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Aspen ist erst 15 – und schon eine erfolgreiche Schwimmerin! Und dann geht ihr Traum in Erfüllung, als sie ins Schwimmteam der berühmten Remington High aufgenommen wird. Damit hätte sie niemals gerechnet! Schnell jedoch verfliegt ihre anfängliche Freude, denn rasch muss sie feststellen, dass hier etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht. Immer wieder kommt es bei den Wettkämpfen zu äußerst merkwürdigen Zwischenfällen. Nikki ertrinkt um ein Haar, Naomi stürzt eine Treppe hinunter – und auf Aspen selbst wird ein heimtückischer Anschlag verübt. Wer steckt hinter dem Ganzen? Und warum tut jemand so etwas? Aspen will es herausfinden – und begibt sich dabei in tödliche Gefahr ...
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Dana Kilborne
Auf die Plätze, fertig – tot!
“Dieses hinterlistige Miststück!”
Tiffany Heather Preston wischte sich mit dem Handrücken über die tränennassen Wangen. Wie aus weiter Ferne drangen wummernde Drum and Base Rhythmen an ihr Ohr und hallten von den hellblau gekachelten Wänden des Pools im Souterrain des Hotels wieder. Oben wurde eine heiße Party gefeiert, doch der Sechzehnjährigen war jegliche Lust zum Feiern vergangen. Und das hatte sie nur dieser verdammten Intrigantin zu verdanken, die sie vor allen anderen vorgeführt hatte wie eine dumme Göre.
Was bildete sich diese dämliche Pute eigentlich ein? Schlimm genug, dass der Trainer ganz offensichtlich einen Narren an ihr gefressen hatte – aber musste sie sich deshalb unbedingt wie eine Diva aufführen?
Mit einem frustrierten Seufzen hockte sich Tiffany an den Beckenrand, schleuderte ihre Flip-Flops weg und ließ die Füße im kühlen Chlorwasser baumeln. Sie schloss die Augen. Das leise Plätschern beruhigte sie beinahe augenblicklich.
Tiffany liebte das Wasser. Sie war schon wie ein Fisch geschwommen, noch bevor sie richtig laufen gelernt hatte. Wasser war ihr Element. Ihrer Mutter war es kaum gelungen, sie als Kind im Sommer aus dem Swimmingpool im elterlichen Garten herauszulocken. Es war ihr ganz natürlich erschienen, dass sie schon früh damit begonnen hatte, an Wettkämpfen teilzunehmen – und diese in der Regel auch zu gewinnen.
Inzwischen war sie eine talentierte Nachwuchsschwimmerin, der man große Erfolge für die Zukunft voraussagte. Sie wurde als eine der Hoffnungen des US-Schwimmsports gehandelt. Und genau das versuchte ihr diese dumme Kuh jetzt kaputtzumachen. Doch das würde Tiffany nicht zulassen.
Niemals.
Ein paar Runden im Pool würden ihr sicher dabei helfen, einen klaren Kopf zu bekommen. Zum Glück hatte sie etwas in der Art ohnehin vorgehabt und trug deshalb einen Bikini unter ihren normalen Klamotten. Sie zog sich das Top über den Kopf und war gerade dabei, aus den Shorts zu schlüpfen, als sie hinter sich ein Geräusch vernahm.
Sie wandte sich um. “Du?”
Ihr Gegenüber lächelte abfällig. “Wieso? Hast du jemand anderen erwartet?”
“Was willst du?” Argwöhnisch runzelte Tiffany die Stirn. “Hat sie dich geschickt? Du bist mir ja wohl kaum aus purer Menschenfreundlichkeit nachgekommen, oder?”
Das Lächeln auf dem Gesicht ihres Gegenübers wurde noch eine Spur breiter. “Wohl kaum. Ich wollte mit dir reden. Nicht mehr und nicht weniger.”
“Das kannst du dir sparen”, erklärte Tiffany schroff. “Ich hab jetzt echt keinen Bock auf diesen Schrott!”
Sie wandte sich ab und kickte ärgerlich die Shorts beiseite, die ihr noch immer um einen Knöchel baumelten; dann ging sie hinüber zum Beckenrand.
