso in die Weite geht wie damals. Wer die Menschen aus vergangener Zeit kennenlernen möchte, sollte sich nicht mit dem Studium ihrer Schriften begnügen. Gerade bei Argula ist das Erkunden ihres Lebensumfelds relativ leicht und noch dazu von touristischen Hochgenüssen sowie allerfeinsten Kultur- und Naturerlebnissen gekrönt. Pilgern ist keine urkatholische Angelegenheit. Eine Zeit lang unterwegs zu sein, innezuhalten und sich dem Wesentlichen zu öffnen: Diese gute Erfahrung machen immer mehr Evangelische. Die Lebens- und Wirkensorte Argula von Grumbachs bieten dafür ideale Ziele. Im Anhang dieser Biografie finden Sie Informationen und Tipps für Ihre ganz persönliche Begegnung mit Argula von Stauff.

Santa Maria del Camí, Februar 2014

Uwe Birnstein

BIOGRAFIE – DAS LEBEN DER ARGULA VON GRUMBACH

Bild eines unbekannten Künstlers in der Sakristei der evangelischen Kirche von Beratzhausen. (Foto: Uwe Birnstein)

KAPITEL 1

Kindheit zwischen Fantasy und Bibel

Ritterliche Kindheit

„Gramaflanz“. „Sekundilla“. „Freirafis“. Was sind das für Eltern, die ihren Kindern so seltsame Namen geben? Zunächst: solche, die sich von einem Fantasy-Buch offenkundig mehr inspirieren lassen als von der Bibel. Reichsfreiherr Bernhardin von Stauff und seine Frau Katharina von Törring hatten den Parzival gelesen, jene 25.000 Reime umfassende Erzählung, in die der Dichter Wolfram von Eschenbach um 1200 eine Heldensaga rund um ritterliche Treue und hinterhältigen Verrat, um den Heiligen Gral und die sagenhafte Tafelrunde, um mutige Männer und selbstbewusste Frauen gefasst hatte. So angetan waren die Adligen aus dem ostfränkischen Beratzhausen, dass sie ihre Kinder lieber auf die Namen der Helden aus diesem Reimroman tauften als auf die Namen christlicher Heiliger. So kam es, dass die Zweitgeborene, die irgendwann im Jahr 1492 das Licht der Welt erblickte, nicht Maria hieß, sondern Argula. Frei nach Orgeluse, jener stolzen Herzogin aus dem „Parzival“, die so klug wie reizvoll mächtige Männer um den Finger wickelt. Der Name – ein Programm?

Kämpfe war die Stauffer-Familie gewohnt. Dabei ging es allerdings nicht um den Heiligen Gral, sondern schlicht um die Macht und Unabhängigkeit des fränkischen Ritterstandes. Katharina, mit Argula schwanger, wird große Sorgen um sich und ihr Kind ausgestanden haben. Denn ausgerechnet während dieser Zeit tobte der kriegerische Zwist zwischen dem bayerischen Herzog Albrecht IV. und den im sogenannten Löwlerbund zusammengeschlossenen freiheitsbedachten Rittern seinem Höhepunkt entgegen – leider zum Nachteil der Ritter. Anfang des Jahres plünderten und verwüsteten des Herzogs Truppen Burg Ehrenfels und das Dorf Beratzhausen, Wohnort der Stauffer-Familie. Grausam ging es zu für die Bevölkerung, „die armen Frauen wurden bei der Plünderung ihrer Kleider entblößt, an ihrem Leib gepeinigt in der Meinung, Geld zu finden“, berichtet ein Chronist. Die Schätze der Stauffer werden entwendet und nach München gebracht. Ein empfindlicher Verlust, von dem sich die einst reiche und bedeutende Familie nie erholen wird. Noch fünfzig Jahre zuvor war sie einflussreich und wohlhabend gewesen. Nun ist ihr Niedergang besiegelt. Auch ein rascher Friedensschluss mit dem Herzog verhindert das nicht. Dass ihr Vater unter den Herren von Bayern verdorben und seine Kinder zu Bettlern geworden sind, erinnert sich Argula später an diese Zeit.

