12,99 €
P. Zacharias ist nicht nur Autor, sondern auch Künstler. Neben Metall und Stein ist Holz einer seiner liebsten Werkstoffe. Aus uralten Bäumen, die am Uferweg des Flüsschens neben der Abtei gefällt werden mussten, ist so eine Krippe entstanden, die auf ganz besondere Weise die Botschaft von Weihnachten zum Ausdruck bringt. In diesem Buch verbindet P. Zacharias seine beiden Talente und nimmt uns als Leserinnen und Leser mit hinein in seine Interpretation des Geschehens in und an der Krippe. Wesentlich für die zentrale Figur der Maria mit dem Kind ist, dass das Holz am "Rücken" einen tiefen Längsriss hat, durch den Licht auf das Kind fällt. Das Aufbrechen und der Aufbruch stehen daher für P. Zacharias im Mittelpunkt seiner Überlegungen. Daraus ist ein Adventsbegleiter bis Weihnachten und darüber hinaus bis zum Dreikönigstag entstanden, der neben Eindrucksvollen Fotos – auch vom Entstehungsprozess der Krippe – inspirierende Texte bietet und so den "Weg nach Weihnachten" noch einmal aus einer ganz neuen Perspektive zeigt.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 94
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Printausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024
ISBN 978-3-7365-0582-7
E-Book-Ausgabe
© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2024
ISBN 978-3-7365-0634-3
Alle Rechte vorbehalten
E-Book-Erstellung: Sarah Östreicher
Lektorat: Marlene Fritsch
Gestaltung: Matthias E. Gahr
Fotos: Julia Martin, Abtei Münsterschwarzach
www.vier-tuerme-verlag.de
Zacharias Heyes
AUFBRECHEN
Ein Begleiter durch den Advent
Vier-Türme-Verlag
AUFBRECHEN
Entstehungsprozess der Krippe
Am Beginn dieses Buches, das ein Wegbegleiter durch den Advent sein will, möchte ich vom Entstehungsweg der Krippe, die in diesem Buch im Mittelpunkt steht, erzählen. Begonnen hat alles damit, dass ich bald nach meinem Klostereintritt vor über zwanzig Jahren entdeckte, dass es früher auf dem Gelände des Klosters eine eigene Bildhauerei gegeben hat. Sie spielte beim Bau der jetzigen Abteikirche und deren Innengestaltung in den Jahren von 1935 bis 1938 eine große und wichtige Rolle. Durch diese Entdeckung erwachte in mir ein Interesse an der handwerklichen Arbeit des Bildhauens. Ich fühlte mich angesprochen und folgte diesem Impuls. Ich fand einen Bildhauer, bei dem ich einige Grundtechniken lernen konnte. Von Anfang an spürte ich, dass es bei der Arbeit am Stein nicht nur um das Erlernen eines Handwerks ging, sondern dass die Bearbeitung von Stein mit Hammer und Meißel auch ein spiritueller Weg ist. Zum einen ist diese Arbeit Ausdruck meines Selbst, zum anderen formt mich auch der Stein, gibt er mir Gestalt. Ich kann einem Stein nie meinen Willen aufzwingen oder gar gegen ihn arbeiten, sondern ich muss immer schauen, welche Gestalt der Stein mir aus sich heraus anbietet. Das ist im Leben ähnlich: Zum einen geht es um die Selbstentfaltung, zum anderen kann diese aber nur in dem Rahmen gelingen, den mir das Leben steckt und in dem ich meine Verantwortung gegenüber meinem Beruf, meiner Familie habe. Der Stein tritt also in einen Dialog mit mir, und so sehr, wie ich den Stein forme, formt er auch mich. Entscheidend ist die Frage: Was will jetzt durch mich sichtbar werden und Gestalt gewinnen?
Ein ganz wichtiger Gedanke bei dieser Art von Arbeit ist, dass der sogenannte Zufall immer klüger ist als der Verstand. Manchmal entdeckt man erst beim Betrachten des Entstandenen Dinge, die einem während des Gestaltens nicht aufgefallen sind. In einem Bild kann das ein Farbtupfer sein, der heraussticht, oder ein Gesicht, das einen plötzlich daraus anschaut.Ich erinnere mich zum Beispiel an eine Kursteilnehmerin, die in ihrem Bild auf einmal eine zwar schemenhafte, aber deutlich erkennbare Maria mit Kind entdeckte und davon ganz berührt war.
