18,99 €
Was haben Rock, Pop und Metal mit Spiritualität und dem Glauben zu tun? »Highway to Heaven« von Uwe Birnstein und Volker Eichener bietet einen neuen Blickwinkel auf einige der beliebtesten Songs der Musikgeschichte Zwischen biblischen Geschichten und Pop- und Rockmusik gibt es zahlreiche Berührungspunkte. Die Schätze des Glaubens lassen sich in vielen Musikstücken und Songs entdecken. Seit vielen Jahren sind der Theologe und Publizist Uwe Birnstein sowie Sozialwissenschaftler Volker Eichener – beide glühende Musikliebhaber – auf der Suche nach diesen Schätzen. Ihr Antrieb ist die Neugier auf das, was hinter den Texten und Melodien steckt, die wir schon oft gehört haben und die unser Inneres auf besondere Weise ansprechen. Diese Hintergrundgeschichten teilen Birnstein und Eichener auf eine so schöne Art und gut verständlich, dass auch jene sich berühren lassen, die meinen, Gott und der Glaube spiele in ihrem Leben keine Geige. Im Buch geht es um folgende Songs: AC/DC, Highway To Hell (Hard Rock, 1979) / Black Sabbath, God Is Dead (Doom Metal, 2013) / Johnny Cash, Peace In The Valley (Gospel, 1963) / Tracy Chapman, Heaven's here on earth (Folk-Rock, 1995) / Eric Clapton, Tears in Heaven (Folk-Rock, 1991) / Leonard Cohen, Hallelujah (Folk-Pop, 1984) / Sinead O'Connor, Theology (Folk Rock, 2007) / Depeche Mode , Personal Jesus (Synthie-Rock, 1989) / Bob Dylan, Every Grain of Sand (Folk-Rock, 1980) / Genesis, Jesus He Knows Me (Rock, 1991) / Herbert Grönemeyer, Stück vom Himmel (Deutsch-Pop, 2009) / Sarah Lesch, Testament (2016) / Udo Lindenberg, Interview mit Gott (Deutsch-Rock, 2008) / Madonna, Like a Prayer (Dance Pop, 1989) / Joan Osborne, One of Us (Pop, 1995) / Rolling Stones, Sympathy for the Devil (Rock, 1968) / Rolling Stones / Lady Gaga, Sweet Sounds of Heaven (Gospel-Rock, 2023) / Patti Smith, Gloria (Rock, 1975) / Bruce Springsteen, Jesus was the only son (Rock, 2005) / U2, I Still haven't found (Rock, 1987) / Led Zeppelin, Stairway to Heaven (Hard Rock, 1971)
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 232
Uwe Birnstein / Volker Eichener
Die spirituelle Botschaft in Songs von AC/DC bis Led Zeppelin
Knaur eBooks
»Ein Song ist wie eine Straße, auf der wir reisen. Die Straße mag holperig sein, sie mag gewunden sein, wie es in der alten Legende heißt, aber sie kann zum Himmel führen: ›Highway to Heaven‹. Wir laden Sie ein auf eine Reise in verschiedene Genres der Pop- und Rockmusik – eine Reise, die manche Überraschung bereithalten wird. Eine Reise, bei der Sie auch dem Soundtrack Ihres Lebens nachgehen können – und ihm womöglich nach der Lektüre neue Songs hinzufügen.«
Uwe Birnstein & Volker Eichener
Seit vielen Jahren sind der Theologe und Publizist Uwe Birnstein sowie Sozialwissenschaftler Volker Eichener – beide glühende Musikliebhaber – auf der Suche nach den verborgenen Schätzen in der Pop- und Rockmusik. Lassen Sie sich überraschen von den himmlischen Botschaften in Songs von AC/DC, Black Sabbath, Johnny Cash, Tracy Chapman, Eric Clapton, Leonard Cohen, Depeche Mode, Bob Dylan, Genesis, Herbert Grönemeyer, Sarah Lesch, Udo Lindenberg, Madonna, Sinéad O’Connor, Joan Osborne, The Rolling Stones, Patti Smith, Bruce Springsteen, Taylor Swift, U2 und Led Zeppelin.
