Bei mir selbst zu Hause sein - Zacharias Heyes - E-Book

Bei mir selbst zu Hause sein E-Book

Zacharias Heyes

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Beschreibung

Flexibilität und Mobilität gehören zum modernen Leben. Zacharias Heyes gibt uns Impulse, wie wir in einer Zeit regelmäßiger Veränderungen unsere innere Heimat finden und im Alltag gut für die eigene Seele sorgen können. Mit vielen Übungen und konkreten Tipps, die dabei helfen, innerlich und äußerlich anzukommen

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Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie. Detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© Vier-Türme GmbH, Verlag, Münsterschwarzach 2015

Alle Rechte vorbehalten

Lektorat: Marlene Fritsch

Umschlaggestaltung: wunderlichundweigand

Umschlagfoto: jala / photocase.com

ISBN 978-3-89680-924-7 (print)

ISBN 978-3-89680-982-7 (epub)

www.vier-tuerme-verlag.de

Zacharias Heyes

Bei mir selbst zu Hause sein

Vom guten Umgang mit Leib und Seele

Vier-Türme-Verlag

Inhaltsverzeichnis
»Wo wohnst du?« – Eine Einführung
Wo Gott zu Hause ist
Unterwegs mit Gott - biblische Quellen
Jesus
Benedikt von Nursia
Franz von Assisi
Nikolaus von der Flüe
Madeleine Delbrêl
Bei sich selbst zu Hause sein und in Gott wohnen
Zu Hause?
In Gott wohnen
»Du musst deinem Gott nur bis zu dir selbst entgegengehen«
»Ich bin Kirche« – jeden Tag mein eigener Seelsorger sein
Übung: Umarme dich selbst
Übung: Betrachte dich wohlwollend im Spiegel
Übung: Würdige deinen Leib
Übung: Danke deinem Leib
Übung: Gestalte deinen Lebensraum
Still werden
Übung: Nimm deinen Atem wahr – lass dich darin nieder
Übung: Geh in die Natur
Übung: Geh barfuß
Versöhnung mit der Vergangenheit
Übung: Mir selbst und anderen verzeihen
Verantwortung übernehmen
Die eigene Entscheidung ist gefragt
Übung: Rollen notieren und verabschieden
Übung: Gestalte eine Collage
Übung: Brich auf
Die Stimmen unterscheiden
Übung: Der Unzufriedenheit ein Gesicht geben
Übung: Gib deinem Ärger einen Namen
Übung: Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?
Übung: Vertrau deinem Herzen
Übung: Mehr Liebe, mehr Freiheit, mehr Freude, mehr Frieden
Übung: Die je leisere Stimme
Übung: Talente und Begabungen
Lebens-Träume
Träume (wieder-)entdecken
Übung: Das Bild von mir verabschieden
Übung: Wovon hast du als Kind geträumt?
Übung: Wer will ich sein?
Gottes vergessene Sprache mit den Menschen
Übung: Scheibe deine Träume auf
Übung: Mit dem Traum ins Gespräch kommen
Übung: Den Traum malen
Gedanken zum Schluss

»Wo wohnst du?« – Eine Einführung

»Wo gehst du hin, wenn du sagst, du gehst nach Hause?« Mit diesem Satz wirbt das Residenztheater München für die Spielsaison 2014/2015. Als ich ihn las, fragte ich mich: Warum wirbt ein Theater mit einer solchen Frage? Indirekt klingt doch durch: Wenn du zu Hause sein willst, dann geh ins Theater. Oder: Wenn du ins Theater gehst, kommst du nach Hause. Und im Nachdenken darüber erschien es mir durchaus logisch und nachvollziehbar: Wenn man ins Theater geht, tut man dies in der Regel nicht allein. Man nimmt die Familie mit, den Partner, die Partnerin, gute Freunde. Man trifft sich einige Zeit früher, trinkt einen Aperitif, genießt einen entspannten Abend, fühlt sich wohl. Nach der Aufführung bleibt man noch einige Zeit mit den Freunden zusammen und lässt den Abend mit einem Essen oder einem guten Glas Wein ausklingen. Das alles trifft dann wohl auch auf das zu, was man in erster Linie unter »Zuhause« versteht: ein Ort, an dem man mit der Familie, mit dem Partner zusammen ist, wohin man Freunde einlädt und wo man mit ihnen kurzweilige Stunden verbringt. Hier ist man – egal, wie es einem gerade geht – nicht allein und fühlt sich getragen und aufgehoben.

