Auf der Suche nach einer anderen Ordnung - Michael von Prollius - E-Book

Auf der Suche nach einer anderen Ordnung E-Book

Michael von Prollius

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Beschreibung

Zurück zu den Ursprüngen - vorwärts durch die Rückbesinnung auf Recht, Freiheit und Selbstverantwortung, statt noch mehr Gesetze und Illusionen. Eine Korrektur des Verhältnisses von Staat und Gesellschaft ist überfällig. Die Frage der Ordnung bleibt aktuell wie nie zuvor: die Ordnung Europas, die Ordnung des Finanzsektors, die ordnungspolitischen Reformen in Deutschland, die bis zur Finanz- und Staatsschuldenkrise die Gazetten beherrschten. Was ist Ordnungspolitik? Gedanken zur ordnungspolitischen Lage. Vielseitige Reformperspektiven, die über das hinausgehen, was in den öffentlichen Debatten diskutiert wird. Das sind die drei Themenfelder, die der Publizist und Wirtschaftshistoriker Michael von Prollius, Gründer von Forum Ordnungspolitik, auskundschaftet. Nicht nur für Querdenker ein Band mit Impulsen für das Denken in Ordnungen und für eine Reform der bestehenden Ordnung.

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„Der Staat soll den Bürgern viel geben und wenig nehmen.“

Frédéric Bastiat

Es gibt keinen Weg zur Freiheit, die Freiheit ist der Weg!

In Anlehnung an Gandhi

"Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit, das Geheimnis der Freiheit aber ist der Mut..."

Perikles

Inhalt

V

orwort

W

as ist

O

rdnungspolitik?

Schlaglicht 1: Mit Mindestlöhnen schadet die Regierung Verbrauchern und wenig produktiven Arbeitnehmern

Schlaglicht 2: Regional gefertigte Produkte zu bevorzugen, beruht häufig auf einem Trugschluss

Erfolge und Misserfolge der Ordnungspolitik

Rechtsstaat statt Machtstaat

Gegen Staatsdoping – für eine befreite Wirtschaft

Euro-Misere: Austerität ist der Ausweg

Der Neoliberalismus war gut für uns

Scheinliberale – die große Gefahr für die Freiheit

Fazit

Zum Weiterlesen

G

edanken zur ordnungspolitischen

L

age

Die ordnungspolitische Misere: Mehltau verlängert Reformstau

Ursachenforschung: Mangelt es der Politik an Glaubwürdigkeit? Entpolitisieren als Herausforderung unserer Zeit

Irrationale politische Überzeugungen

Quergedacht: Krisendiskurse und Krisenursachen

Ordnungspolitik statt zerstörerische Rettungspolitik

Zurechtgerückt: Mythos und Realität in der Finanz- und Staatsschuldenkrise

Fazit

Aufstand des Wissens und Gewissens klarsichtiger Ökonomen

Nullprozent: EZB auf Titanic-Kurs

„Energiewende ins Nichts“

Außenpolitik für Recht und Freiheit durch Recht und Freiheit

Reiseordnungspolitik

Kanada - Dynamik mit Bodenhaftung

New Yorker Vielfalt

Marokko: Aufbruch mit Hindernissen

Propaganda – gestern und heute

Die Linke ist strukturkonservativ geworden

Die Negativgesellschaft

Zum Weiterlesen

R

eform-

P

erspektiven

Perspektivwechsel: Kleine Philosophie der Freiheit

Die Philosophie des demokratischen Wohlfahrtsstaates

Freiheit, Recht und Sicherheit im Konflikt – Ordnungspolitik als Kompass

Querdenkerimpulse: eine andere Ordnung ist möglich

Impuls gewandeltes Rechtsverständnis: Rechtssetzung als Entdeckungsverfahren

Fazit und Perspektive: Freiheit als ordnungspolitische Richtschnur

Mehr Neoliberalismus wagen! Für ein Europa der Vielfalt statt der Einfalt

Geldfreiheit – Wettbewerb ist einer Behörde überlegen

Rekordverschuldung erfordert Rekordentstaatlichung

Schuldenbremse mit persönlicher Haftung

Bisher: Verantwortungslose Schuldenmacherei

Künftig: kaum gebremste Verschuldung

Alternative: Eine wirksame Schuldenbremse

Schlaglicht: Staatsausgabenstopp: Institutionen machen den Unterschied

Reform des Steuersystems: Einheitssteuer („Flat tax“)

Gerechte Gesundheitsversorgung

Das Bayreuther Manifest zur Gesundheitsreform

Die Gute Ordnung. Freiheit und Vielfalt

Zum Weiterlesen

Q

uellenangaben

Kleine Bibliothek – statt eines Literaturverzeichnisses

Leseempfehlungen im Internet

F

orum

O

rdnungspolitik

Vorwort

Die ordnungspolitische Lage Deutschlands und Europas ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Euro und Energiepolitik sind Mühlsteine am Hals der Bürger. Demographie, Staatsverschuldung und ausstehende Reformen der Sozialsysteme belasten als Dauerprobleme gleich mehrere Generationen. Die damit verbundenen Lasten werden allen voran die deutschen Steuer- und Abgabenzahler schultern müssen. Noch gravierender als die Rechnungen, die sich aufgrund einer mangelnden politischen Reformbereitschaft und einer aus dem Ruder gelaufenen politischen Allzuständigkeit aufstauen, ist indes der Verlust dessen, was man nicht sieht.