Weitere Informationen finden Sie unter: www.bene-verlag.de
Intro
Der Pfad zum Himmel ist dornig: Stairway to Heaven von Led Zeppelin
Gott als Schlunz wie du und ich: One of Us von Joan Osborne
Die Poesie christlicher Erzählungen: Jesus Was an Only Son von Bruce Springsteen
Das gebrochene Halleluja:Suzanne und Hallelujah von Leonard Cohen
Vom Suchen und Finden: I Still Haven’t Found What I’m Looking For von U2
»Jesus starb für irgendjemandes Sünden, aber nicht für meine«: Gloria von Patti Smith
Der Himmel ist auf Erden: Heaven’s Here on Earth von Tracy Chapman
Gott stößt die Gewaltigen vom Thron und erhebt die Niedrigen: Das Album Theology von Sinéad O’Connor
Warum gibt’s Kriege und Hunger? Interview mit Gott von Udo Lindenberg
Die Gerechtigkeit Gottes und der Menschen: Karma und andere Songs von Taylor Swift
»Ich glaube nicht, dass Gott tot ist«: God Is Dead? von Black Sabbath
Die Schöpfung ist grandios – aber wir haben noch Nachholbedarf in Sachen Freundlichkeit: Ein Stück vom Himmel von Herbert Grönemeyer
Altersweise Einsichten über Gott in der Natur: Every Grain of Sand von Bob Dylan
Unio mystica: Like a Prayer von Madonna
Was in der Trauer trägt: Tears in Heaven von Eric Clapton
Elvis und die Hotline zum Himmel: Personal Jesus von Depeche Mode
Geldgierige Prediger: Jesus He Knows Me von Genesis
Gottlose Verhältnisse sind menschenfeindlich: Testament von Sarah Lesch
Das Böse steckt in dir und mir: Sympathy for the Devil von The Rolling Stones
Zur Hölle mit Ansage: Highway to Hell von AC/DC
Der himmlische Frieden im Gospel-Style: Peace in the Valley von Johnny Cash
Die »Unheiligen« wählen die Treppe zum Himmel: Sweet Sounds of Heaven von The Rolling Stones featuring Lady Gaga & Stevie Wonder
Outro
Quellenangaben
Welche Songs sind im Soundtrack Ihres Lebens zu hören? Viele Menschen wissen noch, welche Musik bei ihrem ersten Tanz spielte, beim ersten Kuss, beim ersten Verlieben. Welche Songs am Lagerfeuer oder bei der Party gesungen wurden. Um die Liebe drehen sich wohl die meisten dieser Songs. Doch Popsongs erzählen nicht nur von der irdischen Liebe. Erstaunlich viele sprechen auch »himmlische« Gefühle an – die einen mehr, die anderen weniger.
AC/DC etwa haben die Straße zur Hölle gewählt, während Led Zeppelin die Treppe zum Himmel bevorzugten. Zwei Hard-Rock-Bands, deren Songs sich mit spirituellen Themen befassen – auch wenn Himmel und Hölle die entgegengesetzten Enden des Spektrums markieren.
Die meisten Pop- und Rockmusikerinnen und -musiker entsprechen schon von ihrem Outfit und erst recht von ihrem Lebenswandel her nicht gerade dem Bild, das man von frommen Kirchgängern hat. Viele von ihnen weisen Glaubensbiografien auf, die alles andere als geradlinig verliefen. Ihre Gottes- und Jesusbilder sind häufig sehr persönlich geprägt. Oft haben sie damit auch Anstoß erregt – sei es bei Vertretern evangelikaler Glaubensgemeinschaften oder sogar im Vatikan. Andere Musikerinnen und Musiker überraschen dagegen mit erstaunlich konservativen, bisweilen sogar mittelalterlich wirkenden religiösen Botschaften, die man ihnen kaum zugetraut hätte. In einigen Songs gehen sie schwierige Fragen auch mit viel philosophischem Tiefgang an – besonders, wenn es um die Frage geht, warum ein liebender Gott so viel Leid in der Welt duldet. Oft sind es sogar die besten und bekanntesten Stücke der jeweiligen Musiker, die sich mit Glaubensfragen befassen.
Sympathie mit Gott kommt in allen Genres der Rock- und Popmusik zum Ausdruck: in Folksongs, in Countrysongs, in Pop- und Dance-Pop-Nummern, in Deutsch-Rock- und Deutsch-Pop-Liedern, in veritablen Rock-, Hard-Rock- und sogar Heavy-Metal-Songs. Das gruselige Auftreten manch einer Band kann durchaus mit frommer Religiosität einhergehen. Die verschiedenen musikalischen Genres sind ein Spiegelbild der gesellschaftlichen Vielfalt, die auch in der Vielfalt der Musikgeschmäcker Ausdruck finden.
Mitunter sind die Zugänge zu Gott unkonventionell: Da wird schon einmal ganz respektlos gefragt, ob er nicht genau so ein Schlunz sei wie du und ich; da erscheint Jesus, wie er sich eine Zigarette anzündet; da erklingt das Halleluja aufgrund des Lebenswandels des Musikers »gebrochen«, da wird sogar von sexueller Vereinigung mit Gott gesungen – ein Thema, das sich übrigens schon seit dem Mittelalter durch das mystische Christentum zieht. Aber war nicht auch Jesus unkonventionell? Hat nicht auch er die Scheinheiligkeit der Pharisäer angegriffen, hat er nicht die Händler und Geldwechsler aus dem Tempel vertrieben, hat er sich nicht von einer Prostituierten salben und küssen lassen?