Kurzum: Man lässt den Alltag hinter sich, vergisst seine Sorgen und ist im Kreis von lieben Menschen aufgehoben.

Aber auch folgende Szene kam mir in den Sinn, als ich die Frage las, wo man denn hingehe, wenn man nach Hause geht: endlich Ruhe. Nach einem anstrengenden Tag ist die Arbeit erledigt, die Kinder versorgt. Bevor der Tag endet, hat man noch eine Zeit für sich. Man schaltet ab, macht es sich bequem, sitzt in seiner Lieblingsecke, hängt seinen Gedanken nach, liest ein gutes Buch, lässt den Tag Revue passieren – kurzum: Man ist ganz für sich und ganz bei sich.

Sie, liebe Leserin und lieber Leser, werden alle Ihre eigenen Gedanken, Gefühle, Erfahrungen und Assoziationen zur obigen Frage haben und zu den meinigen Antworten und Ideen dazulegen können. Vielleicht kommen Ihnen auch Erinnerungen an Ihre Kindheit: der Duft von frisch gebackenem Kuchen, der durchs Haus zieht, die Glocken, die am Sonntag läuten, die Kühe auf der Weide, das Spielen im Garten, auf dem Rasen, auf dem Fußballplatz ...

Jesus wird einmal eine ähnliche Frage gestellt. Ihn fragt einer seiner Jünger: »Wo wohnst du?« Man könnte diese Frage auch übersetzen mit: »Wo bist du zu Hause?« Und Jesus gibt eine überraschende Antwort: »Komm und sieh!« Er antwortet also nicht mit einer Adresse. Stattdessen lädt er die, die ihn fragen, ein, mit ihm zu gehen und zu schauen, wo er wohnt. Er lädt sie – sozusagen – auf eine Entdeckungstour ein. Dabei werden seine Begleiter Erstaunliches entdeckt haben: kein repräsentatives Haus, keine Frau und keine Familie; stattdessen Sätze wie dieser: »Ich habe keinen Ort, wo ich mein Haupt hinlegen kann!«

Das aber genau ist doch – von den obigen Gedanken ausgehend – die Charakterisierung eines Zuhauses: Der Mensch weiß, wo sein Bett steht, wo er sich wohlfühlt, wo er entspannen kann, wo er sich zurückziehen kann, wo liebe Menschen ihm Geborgenheit schenken.

Mit der Zeit werden die Jünger gelernt haben, dass Jesus eigentlich nur ein Zuhause hatte: Gott, seinen Vater. Ihn nannte er liebevoll »Abba« – Papa. Ihn entdeckte Jesus jedoch überall: in allen Menschen, in der Natur, im einsamen Gebet auf einem Berg in der Nacht. Er wusste, dass Gott in ihm ist und er in ihm. Jesus war also sozusagen bei sich zu Hause – er ruhte in sich selbst, in der liebevollen Beziehung zu Gott. Und eigentlich ist es genau das, was wir uns auch für uns selbst wünschen: in uns zu ruhen, ein Zuhause in uns selbst zu finden, egal, wie stürmisch die Zeiten um uns herum sind.

