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Die Blumengärten rund um Lady Antheas Anwesen in den Cotswolds sind die reinste Augenweide und das Werk der Gartenfeen Lorna und Philly. Als Lorna bei einer Party den attraktiven Jack kennenlernt und Philly sich auf einem Bauernmarkt von dem sanften Bäcker Lucian verzaubern lässt, sieht es ganz danach aus, als würden nun auch ihre Herzen zum Erblühen gebracht. Doch dann sorgt die Entdeckung eines verwunschenen Gartens mit seinem Geheimnis für Aufruhr. Oder ist es am Ende einfach ein Ort, an dem Träume wahr werden könnten?
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Seitenzahl: 428
Die Blumengärten rund um Lady Antheas Anwesen in den Cotswolds sind die reinste Augenweide und das Werk der Gartenfeen Lorna und Philly. Als Lorna bei einer Party den attraktiven Jack kennenlernt und Philly sich auf einem Bauernmarkt von dem sanften Bäcker Lucian verzaubern lässt, sieht es ganz danach aus, als würden nun auch ihre Herzen zum Erblühen gebracht. Doch dann sorgt die Entdeckung eines verwunschenen Gartens mit seinem Geheimnis für Aufruhr. Oder ist es am Ende einfach ein Ort, an dem Träume wahr werden könnten?
Katie Fforde wurde in Wimbledon geboren, wo sie ihre Kindheit verbrachte. Heute lebt sie mit ihrem Mann, drei Kindern und verschiedenen Katzen und Hunden in einem idyllisch gelegenen Landhaus in Gloucestershire, England. Erst vor wenigen Jahren begann sie mit dem Schreiben romantischer, heiterer Gesellschaftskomödien, die stets sofort die englischen Bestsellerlisten eroberten.
Katie Fforde
Begegnung im Mondscheingarten
Roman
Aus dem Englischen vonGabi Reichart-Schmitz
Vollständige E-Book-Ausgabe
des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes
Deutsche Erstausgabe
Für die Originalausgabe:
Copyright © Katie Fforde Ltd. 2017
Titel der englischen Originalausgabe: »A Secret Garden«
Originalverlag: Century/The Random House Group Limited, London
Für die deutschsprachige Ausgabe:
Copyright © 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau
Unter Verwendung von Motiven von © shutterstock/Kozhadub Sergei und© Jeremy Samuelson/getty-images
E-Book-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen
ISBN 978-3-7325-7258-8
www.luebbe.de
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Für alle gärtnernden Frauen – überall auf der Welt
Philly zog mit den Zähnen an dem besonders verstärkten Gewebeklebeband, schaffte es allerdings nicht, es abzureißen. »Gib mir mal bitte die Gartenschere da drüben, Grand«, sagte sie. Ein Windstoß fuhr in die Ärmel ihrer Jacke. Er war viel kälter, als Wind im April sein sollte, fand Philly. Wären da nicht die Primeln unter den Hecken und die Pflanzentrays voller vorgetriebener Blumenzwiebeln in ihrem Treibhaus – man hätte auch meinen können, es sei Februar.
Ihr Großvater schüttelte den Kopf. »Du brauchst eine Schere oder ein Messer. Hier.« Er nahm sein Schweizer Messer aus der Tasche und schnitt damit das Klebeband durch.
Philly klebte den Streifen auf einen Riss im Folientunnel und hielt dann sorgfältig Ausschau nach möglichen weiteren Löchern. »Wenn die Wettervorhersage stimmt, muss ich sicherstellen, dass der Wind nicht hineingelangen kann.«
»Liebes Kind«, antwortete ihr Großvater. »Du brauchst einen neuen Folientunnel. Warum lässt du mich keinen kaufen?«
Philly vergewisserte sich, dass der Folientunnel so winddicht wie möglich war, und gab ihrem Großvater das Messer zurück. »Müssen wir diese Diskussion jeden Tag von Neuem führen, Grand? Würde nicht einmal pro Woche reichen?«
»Ach, komm! Es braut sich ein Unwetter zusammen, das diesem alten Ding den Rest geben könnte. Was würde dann mit deinem kostbaren Salbei passieren?«
Philly nickte. »Die Pflanzen könnten alle kaputtgehen, ich weiß. Doch jetzt ist es zu spät für einen neuen Folientunnel.« Sie lächelte ihn an, weil sie wusste, dass er diesen Disput nicht für sich entscheiden konnte.
»Aber für den nächsten Sturm ist es nicht zu spät. Du weißt ja, dass es heißt, der April ist der übelste Monat von allen. Er könnte sogar mit einem Orkan aufwarten.« Ihr Großvater war genauso stur wie sie.
Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Lieber Grand, ich schulde dir schon genug, und ich möchte nicht noch tiefer in deiner Schuld stehen. Ich werde mich mit diesem Folientunnel hier begnügen, bis ich genug Geld für einen neuen verdient habe.«
Ihr Großvater schnalzte missbilligend mit der Zunge, verfolgte aber das Thema nicht weiter. Er gab sich nicht etwa geschlagen, sondern vertagte die Angelegenheit nur. »Komm, lass uns ins Haus gehen und Tee trinken. Es gibt auch Kuchen …« Bei den letzten Worten verzog er ein wenig das Gesicht.
Phillys Miene hellte sich auf. »Was stimmt nicht damit? Hast du die Walnüsse in einem Kaffee-Walnuss-Kuchen vergessen?«
»Er war ein bisschen zu lange im Ofen«, antwortete er. »Ist angebrannt, wie man früher sagte.«
Philly war erstaunt. »Was? Er ist tatsächlich richtig angebrannt?«
»Oh nein! Aber er ist nicht marktfähig.«
Philly lachte. »Dann ist es ja in Ordnung. Ich mache gern eine Teepause mit dir. Aber nur wenn es dir nichts ausmacht, ein bisschen zu warten – ich muss noch meine Blumensträußchen binden und nachsehen, welche Blumenzwiebeln schon weit genug sind, um sie zum Stand mitzunehmen. Dauert nicht lange. Ich habe die Blumen eben geschnitten und bereitgelegt. Danach ist es Zeit für den Anruf. Du weißt, dass am Sonntag alle auf einer Feier sind und wir das Telefonat vorverlegt haben? Könnten wir danach Tee trinken?«
»Na klar. Ich habe die Kartoffeln fürs Abendessen schon aufgesetzt. Den Kuchen können wir auch als Nachtisch essen.«
»Perfekt!« Sie gab ihm einen Kuss auf die Wange und hakte sich bei ihm unter, als sie sich auf den Weg machten. Dann steuerte Philly auf eines der Nebengebäude zu, und ihr Großvater verschwand im Haus. Sie fürchtete sich regelrecht vor dem Telefonat. Es gab nichts Neues, was sie ihren Eltern erzählen konnte, nichts, was ihre Sorgen zerstreuen würde. Daher würden sie ihr weiterhin zusetzen, nach Irland zurückzukehren, selbst wenn das bedeutete, ihren Großvater allein in England zurückzulassen.
Philly wollte das Abenteuer nicht abbrechen, zu dem ihr Großvater und sie vor drei Jahren aufgebrochen waren. Damals hatte Seamus zufällig im Internet eine Annonce für einen kleinen landwirtschaftlichen Besitz entdeckt. Die Anzeige hatte ihn angesprochen, obwohl er als passionierter Automechaniker eigentlich eher an einem einfachen Haus mit ein paar Garagen interessiert gewesen wäre. Philly war mit ihm gefahren, um das Objekt zu besichtigen. Als sie das Haus dann gesehen hatte, hatte sie sich Hals über Kopf verliebt. Es gehörten mehrere Tausend Quadratmeter Land dazu, eine Menge Nebengebäude und sogar ein paar alte Folientunnel. Das Anwesen war perfekt geeignet, um Pflanzen anzubauen und herauszufinden, ob ihr Lebenstraum, sich mit einem Gärtnereibetrieb selbstständig zu machen, der Realität standhalten würde.