An allererster Stelle steht die schleichende Aushöhlung und Zerstörung des Rechts. Geschürte Krisen wie der Klimawandel und seine Auswirkungen, die vermeintliche bevorstehende Endlichkeit der Rohstoffe und die Atomangst werden zusammen mit tatsächlichen, noch verschärften Krisen wie die des Euro und der EU genutzt, Gesetze zu schaffen, die die Gleichheit des Rechts aufheben und Privilegien schaffen. Schwerer wiegt indes, dass der staatlich-bürokratischwirtschaftliche Komplex das Verhältnis zwischen Herrschaft und Bürgern weiter verschiebt. Der Staat beschränkt sich keineswegs auf Dienstleistungen mit vor allem hoheitlichen Aufgaben, sondern droht als gigantische dirigierende und umverteilende Anstalt die Bürger zu degradieren, und zwar zu einer manipulierten Verfügungsmasse der herrschenden Klasse. Das Heer der Profiteure, vermeintlich Begünstigten und politischen Scheuklappenträger ist indes so stark angeschwollen, dass der Weg in die Sackgasse beharrlich als alternativlos gepriesen wird.

Im Rückblick und im Grenzen überschreitenden Vergleich blitzt eine verborgene Ordnung manchmal auf: Parteienstaat versus Rechtsstaat, Staatstelefone versus Innovationsvielfalt und Innovationsgeschwindigkeit von Telekommunikationsunternehmen, ferner nur im Ausland erhältliche Arzneimittel, aber auch echte Elite-Schulen und Elite-Universitäten mit Stipendien für Bedürftige gehören dazu.1 Bekannt sind befreiende Strukturreformen, ob nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland, in den siebziger und achtziger Jahren in Großbritannien, in den neunziger Jahren in Neuseeland und sogar in den skandinavischen Staaten. Auch die Transformation ökonomischer Esel in kraftstrotzende Tiger gehört dazu wie im Fall von Singapur, aber auch der Türkei. Das Rezept ist weltweit gültig. Es lautet: Wirtschaftliche Freiheit schafft Wohlstand für alle! Wirtschaftliche Freiheit ist zudem die entscheidende Voraussetzung für Bürgerfreiheit und politische Freiheit.

Was man aus ordnungspolitischer Perspektive sehen kann, hat Roland Baader prägnant so zusammengefasst: „Die Politik kann die ökonomischen Gesetze nicht außer Kraft setzen, aber sie kann so tun, als ob sie dazu in der Lage wäre. Leider dauert es eine ganze Weile, bis diese Täuschung ihre jeweils desaströsen Wirkungen voll entfaltet und damit offensichtlich wird.“ Tatsächlich werden weit überwiegend Regelungen erlassen, die das Handeln der Menschen beschränken und das Leben komplizierter machen, statt die Entscheidungsfreiheit der Bürger zu unterstützen. Dabei werden die Politiker vom unerschütterlichen Glauben an den Primat der Politik in ihrer Fesselungspraxis von den Wählern und der Masse der Medien auch noch animiert, die wiederum von den Parteien alimentiert und hofiert werden. Zwar reden viele Bürger von Freiheit, aber wirklich lieben tun sie sie nicht.

Die Gründe dafür sind vielfältig. Bei der Masse der Intellektuellen spielt die Hybris der Vernunft, der Mythos der Machbarkeit, der Glaube an eine umfassende Gestaltbarkeit der Welt eine Rolle. Und gerade diese Menschen sind entweder auf einem Auge blind oder sie pflegen eine Abneigung gegen unsichtbare Hände. Um den klassisch-liberalen Ökonomen Roland Baader noch einmal aus seinem Band „totgedacht“ zu zitieren: „Also entwickelt gerade der Verstandeswerker eine instinktive Feindschaft gegen spontan entstehende und sich nach ungeplanten Gesetzmäßigkeiten fortentwickelnde Ordnungen.“ Das Beispiel par excellence für eine ungeplante Ordnung ist die Marktwirtschaft. Zugleich ist die Marktwirtschaft die Ordnung, die das allgegenwärtige Koordinationsproblem knapper Ressourcen mit Abstand am besten löst. Leider kann sie das nur eingeschränkt tun, weil sie durch permanente Eingriffe gestört wird. Diese Störungen werden dann der Marktwirtschaft angelastet.

Dieser Band ordnungspolitischer Analysen und Kommentare besteht aus Beiträgen, die auf der Internetseite von Forum Ordnungspolitik, darüber hinaus vielfach auch in anderen Medien publiziert wurden.2 Gemeinsam ist ihnen die Suche nach einer anderen Ordnung. Wie die Ordnung genau aussieht, ist unklar und soll es auch bleiben. Sie wird das Ergebnis der Bemühungen und Entdeckungen vieler sein. Klar ist jedoch, dass sie die Prinzipien der guten alten Ordnung aufgreift, die den Westen ausmacht. In ihrem Mittelpunkt steht die Freiheit, die durch das Recht als Infrastruktur geschützt wird. Der Wahlspruch der alten Ordnung lautet bekanntlich Laissez-nous faire!

