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Fast 100 Jahre alt geworden ist Walter Kaufmann, der am 15. April 2021 in Berlin starb. Dort war er am 19. Januar 1924 auch geboren worden – allerdings als Jitzchak Schmeidler, uneheliches Kind einer aus Polen nach Deutschland ausgewanderten Jüdin, die im großen Kaufhaus Tietz am Alexanderplatz arbeitete. Im Alter von drei Jahren wurde er von dem jüdischen Rechtsanwalt Dr. Sally Kaufmann und dessen Frau Johanna adoptiert und nach Duisburg gebracht. Walter, wie er jetzt hieß, war acht Jahre alt, als in Deutschland die Nazis an die Macht kamen, was für seine Familie und für ihn furchtbare Folgen hatte. Seine leibliche Mutter und seine Adoptiveltern wurden ermordet. Er selbst hatte das Glück zu überleben, gelangte 1939 mit einem der letzten überhaupt möglichen Kindertransporte über die Niederlande nach England, wurde später als „enemy alien“ nach Australien deportiert und kehrte Mitte der 1950er nach Europa, Deutschland und in die DDR zurück. Mit seinem australischen Pass bereiste er von dort aus die Welt und brachte abenteuerlich und spannend, aber auch mit einer klaren politischen Haltung geschriebene Texte, Reportagen und Erzählungen, Romane mit. Das Autorenbuch „Begegnung mit einem Jahrhundertzeugen“ möchte neugierig machen auf Walter Kaufmann und sein Lebenswerk, präsentiert auch viele Textauszüge aus seinen Büchern, von denen fast alle bei EDITION digital als E-Books verfügbar sind.
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Seitenzahl: 389
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Jürgen Seidel
Begegnung mit einem Jahrhundertzeugen
Walter Kaufmann und seine Bücher
ISBN 978-3-96521-454-5 (E-Book)
ISBN 978-3-96521-453-8 (Buch)
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
© 2021 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de
Wir danken für die Genehmigung der Veröffentlichung von Textauszügen: Dittrich Verlag Berlin („Im Fluss der Zeit. Auf drei Kontinenten“),Quintus-Verlag. Imprint des Verlages für Berlin-Brandenburg, Berlin („Die meine Wege kreuzten. Begegnungen aus neun Jahrzehnten“),Edition Memoria Thomas B. Schumann Exil-Sammlung & Verlag Hürt bei Köln („Gibt es dich noch – Enrico Spoon? Über Menschen und Orte weltweit”)
Diese Reihe der Autorenbücher bei EDITION digital möchte Lust machen – Lust auf Schriftsteller und ihre Texte, die teils in einer Vielzahl ihrer jeweiligen Werke, teils sogar vollständig als E-Books bei EDITION digital vorliegen. So wird es möglich, sich ein umfassendes Bild des jeweiligen Autors oder der jeweiligen Autorin zu machen oder sich hin und wieder mit einzelnen seiner beziehungsweise ihrer Bücher zu beschäftigen.
Zu Beginn jedes Autorenbuches finden sich eine kurze Einführung in Leben und Werk sowie eine biografische und eine bibliografische Übersicht. Danach folgen chronologisch geordnet nach dem Erscheinungsjahr Auszüge aus den Büchern.
Ich hoffe, Sie nehmen diese Einladungen zum Entdecken oder Wiederentdecken von Autorinnen und Autoren an. Viel Vergnügen beim Entdecken und bei der Lektüre.