Aber so unkonventionell und individuell die Gottesbilder auch sind, die sich in Pop- und Rocksongs finden: Sie sind Ausdruck eines Glaubens. Die Musiker bekennen sich mit ihren Liedern zu ihrem Glauben und erreichen damit ein Publikum von Millionen – einige von ihnen sogar von Milliarden – von Menschen. Die technischen Möglichkeiten haben es noch nie so einfach gemacht wie heute, praktisch jederzeit und überall Musik zu hören. Musik dringt tiefer in die Seele ein als alles andere – das hatte schon der Philosoph Platon erkannt, und das ist auch der Grund, warum die Musik in Gottesdiensten eine so große Rolle spielt.
Und die Herzen der Menschen zu erreichen, ist heute wichtiger denn je geworden. Die Welt wird nämlich ungemütlicher. Kaltherzigkeit scheint um sich zu greifen, Egoismus, Intoleranz, Aggressivität, sogar Gewalt. Es werden Kriege geführt – auch an der Grenze zu Europa. Viele Menschen fühlen sich unsicher – das bringt den gesellschaftlichen Zusammenhalt in Gefahr, ebenso die freiheitliche Demokratie. Wir müssen dieser Entwicklung Werte der Menschlichkeit entgegensetzen. Jesus von Nazareth hat eine Botschaft voller Toleranz und Nächstenliebe verkündet. Eine Botschaft der Solidarität mit den Schwachen und Ausgestoßenen, der Ehrlichkeit und der Friedfertigkeit. Auf der biblischen Aussage, dass wir alle Gottes Kinder, ja Gottes Ebenbilder sind, gründet das so wichtige Konzept der Würde jedes Menschen, die die Grundlage der Menschenrechte und des Wertekatalogs ist, der unserem Grundgesetz und dem Vertrag über die Europäische Union zugrunde liegt.
Allerdings ist von Toleranz und Nächstenliebe in der Öffentlichkeit immer seltener etwas zu hören. Umso wichtiger ist es, dass es bekannte Pop- und Rocksongs gibt, die Jesu Botschaft der Menschlichkeit verbreiten. Denn über die Musik mag sie den Weg in die Herzen der Menschen vielleicht leichter finden als durch eine spröde Predigt. Ein Song ist wie eine Straße, auf der wir reisen. Die Straße mag holperig sein, sie mag gewunden sein, wie es in der alten Legende heißt, aber sie kann zum Himmel führen: Highway to Heaven. Wir laden Sie ein auf eine Reise in verschiedene Genres der Pop- und Rockmusik – eine Reise, die manche Überraschung bereithalten wird. Eine Reise, bei der Sie auch dem Soundtrack Ihres Lebens nachgehen können – und ihm womöglich nach der Lektüre neue Songs hinzufügen.
Unterstützung bei Ihrer Reise finden Sie auf der Website zu unserem Projekt: www.highway-to-heaven.info. Dort finden Sie Links zu Song-Videos und zu den Original-Songtexten, die wir aus urheberrechtlichen Gründen in diesem Buch leider nicht abdrucken können.
Uwe Birnstein und Volker Eichener
Genre: Hard-Rock
Komposition/Text: Jimmy Page / Robert Plant
Interpreten: Led Zeppelin
Erscheinungsdatum: 1971 auf dem Album Led Zeppelin IV (Atlantic)
Auszeichnungen: 4x Platin (in verschiedenen Ländern); Nr. 1 bei Ten of the Best Songs Ever! von Classic Rock; Nr. 3 bei The 100 Greatest Rock Songs of All Time von VH1; Nr. 1 bei 100 Greatest Guitar Solos von Guitar World; Grammy Hall of Fame Award; The Rock and Roll Hall of Fame’s 500 Songs that Shaped Rock and Roll; Nr. 31 bei The 500 Greatest Songs of All Time des Rolling Stone u.a.
Es stimmt wirklich, dass es in einigen amerikanischen Musikgeschäften das Verbot gibt, Stairway to Heaven zu spielen, wenn man eine Gitarre ausprobiert. Das liegt nicht daran, dass dieses acht Minuten lange, musikalisch komplexe Stück nicht gut wäre – im Gegenteil. Stairway to Heaven ist vielleicht das bekannteste, am häufigsten im Radio gespielte und schönste Rockstück aller Zeiten – so schön, dass man es dem Verkaufspersonal nicht verdenken kann, wenn es das Lied nicht täglich mehrere Dutzend Mal aus der Hand von Hobbygitarristen hören möchte.