Ludwig Erhard charakterisierte die Herausforderung in einer Rede vor der Mont Pèlerin Society 1968 während der ersten Großen Koalition Deutschlands wie folgt: „Die schon mit einer Beschränkung der individuellen Freiheit verbundene staatlich manipulierte Ordnung macht in der Regel immer weitere und erweiterte Eingriffe in das sozialökonomische Geschehen erforderlich, die mit neuen Verlusten an Freiheit zu bezahlen sind. Ich predige kein ‚Hand-in-den-Schoß-legen’, wenn ich beklage, dass wir offenbar nicht mehr die Nerven haben, Prozesse ablaufen zu lassen oder auf selbstheilende Kräfte zu vertrauen. Viele fordern vielmehr Aktionen, weil sich nur mit ihnen Ruhm ernten lässt.“

Das Verhältnis von Staat und Gesellschaft gehört längst auf den Kopf gestellt. Ausgerechnet von einer hochrangigen Regierungsvertreterin Chinas stammt die Parole: „We are in a transition from a big state to a small state, and from a small society to a big society.“ Damit ist auch eine Antwort auf die Frage gegeben, wie man Menschen helfen kann. Für den gleichwohl erforderlichen Minimalstaat bleiben noch „minimalinvasive“ Aufgaben, um den treffenden Begriff von Stefan Blankertz zu verwenden. Vom Wohlfahrtsstaat bis dorthin ist es ein weiter Weg, für viele Menschen zunächst geistig. Immerhin lohnt sich die Anstrengung, es gibt spannende neue Ordnungen zu entdecken.

Die Frage der Ordnung ist aktuell wie nie zuvor: die Ordnung Europas, die Ordnung des Finanzsektors, die ordnungspolitischen Reformen in Deutschland, die bis zur Finanz- und Staatsschuldenkrise die Gazetten beherrschten und wenn nicht seit 1982, dann doch seit der Wiedervereinigung weitgehend ausstehen. Nachfolgend werden im Sinne einer Serie begrenzter Schnappschüsse dem Leser Impulse für das Denken in Ordnungen und für eine Reform der bestehenden Ordnung an die Hand gegeben.

Berlin, im August 2014

Michael von Prollius

1 Besonders anregend sind Diskussionen in den USA über das minimalinvasive Staatsverständnis der Gründerväter. Auch in Europa und Deutschland gibt es ein Erwachen unabhängiger, klarsichtiger Menschen, die dem grassierenden Samtpfotensozialismus die Ideale von Aufklärung, Freiheit und Selbstverantwortung entgegenstellen; ihr Kreis ist klein und wächst, ein herausragend positives Beispiel sind die Students for Liberty.

2 Die Texte sind hier in sanft überarbeiteter Form wiedergegeben. Hinweise auf Quellen der Veröffentlichung wurden nur dann vorgenommen worden, wenn eine Publikation außerhalb von Forum Ordnungspolitik erfolgt ist.

Was ist Ordnungspolitik?

Der Titel eines bekannten Sammelbandes aus dem Jahr 1953, in dem führende europäische Verfechter von Marktwirtschaft und freier Gesellschaft sich mit den Grundlagen und Prinzipien von Ordnungspolitik ihrer Zeit befassen, lautete "Wirtschaft ohne Wunder". Ihren Zeitgenossen mutete die gerade erst einsetzende fulminante Wirtschaftsentwicklung in Deutschland indes wie ein Wunder an. Aus den Trümmern des „Dritten Reichs“ entstand die Wohlstandsgesellschaft der Bundesrepublik Deutschland, allerdings erst nach der Doppelreform von Währung und Wirtschaft im Sommer 1948. Zwar blieb die Phase der sozialen Marktwirtschaft auf die (frühen) fünfziger Jahre beschränkt, zumindest an den Prinzipien ihrer Gründerväter gemessen. Dennoch nahmen Überlegenheit und Attraktivität von Freiheit und Wohlstand Westdeutschlands im Vergleich zur sozialistischen DDR derart zu, dass die ostdeutsche Bevölkerung schließlich im November 1989 mit den Füßen für die freiheitliche Ordnung abstimmte.

Der Stadtstaat Singapur hat einen phänomenalen Aufstieg erlebt – von der Armut als britische Kolonie zu einem der reichsten Staaten Asiens. Der Tigerstaat gilt heute als einer der führenden Wirtschaftsstandorte weltweit. In dem bedeutenden Handels-, Finanz-, Dienstleistungs- und Technologiezentrum betrug das BIP pro Kopf 2012 mehr als 51.000 US-Dollar, 1960 waren es lediglich 437 US-Dollar. Der fulminante Transformationsprozess ist durch eine Präferenz von marktkonformen Instrumenten gegenüber direktem Regierungseinfluss und der Ablehnung eines Wohlfahrtsstaates gekennzeichnet. Singapur zählt seit Jahren zu den führenden Nationen weltweiter Rankings zur wirtschaftlichen Freiheit.

Die skandinavischen Staaten, nicht zuletzt Schweden in den neunziger Jahren, haben strukturelle Reformen durchgeführt, die unter dem Druck wirtschaftlicher Probleme unausweichlich wurden. Die sozialdemokratischen Volksheime mit Hochsteuerpolitik, überbordenden Staatsschulden, einem aufgeblähten Öffentlichen Dienst und einer nicht mehr finanzierbaren Lohn- und Einkommenspolitik waren als Wolkenkuckucksheime an den ökonomischen Gesetzen gescheitert. Zu den Reformen zählten zahlreiche Liberalisierungen über die Strom-, Post-, Verkehrs- und Telekommunikationssektoren hinaus auch in der Sozialpolitik. Dänemark hat keinen Kündigungsschutz wie etwa Deutschland und die Schweiz. In Schweden gibt es Schulwettbewerb. Lohnzurückhaltung war auch hier ein wichtiger Reformbaustein. Die Reformerfolge wurden über wechselnde Regierungen hinweg erzielt.