Das Haus war ein baufälliges Groschengrab, das stand außer Frage, doch es machte Philly und ihrem Großvater nichts aus, in der großen alten Küche des Bauernhauses zu leben und den Großteil der übrigen Räume im Winter nicht zu nutzen. Und was für ihren Großvater den Ausschlag gegeben hatte, war der alte Alvis gewesen, der in einer der Scheunen stand. Seamus wäre auch allein nach England gezogen, weil er dringend ein neues Projekt gesucht und Abstand von seiner Familie gebraucht hatte. Er musste sich von seiner Einsamkeit nach dem Tod seiner Frau ablenken. Philly hatte ihm eigentlich nur Gesellschaft bei der Besichtigung leisten wollen. Doch als sie beschloss, sich ihm anzuschließen, war das Vorhaben einfach zu vollkommen, um es nicht weiterzuverfolgen.
Die Tatsache, dass ein derartiger Besitz nicht einem Bauträger in die Hände gefallen war, beruhte auf einer großen Portion irischen Glücks. Es gab eine Klausel, die die landwirtschaftliche Nutzung vorschrieb. Das bedeutete, dass die Nebengebäude nicht in Wohnhäuser umgewandelt werden durften, auch nicht in Ferienhäuser. Der ehemalige Besitzer hatte dafür gesorgt, dass sein Besitz nicht in – gemäß seiner Vorstellung – falsche Hände gelangen konnte.
Außerdem hatte der ältere Herr Philly und ihren Großvater bei dem Besichtigungstermin auf Anhieb ins Herz geschlossen. Er hatte sie in sein baufälliges Haus eingeladen, Tee in fleckigen Tassen serviert und darauf bestanden, dass sie sich setzten. Da es keine Alternative gab, versanken sie in einem Sofa, das Ähnlichkeit mit einem Sumpf hatte. Während sie nicht in der Lage waren, sich ohne Hilfe wieder zu erheben, fragte der Verkäufer sie über ihre Pläne aus. Als sie zugaben, dass sie beide vor einer wohlmeinenden, doch erdrückenden und sehr konventionellen Familie flüchten wollten, beschloss er, ihnen den Zuschlag zu geben. Obwohl ihr Angebot nicht das höchste war, wie er ihnen verriet. Er wollte das Geld aus dem Verkauf seines Besitzes in ein kleines Hausboot investieren, auf dem er seinen Lebensabend verbringen würde.
Er bat sie, das Haus nicht zu sehr zu sanieren, und sie stimmten zu. Diese Einwilligung fiel ihnen nicht schwer. Sie war zwar rechtlich nicht bindend, aber sie hatten ohnehin nicht genug Geld, um mehr als die notwendigsten Renovierungsarbeiten durchzuführen.
Seitdem waren drei Jahre vergangen, und an der Situation hatte sich nicht viel verändert. Doch trotz der harten Arbeit und des Mangels an Komfort (»erbärmliche Zustände«, wie Phillys entsetzte Mutter es nannte) hatten die Träume der beiden nach wie vor Bestand.
Philly brauchte nicht lange, um rund zwanzig kleine Blumensträuße zu binden und in behelfsmäßigen Vasen zu arrangieren: in Marmeladengläsern, Konservendosen und Joghurtbechern. Die rustikalen Behältnisse hatte sie alle ein bisschen aufgepeppt – mit ein wenig Farbe, einem bunten Band oder nur durch eine gründliche Reinigung. Mit etwas Bindegrün (Philly liebte das frische Frühlingslaub), ein paar Tulpen und dunklen, samtigen Gartenprimeln zauberte sie schlichte Arrangements, die die Kunden liebten. Dann packte sie einige Töpfe mit knospenden Blumenzwiebeln zusammen – Blausterne, weiße und blaue Traubenhyazinthen und ein paar späte Mini-Narzissen –, die eine Zierde für jeden Tisch waren. Ihr Angebot war sehr begehrt bei Leuten, die eine Abendgesellschaft planten. Philly bündelte auch noch einige größere Zweige von Hecken und kleineren Bäumen, die bei Blumenbindern beliebt waren. Da Philly manchmal den Auftrag erhielt, eine Kirche mit Blumen zu dekorieren, wusste sie, wie schwierig es war, ausreichend geeignetes Bindegrün aufzutreiben. Normale Gärten waren einfach zu ordentlich. Deshalb gehörten die Zweige zu ihrem Angebot. Das alles ergänzte die Behältnisse mit den Blumenzwiebeln, die sie offiziell verkaufte, die jedoch nicht viel Gewinn abwarfen, wie sie zugeben musste. Die Blumensträußchen und die Bündel mit Grünzeug dagegen brachten einen hundertprozentigen Ertrag.
Als sie genug vorbereitet hatte, um ihren Stand ansprechend wirken zu lassen und rund fünfzig Pfund zusätzlich einzunehmen, ging sie zum Haus hinüber. Sie freute sich darauf, sich gleich aufzuwärmen. Danach würde sie mit ihrer Mutter telefonieren.
Um Punkt sechs Uhr klingelte das Telefon.
»Nun, Liebes, wie geht’s dir?«, wollte Marion Doyle wissen. Wie immer schaffte sie es nicht, ihre Sorge um ihr jüngstes Kind zu verbergen.
»Alles in Ordnung, Ma, wirklich! Was machen die Jungs?« Philly hatte zwei ältere Brüder, die eher in Marions Weltbild passten.
»Ihnen geht’s gut. Sie arbeiten schwer. Jetzt erzähl mal von dir.«
Philly fühlte sich immer unter Zugzwang, wenn ihre Mutter sie aufforderte, Bericht zu erstatten. »Na ja, ich habe jede Menge Waren, die ich morgen auf dem Markt verkaufen werde. Und da jetzt Frühling ist, werden viele Touristen und Leute mit Zweitwohnsitz kommen, die ihre Gärten aufpeppen wollen.«
»Und dein Großvater? Beschäftigt er sich immer noch mit Backen?« In der Welt ihrer Mutter backten Männer keine Kuchen.
»Er macht das ganz hervorragend. Du solltest stolz auf ihn sein.«
»Es ist ja nicht so, dass ich nicht stolz wäre, ich finde es nur ein bisschen seltsam. Daran bist du schuld, Philomena. Du hast ihn auf diese Idee gebracht, weil du immer diese Fernsehshow geguckt hast.«
Philly lachte, sah jedoch keine Veranlassung, sich zu rechtfertigen. »Ich muss zugeben, dass ich nie auf die Idee gekommen wäre, Grand könnte wegen Das große Backen auch backen wollen, doch er macht das ganz hervorragend! Die Leute verlassen sich darauf, dass er samstagmorgens mit am Stand ist. Er nimmt sogar Vorbestellungen an«, fügte sie stolz hinzu.
Ihre Mutter seufzte. »Nun, ich denke, seine Leidenschaft fürs Backen übertrifft noch die für das Herumbasteln an diesem alten Auto, doch Kuchenbacken kann ja wohl kaum als männliche Tätigkeit betrachtet werden, oder?«
»Es ist eine wunderbare Aktivität für einen Mann«, widersprach Philly, obwohl ihr klar war, dass ihre Mutter das niemals akzeptieren würde. »Und besonders im Winter ist es besser für ihn. In der Küche ist es viel wärmer als draußen in der Scheune.«
»Aber diese Küche, Darling! Ist es überhaupt hygienisch, da zu backen?«
»Ma, du bist seit deinem ersten Besuch nicht wieder hier gewesen. Du hast noch nicht gesehen, was wir alles erneuert haben, um die Küche in einen hygienisch einwandfreien Zustand zu versetzen.«
Dazu schwieg Marion. Philly wusste, dass sie sich zurückhielt, um nicht wieder zu sagen, dass man in dem Haus nicht wohnen konnte – vor allem nicht in Seamus’ Alter –, ganz gleich, wie viel sie in der Küche bereits verändert haben mochten. Stattdessen fragte Marion: »Und, hast du inzwischen einen Freund?«
Obwohl Philly erleichtert war, weil ihre Mutter nicht schon wieder lamentierte, dass ihr Großvater nicht in so einem kalten Haus leben sollte, war sie auch nicht gerade begeistert von dem neuen Gesprächsthema. »Nein, Ma! Letzte Woche hatte ich doch auch keinen!«
Ihre Mutter seufzte. »Aber lernst du denn wenigstens junge Männer kennen, die zu Freunden werden könnten, da draußen mitten im Nirgendwo?« Marion hielt nicht viel von der sehr hübschen kleinen Stadt, die weniger als fünf Kilometer von dem Bauernhof entfernt lag.