Turmruine der Burg Ehrenfels bei Beratzhausen. (Foto: MacElch/wikimedia CC 3.0)

Ihre Großeltern Hans von Stauff, einst Herr von Ehrenfels, und seine Frau Margarethe Schenk von Geyern werden der kleinen Argula von den guten Jahren erzählt haben. Da war ihr Vermögen so groß, dass sie Bischöfen und Herrschern Kredite und Bürgschaften gewähren konnten und wichtige Positionen in der Kirche besetzten. Reichtum war das eine – Ansehen das andere. Das hatte sich der Großvater auch durch eine Pilgerreise nach Venedig und ins Heilige Land erworben. Am Heiligen Grab hatte er den Ritterschlag empfangen. Wo die biblischen Geschichten spielten, wusste er nun aus eigener Anschauung. Nach seiner Rückkehr gab er bei dem Künstler Berthold Furtmeyr eine illustrierte deutschsprachige Bibel in Auftrag. 1472 war sie fertiggestellt – prächtige Miniaturen zeigen biblische Szenen weiser Männer und starker Frauen: Judith, die erst den feindlichen Holofernes betörte, ihm dann den Kopf abschlug; Esther, die kluge Gattin des persischen Königs; Ruth, die mutige Witwe. Die Anfangsseite zeigt Maria mit dem Jesuskind auf einer Mondsichel. Darunter knien anbetend – nein, nicht die drei Weisen aus dem Morgenland, sondern die hübschen Großeltern Argulas in jungen Jahren. Sie werden ihrer Enkelin erzählt haben, dass diese Bibel leider vom Herzog entwendet wurde und nun im fernen München sei, am Hof des Herzogs. Im Herzen Bayerns sozusagen.

Die geschenkte Bibel

Diese Mischung aus adligem Standesbewusstsein und Wertschätzung des christlichen Glaubens wird Argula auch von ihren Eltern Bernhardin und Katharina vermittelt. Als sie zehn Jahre alt ist, schenkt ihr der Vater eine deutsche Bibel, ähnlich prächtig illustriert wie die verlorengegangene der Großeltern. Sie stammt aus der Nürnberger Druckerei des Anton Koberger. Hier kann Argula Bilder zu den biblischen Geschichten sehen, die ihr erzählt wurden: wie die Welt und die Menschen erschaffen wurden; wie Moses die Gesetze Gottes empfängt. Sie sieht Engel und Drachen im Kampf und erahnt die Schrecken des Jüngsten Gerichts. In ihrem kindlichen Kopf kommt vieles zusammen: die Sagen rund um Parzival und den Heiligen Gral, die Erzählungen der Bibel und die fantasievollen Berichte aus dem damaligen Volksbuch des Fortunatus‘, der mit einem nie versiegenden Wunschhut um die Welt reist und allerlei märchenhafte Dinge erlebt. Offenkundig war Argula schon als Kind sehr beflissen im Lesen. So wird ihr der Rat einiger umherziehender Mönche seltsam vorgekommen sein, die ihr verboten, die deutsche, vom Vater geschenkte Bibel zu lesen.

Zu den Lesewelten treten eigene Reiseerfahrungen. Mutter Katharina, ebenfalls aus einer angesehenen Adelsfamilie stammend, dem bayerischen Geschlecht Toerring (auch: Thering), nahm ihre Tochter oft mit: nach Köfering zum Beispiel, ins dortige Schloss, das Hieronymus Stauff gehörte, dem Bruder von Argulas Vater Bernhardin. Und nach Regensburg, in die große Handelsstadt, in der Menschen aus aller Herren Länder zusammenkamen und Geschäfte abschlossen.

Holzstich aus Argulas Jugendlektüre „Fortunatus“

Argulas Eltern wollten den Erfahrungshorizont ihrer Tochter noch mehr weiten. Als sie fünfzehn Jahre alt ist, schicken sie sie an den Münchner Herzogshof, was keineswegs selbstverständlich ist nach den Kämpfen, die ihr Vater mit dem Herzog ausgefochten hatte. Doch inzwischen haben sich neue Konstellationen ergeben im endlosen Machtgeplänkel der bayerischen und fränkischen Herrscher. 1504 hatten sich Argulas Vater und dessen Bruder auf die Seite Herzog Albrechts IV. geschlagen. Bernhardin hatte eine gute Stelle in Landshut erhalten, Hieronymus diente als Hofmeister für Wilhelm und Ludwig, die Söhne des Herzogs. Verständlich also, dass Argula Hofluft im soeben zur bayerischen Hauptstadt erklärten München schnuppern sollte. Als Hofdame der Herzogin Kunigunde sollte sie Manieren in Adelshäusern kennenlernen und Kontakte knüpfen. Dass dieser Plan aufgeht, sie dort als Kind sogar mit dem Jungen spielt, der später bayerischer Herzog wird, konnte niemand ahnen.