Für die Ärmsten der Armen erschallt der Ruf nach staatlicher Hilfe. Hier offenbare sich Marktversagen und die Macht der Stärkeren und der besser Vernetzten. So oder so ähnlich lauten die gängigen Urteile. Entwicklungshilfe sei die Lösung. Falsch! Nachdem James Tooley in seinem Buch „The Beautiful Tree“ bereits die Selbsthilfe der Armen in scheinbar gottverlassenen Gegenden der Welt beschrieben hat, wurde in der britischen Zeitung Times eine themenverwandte Publikation zum Buch des Jahres 2013 gekürt. Es stammt von Pauline Dixon und heißt „International Aid and Private Schools for the Poor“. Auch hier sind private Schulen die Lösung für die Ärmsten der Armen. Und das, nachdem staatliche Schulen gescheitert sind. Unternehmertum und Selbstverantwortung, nicht Entwicklungshilfe, sind die Lösung für die drängenden Probleme der Welt.

Die Alternative zum Markt ist die Bürokratie, was immer für ein Etikett man hier auch benutzen mag.

Ernest van den Haag

Ordnungspolitik verändert die Anreize des Handelns

Ordnungspolitik bezeichnet herkömmlicherweise alle staatlichen Maßnahmen, die auf die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft einwirken – also auf Regeln und Grundsätze des menschlichen Zusammenlebens. Ordnungspolitik verändert die Rahmenbedingungen des Wirtschaftens, ja des Lebens insgesamt. Das liegt daran, dass Ordnungspolitik Anreize für Menschen setzt, Dinge zu tun oder zu lassen.

Das klingt sehr abstrakt. Anschaulicher wird es, wenn es um Sport geht, etwa die Spielregeln beim Fußball. Dort wäre der Staat der Schiedsrichter, der die Regeln durchsetzt, zugleich aber auch der Deutsche Fußballbund, der Spielregeln festlegt. Wie würden sich die Fußballer verhalten, wie sich das Spiel ändern, wenn die Abseitsregel aufgehoben werden würde? Welche Folgen hätte es, wenn Fußballspieler mindestens 30.000 Euro pro Jahr verdienen müssten, unabhängig von der Liga, in der sie spielen, und der Spitzenverdienst auf nicht mehr als 1 Million Euro in Deutschland festgesetzt werden würde?

Die Ordnung der Wirtschaft ist von so großer Bedeutung, weil sie darüber entscheidet, wie die Lenkung der Wirtschaft und damit die Verteilung von Ressourcen und Wissen erfolgt. Und die Wirtschaft berührt unser aller Leben jeden Tag. Grundsätzlich gibt es nur zwei Lösungen: zentral durch eine Behörde oder dezentral durch die Menschen auf Märkten.3 Walter Eucken, der führende Ordoliberale und Begründer der Freiburger Schule, urteilte in „Grundsätze der Wirtschaftspolitik“: „Alle wirtschaftspolitischen Fragen laufen auf die Frage nach der Ordnung der Wirtschaft hinaus und haben nur in diesem Rahmen einen Sinn.“

Zu den herausragenden Rahmenbedingungen einer freien Ordnung gehören:

die Unantastbarkeit von Leib, Leben und Privateigentum,

die Freiheit des Individuums vor Bevormundung und Zwang anderer,

die Herrschaft des Rechts in Form allgemeiner – und damit für alle Menschen gleich geltender – Regeln,

eine wertbeständige Währung,

Meinungs- und Vertragsfreiheit,

ein funktionierendes Preissystem und

offene Märkte.

Mit dem herausragenden amerikanischen Publizisten Henry Hazlitt besteht der Unterschied zwischen guter und schlechter Wirtschaftspolitik in deren langfristiger Ausrichtung und ihrer Allgemeingültigkeit oder aber Kurzfristigkeit und Gruppenprivilegien. Dementsprechend gilt für eine gute Ordnungspolitik, dass sie einen Rahmen setzt, aber nicht in die Marktprozesse eingreift. Vor allem Preise als wichtigster Informationsanzeiger, zu dem es keine annähernd hilfreiche Alternative gibt, sind für gute Ordnungs- und Wirtschaftspolitik tabu. Von grundlegender Bedeutung ist, dass der Staat nicht wirtschaftlich tätig wird.

Wenn wir mit Leidenschaft für die Wirtschaftsfreiheit eintreten, so tun wir das in allererster Linie eben deshalb, weil die Wirtschaftsfreiheit die notwendige, die unentbehrliche Grundlage der politischen Freiheit, der menschlichen Freiheit ist, d.h. also im Dienst der Menschenwürde.

Alexander Rüstow

Die Gründerväter der Sozialen Marktwirtschaft beabsichtigten nach der Zwischenkriegs- und NS-Zeit mittelsOrdnungspolitik eine freie Gesellschaft zu etablieren, in der eine Wettbewerbsordnung ein reibungsloses Funktionieren der Märkte gewährleistet. Dafür erachteten sie einen starken, zurückgenommenen Staat als erforderlich, der sich auf das Setzen und Durchsetzen der Rechtsordnung konzentrierte. Bereits 1932 forderte Alexander Rüstow, der spätere Präsident der Aktionsgemeinschaft Soziale Marktwirtschaft, eine staatliche „Selbstbeschränkung als Grundlage der Selbstbehauptung“ ein. Erst das „Sich-besinnen und Sich-zurückziehen des Staates auf sich selber“ schaffe einen starken Staat, der über den Interessen steht. Der Wirtschaftsordnung maßen die Gründerväter nicht nur deshalb eine so große Bedeutung zu, weil sie überwiegend Ökonomen, aber nicht nur Ökonomen waren, sondern weil sie erkannten, dass die Ordnung der Wirtschaft von überragender Bedeutung für das Leben der Menschen an sich ist.