»Momentan nicht.« Hier waren Philly und ihre Mutter ausnahmsweise einmal einer Meinung. Es wäre nett, ein paar junge Männer ihres Alters zu treffen. Oder wenigstens einen. Es gab einen jungen Mann, der an der Käsetheke am Marktstand gegenüber arbeitete, doch Philly war so schüchtern, dass sie immer ihren Großvater zum Käsekaufen schickte, wenn sie welchen brauchten. Aber das würde sie ihrer Mutter bestimmt nicht auf die Nase binden. »Ich habe darüber nachgedacht, im Pub nachzufragen, ob sie vielleicht eine Aushilfe brauchen«, fuhr sie fort. »Auf die Weise würde ich junge Leute kennenlernen.«
Marion schnaubte missbilligend, gab jedoch keinen Kommentar dazu ab, was sie davon hielt, dass ihre Tochter in einem Pub arbeiten wollte. Sie hieß es nicht einmal gut, dass Philly gelegentlich für ein sehr gehobenes Catering-Unternehmen kellnerte. Sie zog es vor, eine andere spitze Bemerkung fallen zu lassen. »Nun, vergiss nicht, dass hier ein ganz reizender Junge auf dich wartet.«
»Ma, er wartet nicht auf mich. Er hat eine sehr nette Freundin.« Der »Junge« war ihre Sandkastenliebe gewesen, aber er war nicht besonders abenteuerlustig oder gar risikofreudig – er war zufrieden mit seinem sicheren Job im Schreibwarenhandel seiner Eltern.
»Er würde sie verlassen, wenn du nach Hause kämst.«
»Was würde das denn für ein Licht auf ihn werfen? Apropos, ist mit Dad und dir alles in Ordnung?«
»Uns geht’s gut. Wir machen uns nur Sorgen um euch zwei Rabauken.«
Philly lachte. »Nun, das müsst ihr nicht. Und man kann uns auch kaum als ›Rabauken‹ bezeichnen. Grand ist ein gestandener Mann in den Siebzigern, und ich bin schon lange volljährig.«
»Du bist dreiundzwanzig! In dem Alter ist man noch nicht verantwortungsbewusst.«
»Wie alt warst du, als ihr geheiratet habt?« Da Philly die Antwort kannte, hatte sie das Gefühl, den Siegtreffer zu landen.
»Nun gut, ich war erst neunzehn, doch ich war sehr reif für mein Alter, und du warst erst zwanzig, als …«
»Wir bekommen das schon hin, Ma«, fiel Philly ihr ins Wort. »Ich bin mir sicher. Ich werde Erfolg mit meinen Pflanzen haben, und Grand ist glücklich und zufrieden mit seinem Leben. Was willst du mehr?«
»Dass ihr beide nach Hause nach Irland kommt! Aber mir ist klar, dass die Hoffnung vergeblich ist.« Marion seufzte. »Ich bin froh, dass ihr beide glücklich seid. Und schiebt euren nächsten Besuch bei uns nicht mehr zu lange auf!«
Der Markt am folgenden Tag war noch hektischer als gewöhnlich. Er ergriff einmal in der Woche Besitz von der kleinen Stadt und fand vor den alten malerischen Gebäuden statt. Dazu gehörte auch ein historisches Kloster, das als Gemeindekirche genutzt wurde. Es war beinahe so groß wie eine Kathedrale. Das Äußere des Klosters war ein entmutigender Gradmesser des Verfalls, der zeigte, wie viel Geld noch benötigt wurde, um Teile des Bauwerks zu sanieren. Dennoch war es nach wie vor schön.
Nachdem – zumindest gemäß Kalender – nun der Frühling Einzug gehalten hatte, kamen allmählich die Ferienhausbesitzer, die den Winter über in London geblieben waren, zu ihren kleinen Domizilen auf dem Land und wollten sie verschönern. Der Markt war zudem ein Ort, den sie ihren Besuchern zeigen konnten. Da man hier fast alles kaufen konnte, was man für ein Wochenende in einer angenehmen, grünen und umweltfreundlichen Umgebung brauchte, herrschte reges Treiben. Die Eigentümer der Wochenendhäuser gefielen sich darin, die Geschäfte vor Ort zu unterstützen. Es schien ihnen ein besseres Gefühl zu geben. Jedenfalls hatte Philly diesen Eindruck gewonnen. Und da ihr Großvater und sie davon profitierten, hatte sie nichts dagegen einzuwenden.
Sie hatten fast bis zum Ende des Markttages gut zu tun. Der junge Mann mit dem glatten Haar, der ihr ganz gut gefiel, arbeitete auch an diesem Tag am Käsestand. So wie es aussah, machten sie ebenfalls ein Bombengeschäft.
Als Seamus und Philly gerade zusammenpacken wollten, tauchte eine hochgewachsene, attraktive Frau mittleren Alters am Stand auf. Ihr dunkelrotes, welliges Haar war zu einem modischen Bob geschnitten.
»Hab ich euch noch erwischt!«, sagte sie. »Ich brauche ganz dringend Kuchen. Und Blumen.«
»Hallo, Lorna!«, erwiderte Philly erfreut. »Ich packe dir diese Sträußchen ein.«
Lorna kramte in ihrem Geldbeutel. »Wie viel?«
»Ich schenke sie dir«, antwortete Philly bestimmt, »wenn ich die Gläser zurückhaben kann. Schließlich bist du die beste Kundin meiner Gärtnerei.«
»Oh«, sagte Lorna. »Jetzt habe ich das Gefühl, ich hätte besser nicht gefragt.«
»Natürlich sollst du fragen. Und, Grand, wie viel wirst du Lorna für den Kuchen berechnen?«
»Ist ein Fünfer zu viel?«, fragte er.
»Ein Fünfer ist ein absolutes Schnäppchen; ich nehme den Kuchen«, antwortete Lorna.
»Mit Verlaub, aber Sie sehen nicht nach einer Frau aus, die viel Kuchen isst«, sagte er und packte das Gebäck ein.
»Oh, doch! Na ja, jedenfalls ab und zu ein bisschen. Den Rest schneide ich in Stücke und friere ihn ein. Wenn ich dann mal Lust auf einen wunderbaren Nachtisch habe, taue ich ein Stück in der Mikrowelle auf und esse es mit Eiscreme. Das schmeckt köstlich.«
»Das klingt wirklich gut«, meinte Philly. »Das müssen wir auch mal ausprobieren, Grand.«
»Nun, im Austausch für das Rezept musst du mir erzählen, warum du deinen Großvater ›Grand‹ nennst. Das gehört nicht zu den üblichen Namen für einen Großvater. Ich wollte es schon lange wissen, habe mich aber nie getraut zu fragen.«
»Das ist für mich die Kurzform von ›grandios‹«, antwortete Philly nach einer kurzen Pause.
»Ich wollte nie ›Opa‹ oder ›Opi‹ genannt werden«, erklärte Seamus. »Als Philly mir den Namen gab, hat er mir sofort gut gefallen. Ich habe auch ihren Brüdern vorgeschlagen, mich ›Grand‹ zu nennen, doch nur Philly ruft mich noch so.«
Lorna nickte und lachte. »Danke für die Erklärung. Wie geht es meinen Salbeipflanzen?«
»Gut, denke ich. Und willst du dieses Jahr auch wieder Rittersporn haben?«
»Ja, ich glaube schon. Sie waren letztes Jahr so hübsch, sie haben richtig Eindruck gemacht. Ich schicke dir bald eine Liste der Pflanzen, die ich brauchen werde. Ich weiß, das hätte ich schon lange tun sollen, aber du kennst das ja.«
»Es ist wirklich schade, dass nicht mehr Menschen deinen Garten zu sehen bekommen«, meinte Philly.