Schon der Titel sagt, dass es um Spirituelles geht. Die ersten Ideen zu dem Song waren Jimmy Page und Robert Plant in der walisischen Berghütte Bron-Yr-Aur gekommen, wo sie sich ohne Wasseranschluss und elektrischen Strom denkbar weit entfernt von der urbanen Glitzerwelt des Konsum-Materialismus befanden, die das Lied so heftig kritisiert. Und die mystischen Nebel der walisischen Landschaft sind auch noch in manche der mitunter rätselhaften Verse hineingewabert. Denn Robert Plant war fasziniert von dem Buch The Magic Arts in Celtic Britain, das von Druiden, dem Heiligen Gral und der Artus-Legende handelt. Auch der Herr der Ringe, den Robert Plant gern las, hatte einen Einfluss – ein Fantasy-Romanwerk des gläubigen Katholiken J. R. R. Tolkien, das die christliche Botschaft, dass das Gute über das Böse siegt, in ein fantastisches mythologisches Gewand hüllt. Plant war selbst katholisch aufgewachsen und kannte seine Bibel so gut, dass er seinen Bandkollegen den gleichen Spitznamen »Söhne des Donners« gab wie Jesus den Aposteln Jakobus d.Ä. und Johannes (Markus 3,17). Und auch Stairway to Heaven ist voller Anspielungen auf Bibelstellen.
Das Haus, in dem die Noten und der Text von Stairway to Heaven letztlich zu Papier gebracht wurden, war nicht viel komfortabler. Headley Grange im südenglischen Hampshire war ein ehemaliges Armenhaus aus dem Jahr 1795, in dem es zwar elektrischen Strom gab, wo aber die Heizung nicht funktionierte. Immerhin knisterte ein Feuer im offenen Kamin. Jimmy Page und Robert Plant saßen davor. Es herrschte eine eigentümliche, friedliche Stimmung. Page schrummte die Akkorde, die ihm schon in Bron-Yr-Aur eingefallen waren, und Plant, der eigentlich in schlechter Stimmung war, hatte einen Stift und Papier in der Hand. Und dann, sagte er später, sah er »ganz plötzlich«, wie seine Hand die Eingangsverse auf das Papier kritzelte. Und die überraschten ihn selbst, wie er sich erinnert: »Ich saß da einfach und blickte auf die Worte und ich fiel fast vom Stuhl.«1 Am Nachmittag des nächsten Tages schrieb Plant fast den gesamten Rest des Textes. Jahrzehnte später beschrieb er, wie die Inspiration über ihn kam: »Die Worte kamen zu mir, in einer Sitzung, als ob ich geführt worden wäre, das niederzuschreiben, was ich schrieb. Also war es vielleicht eine Macht. Und ich denke darüber viel nach.«2 Es war wohl so etwas wie eine Eingebung, das, was antike Künstler als »Kuss der Muse« bezeichneten. Und es war eine spirituelle Eingebung.
Bei seiner Premiere am 5. März 1971 im nordirischen Ulster fiel der Song beim Publikum allerdings noch durch. Die Menschen hatten wohl andere Erwartungen an ein Led-Zeppelin-Stück und in der aufgeheizten Bürgerkriegsatmosphäre wenig Sinn für spirituelle Ermahnungen. Der Kulturjournalist Björn Springorum erklärt die anfängliche Ablehnung damit, dass »alles« an diesem Song »revolutionär« gewesen sei: »Der mittelalterliche, folkige Tolkien-Beginn, die langsame Steigerung in einen Hard-Rock-Furor, die zwölfsaitige Gitarre, das unsterbliche Solo, der geheimnisvolle Text, zusammengenommen bilden sie alle das große Narrativ dieser Musik, vorgetragen von den Humboldts des Hard Rock […].«3
Wovon aber singt Robert Plant zu den zarten Arpeggios von Jimmy Pages akustischer Gitarre und der sanften Flötenmelodie?