Hofdame bei Kunigunde

1507 kommt das Landmädchen Argula in die Hauptstadt Bayerns, sie zieht in die Neue Veste. Das Wasserschloss gehört damals zur Residenz des Herzogs Albrecht IV. Die fünfzehnjährige Argula erlebt eine Stadt, in der der Geist der Veränderung weht; viele Reisende kommen über die Alpen aus Norditalien und bringen das Lebensgefühl der dortigen Renaissance mit nach München. Der Hof feiert prächtige Feste, auf den Straßen der Stadt finden große Märkte statt. Und was für Menschen sie am Hof trifft: den alten Herzog Albrecht IV., den einstigen Widersacher ihres Vaters, dessen Kinder Wilhelm und Ludwig, nur wenig jünger als sie selbst, werden zu Spielkameraden; deren Lehrer Johannes Aventinus, einen Gelehrten Historiker und Philologen, der sogar in Paris studiert hat. Und dann noch Kunigunde, die Herzogin, Tochter des 1492 verstorbenen Kaisers Friedrich III. Den allerdings hatte Kunigunde ziemlich gegen sich aufgebracht, als sie 1487 ohne sein Wissen den bayerischen Herzog in Innsbruck heiratete und nach München zog. Kunigunde ist eine außergewöhnlich belesene Frau, sie hat sogar eine eigene kleine Bibliothek, in der auch die Werke antiker Autoren stehen. In viele der Bücher trägt sie eigenhändig Kommentare ein.

1508 war ein Schicksalsjahr für Kunigunde: Im Februar Freude über die Krönung ihres Bruders Maximilian zum Kaiser des Heiligen Römischen Reiches; im folgenden Monat Trauer um den Tod ihres Mannes Albrecht IV. Argula wird die Trauer ihrer Herzogin miterlebt haben – und die Konsequenzen: Kunigunde zieht aus der Neuen Veste ins „Pütrich-Regelhaus“, ein nahegelegenes franziskanisches Frauenkloster. Dort will sie von nun an ein einfaches und kontemplatives Leben führen. Sie nimmt viele Bedienstete und viele Bücher mit – unter anderem jene Furtmeyr-Bibel, die Argulas Großvater in Auftrag gegeben hatte und die 1492 im Zuge des Krieges in Burg Ehrenfels erbeutet und nach München gebracht worden war. Im Kloster liest Kunigunde viel und animiert die Ordensschwestern zu eigenen Schreibtätigkeiten.

Erzherzogin Kunigunde. Bronzestatue in der Innsbrucker Hofkirche. (Foto: Daderot/Wikimedia)

Mag sein, dass Kunigundes Trauer der jungen Argula im Jahr darauf zum Vorbild wurde. Denn da erfährt sie vom Tod ihrer Eltern. Der Vater stirbt, wenige Tage danach die Mutter. Sie sind Opfer der Pest, die in der Region wütet. Argula ist siebzehn Jahre alt. Als die Todesnachricht eintrifft, sind die Eltern bereits beerdigt. Trost erfährt sie am Hof auch von Wilhelm, dem Sohn Kunigundes. Als der später bayerischer Herzog ist, erinnert sie ihn in einem Brief an seine tröstenden Worte im Sommer 1509, damals habe er ihr gesagt: „Ich soll nicht weinen, er wolle nicht nur mein Landesfürst, sondern auch mein Vater sein.“ Die Art von Sorge, die Argula im Jahr 1524 plagen wird, wenn sie sich dieser Worte erinnert, wird ganz anders, aber nicht minder tiefgehend sein.

KAPITEL 2

Ehefrau mit großem Netzwerk

Die Staufferin wird Frau von Grumbach

Der Tod des Vaters hinterlässt ein Vakuum in Argulas Leben. Wer ist nun erziehungsberechtigt für sie? Der Bruder ihres Vaters, der für den Herzogshof arbeitende Hieronymus, übernimmt die Vormundschaft. Herzogin Kunigunde wird für Argula so etwas wie eine Ziehmutter.