Tiffany setzte gerade zum Sprung an, als sie einen heftigen Schmerz am Hinterkopf verspürte. Gleichzeitig durchfuhr ein brutaler Ruck ihren Körper. Sie verlor das Gleichgewicht, stürzte. Ihre Lippen trennten sich zu einem Schrei, doch da klatschte ihr Körper auch schon mit brachialer Gewalt auf die Wasseroberfläche.
Erschrocken und schmerzerfüllt schnappte sie nach Luft, doch Ihr Mund füllte sich nur mit leicht nach Chlor schmeckendem Wasser. Es strömte in ihre Lungen und löste einen Hustenreflex aus, der ihr jedoch bloß noch mehr Wasser in den Mund fließen ließ.
Verzweifelt ruderte Tiffany mit den Armen. Sie musste an die Wasseroberfläche gelangen, koste es, was es wolle. Doch ihr war vor Schmerz fast schwarz vor Augen, und sie hatte vollkommen die Orientierung verloren. Und anstatt nach oben zu schwimmen, glitt sie nur noch tiefer dem Grund des Swimmingpools entgegen.
Als sie mit der Stirn gegen den gefliesten Boden stieß, wurde ihr klar, dass sie einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte. Doch es war zu spät. Jede Faser ihres Körpers schrie danach, den Mund zu öffnen, tief einzuatmen. Es war ein Instinkt, der jedes bewusste Denken überlagerte. Und auch wenn sie wusste, dass es ihren sicheren Tod bedeutete, konnte Tiffany einfach nicht länger gegen diesen Instinkt ankämpfen.
Sie atmete Wasser.
Panisch begann sie, mit Armen und Beinen zu strampeln. Doch nach ein paar grauenvollen Augenblicken der Pein schien es gar nicht mehr so schlimm. Tiffany fühlte sich leicht. So leicht, als würde sie fliegen. Vollkommener Frieden erfüllte sie.
Dann wehte ihr Bewusstsein davon wie ein Blatt im Wind …
Zwei Minuten später trieb der mit einem bunten Bikini bekleidete, reglose Körper einer hoffnungsvollen Nachwuchsschwimmerin auf der Wasseroberfläche eines einsamen Hotelswimmingpools. Das Gesicht nach unten gerichtet, starrten die rehbraunen Augen der Toten blicklos ins Leere. Ihr langes, blondes Haar umschwebte ihren Kopf wie eine seltsame Wasserpflanze, wiegte sich sanft in den langsam abebbenden Wellen an der Wasseroberfläche.
Es würde sicher noch Stunden dauern, bis die anderen sie vermissten.
Die Gestalt am Beckenrand nickte zufrieden. Den schweren Schraubenschlüssel, den sie aus dem Werkzeugkasten des Hausmeisters entwendet und mit dem sie soeben einen Mord begangen hatte, hielt sie noch immer in der Hand. Jetzt machte sich die Gestalt daran, die letzten Spuren zu beseitigen.
Tiffany Heather Preston war einem Unfall zum Opfer gefallen. Sie musste beim Sprung ins Wasser mit dem Hinterkopf gegen den Beckenrand geprallt und dann ertrunken sein.
Tragisch, wirklich sehr tragisch. Gerade bei einem so jungen und viel versprechenden Talent.
Aber eben doch nur ein unglücklicher Unfall - nicht mehr und nicht weniger …
“Du bist bestimmt ganz schön nervös, was?” Fran Wieczorski lenkte ihren altersschwachen Plymouth an den Straßenrand und legte ihrer Nichte mitfühlend eine Hand auf die Schulter. “Das kann ich gut verstehen. Der erste Tag an einer neuen Schule … neue Leute, neue Lehrer – das ist sicher nicht gerade leicht.”