Gute oder schlechte Ordnungspolitik

Der Unterschied zwischen guter und schlechter Ordnungspolitik besteht darin, dass gute Ordnungspolitik erstens langfristig orientiert ist und nicht nur aktuelle Wirkungen berücksichtigt. Zweitens werden die Folgen der Politik für alle Gruppen und nicht nur für Sonderinteressen berücksichtigt, das bedeutet, dass alle Menschen gleich behandelt und Privilegien nicht gewährt werden.

Ordnungspolitik gestaltet also den rechtlichen (Ordnungs-) Rahmen, die Regeln, innerhalb deren der Wirtschaftsprozess abläuft, z.B. durch die Sicherung von Privateigentum und die Gewährleistung der Vertragsfreiheit oder aber ihre Beeinträchtigung, aktuell weithin sichtbar etwa durch Mindestlöhne. Ordnungen sind vor allem Anreizsysteme, die das Verhalten der Menschen lenken. Zur Ordnungspolitik gehören allgemeine Regeln, die die gesamte Gesellschaft bzw. Volkswirtschaft betreffen und Rahmenbedingungen, die für spezielle Bereiche der Wirtschaft gelten, also z.B. die Wettbewerbspolitik, die Unternehmens- und die Eigentumsordnung gestaltende Politik, außerdem Verteilungs- und Sozialpolitik sowie die Geldordnung. Ordnungspolitische Entscheidungen haben häufig Verfassungsrang.

Die Wirtschaftsordnung ist Ergebnis des Zusammenwirkens der rechtlich fixierten Wirtschaftsverfassung, der gewachsenen kulturellen und sittlich-moralischen Werte und Regeln sowie der realisierten Ordnungs- und Wirtschaftspolitik.

Ordnungspolitik prägt maßgeblich die Ordnung von Wirtschaft und Gesellschaft und ist daher von nicht zu überschätzender Bedeutung. So hängen erstens von der Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung die Freiheit des Einzelnen und die Entfaltungsmöglichkeit der wirtschaftlichen Kräfte ab, z.B.: Kann ich meinen Lohn frei verhandeln oder bin ich an Tarife gebunden? Kann ich selbst entscheiden, wann ich in Rente gehe oder bestimmt ein politisches Gremium für mich? Darin ist zweitens enthalten, dass die durch die Ordnungspolitik geschaffenen Regeln das Verhalten der Menschen steuern, z.B.: Ist es wegen der Steuer- und Abgabenlast in Deutschland vernünftiger, „schwarz“ zu arbeiten? Damit geht drittens von der Ordnungspolitik eine entscheidende Prägekraft auf die Gesellschaft aus, z.B.: Bin ich für meine Lebensumstände selbst verantwortlich oder der (Sozial)Staat?

Grundsätzlich gibt es zwei unterschiedliche Arten von Ordnung: die gesetzte oder geplante Ordnung (Taxis) und die spontane Ordnung (Kosmos). Die (freie) Marktwirtschaft ist Resultat menschlichen Handelns, aber nicht menschlicher Intention.

Wie unterschiedlich diese Prägung ausfallen kann, zeigen die Geschichte der DDR, gekennzeichnet durch das autoritäre SED-Regime und die Planwirtschaft, der BRD mit demokratisch gewählten Regierungen und der Sozialen Marktwirtschaft, die heute zum Irrweg Wohlfahrtsstaat mutiert ist, aber auch die Entwicklung der USA vom Minimalstaat zum „Welfare and Warfare State“.

Ordnungspolitik ist aktuell wie selten zuvor. Strukturelle und aktuelle Fehlentwicklungen wie die Finanz- und Staatsschuldenkrise sind Folge von Verstößen gegen ordnungspolitische und marktwirtschaftliche Prinzipien, darunter die Aufhebung des ehernen Zusammenhangs von handeln und haften. Die Erkenntnisse der Gründerväter und Patenonkel der Ordnungspolitik wurden inzwischen durch die Theorie öffentlicher Wahlhandlungen (Public Choice), die Institutionenökonomik und das interdisziplinäre Feld „Law and Economics“ bestätigt und erweitert. Von nicht zu überschätzender Bedeutung ist die Tatsache, dass ein Verzicht des Staates, in die Wirtschaft einzugreifen, uns von der Masse der Probleme und Krisen befreien würde.

Eine freiheitliche Ordnungspolitik macht die Freiheit des Einzelnen zum Ausgangspunkt aller Überlegungen und Gestaltungen. Mit der Freiheit des einzelnen Menschen sind Eigentum, Entscheidungsfreiheit und die Verantwortung für das eigene Handeln unauflösbar verbunden.

Was zu allen Zeiten das Herz mancher Menschen so stark für die Freiheit eingenommen hat, sind ihre eigenen Reize, ihr eigener Zauber, ohne Rücksicht auf ihre Wohltaten; es ist die Lust, unter dem alleinigen Regiment Gottes und der Gesetze sprechen, handeln und frei atmen zu können. Wer in der Freiheit etwas anderes als sie selber sucht, ist zur Knechtschaft geboren.