Die erste Strophe setzt das Thema: Wie schon der Titel des Songs sagt, geht es darum, wie man das ewige Leben erlangt, das u.a. im Johannesevangelium den Gläubigen und den Gerechten versprochen wird: »Es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören werden, und es werden hervorgehen, die Gutes getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber Böses getan haben, zur Auferstehung des Gerichts.« (Johannes 5,28–29; ähnlich Matthäus 25,46) Robert Plant singt jedoch von einer namenlosen Lady, die wohlhabend, egoistisch, oberflächlich, fordernd und überzeugt davon ist, dass sie für ihr Geld alles bekommt, was sie will, sogar eine Treppe zum Himmel. Anspielungen an den Ablasshandel kommen in den Sinn. Wenn sie glaubt, dass alles, was glitzert, Gold ist, ist das zunächst Kritik an der Konsumgesellschaft, die in den Jahren um 1968en vogue war und in vielen Rocksongs musikalisch-lyrisch verarbeitet wurde – etwa in Satisfaction von den Rolling Stones oder in Mercedes Benz von Janis Joplin. Es ist aber auch eine Anspielung darauf, dass, als der Song geschrieben wurde, (esoterische) Wege zur Glückseligkeit tatsächlich für teuer Geld verkauft wurden – in Form von Seminaren oder Ashrams bei geschäftstüchtigen Gurus. Die Beatles, viele Musikerkollegen und Prominente haben diesen Weg auch ausprobiert – freilich mit unterschiedlichen Ergebnissen.
Die zweite Strophe beginnt mit einem Bezug auf das Menetekel aus dem biblischen Buch Daniel (5,5–30), das dem König Belsazar seinen Untergang ankündigte. Die Lady beschwichtigt sich jedoch selbst und ist fest entschlossen, alle Warnungen zu missachten. Und der Sänger fragt sich, ob mit der Dame alles noch stimmt.
In der dritten Strophe wird es persönlich. Der Sänger will aus der Konsumgesellschaft ausbrechen und nach Westen reisen, wo der Garten Eden lag und wo auch die keltische Mythologie die Anderswelt verortete. Und es kommen erste mythologische Anspielungen. Der Sänger sieht Rauchringe (die schon in Bob Dylans Mr. Tambourine Man erschienen), die uns an den guten Zauberer Gandalf aus Tolkiens Herr der Ringe erinnern. Es wird auch von einem Wald gesungen. Der Wald symbolisiert von alters her die Komplexität und die Gefahren der Welt, denn dort kann man sich verirren und wilden Tieren zum Opfer fallen. Der Sänger begibt sich tatsächlich auf eine spirituelle Reise, bei der er sich der Führung durch einen Flötenspieler (»piper«) anvertraut – dem historischen Urbild eines Musikers. Der Flötenspieler ist vielleicht auch eine Anspielung auf das bekannte Gedicht des englischen Poeten Robert Browning, das die Sage vom Rattenfänger von Hameln beschreibt, der die Kinder aus der Stadt ihrer knauserigen und vertragsbrüchigen Eltern in eine paradiesische Welt entführt. Plant singt jedenfalls, dass uns der Musiker zur Vernunft bringen und uns zur Erlösung führen wird. Viele Pop- und Rockmusikerinnen und -musiker waren davon überzeugt, dass in ihrer Musik etwas Göttliches liegt und dass sie mit ihrer Musik den Menschen Heilsbotschaften bringen können. Und die Hard-Rocker von Led Zeppelin reihen sich nahtlos ein: Musiker als moderne Propheten.
Die nächste Strophe leitet Robert Plant auf Live-Konzerten gewöhnlich mit der Ansage ein, »ich habe gute Nachrichten«. Dass er vom Frühjahrsputz für die Maikönigin singt – ein Mädchen, das die englischen Umzüge zum Maianfang anführt –, bereitet uns darauf vor, dass etwas Neues beginnt. Und dann kommt auch schon die zentrale Botschaft des ganzen Songs. Der Sänger greift die uralte Legende von der Wahl zwischen zwei Lebenswegen auf. Thomas the Rhymer hatte im 13. Jahrhundert eine Ballade gedichtet, in der der Held die Wahl hat zwischen einer engen, dornigen Straße der Rechtschaffenheit, die in den Himmel führt, und einer breiten, geraden Straße der Sünde, die in der Hölle endet. Robert Plant nimmt dieses alte christliche Motiv auf, betont aber, dass es nie zu spät ist, auf den dornigen Pfad der Tugend zu wechseln. Das muss man sich einmal vorstellen: Da sagt uns ausgerechnet dieser langhaarige Bürgerschreck, der mit entblößter Brust den Sexsong Whole Lotta Love gesungen hatte, dass wir auf den dornigen Pfad der Tugend wechseln sollen!