Aspen Taylor lachte kopfschüttelnd. “Du kannst einem echt Mut machen, Tantchen! Wenn ich nicht schon vorher nervös gewesen wäre, dann wäre ich es jetzt ganz bestimmt!” Sie blickte durch das Beifahrerfenster zum Gebäude der Remington High hinauf, das, von einem großen Pausenhof umgeben, inmitten eines hübschen Parks stand. Einen Augenblick blieb sie noch schweigend sitzen. Dann nickte entschlossen, strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und öffnete die Wagentür. “Mach dir keine Sorgen um mich, okay? Ich komm schon klar.”
Fran lächelte. “Davon bin ich überzeugt.”
Trotzdem, ein wenig mulmig war Aspen schon zumute, als sie die gepflasterte Auffahrt zur Schule hinaufschritt. Alles wirkte ebenso sauber und gepflegt, wie es auch an ihrer vorherigen Schule, der Bernstein School for Girls gewesen war. Und das, obwohl das Schulgeld an der Remington längst nicht so astronomisch hoch war.
Das Schulgebäude war sehr modern, mit viel Stahl und Glas, das im hellen Sonnenlicht glitzerte. Seitlich neben dem eigentlichen Hauptgebäude befand sich ein großer, einstöckiger Anbau – die Schwimmhalle der Remington High.
Vom Pausenhof her drang lautes Rufen und Gelächter zu Aspen herüber. In einer Ecke befand sich ein Basketballfeld, auf dem ein paar ältere Kids Körbe warfen. Die übrigen Schüler der Remington High standen in kleinen Grüppchen herum, unterhielten sich oder alberten herum.
Aspen war in Charlotteville, einer Kleinstadt im äußersten Norden der von Iowa aufgewachsen. Sie war vier gewesen, als ihr Dad sie zum ersten Mal ins örtliche Schwimmbad mitgenommen hatte. Nie würde sie das berauschende Gefühl vergessen, wie schwerelos durchs Wasser im Wasser zu schweben – damals natürlich noch mithilfe von Schwimmflügeln und unter ständiger Aufsicht ihres Vaters.
Von da an war Aspen gar nicht mehr aus dem Wasser herauszubekommen gewesen. Ehrgeizig hatte sie die erwachsenen Schwimmer beobachtet, wie sie im Becken ihre Kreise zogen. Das wollte sie auch können – und sie hatte nicht geruht, bis sie sich so sicher im Wasser bewegte wie ein Fisch.
“Eines Tages wachsen dir noch Kiemen, Kleines”, hatte ihr Dad einmal scherzhaft behauptet. Und als Aspen fünf war, meldeten ihre Eltern sie dann in ihrem ersten Schwimmverein an.
Danach war Aspen nicht mehr zu bremsen gewesen. Ihre Trainerin, Mrs. Walton, war so begeistert von ihrem Talent und ihrer unbändigen Freude am Schwimmen gewesen, dass sie Aspen für die Jugend-Championships der regionalen Schulen angemeldet hatte. Aspen war die jüngste Starterin gewesen – und sie hatte mit einem fabelhaften zweiten Platz alle Erwartungen noch übertroffen.
Als sie dann auf die Charlotteville High School kam, wurde sie ohne großes Federlesen im Schul-Schwimmteam aufgenommen. Doch Aspen träumte von Größerem. Sie war ehrgeizig und fleißig, und auch ihre Schulnoten litten nicht darunter, dass sie sehr viel Zeit für ihr Schwimmtraining aufbringen musste. So kam es, dass sich eines Tages ihr großer Traum erfüllte: Sie erhielt ein Stipendium für eine New Yorker Privatschule, die landesweit für ihr großartiges Schwimmteam berühmt war: die Bernstein School for Girls.
Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, ihre Eltern davon zu überzeugen, sie nach New York gehen zu lassen. Aspen wusste, dass es ihre ganz große Chance war. Eine Chance, wie sie vielleicht nie mehr wiederkehren würde. Deshalb hatte sie auch nicht locker gelassen, und schließlich war ihrer Mutter nichts anders übrig geblieben, als zuzustimmen: Aspen durfte zu ihrer Tante Fran nach New York ziehen.