Doch so vieles bringt uns oft aus dem Gleichgewicht, zeigt uns jeden Tag, wie fragil unser Leben, unser »Zuhause« ist. Viele Menschen teilen daher heute eher die Erfahrung, von der Jesus spricht: Sie wissen zwar, wo sie ihr Haupt hinlegen sollen am Abend, aber manchmal müssen sie beim Aufwachen überlegen, in welcher Stadt sie sich gerade befinden, wem das Bett gehört, in dem sie liegen. Sie sind häufig unterwegs – und fühlen sich im wahrsten Sinn des Wortes unbehaust. Der Grund dafür liegt zum einen darin, dass in der Berufswelt eine große Flexibilität von ihnen erwartet wird. Diese kann häufige Umzüge und Ortswechsel mit sich bringen, aber auch viele Geschäftsreisen um den ganzen Erdball, wobei es dann wirklich kaum noch eine Rolle spielt, ob man in Hamburg oder Hongkong im Hotel aufwacht. Zum anderen sind es variierende und (über-)lange Arbeitszeiten, die dem eigenen Leben einen verlässlichen Rhythmus rauben. Auch das hindert daran, an einem Ort, im Augenblick anzukommen und zu leben. Aus dieser Unbehaustheit entsteht daher für viele das Gefühl von Heimatlosigkeit. Häufiges Unterwegssein nimmt einem Menschen die Möglichkeit, an einem Ort Wurzeln zu schlagen, verlässliche Freundschaften und Beziehungen einzugehen und sich somit auch emotional zu beheimaten.

Als Notfallseelsorger erfahre ich immer wieder, wie schnell ein Mensch in eine emotionale Krise geraten kann, wie schnell in einem Leben von der einen auf die andere Minute nichts mehr ist, wie es war, und alle emotionale Sicherheit wegbricht.

Ein weiterer Punkt, der dazu beiträgt, dass Menschen nirgendwo anzukommen scheinen, sind Fernbeziehungen, die aufgrund der genannten Flexibilität notwendig werden. Liebe zwischen Würzburg und Berlin – dabei bleibt so mancher und so manches auf der Strecke. Wie soll in einer solchen Konstellation zum Beispiel die Gründung einer Familie funktionieren? Sicher gibt es Gegenbeispiele – aber die meisten Paare leiden nach einiger Zeit unter der Trennung und dem fehlenden gemeinsamen Zuhause.

Dazu kommt, dass viele »klassische« Orte und Strukturen, die Menschen mit »Heimat« oder »zu Hause sein« verbinden, in unserer Zeit und Gesellschaft wegfallen. Zu diesen Orten, die früher selbstverständlich zum Leben dazugehörten und sowohl Halt als auch Identität und somit Heimat boten, gehört die klassische Dorfstruktur. In der Dorfgemeinschaft fand derjenige, der es wollte, eine verlässliche Gemeinschaft. Hier hielt man zusammen und man half sich gegenseitig. Man feierte Feste zusammen und Beerdigungen, teilte Freud und Leid. Auch die Zuständigkeiten waren eindeutig geregelt: Es war klar, was zu tun ist und woran man sich zu halten hatte.

Das galt vor allem in den Vereinen. Auch hier fanden viele Menschen eine Heimat, weil sie durch ihr Engagement zur Gemeinschaft dazugehörten, wertgeschätzt wurden und eine sinnvolle Tätigkeit ausübten, sei es in der Feuerwehr, im Schützen- oder Sportverein, in der Frauengemeinschaft oder im Lesezirkel. Die Strukturen dieser Vereinigungen waren relativ starr und unumstößlich, was aber viele Jahrzehnte auch garantierte, dass das gemeinschaftliche Leben gelang. Dazuzugehören und sich in einem dieser Klubs zu engagieren, war selbstverständlich. Jeder reihte sich ein, nahm seinen Platz ein und wusste, wo er zu Hause ist.

Das hat jedoch auch eine Rückseite: Es bedeutet, selbst verbindlich zu sein, zu dem zu stehen, was und wer ich bin, wo ich zu Hause bin, wer auf der anderen Seite auf mich zählen kann, wenn er mich braucht. Vielen jungen Menschen fällt es heute schwer, feste Bindungen einzugehen und sich verlässlich in eine Gemeinschaft einzufügen. Verabredungen und Termine werden kurzfristig über die sozialen Netzwerke getroffen – und ebenso kurzfristig wie häufig wieder abgesagt. Verbindlichkeit ist jedoch auch zunehmend für die älteren Generationen ein Problem. Sich auf etwas ganz und gar einzulassen, etwas wirklich zuzusagen und sich dann daran zu halten, bringt Einschränkungen mit sich, bedeutet, dass andere Möglichkeiten nicht genutzt werden können, andere Optionen wegfallen.