»Gott sei Dank ist es nicht mein Garten«, entgegnete Lorna, »doch du hast trotzdem recht, er sollte mehr Leute erfreuen. Vielleicht denken wir über eine Öffnung für die Öffentlichkeit nach, wenn die Wiederherstellungsarbeiten abgeschlossen sind. Aber wir stehen damit ja noch ziemlich am Anfang.«
Als Lorna den Kuchen und die Blumen genommen und sich verabschiedet hatte, sagte Seamus: »Eine tolle Frau!«
»Stimmt«, pflichtet Philly ihm bei. »Doch sie ist ein bisschen jung für dich.«
»Da hast du recht.«
Philly räumte weiter zusammen. Vielleicht sollte ihre Mutter sich besser Gedanken über das Liebesleben ihres Schwiegervaters machen, anstatt sich jede Woche nach dem ihrer Tochter zu erkundigen!
Am folgenden Montagmorgen reichte Lornas Chef ihr eine Tasse Kaffee und setzte sich dann neben sie auf die Treppenstufe. Vor ihnen lag ein holpriges Stück Wiese, aus dem eines Tages (das hoffte Lorna jedenfalls sehr) ein wunderschöner Rasen werden würde. Hinter ihnen standen die großen Säulen einer eleganten palladianischen Fassade. Nach allgemeinem Herrenhaus-Standard war Burthen House eher auf der kleinen Seite anzusiedeln, doch verglichen mit normalen Wohnhäusern war es riesengroß. Es war aus dem honigfarbenen Stein der Region erbaut worden und ein bisschen zu renovierungsbedürftig, um elegant zu wirken, doch Lorna mochte den etwas maroden Charme und die Schönheit des Hauses. Sie wusste, dass der Herrensitz eines Tages komplett restauriert sein würde, aber sie zog eigentlich den jetzigen Zustand vor.
»Und«, fragte Lorna, »wie ist dein Date am Freitagabend gelaufen?«
Peter, der Herr des Parks und des Hauses, die beide zurzeit restauriert wurden, seufzte. »Na ja, um ehrlich zu sein …« Er hielt inne, schluckte mehrmals und fuhr fort: »Es war großartig.«
Lornas Herz machte einen kleinen Satz. »Ach?« Peter war häufig voller Optimismus auf Online-Kontaktbörsen unterwegs und interessierte sich für Frauen, die mindestens zwei Jahrzehnte jünger waren als er selbst mit seinen siebenundfünfzig Jahren. Doch da er noch volles Haar und gute Zähne besaß, ganz abgesehen von seinem herrschaftlichen Anwesen, hatte er immer eine große Auswahl. Die meisten seiner Dates verliefen katastrophal und lieferten ihm und Lorna viel Grund für Gelächter, wenn er ihr später davon berichtete. Bisher hatte noch keine der Frauen ihn dazu gebracht, nervös zu schlucken, bevor er über sie sprechen konnte. Und solange das so gewesen war, hatte Lorna weiterträumen können.
Er nickte. »Ja. Abgesehen davon, dass sie fantastisch aussieht, ist sie intelligent und stellt die richtigen Fragen.« Peter trank einen Schluck von seinem Kaffee, zog eine Packung Kekse aus der Tasche, öffnete sie und reichte sie Lorna.
Lorna nahm sich ein Plätzchen. Es gefiel ihr, wenn seine Verabredungen in einem Desaster endeten. Geduldig wartete sie darauf, dass er irgendwann begreifen würde, wie viel besser es ihm mit einer Frau in seinem Alter ginge, genauer gesagt mit ihr. Sie hatten sich im Kindesalter kennengelernt und dann aus den Augen verloren; doch jetzt waren sie beide hier, alleinstehend, am selben Ort und trotzdem noch kein Paar. »Erzähl weiter«, forderte sie ihn auf. »Wollte sie nicht nur wissen, wie groß dein Anwesen ist? In anderen Worten: herausfinden, ob du wirklich reich bist oder ob du auf deiner Webseite übertrieben hast?«
»Du bist zynisch, weißt du das, Lorna?«
»Auf die Weise bleibe ich gesund«, erwiderte sie und streckte ein Bein aus. Es gab genug bequeme Bänke, auf denen sie sich hätten niederlassen können, doch irgendwie saßen sie immer auf den Stufen von Burthen House, als wären sie noch Kinder.
»Nun, du hättest dich gefreut!«, fuhr Peter fort. »Sie wollte alles über den Garten hören und hat sich nicht nur nach alten Meistern und Stuckdecken erkundigt.«
»Das ist ein gutes Zeichen. Eine Frau, die die richtigen Prioritäten setzt.«
»Ich habe ihr erzählt, dass du den Garten für mich restaurierst, und sie wollte alles über deine Pläne wissen.«
»Und du konntest sie umfassend informieren, nicht wahr?« Lorna lächelte ihn an, denn sie wusste ganz genau, dass sein Interesse am Garten nur sehr oberflächlich war. Ihm gefiel die Vorstellung, in einem stattlichen Haus zu leben, doch die praktische Seite interessierte ihn weniger.
»Ich habe ihr das erzählt, was ich weiß«, verteidigte er sich. »Du bist schon seit ein paar Jahren mit der Restaurierung der Gärten beschäftigt und hoffst darauf, sie irgendwann in den Originalzustand zurückzuversetzen.«
»›Irgendwann‹ ist in etwa der korrekte Zeitrahmen«, antwortete Lorna. »Ich brauche mehr Unterstützung in den Gärten, wenn wir wirklich etwas bewirken wollen.« Ihr ging auf, dass sie über die Gärten sprach, damit er ihr nicht länger von seinem wunderbaren Date vorschwärmte.
Doch Peter spielte nicht mit. »Dann kümmere dich darum. Du hast meine Erlaubnis, mehr Leute einzustellen, aber jetzt lass mich dir von Kirstie erzählen.«
Lorna beschloss, sich mit mehr Personal zufriedenzugeben. Wenn Peter immer noch nicht bemerkt hatte, dass sie die perfekte Ehefrau für ihn wäre, würde ihm das wahrscheinlich nie auffallen. »Und warum ist sie besser als die anderen entzückenden jungen Frauen, mit denen du bisher ausgegangen bist?«
»Sie hat Köpfchen. Sie arbeitet als freiberufliche Event-Managerin. Sie kennt die Beatles, kann über meine Witze lachen und ist … na ja, einfach umwerfend. Und so hübsch!«
Lorna lachte, um ihr Seufzen zu kaschieren. »Ich kann es kaum erwarten, sie kennenzulernen.«
Die Bemerkung war sarkastisch gemeint, aber er bemerkte es nicht. »Nun, ist das nicht perfekt? Du wirst sie schon bald treffen.«
»Tatsächlich? Wann denn?«
»Sobald ich es organisieren kann. Ich gebe eine Dinnerparty, zu der ich auch Mutter einladen werde.« Er runzelte ganz leicht die Stirn. Die Augenbrauen über seiner aristokratischen Nase zogen sich ein wenig zusammen. »Ich denke, sie sollte Mutter lieber früher als später begegnen, damit es nicht zu schwierig wird.«
»Würde es denn schwierig werden?«
Er wedelte mit der Hand. »Aber natürlich! Du weißt ja, wie meine Mutter ist. Sie ist ein fürchterlicher Snob, und sie kann Menschen gegenüber, die sie nicht mag, ganz schön die Stacheln aufstellen.«
Lorna wusste tatsächlich, wie Peters Mutter war. Lady Anthea Leonard-Stanley war ihre Freundin. Anthea und Lornas Mutter waren eng befreundet gewesen, und auch Lorna hatte sich immer gut mit Anthea verstanden. Über Peters Mutter hatte sie auch die Stelle als Gartenarchitektin und -restauratorin (und Unkrautjäterin und Umgräberin) für Burthen House erhalten. Anthea hatte ein gutes Herz, aber sie konnte Dummköpfe nicht ausstehen. Lorna fand nicht, dass sie immer ein Snob war, doch auf unpassende Freundinnen ihres Sohnes konnte sie durchaus abweisend reagieren.
»Aber du würdest schon noch andere Leute einladen? Es wären nicht nur Kirstie und du und Anthea und ich da?« Die Vorstellung war schrecklich.