Es war für mich auch einer dieser »Zufälle«, dass ich im Sommer 2019 in der Abtei Jared Barz kennenlernte, einen Bildhauer aus Hamburg. Er arbeitet mit der Kettensäge und schneidet überlebensgroße Porträts von Menschen aus Baumstämmen. Wir verstanden uns gut, ich war fasziniert von seiner Kunst und so besuchte ich ihn in meinem Sommerurlaub in seinem Atelier. Hier lernte ich die Arbeit mit Holz und Kettensäge kennen. Von Anfang an fühlte ich mich in dieser Art der bildhauerischen Gestaltung sehr wohl, es machte mir Freude. Meine erste Arbeit wurde ein recht abstrakter Elefantenkopf, der den Namen Jakob bekam. Als deutlich wurde, dass es ein Elefant wird, bin ich natürlich der Frage nachgegangen, welche symbolische Bedeutung dieses Tier hat, und habe versucht, das in Beziehung zu meinem Leben zu setzen. Es lag ein tiefer Sinn darin, dass der Elefant sich jetzt in meinem Leben zeigte, davon war ich überzeugt. Ich entdeckte, dass der Elefant für Treue steht, für Erdverbundenheit, Sensibilität und Verantwortung für die eigene Herde. Das sind Eigenschaften, bei denen ich Parallelen ziehen konnte zu meinem Leben in meiner Gemeinschaft.
Als ich aus diesem Urlaub zurückkehrte, war es auch wieder »zufällig«, dass ich erfuhr: Auf dem Abteigelände werden einige Bäume gefällt werden müssen. Also bat ich unsere Mitarbeiter aus der Landschaftspflege, einige von den gefällten Stämmen vor meiner Werkstatt abzulegen. Dahinter stand die Idee, dass ich irgendwann irgendetwas daraus machen könnte. Von Pater Meinrad, der Künstler ist, habe ich den Grundsatz übernommen, dass man nichts wegwerfen sollte. Aus allem kann man noch etwas Neues gestalten. So lagen also diese Baumstämme auf der Wiese vor meiner Werkstatt und harrten ihrer Bestimmung.
Ende 2021 zeichnete sich ab, dass Pater Meinrad die Verantwortung für die Gestaltung der Krippe in der Abteikirche, die jedes Jahr anders aussieht, nach über zwanzig Jahren abgeben wollte. Ich erklärte mich bereit, das zu übernehmen, und begann mir Gedanken zu machen, wie denn im folgenden Jahr die Krippe aussehen könnte.
Durch einen Bericht im Internet über einen Drechsler, der im Ruhestand Krippen herstellt, kam ich auf die Idee, die ich dann realisierte: Aus den Baumstämmen eine Krippe zu gestalten. Als Erstes kam mir eine Idee für Maria. Ich wollte sie als eine ausgehöhlte Figur darstellen, in deren Innenraum oder vielmehr Schoß Jesus als Neugeborenes ruht. Josef wollte ich als Hirte und Pilger darstellen. Den Engel wollte ich erst einmal zurückstellen und mir etwas überlegen, falls ich, wenn die übrige Krippe fertig war, noch Zeit hatte bis Weihnachten.
Als ich mit der Arbeit an der Krippe begonnen habe, war das, was mir letztlich zum Wesentlichen daran geworden ist, noch gar nicht sichtbar. Denn der lange Riss im Holz der Figur der Maria entstand erst, nachdem ich die Figur schon aus dem Baumstamm geschnitten hatte. Der Grund war, dass die Baumstämme zwei Jahre auf einer Wiese gelegen hatten. Als ich sie nun ins Sägewerk brachte und anfing, sie zu bearbeiten, kam das Holz durch den plötzlichen Trocknungsvorgang unter Spannung – und riss die Figur längs auf. Zunächst ärgerte ich mich sehr darüber, zumal der Riss immer weiter zu werden schien und in mir die Angst wuchs, dass die Figur in zwei Teile brechen würde. Mitarbeiter der Schmiede konnten mich beruhigen und überlegten sich für diesen Fall bereits Lösungen, zum Beispiel Maria mit einer großen Metallklammer zusammenzuhalten. Aber sie hielt stand.
Aus diesem Prozess des Risses ist auch der Titel für dieses Buch entstanden: Auf-Bruch. Maria wird sozusagen für den Weg, den Gott mit ihr gehen möchte, aufgebrochen. Aber sie ist auch die, die mit ihrem Gott aufbricht, diesen Weg mit ihm geht, auch wenn sie das so sicher nicht geplant hatte. Trotzdem nimmt sie den Weg an und unter ihre Füße.
Die Baumstämme, aus denen ich die Krippe geformt habe, haben ebenfalls einen Bruch erlebt: Sie wurden gefällt, abgebrochen, wenn man so will. Sie mussten von ihrem bisherigen Platz verschwinden, weil die Gefahr bestand, dass sie einstürzen und Menschen dabei verletzt werden. Aber aus ihnen ist etwas Neues entstanden, sie sind sozusagen verwandelt worden. Der Abbruch war der Aufbruch für Neues.