Für viele Menschen war immer auch die Kirche beziehungsweise der Glaube ein solcher Ort von Heimat, ein Ort, an dem der Glaube gelebt und gestaltet wurde. Kirche hat den großen Vorteil, dass sie überall auf der Welt vertreten ist und man, egal, wo man ist, zumindest den Ablauf eines Gottesdienstes kennt und man sich darin in der Fremde, im Unterwegs-Sein aufgehoben fühlen kann.

Aber auch diese Beheimatung geht vielen Menschen heute verloren. Nicht nur, dass immer mehr Großgemeinden entstehen und viele »ihren« Priester vor Ort vermissen. Viele fühlen sich auch mit ihrer Lebensweise von ihrer Kirche nicht akzeptiert, zum Beispiel Menschen, die geschieden und wieder verheiratet sind, oder Homosexuelle. Auch wenn ihnen von der Kirche eine grundsätzliche Akzeptanz entgegengebracht wird, so fühlen sie sich doch ausgegrenzt, weil sie entweder nicht die Sakramente empfangen dürfen oder nicht so lieben dürfen wie es für sie richtig ist. Diese und viele andere Menschen empfinden Kirche als veraltet und trauen ihr nicht zu, wirklich tragfähige Antworten für ihr Leben zu geben.

Wenn Jesus seine Jünger einlädt, mit ihm zu gehen und zu sehen, wo er wohnt, dann nimmt er sie immer wieder auch mit an einen ruhigen Ort, an dem sie ausruhen können. Und auch er selbst zieht sich immer wieder in die Einsamkeit zurück, um bei seinem Gott zu verweilen.

Dieses Buch möchte Sie, liebe Leserin, lieber Leser, auf diese Entdeckungstour einladen, auf die auch Jesus seine Jünger mitgenommen hat. Es möchte Ihnen Wege aufzeigen, wie Sie für Ihre eigene Seele sorgen können – dafür, dass es Ihnen und Ihrer Seele gutgeht, dass Sie sich verlässlich aufgehoben fühlen, dass Sie bei sich selbst zu Hause sind und sein können.

Sie sind eingeladen, sich wie Jesus in der liebevollen Beziehung in Gott zu beheimaten und damit in sich selbst Ruhe, Heimat und Geborgenheit zu finden, zugleich aber auch aus dieser Stabilität neu lebendig zu werden, neu Ihre Würde als in das Leben Gottes hineingenommener Mensch zu entdecken, zu leben und zu gestalten.

Um dies auch gleich in Ihren Alltag mit hineinnehmen und umsetzen zu können, möchte ich Ihnen im Folgenden am Ende einiger Abschnitte praktische Übungen anbieten. Damit haben Sie verschiedene Möglichkeiten, das Buch zu nutzen: Sie können es zunächst durchlesen und sich dann entscheiden, welche Übungen Sie wann einmal ausprobieren möchten. Oder Sie suchen sich gezielt Themen heraus, die Sie gerade besonders ansprechen, und fangen somit einfach mit dem an, was Sie am meisten interessiert.

Ich wünsche Ihnen eine anregende und bereichernde Lektüre, die Sie – so hoffe ich – bei sich selbst zu Hause sein und ankommen lässt.

Ihr Pater Zacharias Heyes

Wo Gott zu Hause ist

Unterwegs mit Gott – biblische Quellen

Eine der ersten Fragen, die Kinder in Bezug auf Gott stellen, ist wohl: »Wo wohnt Gott?« Und wir sagen dann oft beinahe reflexhaft: »Im Himmel.« Kinder geben sich aber gewöhnlich mit so etwas nicht zufrieden. Sie fragen weiter: »Wo ist denn dieser Himmel?« Und spätestens, wenn es ans Wunschzettelschreiben ans Christkind geht, fragen sie dann weiter nach der genauen Adresse – schließlich weiß ja auch von uns jeder, wie die Straße und der Ort heißen, in dem er wohnt.