Offensichtlich ging es Peter genauso. »Großer Gott, nein! Wir werden noch mehr Gäste einladen. Kirstie kennt jemanden, der das Catering übernehmen kann. Allerdings müssen wir vielleicht noch jemanden finden, der beim Bedienen helfen kann.«
Lorna runzelte die Stirn. »Peter? Du hattest eine einzige Verabredung und sprichst schon von ›wir‹. Und ihr wollt eine gemeinsame Dinnerparty geben. Überstürzt du die Dinge nicht ein bisschen?«
Er schaute Lorna an, und sie hielt seinem Blick stand. Dabei wünschte sie sich, sie würde ihn nicht so attraktiv finden. Seit sie sieben war, hatte sie für ihn geschwärmt, und obwohl sie die meisten Jahre seit damals getrennt verbracht hatten – und beide mit anderen Partnern verheiratet gewesen waren –, waren Lornas Gefühle für ihn unverändert.
Peter wirkte etwas fahrig. »Lorna, nachdem ich sie nach unserem Date nach Hause gebracht hatte, habe ich sie noch angerufen, eigentlich nur, um ihr eine gute Nacht zu wünschen, und dann – na ja, wir haben fast die ganze Nacht lang telefoniert.«
Lornas rutschte das Herz in die Gummistiefel, und da blieb es dann auch. Offensichtlich handelte es sich um etwas Ernstes. Sie konnte sich noch gut an die Zeiten erinnern, als sie jemanden kennengelernt und gar nicht mehr hatte aufhören wollen zu reden.
»Und dann haben wir das ganze Wochenende zusammen verbracht. Reg hat sie am Sonntagabend nach Hause gefahren.«
Reg war Peters Fahrer. »Aha. Du bist also verliebt.« Sie gab sich Mühe, fröhlich zu klingen, und hatte das Gefühl, das auch ziemlich gut hinzubekommen.
»Ja!« Er betrachtete sie zum ersten Mal an diesem Tag aufmerksam und forschend. »Du freust dich doch für mich, oder?«
Lorna trank einen Schluck Kaffee, um Zeit zu gewinnen und sich wieder zu fangen. »Wenn sie wirklich die Richtige für dich ist und ihr beide euch so liebt, dass es von Dauer sein wird, dann freue ich mich natürlich für dich. Wie könnte es anders sein?«
»Ich bin so froh, denn manchmal habe ich mich gefragt … Weißt du …« Er brach ab.
Da Lorna ihn so gut kannte, wusste sie ganz genau, was er meinte: Empfand sie etwas für ihn? Nun, den Zahn musste sie Peter ziehen, vor allem, weil er recht hatte.
Sie lachte und betete, dass sie sich amüsiert anhörte und nicht peinlich berührt. »Peter! Ich gebe zu, dass ich für dich geschwärmt habe, als ich sieben war – aber das ist lange her.«
»Dann freust du dich also richtig für mich?«
»Natürlich!« Und irgendwann würde es tatsächlich so sein. Denn wenn man jemanden liebte, dann wollte man alles in allem das Beste für ihn.
»Meine Mutter hat sich stets gewünscht, dass wir beide zusammenkommen. Sie würde es mir nie verzeihen, wenn ich dir das Herz bräche.«
Diesmal war Lornas Lachen ein bisschen weniger angestrengt. Sie hatte sich immer schon gefragt, ob Anthea wohl wusste, was sie für Peter empfand. »Soll ich zu ihr gehen und ihr versichern, dass du mir nicht das Herz gebrochen hast?«
»Das würdest du tun? Ich wäre dir sehr dankbar. Es wird so schon schwierig genug werden, auch wenn sie nicht denkt, dass Kirstie dich ausgestochen hat.«
»Das verstehe ich.« Sie zögerte kurz. »Gibt es schon ein Datum für diese Dinnerparty?« Am liebsten hätte sie gefragt, ob sie zu beschäftigt gewesen wären, ihre Lebensgeschichten auszutauschen und sich zu lieben, um sich mit praktischen Fragen zu beschäftigen, doch sie hielt sich zurück. Sie durfte keinen Hinweis liefern, dass er recht hatte, was ihre Gefühle für ihn anging.
»Vielleicht nächste Woche Samstag? Hast du da Zeit?«
Lorna nahm ihr Handy aus der Tasche und überprüfte ihren Terminkalender, obwohl sie ganz genau wusste, dass sie keinen Termin hatte. »Sieht gut aus. Ach, übrigens, hast du schon mal darüber nachgedacht, eine Assistentin einzustellen? Du könntest es dir leisten, und es würde dein Leben – übrigens auch meines – viel einfacher machen.«
Er zwinkerte ihr zu. »Warum soll ich eine Assistentin beschäftigen, wenn eine entzückende Ehefrau alles für mich erledigen könnte?«
Sie lächelte, um zu zeigen, dass sie den Scherz verstand. »Sie könnte eine Zwischenlösung sein, bis du eine entzückende Ehefrau bekommst?«
Peter schüttelte den Kopf. »Nicht nötig, ich bin da optimistisch. Kirstie ist die Richtige. Ich kann es kaum erwarten, dass du sie kennenlernst. Ich weiß, dass ihr euch gut verstehen werdet.«
Lorna verließ Burthen House und spazierte durch den Park nach Hause, in dem einst Rehwild gelebt hatte und der eines Tages, so hoffte sie jedenfalls, ein paar Schafe einer seltenen Rasse beherbergen würde. Sie hatte schon früher erlebt, dass Peter sich für Freundinnen begeistert hatte, doch diesmal war es anders. Offensichtlich war er völlig vernarrt in Kirstie. Und wenn die junge Frau ähnliche Gefühle hegte, hatte es keinen Sinn, die kleine Flamme der Hoffnung weiter zu nähren. Sie sollte besser versuchen, darüber hinwegzukommen.
»Lorna!«, sagte Anthea und öffnete die Haustür weit. »Wie wunderbar, einen zivilisierten Menschen zu sehen! Und es bedeutet, dass ich einen Kaffee trinken kann.«
Lorna schlüpfte aus ihren Stiefeln. Peters Mutter wohnte in Dower House, dem sogenannten »Witwenhaus«. Die Tatsache, dass zu dem Besitz ein derart schönes Dower House gehörte, war einer der Gründe gewesen, warum Peter das Anwesen gekauft hatte – das und die Tatsache, dass er etwas mit dem unverschämt vielen Geld anfangen musste, das er verdiente.
Anthea und Lorna waren eng befreundet, und jetzt folgte Lorna ihr in die Küche.
»Hast du schon davon gehört?«, fuhr Anthea fort. »Peter ist offiziell verliebt!« Sie schaffte es, diese Tatsache unsagbar ordinär klingen zu lassen.
»Er wirkt sehr glücklich.« Lorna war froh, dass nicht sie es war, die die Neuigkeit überbringen musste. Ihr Ton war neutral.
»Er hört sich völlig verwirrt an.« Anthea knallte den Wasserkessel auf den alten Aga-Herd. »Eben hat er angerufen und mir von dieser Dinnerparty erzählt. Um ehrlich zu sein, meine liebe Lorna, fände ich es einfacher, wenn er nicht so euphorisch wäre. Ich meine, hat er jegliche Kritikfähigkeit verloren? Er geht auf die sechzig zu, um Himmels willen!«
»Ich glaube nicht, dass einen das klüger macht – vom Alter her kann ich da durchaus mitreden.«
»Nein, du hast recht«, stimmte Anthea zu. »Aber wenn es um den eigenen Sohn geht, hofft man es trotzdem.« Nachdem das Wasser gekocht hatte, füllte Anthea eine Kaffeekanne, um sie vorzuwärmen, und machte sich auf die Suche nach Kaffeebohnen. Als sie sie gemahlen und den Kaffee aufgebrüht hatte, stellte sie zwei Kannen auf den Tisch, eine mit Kaffee und die andere mit heißer Milch. »Ich trinke immer Pulverkaffee, wenn ich allein bin, deshalb ist es schön, eine Ausrede zu haben, richtigen Kaffee zu kochen.«
Lorna, die inzwischen am Tisch saß, atmete den köstlichen Duft ein. »Dein Kaffee ist der beste, den ich kenne.«
Anthea stellte zwei große Henkelbecher aus feinem Porzellan auf den Tisch – ein Kompromiss, da sie eigentlich Kaffeetassen mit Untertassen vorzog, aber die Vorteile von Henkelbechern, die nicht so oft aufgefüllt werden mussten, durchaus zu schätzen wusste. »Danke.« Sie schenkte Kaffee ein. »Also glaubst du nicht, dass Peter jetzt total übergeschnappt ist? Weil er dieses Mädchen an einem Abend kennengelernt hat und sie praktisch am nächsten bei sich einziehen lässt?«
»Sie zieht bei ihm ein?« Das war neu für Lorna, und es schockierte sie.