Alexis de Tocqueville

Durch das Vertrauen der – wahrhaftigen – Liberalen in die Eigenständigkeit des Menschen, der sein eigenes Leben unabhängig von Bevormundung und Zwang führen kann, wird der Mensch zum Mittelpunkt und Maß einer offenen Ordnung der Vielfalt. Gerechtigkeit wird als Gleichbehandlung aller – vor dem Gesetz – verstanden und nicht als möglichst vollkommene materielle Gleichheit von Natur aus ohnehin ungleicher, vielfältiger Menschen. Was zählt ist nicht die gut gemeinte Intention, sondern das selbst bestimmte, offene und messbare Ergebnis.

Konsequenterweise wird bei Forum Ordnungspolitik unter Ordnungspolitik nicht nur staatliche Politik verstanden, sondern der Begriff weiter gefasst. Das beginnt mit der persönlichen Haltung eines jeden Menschen, setzt sich mit Reden über die Ordnung und alltagspolitischem Engagement fort und schließt das tägliche Handeln ein. Interessant wird es besonders bei künftigen Alternativen zur bestehenden staatsdominierten Ordnung, die viel stärker dezentral, demokratisch und bürgerlich fundiert sind. Zugleich wird deutlich, dass die ordnungspolitische Rolle des Staates hier weitaus enger gefasst wird als das herkömmlich der Fall ist.

Das liegt auch an folgendem Sachverhalt: Wissen besitzt eine herausragende Bedeutung für den Menschen und die Gesellschaft insgesamt. In eine freiheitlichen Ordnung geht das Wissen in maximalem Ausmaß ein; vor allem deshalb ist die Ordnung der Freiheit so überlegen, so einzigartig leistungsfähig. Wissen ist die Quelle menschlicher Zivilisation. Das macht die auf Werten, allen voran Freiheit, Gleichheit und Eigentum, basierende Ordnung der freien Gesellschaft – mit der Marktwirtschaft als Lebensquell – theoretisch und praktisch so überlegen. Aktuelle und historische empirische Beispiele sprechen für sich, etwa der Wettbewerb der Ordnungen zwischen der Sowjetunion und den USA oder die Fülle jährlich aktualisierter Indices zur Entwicklung der wirtschaftlichen Freiheit weltweit.

Freiheitliche Ordnungspolitik ist Prinzipien geleitet, nicht opportunistisch, und langfristig ausgerichtet; sie dient nicht Sonderinteressen, sondern den Interessen der Allgemeinheit. Und diese Interessen der Allgemeinheit, das Allgemeinwohl, können nur durch allgemein gültige Regeln verbessert werden, nicht aber durch vermeintliche Wohltaten für einzelne gesellschaftliche Gruppen. Zugleich werden liberale Werte wie Freiheit, Eigentum und Herrschaft des Rechts nicht nur aus Gründen der Nützlichkeit verteidigt, auch wenn diese in Hülle und Fülle vorliegen, sondern als Prinzip.

Schlaglicht 1: Mit Mindestlöhnen schadet die Regierung Verbrauchern und wenig produktiven Arbeitnehmern

Die Große Koalition hat die Durchsetzung eines allgemeinen Mindestlohns in Höhe von 8,50 Euro zum 01.01.2015 beschlossen. Damit erreicht ein langjähriger Trend einen Höhepunkt. So hatte, weitgehend unbeachtet, bereits die CDU-FDP-Bundesregierung Mindestlöhne zusätzlich zu den bereits bestehenden in weiteren sechs Branchen gleichsam durch die Hintertür eingeführt. Seit dem Inkrafttreten des so genannten „novellierten Arbeitnehmer-Entsendegesetzes“ am 20. April 2009 können die Tarifvertragsparteien Mindestlöhne unter anderem in den Bereichen Pflege, Sicherheits- und Wäschedienstleistungen sowie in der Abfallwirtschaft, darunter ausdrücklich Straßenreinigung und Winterdienst, sowie Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen erlassen. Das hat spürbare ordnungspolitische Folgen:

Erstens führen Mindestlöhne, die über dem Marktpreis liegen, konsequent zu Nicht-Beschäftigung derer, für die sie vorgeblich beschlossen wurden. Die Regierung kann Mindestlöhne festsetzen, aber nicht Arbeitsplätze garantieren. Die Idee des Mindestlohns ist es ja gerade, das Zwangsmonopol des Staates zu benutzen, um aus Sicht der Politik vermeintlich zu niedrige Löhne per Anordnung zu erhöhen; vermeintlich, weil die Vertragsparteien sich bisher darüber einig waren, dass die Leistung zu dem vereinbarten Lohn erbracht wird. Wäre der zu niedrig, würden die Pflege, Sicherheits- und Wäschedienstleistungen nicht erbracht werden.

Während Süd-Afrikas Apartheid Ära waren es die rassistischen Gewerkschaften, die hauptsächlich Mindestlöhne für Schwarze unterstützten!

Walter Williams

Zweitens verteuern sich die Produkte der Unternehmen, es sei denn, die Kosten können etwa durch Entlassungen eingespart werden. Da Gehälter nie von den Unternehmen, sondern immer durch die Kunden des Unternehmens bezahlt werden müssen – das Unternehmen erhält sein Geld ja nur durch den Verkauf seiner Produkte –, sind es die Verbraucher, die die Mindestlöhne bezahlen müssen. Das gilt sowohl unmittelbar, wenn Sie durch das Eingreifen der Regierung verpflichtet sind, jemandem für eine Stunde Schneeräumen oder Hemdenbügeln mehr als zuvor zu bezahlen, als auch mittelbar, etwa durch verteuerte Abfalldienstleistungen, die sich in weiter steigenden Müllabfuhrgebühren niederschlagen.