Es war wie ein Traum gewesen. Aspen war am Ziel ihrer Träume angelangt – zumindest dachte sie das damals. Doch sie hatte schnell begreifen müssen, dass längst nicht alles so perfekt war, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Die Mädchen an der Bernstein School for Girls kamen allesamt aus reichem Elternhaus. Sie trugen nur die teuersten Klamotten – unter Gucci, Versace und Co lief bei denen gar nichts. Da fiel Aspen mit ihren löchrigen Levis und den Shirts aus dem Second-Hand-Laden natürlich ganz schön aus der Reihe. Und das ließen die anderen sie auch gnadenlos spüren.
Vor allem Samantha Pearson, die Kapitän im Schwimmteam der Bernstein School for Girls war, machte ihr das Leben zur Hölle. Aus unerfindlichen Gründen hasste Sam sie abgrundtief und nutzte jede noch so kleine Gelegenheit, um sie fertigzumachen.
Selbst jetzt, wo sie auf diese schwere Zeit zurückblickte, tat es noch weh. Die Abweisung der anderen Mädchen, ihr Spott und ihre Anfeindungen … Doch Aspen hatte tapfer die Zähne zusammengebissen. Sie hatte es einfach nicht eingesehen, sich für irgendwen zu verstellen. Zumal es ohnehin über ihren Horizont hinausging, was die anderen Mädchen als Freundschaft bezeichneten. Wie konnte man Freundschaft daran messen, wie prall der Geldbeutel des anderen gefüllt war? Ein solches Denken würde sie niemals verstehen.
Und dann war etwas geschehen, womit sie nie gerechnet hätte: Der Trainer des Teams der Remington High School war auf sie aufmerksam geworden und hatte sie vom Fleck weg für seine Mannschaft engagiert. Das zog zwar einen erneuten Schulwechsel nach sich, aber wenigstens konnte Sam Pearson sie jetzt nie wieder mit ihren Gemeinheiten drangsalieren …
Aspen seufzte. Zu Hause in Charlotteville hatte sie ebenfalls eine gemischte Schule besucht, doch jetzt, nach einem ganzen Jahr in fast ausschließlich weiblicher Gesellschaft, irritierte sie die Anwesenheit von so vielen Jungs fast ein bisschen. Unsicher blieb sie mit dem Rücken zur Wand der Schulmensa stehen und beobachtete das bunte Treiben. Sie hatte ein bisschen Angst, dass sie hier am Ende dieselben Probleme bekam wie an ihrer alten Schule. Was, wenn sie nachher wieder ohne Freunde dastand?
“Hey, du bist sicher Aspen Taylor, stimmt’s?” Eine hübsche Blondine lächelte sie freundlich an. “Neuigkeiten sprechen sich hier immer schnell rum. Übrigens, ich bin Carlie Spencer.” Mit einem knappen Nicken deutete sie auf eine zierliche Rothaarige, die Aspen ebenfalls freundlich anlächelte. “Und das hier ist Naomi.”
“Freut mich total, euch kennen zu lernen”, sagte Aspen, und das war nicht im Geringsten gelogen. “Seid ihr auch im Schwimmteam?”
Carlie nickte. “Ja, deshalb wussten wir auch, dass du heute kommst. Es heißt, du bist ein echter Knaller im Wasser!”
Aspens Wangen fühlten sich mit einem Mal sehr heiß an. O nein!, dachte sie flehend. Nicht schon wieder rot werden!
Sie lächelte schüchtern. “Na ja, ich schätze, ich bin nicht die schlechteste Schwimmerin …”
“Hey, jetzt mach dich mal nicht so klein, ja?” Carlie grinste breit. “Mein Bruder Hal hat dich beim Wettkampf gesehen. Er sagt, du warst eine absolute Granate!”
Aspen winkte ab. “Jetzt hört aber auf, sonst versinke ich gleich vor Scham im Boden! Hoffentlich seid ihr nach dem Training nicht enttäuscht von mir. Wer weiß, vielleicht hatte ich beim Wettkampf einfach nur einen besonders guten Tag?”