»Nein, ich glaube, nicht. Ich übertreibe bloß. Doch diese Dinnerparty … Offensichtlich lädt die Frau einige Freunde ein, die dann im Haus übernachten müssen. Ich weiß nicht, wie das Personal geeignete Bettwäsche für so viele Gäste auftreiben will.« Anthea runzelte die Stirn. »Es kommt einfach so plötzlich. Und ich muss mich um die Blumen kümmern.«
»Du liebst es doch, Blumen zu arrangieren. Das ist genau dein Ding.«
»Stimmt, aber in der Woche bin ich schon eingeteilt, die Kirche mit Blumen zu dekorieren. Und ich habe keine Lust, die feuchten Flecken im Haus hinter Blumenarrangements zu verstecken.« Anthea trank zum Trost einen Schluck Kaffee.
»Ich könnte Philly darum bitten«, schlug Lorna vor. »Ich werde sie ohnehin fragen, ob sie bei Tisch bedienen kann. Offensichtlich kennt Kirstie einen guten Caterer, doch sie braucht noch eine Bedienung. Wahrscheinlich auch eine Küchenhilfe. Philly könnte beides übernehmen. Falls sie nicht wegen ihres Marktstandes zu viel Arbeit hat.«
»Ist Philly diejenige, die die Pflanzen für dich zieht? Nettes Mädchen. Auch wenn sie mich immer ansieht, als hätte sie Angst, ich wollte sie fressen.« Anthea runzelte die Stirn. »Vielleicht wäre es besser, wenn ich nicht lächeln würde. Es ist das Lächeln, das die Leute abschreckt.«
Lorna lachte. »Sie ist schüchtern, doch sehr tüchtig. Ich werde sie bitten auszuhelfen, aber wir müssen Peter dazu bringen, sie anständig zu bezahlen.«
»Hm. Das Blöde an ihm ist, dass er immer so charmant ist und deshalb erwartet, alles umsonst zu bekommen. Ich werde dafür sorgen, dass er ihr einhundert Pfund zahlt. Ist das genug? Ich meine, für mich hört es sich nach einem kleinen Vermögen an, doch ich lebe ja auch noch im Mittelalter.«
»Das wäre großzügig, aber durchaus angemessen«, erwiderte Lorna. Es würde sie freuen, wenn Philly einen vernünftigen Lohn erhielte. »Ich hoffe nur, dass sie Zeit hat.«
»Für hundert Pfund bestimmt«, meinte Anthea. »Möchtest du einen Keks? Oder eine Scheibe Toast?« Als Lorna den Kopf schüttelte, fuhr sie fort: »Was halten wir denn von dieser Kirstie?«
»Das ist schwer zu sagen, ohne sie kennengelernt zu haben. Peter ist ja ganz offensichtlich hingerissen von ihr.«
»Das klingt in seinem Alter aber nicht gut.«
»Ich finde es reizend. Wünschen wir uns nicht alle, einmal von der Liebe umgehauen zu werden?«
»Auf gar keinen Fall! Das habe ich mir als junges Mädchen nicht gewünscht, und jetzt erst recht nicht.« Anthea wirkte so aufgebracht und ungestüm, dass sie offensichtlich von sich selbst erschrocken war. »Natürlich habe ich meinen Mann geliebt, doch es war ein Gefühl, das sich erst im Laufe der Zeit entwickelt hat. Es war kein coup de foudre – keine Liebe auf den ersten Blick. Ich misstraue leidenschaftlichen Gefühlen, die aus dem Nichts entstehen.«
»Nun, ich verstehe, was du meinst«, entgegnete Lorna, deren Loyalität sowohl Peter als auch seiner Mutter galt. Einerseits hätte sie nur zu gern auf altmodische Weise über diese unbekannte Frau hergezogen, andererseits wollte sie auch Peter den Rücken stärken. Wenn es tatsächlich die wahre Liebe war, musste sie sich damit abfinden. »Doch nach dem zu urteilen, was er mir über sie erzählt hat, muss sie wirklich nett sein. Sie interessiert sich sogar für Gärten, und deshalb bin ich geneigt, sie zu mögen.«
»Also glaubst du nicht, dass sie nur hinter seinem Geld her ist, oder doch?«
»Ich denke, nicht. Ich meine, das Haus ist durchaus renovierungsbedürftig. Und Peter stellt seinen Wohlstand nicht offen zur Schau. Vielleicht weiß sie gar nicht, dass er reich ist.«
»Du meinst, er ist geizig.«
Lorna lachte. »Eigentlich nicht! Ich weiß, dass er vorsichtig ist – wahrscheinlich ist er genau deshalb reich geworden –, aber er hat beispielsweise kein protziges Auto, wenn man mal darüber hinwegsieht, dass er einen Fahrer beschäftigt.« Sie zögerte kurz. »Na ja, das sollte dieser Kirstie schon zeigen, wie reich er ist. Doch lass uns vom Besten ausgehen. Zumindest bis wir sie kennengelernt haben.«
»Na gut. Dann wollen wir uns mal so gut wie möglich benehmen und sie hinterher in der Luft zerreißen.«
»Aber nur, wenn sie ihr Messer wie einen Stift hält«, sagte Lorna.
Anthea lachte. »Ich wünschte, du wärst es gewesen, Lorna. Wir haben uns immer gut verstanden.«
»Nun, wenn es nicht so bestimmt war, dann ist es eben so. Wir werden trotzdem immer Freunde bleiben. Ich hoffe, er ist sehr glücklich.«
»Sehr großmütig von dir, meine Liebe. Ich persönlich hätte auch gern dieses unverschämte Glück!«
»Um ehrlich zu sein, mir reicht es, glücklich mit meiner Arbeit zu sein – was der Fall ist –, ein hübsches Haus zu haben – was ich dir und Peter zu verdanken habe – und gesund zu sein.« Es reichte ihr nicht ganz, doch das wollte Lorna nicht zugeben. »Und dass es meinem Sohn auch gut geht, er zufrieden ist und Arbeit hat, macht das Ganze fast perfekt.«
»Wie weise du bist, meine Liebe!«, meinte Anthea.
Als Lorna nach Hause ging, um ihr Auto zu holen und zu Philly zu fahren, wünschte sie sich, sie wäre tatsächlich so weise, wie sie auf Anthea wirkte.
Philly befand sich im Gewächshaus und sah nach ihren Pflanzen. Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich jemanden hinter sich hörte. »Oh, Lorna, du bist es! Wie schön!«
»Ich habe Seamus angetroffen, und er hat mir gesagt, dass ich dich hier finde. Lass dich von mir bitte nicht von der Arbeit abhalten.«
»Bist du gekommen, um zu schauen, was ich für diese Saison angepflanzt habe? Ich bin gerade zu dem Schluss gelangt, dass ich nur falsches Zeug ausgesucht habe, das bestimmt keiner haben will.«
Lorna musste lachen. »Das hast du letztes Jahr auch gesagt, und du bist alles losgeworden.«
»Weil du es gekauft hast!« Philly war immer unsicher, ob es vernünftig war, sich mit ihrem Geschäft auf einen einzigen großen Kunden zu verlassen. Zwar pflanzte sie dadurch nichts umsonst an, allerdings würden ihre Eltern mit Sicherheit beanstanden, dass sie alles auf eine Karte setzte.