Dieses Problem, wo Gott denn wohnt, wo man ihn denn suchen beziehungsweise besuchen kann, beschäftigt die Menschen aber nicht erst seit heute. Als der erste Mensch von seiner Reise zum Mond zurückkam, soll er gesagt haben, dass er sehr genau geschaut habe, aber Gott nirgends entdecken konnte. Und wenn in einem Gottesdienst am Ende der Segen gesprochen wird, ist oft noch der einleitende Satz zu hören: »Lasst uns den Segen Gottes auf uns herabrufen.« Für mich entsteht der Eindruck, dass in der Wahrnehmung des Menschen Gott noch immer im Himmel, irgendwo »da oben« wohnt. Doch auch Jesus spricht immer wieder von seinem Vater »im Himmel«.

Die englische Sprache kann dabei vielleicht weiterhelfen. Sie kennt hier zwei unterschiedliche Wörter: »sky« für den Himmel, den der Mensch über sich als blau-weißes Gebilde sieht, und »heaven« als Bezeichnung für den Wohnort Gottes. Damit wird deutlich, dass Himmel als Wohnort Gottes eben nicht identisch ist mit der eher geografischen Bezeichnung, sondern als Ort nicht zu benennen ist, eher sogar als »Kein-Ort« zu bezeichnen wäre.

Schaut man dazu einmal in der Bibel nach, so fällt auf, dass Gott selbst sich dort in keinster Weise festlegt, wo er zu finden und wo sein Wohnort ist – oder dass er vielmehr überall zu Hause ist.

Das kann man bereits in der Schöpfungserzählung entdecken. Dort heißt es: »Dann sprach Gott: Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich« (Genesis 1,26). Der Mensch ist das Abbild Gottes. Er schenkt dem Menschen mit der Erde, die er erschaffen hat, einen Lebensraum, ein Zuhause, in dem er sein Dasein kreativ gestalten kann. Zudem erschafft er den Menschen als Mann und Frau, damit beide nicht alleine sein müssen. Und auch Gott will nicht alleine sein. Er will im Menschen einen Partner haben, mit dem er in Beziehung treten kann. Er möchte in ihm sein Ebenbild, sein Abbild erblicken, in dem er zu Hause sein kann, in dem sich aber auch der andere, der Partner, der Mitmensch, zu Hause fühlen kann. Hier, beim anderen Menschen, bei Gott, kann er so sein, wie er ist, braucht er sich nicht zu verstellen, kann er ganz er selbst sein und in sich ruhen.

Dem Urvater des Glaubens, Abraham, verheißt Gott Nachkommen, die so zahlreich sein werden wie die Sterne des Himmels. Er führt ihn heraus aus seiner alten Heimat, hinein in ein neues Land (Genesis 12). Abraham ist 75 Jahre alt, als er sich auf den Weg macht, aus seiner alten Heimat heraus in ein neues Land. Alles ihm Bekannte lässt er hinter sich und geht mit seiner Familie einen neuen Weg. Dabei weiß er sich von Gott begleitet und von ihm getragen. Trotz des Aufbruchs und der äußeren geografischen Heimatlosigkeit ist er zu Hause – bei denen, die ihn lieben, und bei dem Gott, der ihn liebt. Sich so getragen zu wissen in allen Auf- und Umbrüchen des Lebens kann eine innere Ruhe schenken – weil Gott da ist.

Dieses Da-Sein Gottes für den Menschen, sein Mit-Sein zieht sich durch die ganze Bibel hindurch. Und wird vielleicht am deutlichsten an der Geschichte, die Mose mit seinem Gott erlebt.

Die Erzählung vom brennenden Dornbusch im Alten Testament (Exodus 3) macht deutlich, dass Gott sich sogar im unscheinbaren Busch verbergen kann. Mose, der den Auftrag erhält, sein Volk aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit zu führen, begegnet Gott in einem brennenden Dornstrauch. Hier offenbart Gott seinen Namen: »Ich-bin-da« (Exodus 3,14).