Das Motiv des prophetischen Musikers wird in der sechsten Strophe weitergesponnen. Es summt in deinem Schädel, und der Musiker ruft dazu auf, mit ihm den Weg der Guten und Gerechten zu gehen. Jetzt, wo der Sänger selbst eine Entscheidung für den Pfad der Tugend getroffen hat, spricht er die uns wohlbekannte Lady an und fragt sie, ob sie weiß, dass die Treppe zum Himmel im Flüstern des Windes liegt. Diese Metapher verwendete schon Bob Dylan in Blowin’ in the Wind: Es ist der Wind, der die Weisheit und das Heil bringt – aber man muss selbst leise sein, denn er flüstert nur. Für eine Band, auch wenn es sich um eine Hard-Rock-Band handelt, liegt es nahe, die Erlösung in der Musik zu sehen und den Musikanten zum spirituellen Führer zu machen. Auch das haben wir schon bei Bob Dylans Mr. Tambourine Man gehört.
Darüber kann man nachdenken, während Jimmy Page eines der eindrucksvollsten Gitarren-Soli der Rockgeschichte spielt. Dann schreit Robert Plant die letzte Strophe zum Hard-Rock-Rhythmus aus sich heraus, als ginge es um sein Leben. Tatsächlich geht es ja darum und um mehr – nämlich um das ewige Leben, das nach dem Leben kommt. Mit einer poetischen Formulierung (Schatten, die größer sind als unsere Seele) singt er davon, dass das Ende des dornigen, aber tugendhaften Lebensweges naht. Die besagte Lady erscheint wieder. Aber sie ist geläutert, hat doch noch rechtzeitig den Pfad gewechselt und hat sich in einen strahlenden Engel verwandelt, der jetzt bewirkt, dass sich alles zum Guten wendet. Jetzt verwandelt sich tatsächlich alles in Gold, aber das Gold, von dem Plant singt, ist jetzt spiritueller Natur.
Die letzten drei Verse beschreiben mit wunderbaren poetischen Worten die vollendete Harmonie, in der sich im Paradies alle Seelen vereinigen werden. Plant fordert uns auf, stark wie ein Fels zu sein und nicht ins Schlingern zu geraten: to be a rock and not to roll. Das ist ein Wortspiel mit den Bedeutungen des Wortes »rock«: das aus dem Germanischen stammende Verb, das für eine heftige Bewegung (Ruck) steht, und das romanische Substantiv, das »Fels« bedeutet (von rocca, roque). Der rolling stone ist im Englischen eine Metapher für einen unsteten Menschen, der nicht in der Lage ist, seinen inneren Frieden zu finden. Der rolling stone taucht in zahlreichen Blues- und Rock-and-Roll-Songs, im Namen einer großen Band und als Titel der wichtigsten Rock-Zeitschrift als Synonym für einen unangepassten Helden auf – aber Led Zeppelin sagen uns, dass wir besser nicht ins Rollen geraten sollen.
Das sind erstaunlich konservative Botschaften von Hard-Rockern, die mit langen Haaren, Hippiekleidung und exzessivem Drogenkonsum die Generation ihrer Eltern schockten. Jimmy Page hatte sich sogar für Mystizismus und Okkultismus interessiert (allerdings nie schwarze Magie praktiziert, wie es eine populäre Legende wissen will). Stairway to Heaven ist dennoch ein durch und durch christlicher Song mit einer erstaunlich konservativen Moral. Die keltischen Themen sind synkretistisches Beiwerk, genau wie beim gläubigen Katholiken Tolkien. Die Treppe zum Himmel ist ein eindeutig christliches Motiv. In Genesis 28,12–13 erscheint Jakob im Traum eine Leiter, die zum Himmel führt. Darauf steigen Engel auf und ab, und auch Gott selbst steigt herab. Das Buch Daniel verkündet die Auferstehung und das Jüngste Gericht so: »Und viele, die im Staub der Erde schlafen, werden aufwachen, die einen zum ewigen Leben, die andern zu ewiger Schmach und Schande« (Daniel 12,2–3). Das ist die biblische Grundlage für die Doktrin, dass die Guten nach ihrem Tode in den Himmel kommen, während die Bösen in der Hölle schmoren.
Robert Plant knüpft daran an. Die Lady, die er besingt, hat den falschen Pfad gewählt – den egoistischen Weg des Konsums, der in die Hölle führt. Sie ignoriert die Warnungen, sucht ihr Glück im Oberflächlichen und meint, sich ihre Glückseligkeit kaufen zu können wie einen Modeartikel. Die Welt ist voller Irrungen und Wirrungen (die Waldmetapher), aber es ist nie zu spät, um zur Vernunft zu kommen. Led Zeppelin verpackten ihre christliche Botschaft nicht in dem schulmeisterlichen Ton, den junge Leute damals von ihren Eltern, Lehrern und Pastoren kannten und verabscheuten. Die Botschaft kam an. Aus den Reaktionen der jungen Menschen bei ihren Konzerten schloss Robert Plant, dass Stairway to Heaven »den Kindern den größten spirituellen Aufschwung zu liefern schien«.4 Denn die Hard-Rock-Band präsentierte die Botschaft mit mythologischen Anspielungen und lyrischen Metaphern auf alternative Weise.