Drittens fehlt den Verbrauchern das Geld für andere Ausgaben. Schließlich kann Geld nur einmal ausgegeben werden, in diesem Fall für künstlich erhöhte Löhne. Damit bleiben Mindestlöhne nicht auf die eigentliche Branche beschränkt. Vielmehr führen sie zu einem Konsumrückgang in potenziell allen anderen Branchen. Wenn ich mehr für die Reinigung von Hemden ausgeben muss, habe ich weniger Geld für den Urlaub oder Restaurantbesuch übrig.

Für die Regierung sind Mindestlöhne allerdings vorteilhaft: Die Politiker hoffen sich die Gefolgschaft der begünstigten Arbeitnehmer sichern zu können. Zudem können sie die anschließend wachsende Schwarzarbeit bekämpfen. Und um der steigenden Arbeitslosigkeit zu begegnen, werden schließlich Arbeits-beschaffungsmaßnahmen ergriffen, die zeigen, dass die Regierung handlungsfähig ist. Die Schuld wird raffgierigen Unternehmern zugewiesen, oder die Politik konstatiert Marktversagen. Sicher ist, dass wir bezahlen müssen, als Steuerzahler und als Verbraucher. Und sicher ist, dass die hinter Mindestlöhnen stehende ökonomische Logik abstrus ist: Mindestlöhne gleichen einer höheren Steuer auf die Beschäftigung gering qualifizierter Arbeitnehmer, die aber nicht dazu führen soll, dass Arbeitgeber gering qualifizierte Arbeitnehmer entlassen. Leider bleibt unsichtbar, wie viele Arbeitsplätze durch Mindestlöhne gar nicht erst entstehen.

Schlaglicht 2: Regional gefertigte Produkte zu bevorzugen, beruht häufig auf einem Trugschluss

Derzeit ist es nicht nur en vogue, organische, vegane oder Bio-Produkte zu kaufen, sondern auch regionale Produkte. Das geschieht aus unterschiedlichen Gründen, unter anderem in der Absicht, die Umwelt zu schützen oder sich gesund zu ernähren. Manches spricht dafür, regionale Produkte zu kaufen, etwa wenn Fertigung und Bekömmlichkeit regionaler Produkte bekannt sind. In seine Umgebung zu investieren hat Vorteile. Inwieweit das Aufschläge beim Preis erlaubt, bleibt eine individuelle Kalkulation. Ökonomisch ist der Aufruf „Kauft (nur) Produkte aus unserer Region!“ nicht zuletzt eine Form des Protektionismus auf kleiner Ebene. Zu diesem Ergebnis kommt die Kanadierin Karen Selick in ihrem lesenswerten Artikel „The Buy-Locally-Owned Fallacy“ in der Library of Economics and Liberty. Ihre Argumente sind schon deshalb beachtenswert, weil sie auf der Fähigkeit beruhen, eine zunächst plausibel erscheinende, tatsächlich aber stark verengte Perspektive durch Erweiterung des Horizonts als Trugschluss zu entlarven. Karen Selick argumentiert:

Erstens, nicht die Gemeinde oder die Region, sondern die Befriedigung der Bedürfnisse des Einzelnen sind für eine Kaufentscheidung maßgeblich. Das gilt umso mehr, wenn wir in Betracht ziehen, dass längst nicht alle Produkte lokal produziert und angeboten werden, geschweige denn zu einem wettbewerbsfähigen Preis. Das weltweite Einkaufen bietet uns eine größere Wahlfreiheit in kürzerer Zeit. Im Internet wird das mit wenigen Klicks deutlich. Insgesamt gilt, dass es beim Tausch von Geld gegen Ware darum geht, unsere eigene Lebenssituation zu verbessern. Gerade wenn wir Glück und Wohlfahrt von allen Beteiligten regional bilanzieren, ist der rein regional beschränkte Kauf niemals per se der bessere Kauf.

Zweitens, sobald jede Region nach der Devise „Kauft nur bei uns!“ verfährt, ist Abschottung die unweigerliche Folge. Die Folge sind zwangsläufig erhebliche regionale Wohlfahrtsverluste. Und diese negativen Folgen liegen nicht einmal im Interesse derer, die die Devise ausgegeben haben. Die unbeabsichtigten Propagandisten des Protektionismus haben nur den potenziellen Gewinn lokaler Käufer für ihr Geschäft berücksichtigt, aber außer Acht gelassen, dass sie bei strikter Befolgung der Devise Kunden aus der Nachbarregion verlieren werden.

Hinzufügen ließe sich, dass (internationale) Arbeitsteilung respektive Freihandel der zentrale Erfolgsfaktor für steigenden Wohlstand von allen Beteiligten ist. Der Wohlstand der Moderne, zunächst der im 19. Jahrhundert entstehenden Industrieländer im Westen, dann weltweit, ist unauflösbar mit Internationalisierung und Globalisierung verbunden. Das Robinson-Crusoe-Modell taugt hingegen nur für Robinson und Freitag. Hinzu kommt, dass die Masse der regional angebotenen Produkte ohne die Unterstützung weltweiter Zulieferer nicht existieren würde. Die Geschichte „I, pencil“ von Leonard E. Read ist hierfür die wohl anschaulichste Illustration.4

Karen Selick hat Recht, wenn sie daher fordert, dass wir uns auf keinen Fall einem falschen Gemeinschaftsverständnis unterwerfen sollten. Vielmehr sollten wir je nach Bedarf einkaufen: lokal, regional, global oder auf eine dazwischen liegende Art und Weise.