Im Letzten ist es aber wohl eine Frage der Wahrnehmung, ob man Gott auch tatsächlich dort entdeckt, wo er sich zeigt – oder auch versteckt. Das heißt: Mit welchem Blick schaue ich auf die Wirklichkeit, die mir begegnet? Sehe ich »nur« das wirklich Sichtbare, also das, was ich mit meinen Augen objektiv erkennen und mit Worten beschreiben kann?

Die englische Dichterin Elisabeth Barret-Browning hat es einmal so beschrieben:

»Die Erde ist mit Himmel vollgepackt, und jeder gewöhnliche Busch brennt mit Gott – aber nur der, der es sieht, zieht die Schuhe aus. Die anderen sitzen herum und pflücken Brombeeren.«

Mose zieht am brennenden Dornbusch seine Schuhe aus. Gott gibt ihm dazu den Auftrag: »Komm nicht näher heran. Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, an dem du stehst, ist heiliger Boden« (Exodus 3,5). »Heiliger Boden« meint nichts anderes, als dass Gott gegenwärtig ist. Er ist da. Wenn Mose seine Schuhe ausziehen soll, so ist dies zum einen ein Zeichen seiner Ehrfurcht und seines Respektes gegenüber Gott. Zum anderen heißt es auch: Mose darf diesen Gott barfuß spüren, er darf diese Erde, diesen Flecken Erde, an dem Gott da ist, spüren, wahrnehmen, genießen. Barfuß zu gehen ist eine wunderbare Erfahrung. Und die Schuhe auszuziehen hat ja auch etwas mit dem Gefühl von Zuhausesein zu tun: Die Wohnungstür öffnen, die Berufskleidung und die Schuhe ablegen – das ist Zuhause. Mose spürt demnach, dass dieser Gott in Beziehung zu ihm tritt, dass er ihm wohlgesonnen ist und, wie es der Name schon ausdrückt, da ist – egal, wo Mose sich gerade aufhält. Kein Ort, nicht einmal der einfache Busch, ist ihm zu »einfach«, um dort präsent zu sein. Gott ist somit Moses Zuhause.

Mose erhält an diesem brennenden Dornbusch von Gott den Auftrag, das versklavte Volk Israel in die Freiheit zu führen. Die Israeliten sollen in ihrem eigenen Land Wohnung und Heimat bekommen. Mose braucht einige Zeit, um diese Aufgabe zu begreifen und anzunehmen. Er fragt sich zunächst: Warum gerade ich? Immer wieder fallen ihm Argumente ein, warum er ungeeignet sei für diese Aufgabe. Gott kommt ihm aber entgegen und stellt ihm seinen Bruder Aaron zur Seite, weil dieser besser vor dem Pharao reden könne als Mose, um das Volk freizubekommen. So kann Mose einwilligen.

Der Weg, den Mose dann beginnt, wird kein einfacher Weg für ihn. Immer wieder ist sein Volk widerspenstig, widerspricht ihm, will ihm nicht folgen, sondern lieber zurück an die Fleischtöpfe Ägyptens statt weiter durch die Wüste zu ziehen. Mose wird zum Mittler zwischen Gott und seinem Volk.

Als er auf den Berg Sinai steigt, um dort die Zehn Gebote zu empfangen, und dabei für das Empfinden seines Volkes zu lange dort oben bleibt, beginnen die Israeliten, die am Fuße des Berges warten, sich ein goldenes Kalb zu erschaffen und dieses anzubeten. Als Mose hinabkommt und dies sieht, wird er zornig. Trotzdem steigt er noch einmal auf den Berg, um mit Gott zu reden und um Gnade für sein Volk zu erbitten. Mose tritt immer wieder für sein Volk ein und hält durch. Er lässt nicht mehr ab von diesem Gott, der ihm am Dornbusch gezeigt hat, dass er eigentlich brennende Leidenschaft ist. Mose stirbt kurz vor Erreichen des Zieles und sein Nachfolger Josua führt das Volk schließlich in das verheißene Land. Gott lässt andererseits auch nicht ab von Mose und seinem Volk – und von seiner Absicht, diesem seinem Volk Heimat und Geborgenheit zu schenken.