»Du hast angebaut, was ich haben wollte. Doch deshalb bin ich nicht hier. Ich habe einen Job für dich.« Lorna runzelte leicht die Stirn. »Vielleicht könnten wir uns im Haus unterhalten, wenn du Zeit für eine Pause hast?«
»Das klingt ja geheimnisvoll! Und eine Pause könnte ich wirklich gut gebrauchen.«
Philly fragte sich, warum Lorna so angespannt wirkte, während sie ihr voraus auf das Haus zuging. Philly goss Tee auf und stellte ein bisschen Kuchen auf den Tisch.
»Das ist der eigentliche Grund, warum ich gekommen bin«, sagte Lorna. Sie saß am Küchentisch und musterte voller Vorfreude das Schokoladengebäck.
»Mein Großvater nennt das ›gattox‹ – von ›gâteaux‹«, erklärte Philly. »Er will nicht hören, dass es eigentlich mehrere Kuchen sein müssten, um das Gebäck so zu nennen.«
»Ich werde es jetzt auch ›gattox‹ nennen, nachdem du mir davon erzählt hast.«
»Also«, sagte Philly. »Was kann ich für dich tun?«
Wieder runzelte Lorna die Stirn. »Na ja, es geht um zwei Sachen, und ich bin mir nicht sicher, ob du so begeistert sein wirst, da es sich um einen Samstag handelt. Ich weiß ja, dass du samstags immer auf dem Markt bist.«
»Ist es ein Job als Kellnerin? Das ist in Ordnung, es ist bestimmt am Abend.«
»Es ist tatsächlich ein Job als Kellnerin, doch sie möchten auch, dass du dich im Vorfeld um die Blumendeko kümmerst. Es ist für Peter und …« Lorna zögerte fast unmerklich. »Kirstie. Er hat eine neue Freundin, und sie geben eine Dinnerparty, damit er sie verschiedenen Leuten vorstellen kann: seiner Mutter, mir und so weiter.«
»Oh.« Philly vermutete schon lange, dass Lorna eine Schwäche für Peter hatte, auch wenn sie nie darüber gesprochen hatte. »Wie ist sie denn? Hast du sie schon kennengelernt?«
»Nein. Ich werde sie zum ersten Mal bei der Dinnerparty treffen. Sie organisiert einen Caterer, doch er braucht eine Bedienung und jemanden, der bei den Vorbereitungen hilft. Und Anthea möchte, dass du dich um die Blumen kümmerst.«
»Es wäre ein langer Tag, aber ich denke, das geht in Ordnung. Soll ich die Blumen mitbringen?«
»Ich glaube, sie gehen davon aus, dass du ein paar Zweige aus den Gärten schneidest. Ein paar Bäume beginnen gerade auszutreiben, es gibt noch einige Winterpflanzen und außerdem jede Menge Frühlingsblumen.«
»Das ist genau die Art Blumendekoration, die ich mag«, sagte Philly.
»Das habe ich mir schon gedacht. Und ich habe es so gedeichselt, dass du hundert Pfund bekommst. Inklusive Bedienen.«
»Klingt gut«, antwortete Philly, nachdem sie es kurz im Kopf überschlagen hatte. »Auf jeden Fall mehr als der Mindestlohn. Meinst du, es wäre in Ordnung, wenn ich die Blumen schon am Vortag arrangiere?«
»Ganz bestimmt. Ich werde Doreen Bescheid sagen, der Haushälterin. Ich werde auch kommen und dafür sorgen, dass man dir die besten Vasen zur Verfügung stellt. Einige befinden sich in Räumen, die nicht genutzt werden.«
»Es wäre schön, wenn ein größerer Teil des Hauses bewohnt würde, nicht wahr? Es ist so ein großes Gebäude mit einem Riesengarten, und momentan lebt Peter dort ganz allein mit seinen Angestellten.«
Lorna seufzte leise. »Ja, es wäre wunderbar, wenn es besser genutzt würde. Vielleicht wird Kirstie für ein offenes Haus sorgen und Hauspartys und andere Veranstaltungen organisieren.«
»Wochenend-Hauspartys sind sehr gut für den Markt«, meinte Philly. »Das bringt jede Menge Geld in Umlauf.«
»Das würde dem Städtchen generell guttun. Da der Ort vom Anwesen aus zu Fuß erreichbar ist, würden die Gäste wahrscheinlich einkaufen gehen und den Pub besuchen …« Bei dem Gedanken an Kirstie, die an Peters Seite gesellschaftliche Veranstaltungen leitete, verstummte Lorna.
»Du klingst aber nicht besonders erfreut«, bemerkte Philly.
Philly freute sich, dass Lorna sie schon an der Hintertür in Empfang nahm, als sie am Freitag vor der Dinnerparty in Burthen House eintraf. Sie war ein bisschen nervös wegen des Jobs, doch da hundert Pfund ein schönes Sümmchen für den geplanten Kauf von Folientunneln darstellten, hätte sie schlecht absagen können.
»Hi, Philly!«, sagte Lorna. »Kennst du Doreen schon? Sie hat alle großen Vasen für dich herausgesucht, und ich bin schon mal in den Gärten auf Beutezug gegangen und habe jede Menge Material für dich geschnitten. Kannst du im Stall arbeiten? Das Licht ist leider nicht so gut.«
»Die Vasen sind auch dort«, erklärte Doreen. »Ich dachte an je drei große Gestecke für den Speiseraum und den Salon – so macht Ihre Ladyschaft es immer.«
Philly nickte. Sie wusste nicht, ob Anthea Leonard-Stanley tatsächlich den Titel einer Lady trug oder ob »Ihre Ladyschaft« ein Spitzname war. »Wenn sie das so wünscht, dann …«
»Und ein großes Arrangement für den Tisch in der Eingangshalle«, fuhr Doreen fort. »Gut, dass Sie heute schon gekommen sind – es ist eine Menge Arbeit.«
Lorna verzog voller Unbehagen das Gesicht. »Ich werde versuchen, mehr Geld für dich auszuhandeln, Philly. Wenn du zwei Tage lang arbeitest, solltest du mehr als hundert Pfund bekommen.«
Doreen schürzte die Lippen. »Viel Glück! Ich habe vorgeschlagen, neue Duschvorhänge für die Gästebäder zu besorgen, und Herr Peter hat geantwortet: ›Können Sie die alten nicht einfach waschen?‹ Natürlich könnte ich das, aber gibt es keine wichtigere Beschäftigung für mich, wenn wir ein Haus voller Besucher erwarten? ›Nein‹, habe ich also gesagt.« Sie machte eine Pause. »Ich werde Reg runter zum Baumarkt schicken und die Kosten für die Duschvorhänge auf die Lebensmittelrechnung draufschlagen. Na ja, wenn Sie hier zurechtkommen, mache ich mich mal auf die Suche nach halbwegs anständiger Bettwäsche. Gott sei Dank gehen sie heute im Pub essen.« Sie schaute auf die Uhr. »Herr Peter meinte, dass die Gäste ab achtzehn Uhr eintreffen. Hoffentlich bin ich bis dann fertig.«
»Weißt du, wie viele Gäste erwartet werden?« fragte Philly, als Lorna und sie zum Stall gingen.