Der Riss, der sich durch die Figur der Maria zieht, kann ein Bild für unser eigenes Leben sein: An den Orten, an denen in unserem Dasein Brüche entstehen, Wege zu Ende gehen, will Neues werden, vielleicht Ungeplantes, Unerwartetes, oft sicher auch schmerzhaft Neues, das wir uns nicht ausgesucht haben, nicht haben wollten. Das anzunehmen, den Abbruch zum Aufbruch werden zu lassen, erfordert Mut – so wie bei Maria.
Dieses Buch möchte ein Begleiter in solchen Zeiten sein. Ich denke darin über Brüche und Aufbrüche der Menschen und Gestalten nach, die in meiner Krippe einen Platz haben, sowie über biblische Figuren, die in einer Beziehung zum weihnachtlichen Geschehen stehen. Daraus sind 24 »Stationen« entstanden, sodass man an jedem Tag des Advents einen Abschnitt lesen kann. Am Ende begleitet das Buch in das neue Jahr und bis zum Ende der Weihnachtszeit mit Meditationen zum Jahreswechsel und dem Dreikönigstag.
So möchte ich mit diesem Buch Mut machen, auch auf »krummen Wegen« und Umwege zu gehen, sich aufbrechen zu lassen und selbst aufzubrechen, bis man beim Kind in der Krippe und bei sich selbst angekommen ist.
JOHANNES
1 Aufbruch nach innen
Johannes der Täufer ist eine wichtige Gestalt im Advent. Die Tradition hat ihn immer als den Vorläufer Jesu gesehen. Er »bereitet ihm den Weg«, wie es im Alten Testament heißt, und kündigt ihn als den an, den die Menschen erwarten: den Messias, den Erlöser.
Zacharias und Elisabet, die Eltern des Johannes, waren alt und hatten keine Kinder bekommen. Das galt in der damaligen Zeit als Makel. Manche dachten sogar, es sei ein Zeichen, dass man von Gott verworfen wurde. Als Zacharias wieder einmal als Priester die Aufgabe zufällt, im Tempel in Jerusalem das Rauchopfer darzubringen, erscheint ihm ein Engel. Das Erste, was dieser zu ihm sagt, ist: »Fürchte dich nicht!« (Lukas 1,13). Diese befreiende Botschaft findet man in der Bibel an 365 verschiedenen Stellen, sie ist also für das Christentum sicher als zentral zu betrachten. Doch wie viele Menschen sind mit einem strafenden Gottesbild aufgewachsen, wie vielen wurde mit diesem strengen, allwissenden und häufig auch als willkürlich empfundenen Herrscher Angst gemacht. Es ist häufig ein langer Weg, um sich von solchen negativen Gottesbildern zu befreien.
Der Engel dagegen hat hier eine frohe und frohmachende Botschaft für Zacharias: Er verkündet ihm, dass seine Frau schwanger werden wird und er und viele andere sich über die Geburt seines Sohnes freuen werden (vgl. Lukas 1,13–14). Diese Botschaft kann Zacharias aber zunächst nicht glauben. Er kann nicht darauf vertrauen, dass seine Frau und er in diesem hohen Alter noch einmal Glück und Freude, neues Leben erfahren und geschenkt bekommen sollen. Wegen seiner Kleingläubigkeit, so der Engel, wird er bis zur Geburt seines Sohnes, den er Johannes nennen soll (vgl. Lukas 1,20) stumm sein, wird er nichts als schweigen.
Ob dieses Schweigen wirklich ein Stummsein gewesen ist oder ob die Begegnung mit dem Engel ihm schlichtweg die Sprache verschlagen hat, sei dahingestellt. Entscheidend ist und bleibt, dass Zacharias auf diese Botschaft hin den Aufbruch nach innen wagt. Denn kurz darauf erfährt er, dass seine Frau Elisabet tatsächlich schwanger ist, und merkt, dass der Engel recht hatte. Da nun durch sein Stummsein der Kontakt nach außen nur noch sehr eingeschränkt für ihn möglich war, macht er sich sozusagen auf seinen inneren Weg – zu sich selbst und seinem Vertrauen ins Leben. Er versucht, mehr auf seine innere Stimme zu hören, die in der Vielheit der Stimmen im Außen manchmal verloren geht oder übertönt wird.
Paulus spricht vom Menschen als dem Tempel Gottes, der heilig ist. Das heißt nicht weniger, als dass Gott im Menschen wohnt und wir ihn in uns wahrnehmen können. Dafür braucht es jedoch Achtsamkeit, Gegenwärtigwerden, Präsenz im Hier und Jetzt. Es braucht ein Hineinhorchen in mich selbst. Doch auch in mir selbst gibt es viele Stimmen, die laut werden. Wie kann ich Gottes Stimme in mir von all den übrigen, die sagen »tu dies« oder »lass das«, unterscheiden?