Naomi wischte ihre Bemerkung mit einer lässigen Handbewegung beiseite. “Ach was, Coach Carson hat gesagt, du bist total spitze. Und der würde ganz sicher keine Vollniete einstellen!” Freundschaftlich klopfte sie Aspen auf die Schulter. “Wie auch immer, ich find’s klasse, dass wir endlich mal wieder frisches Blut im Team haben. Ewig die gleichen Gesichter zu sehen, ist auf Dauer schon ein bisschen langweilig!”
“Was hältst du davon, wenn wir eine kleine Schultour für dich veranstalten?” Carlie zwinkerte ihr verschwörerisch zu. “Normalerweise veranstalten wir ja keine Führungen für Neulinge, behalt es also für dich, sonst rennen uns die Kids bald die Bude ein.”
Aspen lachte. “Versprochen!”
Aspens erster Tag an der Remington High verging wie im Fluge. Carlie und Naomi hatten sie all ihren Freunden vorgestellt – was nicht gerade wenige waren. Aspen schwirrte noch immer der Kopf von den ganzen neuen Namen, die sie sich merken musste. Der Empfang, den man ihr an ihrer neuen High School bereitet hatte, hätte wirklich nicht besser sein können. Wie sehr es sich doch von ihren Erfahrungen bei Bernie’s unterschied …
Es waren wirklich alle sehr nett gewesen, und die meisten hatten sie gleich mit neugierigen Fragen überfallen. Aspen konnte kaum zählen, wie oft sie ihre Lebensgeschichte in den letzten paar Stunden schon zum Besten gegeben hatte. Carlie und Naomi waren den ganzen Tag über nicht von ihrer Seite gewichen, worüber Aspen sehr froh war. Sie verstand sich super mit den Mädchen, obwohl die beiden unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Carlie war groß, schlank, mit traumhaft langen, goldblonden Haaren. Sie war sehr selbstbewusst, während Naomi ein wenig rundlicher war und auf den ersten Blick recht schüchtern wirkte. Dennoch waren die beiden einfach das perfekte Team. Sie verstanden sich blind, auch ohne viele Worte. Fast ein bisschen wie früher mit Nikki, dachte Aspen. Nikki war die beste und einzige Freundin, die sie an ihrer alten Schule gefunden hatte, und die sie ziemlich vermisste.
Das Beste jedoch war, dass die beiden sie anscheinend in ihren exklusiven kleinen Club aufnehmen wollten. Aspen spürte, dass sie an der Remington High School endlich ihr Glück finden würde.
Auch Fran Wieczorski hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Ihre Nichte Aspen schien völlig verwandelt. Sie wirkte nicht länger unglücklich, einsam und deprimiert. Endlich war sie wieder das ausgelassene, fröhliche Mädchen, das sie vor einem Jahr bei sich aufgenommen hatte.
Es war eine gute Entscheidung gewesen, sich bei Renee für Aspen einzusetzen. Denn die war anfangs gar nicht begeistert vom Vorhaben ihrer einzigen Tochter gewesen. Letztlich war es Fran aber gelungen, ihre Schwester zu überzeugen. Und das glückliche Strahlen in Aspens Augen bestätigte ihr, dass sie das Richtige getan hatte …
Oh Coach, was musste ich da hören?
Ich kann einfach nicht fassen, dass du das wirklich getan hast. Ein wildfremdes Mädchen in unser Team zu holen! Wenn das kein Fehler war … Was wissen wir denn schon über sie? Schön, angeblich hat sie ja ordentlich was drauf. Aber ist sie sie auch wirklich tough genug, beim ersten Stress nicht gleich durchzudrehen? Solche Mätzchen können nämlich den Erfolg des ganzen Teams gefährden.
Und das will ich auf keinen Fall. Dazu ist mir die Mannschaft zu wichtig, die immerhin hart für ihren Aufstieg gearbeitet hat.
Ich werde mir das Ganze wohl eine Weile lang ansehen müssen, was bleibt mir auch anderes übrig? Aber eins steht fest: Wenn die Kleine nichts taugt, wird sie an der Remington High ganz sicher nicht glücklich.
Ich habe da so meine Methoden.
Und man kann ja schlecht von mir erwarten, dass untätig dabei zusehe, wie sie das Niveau des Teams herunterzieht. Nein, das werde ich ganz sicher nicht. Ich werde schon dafür sorgen, dass dem Team nichts Schlechtes widerfährt.