»Nicht genau, weil ich nicht weiß, wie viele Ortsansässige eingeladen sind«, antwortete Lorna. »Aber drei Paare bleiben über Nacht, also sechs Personen. Dazu Anthea und ich, macht acht, plus wahrscheinlich männliche Partner für uns. Das wären dann zehn.« Sie überlegte kurz. »Eine ganze Menge.«
»Ich arrangiere große, schlichte Gestecke«, sagte Philly, die ganz aufgeregt war, »und vielleicht binde ich noch ein paar kleine Sträuße für die Gästezimmer, wenn ich das richtige Material habe.«
»Damit hättest du bei Doreen für immer einen Stein im Brett!«, erwiderte Lorna. »Wir sind da.« Sie öffnete die Tür zum Stall, in dem ein langer Tisch stand, der mit blühenden Zweigen von verschiedenen Bäumen und Sträuchern bedeckt war. »Ich habe große Zweige geschnitten – damit du nicht so viel drumherum arrangieren musst.«
»Die Blüten duften traumhaft!«, rief Philly. Sie nahm einen Zweig mit rosafarbenen Blüten in die Hand. »Ist das eine Schneeball-Sorte?«
»Wahrscheinlich«, antwortete Lorna. »Ich habe den Zierstrauch nicht gepflanzt. Es könnte der Bodnant-Winterschneeball ›Dawn‹sein. Wir haben Glück, dass er noch blüht. Wo wären wir ohne den guten alten Schneeball?«
»Ja, gut, dass es auch im Winter ein bisschen Farbe gibt, obwohl wir uns jetzt darum keine Gedanken mehr machen müssen«, meinte Philly. »Oh, Magnolien! Wie extravagant, dass wir die auch haben!«
»Der Strauch musste ohnehin zurückgeschnitten werden. Und er steht an einer Stelle, wo ihn kaum jemand sieht. Und wenn er nächstes Jahr nicht gleich wiederkommt, spielt es keine Rolle.«
Philly nahm einen anderen Zweig, der mit korallenroten Blüten bedeckt war. »Oh, ich liebe diese roten Chaenomeles – Japanische Zierquitten. Grand nennt sie Japonica. Ich könnte sie einfach allein in eine Vase stellen, wenn es eine japanisch angehauchte Stelle gibt. Das sähe wunderbar aus.« Sie registrierte, wie Lorna das viele Grünzeug betrachtete. »Ich komme zurecht«, sagte Philly. »Du hast bestimmt noch etwas anderes vor.«
Lorna zuckte mit den Schultern. »Eigentlich nicht – ich könnte dir helfen, wenn du möchtest.« Sie wirkte ein bisschen verlegen. »Ich habe Peter um mehr Geld gebeten, weil du dich um die Blumen kümmerst und außerdem bedienen wirst. Er hat mich so verwirrt angesehen, als hätte ich behauptet, dass vielleicht Marsmenschen im Park landen könnten. Ich dachte mir, ich setze Anthea auf ihn an.«
»Nicht nötig, hundert Pfund sind in Ordnung.«
»Nun, ich helfe dir jedenfalls. Ich kann rausgehen und alles schneiden, was noch fehlt. Ach, es gibt massenhaft Tulpen. Ich habe noch keine abgeschnitten, weil sie sonst manchmal den Kopf hängen lassen.«
Philly nahm eine der Vasen. »Hier drin würden sie sich halten. Die Vase ist hoch genug.«
Gemeinsam kümmerten sie sich um die Blumendekoration. Beide Frauen genossen die Arbeit. Schließlich hatten sie einige wunderbar dramatische Arrangements kreiert und genügend Sträußchen für die Gästezimmer und die dazugehörigen Badezimmer gebunden.
Als Doreen sie begutachtete, nickte sie. »Blumen werden sehr dazu beitragen zu kaschieren, wie schäbig alles ist.«
»Nennt man den Stil heutzutage nicht ›Shabby Chic‹?«, sagte Philly.
Doreen schnaubte spöttisch. »›Shabby Chic‹? Ich denke, nur ›shabby‹ trifft es eher.«
Am folgenden Abend erschien Philly früher als notwendig in Burthen House, um noch Zeit zu haben, falls eines der Blumenarrangements die Nacht nicht überstanden haben sollte. Sie betrat das Haus durch die Hintertür und fand den Weg über mehrere Flure bis in die Küche. Als sie die Tür öffnete, fühlte sie sich sofort in ein Filmset für einen historischen Film versetzt, der in den 1930er-Jahren spielte. Zu jener Zeit wäre der Raum voller Mädchen mit spitzenbesetzten Haarreifen und Männern im Frack gewesen. Das einundzwanzigste Jahrhundert schien keine Spuren hinterlassen zu haben, und auch an das zwanzigste Jahrhundert waren kaum Zugeständnisse gemacht worden.
Während sie die veraltete Ausstattung der Küche in Augenschein nahm, bemerkte sie auf einmal, dass der Koch, der sich aufgebracht umsah, der junge Mann vom Käsestand war.
Allerdings standen ihm die Haare, die normalerweise glatt und ordentlich gekämmt waren, momentan so zu Berge, als wären verzweifelte Finger unzählige Male hindurchgefahren. Als sie den Raum durchquerte, sah er sie an.
»Hallo!«, sagte sie. »Ich bin Philly. Ich bin hier, um bei Tisch zu bedienen und ein bisschen abzuwaschen.«
Er runzelte die Stirn. »Bist du nicht das Mädchen vom Blumenstand?«
Philly wurde rot – sie konnte spüren, wie ihr Gesicht heiß wurde. »Ja, aber ich bediene auch hin und wieder.«
Er streckte ihr die Hand entgegen. »Lucien. Ich soll kochen, doch das Ganze ist jetzt schon eine Katastrophe.«
»Wir finden bestimmt eine Lösung«, erwiderte Philly und hoffte, den Eindruck zu vermitteln, wirklich helfen zu können.
»Glaube ich nicht. Der verfi… verdammte Herd ist kaputt.«
Philly registrierte geschmeichelt, dass er das Schimpfwort zurückhielt, das er eigentlich benutzen wollte. »Das ist schlimm.«
»Eine Katastrophe«, wiederholte er.
In diesem Augenblick betrat eine Frau die Küche. Sie war mittelgroß und besaß eine kurvige Figur, die unwillkürlich an eine Sanduhr denken ließ. Sie war sehr gut zurechtgemacht, doch im Haar hatte sie noch riesige Lockenwickler.
»Hi!«, sagte die Frau. »Entschuldigen Sie bitte die Wickler. Ich bin nur rasch heruntergekommen, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist und Sie alles haben, was Sie brauchen. Sie sind Lucien? Meine Freundin sagt, Sie seien ein fantastischer Koch – ich hoffe, das stimmt! Übrigens, ich bin Kirstie.« Sie schüttelte ihm die Hand.
Lucien verzog bedauernd den Mund. »Ich muss Ihnen leider sagen, dass der Ofen kaputt ist.« Nun fiel Philly seine vornehme Sprechweise auf.
Kirstie biss sich auf die Unterlippe. »Oh nein! Was für ein Albtraum! Aber ich bin sicher, dass wir ihn noch zum Laufen bekommen. Meinen Sie nicht?«
Kirstie war anscheinend von Natur aus optimistisch, ein Mensch, der niemals akzeptieren würde, dass der Herd wirklich defekt sein könnte.
»Leider nicht.« Lucien wirkte jetzt ein bisschen ruhiger.
»Oh Gott, ich hätte einen mieten sollen«, sagte Kirstie. »Oder einen Caterer engagieren, der außer Haus kocht und das Essen dann liefert.« Sie schaute Lucien an. »Aber meine Freundin hat gesagt, Sie wären brillant und würden Ihr Geschäft gerade erst aufbauen …«
Doreen kam mit einem großen Karton auf dem Arm in die Küche. »Das hier habe ich in der Personalwohnung gefunden«, erklärte sie. »Das ist eine Elektroherdplatte.«
»Mit nur einer Kochplatte werden Sie nicht auskommen«, stellte Kirstie fest, die nun die Tatsachen zu akzeptieren schien.
»Wir haben auch einen Kocher zu Hause«, sagte Philly. »Mit zwei Platten.« Als alle sie anschauten, errötete sie wieder. »Ich könnte meinen Großvater anrufen und ihn bitten, die Doppel-Herdplatte herzubringen.«
Als Lucien sich ihr zuwandte, senkte Philly den Blick. Sie war eigentlich nicht verlegen – sie konnte nur einfach nicht verhindern, dass sie rot wurde. »Das wäre super. Aber trotzdem brauchen wir einen Ofen.«
»Können wir … Sie … nicht den da anzünden?« Kirstie zeigte auf einen alten gusseisernen Herd. »Wir haben schließlich noch ein paar Stunden Zeit.«
»Ich nicht«, erwiderte Doreen mit Nachdruck.
»Ich auch nicht«, sagte Lucien. »Meine Eltern haben einen Aga-Herd, allerdings wird er mit Gas betrieben.«
»Schade.« Kirstie klang zum ersten Mal mutlos. »Ich glaube kaum, dass Peter damit umgehen kann.«
Doreen kicherte und verbarg ihr Lachen sofort hinter der Hand.
»Ich könnte es probieren«, schlug Philly vor.