Für manche evangelikale Christen allerdings zu alternativ. Der weltgrößte christliche Fernsehsender – das evangelikal-fundamentalistisch geprägte Trinity Broadcasting Network – behauptete, Stairway to Heaven enthalte in einer Strophe eine satanistische Botschaft, wenn man sie rückwärts abspiele.5
Das führte sogar zu einer parlamentarischen Anhörung im Staat Kalifornien. Das Label von Led Zeppelin antwortete auf den Vorwurf lakonisch: »Unsere Plattenspieler spielen nur in einer Richtung – vorwärts«; der Tontechniker nannte die ganze Geschichte »komplett lächerlich« und Robert Plant meinte später: »Für mich ist das sehr traurig, weil Stairway to Heaven mit allerbesten Absichten geschrieben wurde und Bänder rückwärts zu spielen und Botschaften an das Ende zu hängen, nicht meine Idee ist, Musik zu machen.« Jimmy Page machte sich noch im Jahr 2017 über den Backmasking-Vorwurf lustig: »Gott, es ist schwer genug, Musik in einer Richtung zu schreiben.«6
Wissenschaftler haben längst aufgezeigt, was sich solche Fundamentalisten zunutze machen, um ihre Anhänger zu manipulieren. Spielt man die Strophe ohne weiteren Kommentar rückwärts, ist nur unverständliches Gebrabbel zu hören, vielleicht noch etwas, was entfernt wie »Satan« klingen könnte. Wenn man den Zuhörern jedoch einen Text dazu zeigt, wendet das Gehirn seine evolutionär erworbene Fähigkeit an, im Chaos Muster zu erkennen – und man meint, den Text auch tatsächlich zu hören. Ein psychologischer Taschenspielertrick. Das erste »Satan«, das wir zu erkennen glauben, ist in Lautschrift nur ein [seɪ n], das von dem umgekehrten »yes« und dem »n« von »queen« kommt. Das ist mit einem gängigen Audioprogramm leicht nachvollziehbar.
Robert Plant begann allerdings selbst erst spät, der Botschaft seines Textes zu folgen. Bei Live-Performances fügte er gelegentlich an den Vers, es sei noch nicht zu spät, den Pfad zu wechseln, ein »ich hoffe es« an. Den Kokainkonsum gab er erst 1977 auf – allerdings von einem Tag auf den anderen, als er paranoide Persönlichkeitsveränderungen bei sich bemerkte. Plant hat also doch noch die Straße gewechselt. Mit über 70 Jahren spaziert er nun mit seinem Hund durch Felder in den englischen Midlands, wo er seinen Wohnsitz gefunden hat. Er sagt: »Ich danke all den Göttern, dass ich sicher gelandet bin.« Das klingt, als ob er die Himmelsleiter finden wird.
Und ein Stück von ihr haben die Hard-Rocker auch schon gesehen. Es war gut 40 Jahre nach der Aufnahme von Stairway to Heaven, als der damals amtierende US-Präsident Barack Obama die Musiker von Led Zeppelin im Kennedy Center Opera House ehrte. Zur Zeremonie gehörte, dass eine brillante Cover-Version von Stairway gespielt wurde, von der Rockband Heart und mit opulenter Unterstützung durch einen 72-köpfigen Gospelchor und ein komplettes Symphonieorchester. Aber das war es nicht, was Robert Plant zu Tränen rührte. Es war, dass das Schlagzeug von Jason Bonham gespielt wurde, dem Sohn des Led-Zeppelin-Drummers John Bonham, der 1980, im Alter von 32 Jahren, auf tragische Weise im Haus von Jimmy Page ums Leben gekommen war. Und dass Jason, als Ann Wilson das letzte Heaven singt, zum Himmel blickt, so als ob er die Leiter sehen würde, über die sein Vater einst aufgestiegen war.
V.E.
Genre: Folk-Rock
Komposition/Text: Eric M. Bazilian
Interpretin: Joan Osborne
Erscheinungsdatum: 1995 auf dem Album Relish (Blue Gorilla/Mercury)
Auszeichnungen: 2x Platin, 2x Gold(in verschiedenen Ländern); Nr. 1 in den Charts von fünf Ländern
Darf man Gott als Schlunz bezeichnen? Darf man Witze über den Allmächtigen machen? Schon die Entstehung dieses Songs war so etwas wie ein Witz. Eric Bazilian hatte den Song an einem Abend geschrieben, um ein Mädchen damit zu beeindrucken, wie schnell er komponieren konnte. Dafür wurde das Stück aber ganz schön erfolgreich: Nummer-eins-Hit in fünf Ländern, 23 Wochen in den deutschen Charts, zweimal Gold und zweimal Platin, drei Grammy-Nominierungen, und man hört ihn auch heute noch oft im Radio. Dass er von Prince gecovert wurde, adelt ihn zusätzlich.