Und, wo gehobelt wird, da fallen schließlich auch Späne …
Als es am nächsten Nachmittag zum Unterrichtsende schellte, schulterte Aspen ihre Tasche und machte sich auf den Weg zum ersten Schwimmtraining an ihrer neuen Schule.
Sie war total nervös, obwohl sie ein paar ihrer Teamkolleginnen bereits beim Probetraining gesehen hatte. Trotzdem, etwas Neues zu beginnen war immer aufregend – selbst dann, wenn sie das Alte kaum jemals vermissen würde.
Aspen war froh, dass Carlie und Naomi wie selbstverständlich nach ein paar Schritten auf dem Gang zu ihr stießen. Es machte ihr die Sache leichter, wenn sie nicht allein beim Training aufkreuzen musste.
“Jetzt mach mal nicht so ein verkniffenes Gesicht”, sagte Carlie grinsend. “Keine Sorge, die anderen werden dich schon nicht fressen. Und mit dem Coach wirst du sicher auch keine Schwierigkeiten haben, er ist total cool!”
Naomi nickte bestätigend. “Carlie hat recht. Coach Carson ist echt schwer in Ordnung. Für ihn ist Fairness das Allerwichtigste. Solange man sich an die Regeln hält, gibt’s auch keinen Stress mit ihm.” Nach kurzem Kramen zog sie eine verknitterte Schachtel aus ihrer Schultasche, die sie Aspen mit einem Grinsen entgegenstreckte. “Hier, hilft bei mir immer, wenn ich nervös bin.”
Aspen warf einen kurzen Blick hinein und schüttelte bedauernd den Kopf. “Lieb von dir, aber die kann ich nicht essen. Ich bin allergisch gegen Nüsse – wenn ich Mandelkekse esse, brauche ich mir wirklich keine Gedanken mehr übers Training zu machen.” Sie grinste schief. “In dem Fall kannst du mich nämlich nachher im Krankenhaus besuchen.”
Naomi wirkte erschrocken. “Kein Scherz?”
“Leider nein. Ich schwör dir, wenn ich die Dinger auch nur anrühre, liege ich in spätestens einer halben Stunde im Krankenhaus.”
Etwa sechs oder sieben Mädchen schlüpften gerade in ihre Badeanzüge, als Aspen in Begleitung ihrer beiden Freundinnen die Umkleidekabine betrat. Sofort richteten sich alle Augen auf sie, die Neue, und Aspen spürte auch schon wieder die verhasste Wärme auf ihren Wangen. Unsicher spielte sie am Tragegurt ihrer Tasche. “Hi, ich bin Aspen.”
Aber ihre Sorgen waren völlig unnötig gewesen, wie sie gleich darauf feststellen sollte. Die anderen Mädchen drängten sich sofort um sie, um sich mit ihr bekannt zu machen. Doch dann wichen sie allesamt vor einer großen, dunkelhaarigen Schönheit zurück, die aus dem hinteren Teil der Umkleidekabine auf Aspen zutrat.
Sie war wirklich bildhübsch mit ihren eisblauen Augen und dem kastanienbraunen Haar, das sich in sanften Wellen über ihre Schultern den Rücken hinunter ergoss – und Aspen war sich ziemlich sicher, dass sie es sehr genau wusste. Das strahlende Lächeln, das sie Aspen schenkte, als diese ihr die Hand zur Begrüßung entgegenstreckte, wirkte jedenfalls ziemlich überheblich.
“Mein Name ist Chloe Olivier”, sagte sie. Ihre Stimme klang tief und ziemlich rauchig – an dem Effekt hatte sie sicher lange gearbeitet, dachte Aspen. “Du bist sicherlich Aspen Taylor. Es ist mir eine Freude, dich in unserer erlesenen, kleinen Equipe begrüßen zu dürfen.”
Aspen musste sich schwer zusammenreißen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Am leichten Beben von Carlies Schultern erkannte sie, dass auch ihre neue Freundin mühsam mit sich kämpfte. “Ähm … Tja, vielen Dank auch … Chloe, richtig?”