Erfolge und Misserfolge der Ordnungspolitik

Positive Beispiele für eine freiheitliche Ordnungspolitik finden sich jedes Jahr im "Economic Freedom of the World Report" des Frazer Instituts. Das Ranking wird seit Jahren von Hongkong angeführt, aber auch andere kleine Länder wie Singapur, das aus bitterer Armut durch gleichermaßen umwälzende, wie konsequente Reformen eine glänzende Entwicklung erlebt hat, und Neuseeland sowie die Schweiz gehören zur Spitzengruppe. Deutschland hat sich nach einer längeren Durststrecke auf Rang 18 gerappelt (Index of Economic Freedom, Frazer Institute) respektive Rang 8 von 43 europäischen Staaten; Defizite liegen in mangelnder Freiheit bezüglich Arbeit, ferner einem einschnürenden Fiskalismus sowie zu hohen Staatsausgaben. Schließlich schwächelt Deutschland bei der Unternehmensfreiheit. Allerdings bilden Rankings nur eine Rangliste bestehender Wirtschaftssysteme ab und blenden bessere Alternativen aus. Besonders lehrreich ist es, einen Blick in die Vergangenheit zu werfen, auf Reformen wie die Währungs- und Wirtschaftsreform in Deutschland 1948, die Wende zum Markt in Großbritannien unter Thatcher und in den USA unter Reagan – bei allen gebotenen Relativierungen, sowie die neoliberalen Reformen der skandinavischen Staaten. Hinzu kommen Erfolgsbeispiele wie Neuseeland am Ende des 20. Jahrhunderts oder die Republik der Vereinigten Niederlande bereits Ende des 17. Jahrhunderts. Den größten Sprung hat China in der kürzesten Zeit geschafft. Im Vergleich zum Vorreiterland der Industrialisierung England brauchte China nur ein Zehntel der Zeit um seine Wirtschaftsleistung zu verdoppeln. Dass Strukturreformen von großer Tragweite und mit bedeutenden Begleiterscheinungen auch in Deutschland möglich sind, hat bezeichnenderweise die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland gezeigt. Maßgeblichen Anteil daran hatte Jürgen Klinsmann mit seinen unpopulären Entscheidungen. Für Politik und Wirtschaft stehen vergleichbare Reformen noch aus.

Soziale Marktwirtschaft * 20.06.1948a08.06.1967

Am 20.06.2013 jährte sich der Geburtstag der Sozialen Marktwirtschaft zum 65. Mal. Die Schar der Gratulanten war schon beim 60. Geburtstag unübersehbar. Zumeist sind die Geburtstagsgäste um ihr eigenes Ansehen bemüht und versuchen sich im Glanz des deutschen Stars unter den Wirtschaftsordnungen zu sonnen. Kaum jemand nimmt indes zur Kenntnis, dass vom einstigen Top-Model S. M. nur noch Fotos existieren, das gilt auch für ihre längst verstorbenen Väter und Onkel, darunter Ludwig Erhard, Alfred Müller-Armack, Wilhelm Röpke und Alexander Rüstow. Die Vielzahl der Gratulanten und ihr Gebrabbel verdecken, dass die Soziale Marktwirtschaft längst nicht mehr am Leben ist. Sie verstarb infolge schwerer Misshandlungen, noch bevor sie das zwanzigste Lebensjahr erreichen konnte. Das Stabilitätsgesetz vom 08.06.1967 mit dem „Magischen Viereck“ versetzte dem „gerade durch die marktwirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt“ (Alfred Müller-Armack) als wesentlichem Prinzip der Sozialen Marktwirtschaft den Todesstoß. Der Staat übernahm die Steuerung der gesamten Wirtschaft, indem die Staatsbürokratie fortan für kontinuierliches, adäquates Wirtschaftswachstum, hohe Beschäftigung, ein außenwirtschaftliches Gleichgewicht und ein stabiles Preisniveau sorgen sollte. Fortan ist in der Öffentlichkeit vollkommen in Vergessenheit geraten, dass Marktwirtschaft ein dynamischer Prozess ist und nichts mit effizienten Gleichgewichten zu tun hat.

Dieser frühe Tod hat Mythen bildend gewirkt, ähnlich wie bei Stars von James Dean bis Lady Diana. Angesichts der glücklichen Geburt ist die schwere Säuglings- und Kleinkindzeit in Vergessenheit geraten, mit dem Generalstreik im November 1948 und den andauernden Anfeindungen der bösen Nachbarn bis zum Korea-Boom. Vermutlich überdecken auch die tollen „Wirtschaftswunderjahre“ die Tatsache, wie schwer es die Soziale Marktwirtschaft hatte. Mitten in ihrem schönsten Wachstum ereilte sie der Dolchstoß von 1957 – die Dynamisierung der Rente mit dem vermeintlichen Generationenvertrag. Ausgerechnet ihr Namensvater Alfred Müller-Armack schickte den Teenager 1960 in eine Umerziehungsanstalt. In der so genannten „zweiten Phase“ der S. M. wurde die sozialpolitische Absicherung in eine Betreuung verwandelt. Zugleich schwand der familiäre Halt durch eine Serie von Todesfällen, angefangen von Walter Eucken 1950 über Wilhelm Röpke 1963 bis Alexander Rüstow 1966. Eine etwas drallere und viel einfältigere Wirtschaftsordnung wurde der Öffentlichkeit mit dem Werbeslogan „Aufgeklärte Marktwirtschaft“ und zahllosen sozialpolitischen Werbegeschenken präsentiert. Allerdings gilt: Nur das Original ist originell.

Gute Ordnungspolitik und Wohlfahrtsstaat sind unvereinbar5