Der Gitarrist Eric Bazilian ist insbesondere als musikalischer Kopf der Hooters (»Johnny B«) bekannt geworden. Aber er arbeitete auch als Songschreiber, Arrangeur und Musiker für Midge Ure, die Scorpions, Stefanie Heinzmann, Cyndi Lauper, Jon Bon Jovi, Robbie Williams oder Billy Idol – und eben auch für Joan Osborne.
Die langsame und zugleich kraftvolle Folk-Rock-Ballade beginnt mit Bazilians verzerrtem E-Gitarren-Riff, das mit dem Stil von Neil Young verglichen worden ist. Nach den ersten Takten gewinnt es sogar noch an Kraft. Dann setzt Joan Osbornes eindringlicher Gesang ein. Ihre Stimme ist klar und fest, sie singt den Text mit sorgfältiger Artikulation und nicht mit der nachlässigen Aussprache, die vielen anderen Rocksongs zu eigen ist. Der Gesang wird auch nicht von der Musik in den Hintergrund gedrängt. Joan Osborne will, dass man jedes Wort versteht. Und der Text ist eine sehr persönliche, etwas skurrile, einigermaßen respektlose und ziemlich witzige Liebeserklärung an Gott.
Der Song beginnt mit den vielleicht etwas naiv klingenden Fragen einer Gläubigen, die keine festgefügte, theologisch fundierte Vorstellung von Gott und der Dreifaltigkeit hat. Hat Gott eigentlich einen Namen, und wie heißt er denn? Wie würde man ihn ansprechen, wenn man ihm begegnen würde? Ja, und wenn man Gott wirklich einmal treffen könnte, welche Frage würde man ihm stellen?
Danach kommt der Refrain. Er beginnt mit den ersten beiden Versen aus dem Tischgebet, das in christlichen amerikanischen Familien vor jeder Mahlzeit gesprochen wird: Gott ist groß und Gott ist gut. Diese fromme Formel hat der Komponist wohl eingefügt, um die Respektlosigkeit etwas abzumildern, die in den weiteren Versen des Refrains folgt. Bazilian spinnt nämlich die Idee, Gott selbst persönlich zu begegnen, weiter. Und dabei entwickelt er ein ziemlich ungewöhnliches Bild von Gott. Wie wäre es denn, wenn Gott genauso einer wie wir selbst wäre? Und zwar, wenn er genauso ein Schlunz wäre wie wir selbst?
Der Song verwendet das Wort »slob«. »Slob« kann man mit »Schlunz« übersetzen, denn das trifft es gut: Ein slob ist ein (liebenswerter) Chaot, der schon mal auf sympathische Weise ein bisschen schlampig ist – so wie wir alle. Als wäre es nicht schon respektlos genug, den Allmächtigen auf eine Stufe mit uns sündigen Menschen auf der Erde zu stellen – jetzt wird er auch noch als »Schlunz« bezeichnet, als ein Wesen, das unter den gleichen kleinen oder größeren Schwächen leidet wie wir alle. Aber es geht noch weiter: Was wäre denn, wenn Gott einfach ein Mitfahrer im Linienbus wäre, der, genau wie alle anderen Pendler, sich abmüht, nach Hause zu gelangen? Wenn Joan Osborne den Refrain singt, stellen wir uns bildlich vor, wie der Himmlische Vater in den Bus steigt, nach einem Sitzplatz Ausschau hält, sich in Kurven an die Haltestange klammert, unter den üblichen Verspätungen leidet und womöglich seinen Anschluss verpasst. Was für ein Gottesbild!
Aber Komponist und Sängerin wollen sich keineswegs über Gläubige und ihren Gott lustig machen. Ganz im Gegenteil. Sich Gott als menschlich vorzustellen, sich vorzustellen, dass er ein Fremder im Bus sein könnte, sich vorzustellen, dass man ihm begegnen könnte, sein Gesicht sehen könnte, das alles dient nur dazu, die Hörer auf die große Frage vorzubereiten, die Agnostiker und Atheisten anspricht: Wenn du Gott ins Gesicht sehen würdest, würdest du dann beginnen zu glauben? An den Himmel, an Jesus, an die Propheten, an die Heiligen? – Erstaunlich, dass ein jüdischer Komponist hier Jesus Christus erwähnt!