Sie nickte gebieterisch, wandte sich dann ab und verließ, mit zwei anderen Mädchen im Schlepptau, die Umkleidekabine durch eine Verbindungstür, die zur Schwimmhalle führte.
Aspen schüttelte grinsend den Kopf. “Was war das denn?”
Carlie lachte. “Dir wurde soeben die große Ehre zuteil, unsere hochwohlgeborene Prinzessin samt Hofstaat bewundern zu dürfen.”
“Redet die etwa immer so schwülstig?”
Naomi schüttelte den Kopf. “Nö, nicht immer. Eigentlich nur, wenn sie jemanden beeindrucken will, in diesem Fall also dich. Sonst schimpft Madame eigentlich immer wie ein Rohrspatz!”
Eine hübsche Schwarzhaarige mit asiatischen Zügen, die den Spind neben Naomi belegt hatte, lachte auf. “Lass sie das besser nicht hören, Naomi-san!” Sie nickte Aspen zu. “Mein Name ist Tamitsuko Kellerman. Aber ehe du dir Zunge brichst, nenn mich Tami, das langt vollkommen.” Sie deutete nacheinander auf drei weitere Mädchen. “Und meine Freundinnen hier heißen Juanita, M’Bele und Tess.”
Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schüttelte Aspen in den nächsten Minuten zahlreiche Hände. Irgendwann tippte ihr Tami auf die Schulter. “Du, ich habe heute übrigens Geburtstag und für alle Kuchen mitgebracht.” Sie zwinkerte Aspen zu. “Wenn du ein Stück abhaben möchtest, solltest du dich allerdings beeilen.”
“Na dann, herzlichen Glückwunsch!” Verstohlen blickte Aspen auf den Kuchen. Süßigkeiten hatte sie noch nie widerstehen können. Vor allem Schokolade war ihre große Schwäche, natürlich immer ohne Nüsse, und bei Schokokeksen schmolz sie förmlich dahin. Doch da sie ja Leistungssport betrieb und daher auf ihre Figur achten musste, versuchte sie meistens, sich diese süßen Sünden zu verkneifen.
Aber einmal ist schließlich kein Mal, sagte sie sich schließlich und wollte gerade zugreifen, als ihr ein vertrauter Geruch in die Nase stieg. Sie seufzte. “Das ist nicht zufällig Haselnusskuchen, oder?”
Tami nickte. “Doch, sicher. Für meinen Nusskuchen bin ich quasi berühmt.”
“Den musst du unbedingt probieren!”, schaltete sich nun auch M’Bele ein. “Wahrscheinlich kriegt sie jetzt gleich wieder den absoluten Höhenflug, weil ich es sage, aber Tamis Kuchen ist echt fantastisch!”
Aspen schüttelte bedauernd den Kopf. “Sorry Leute, aber ich kann leider nicht. Ich hab’s den anderen vorhin schon gesagt: Ich reagiere auf alles allergisch, wo auch nur eine Spur von Nüssen drin ist.”
“Echt?” Tami staunte. “Und was passiert, wenn du jetzt sozusagen aus Versehen doch mal was mit Nüssen isst?”
“Zuerst mal gar nichts. Aber nach ein paar Minuten schwillt meine Luftröhre an, und ich kriege keine Luft mehr. Das ist mir bisher ein einziges Mal passiert – und ich bin nicht gerade scharf drauf, diese Erfahrung zu wiederholen, das kannst du mir glauben.”
Aspen schauderte, als sie daran zurückdachte. Sie war damals acht Jahre alt gewesen. Ihre beste Freundin Jenny hatte sie zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen. Es war ein wirklich schöner Tag gewesen. Sie hatten alle möglichen Spiele gemacht, waren bei strahlendem Sonnenschein durch den Garten getobt – und dann hatte Jennys Mom die Geburtstagstorte gebracht.
Haselnusstorte.
Eine viertel Stunde später hatte Aspen im Krankenwagen gelegen, der mit Blaulicht und Sirene das nächste Hospital angesteuert hatte.