Gisela Pekrul
Verlegerin
Walter Kaufmann in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Foto: Elke Erdmann
Walter Kaufmann. Kurze Einführung
„Die beiden neuen Bücher von Walter Kaufmann sind Sammlungen von Erzählungen und Kurzgeschichten, in denen die Spannweite zwischen Region und weiter Welt, zwischen Vertrautem und Fremdem, zwischen kleinen Verhältnissen und exotischen Abenteuern, zwischen sozialer und künstlerisch-literarischer Erfahrung sich immer aufs neue klar und zugleich überraschend zeigt. „Am Kai der Hoffnung“ heißt der eine Band, der ältere und neuere Erzählungen in unterschiedlichen Abschnitten zu einem bunten und reichen Mosaik versammelt. Der Titel bezeichnet den letzten Abschnitt der Sammlung und weist auf heitere und günstigere Aspekte der menschlichen Zukunft hin. In den anderen Abschnitten wird der ganze Bezirk des Menschlichen ausgeschritten, und zwar in einem fernen und anderen Weltsektor. Die Abschnittstitel zeigen die Zonen und Erfahrungen an: „Ruf der Inseln“, „Fernfahrten“, „Unter australischer Sonne“. Das Erzählen gewinnt hier eine farbige Lebendigkeit und Leuchtkraft, wie wir sie in der Gegenwartsliteratur nur selten kennen. Vor allem wird im Fremden die Grunderfahrung des Menschen geschildert, so daß trotz der Ferne, trotz allem Anderssein fast innige Beziehungen zu den beschriebenen Menschen und Begebenheiten entstehen.“
Aus der Laudatio „Weltfahrten der Literatur“ von Paul Gerhard Klussmann zur Verleihung des Literaturpreises der Ruhr-Region an Walter Kaufmann, 1993
Walter Kaufmann war wohl der einzige Australier in der DDR oder zumindest der einzige DDR-Schriftsteller mit einem australischen Pass. Der machte es ihm unproblematisch, auch im Auftrag des Kulturministeriums des inzwischen verschwundenen, kleineren deutschen Landes in die weite Welt zu reisen – nach Australien natürlich, nach Amerika, aber auch nach Israel. Im Gegensatz zu den meisten DDR-Bürgern war für ihn die am 13. August 1961 errichtete Berliner Mauer durchlässig.
Allerdings war er selbst ein Berliner, wurde am 19. Januar 1924 dort geboren, nicht als Walter Kaufmann, sondern als Jitzchak Schmeidler, uneheliches Kind einer aus Polen nach Deutschland ausgewanderten Jüdin, die im großen Kaufhaus Tietz am Alexanderplatz arbeitete. Im Alter von drei Jahren wurde er von dem jüdischen Rechtsanwalt Dr. Sally Kaufmann und dessen Frau Johanna adoptiert und nach Duisburg gebracht, wo er seine Kindheit und Jugend bis zu seinem 15. Lebensjahr verbrachte. Walter, wie er jetzt hieß, war acht Jahre alt, als in Deutschland die Nazis an die Macht kamen, was für seine Familie und für ihn furchtbare Folgen hatte. Sowohl seine Mutter Rachela als auch seine Eltern, Sally und Johanna, wurden verhaftet, in Konzentrationslager verschleppt und in Auschwitz ermordet.
Walter Kaufmann hatte das Glück zu überleben. Einen Tag vor seinem 15. Geburtstag, am 18. Januar 1939, bestieg er in Duisburg einen Zug und gelangte mit einem der letzten überhaupt möglichen Kindertransporte über die Niederlande nach England, wo er zunächst in einem Internat unterkommt und – Englisch lernen muss, jeden Tag zehn neue Vokabeln paukt und bald die neue Sprache spricht – eine Fähigkeit, die ihm in den folgenden Jahren und Jahrzehnten sehr nützlich sein wird. Und auch seinen ersten Roman „Voices in the Storm“ veröffentlicht Kaufmann 1953 in Australien in englischer Sprache (The book was published by Australasian book society, Melbourne). Kaufmann verarbeitet darin seine Duisburger Kindheitsjahre; er beschreibt die Verfolgung der Juden in Duisburg, verwoben mit einer Darstellung des kommunistischen Widerstandes in der Duisburger Arbeiterschaft. Unter dem deutschen Titel „Stimmen im Sturm“ wird der Roman erstmals 1977 im Verlag der Nation Berlin veröffentlicht.
Als Soldat in der Australien Employment Company, 1943
Australien, das war nicht das Land seiner eigenen Wahl, sondern mit Beginn des Zweiten Weltkrieges war er 1940 nach einer Anweisung von Churchill als „feindlicher Ausländer“ per Schiff aus England nach Australien verschleppt worden, wo er sich mit verschiedenen Tätigkeiten wie Lagerarbeiter und Obstpflücker, Arbeitssoldat in der australischen Armee sowie Straßenfotograf und Seemann durchs Leben schlägt – und zu schreiben beginnt. Mit Erfolg.
Unterwegs als Hochzeitsfotograf in Melbourne, 1947
Mitte der 50er Jahre des vorigen Jahrhunderts kehrt der aus seiner Heimat vertriebene jüdische Junge, der inzwischen ein junger Mann und ein Australier geworden ist, nach Europa, nach Deutschland und in die inzwischen gegründete Deutsche Demokratische Republik zurück und siedelt dort 1957 und aus Überzeugung über, wo man ihm – obwohl er nie Mitglied der SED werden konnte, weil diese nur DDR-Staatsbürger aufnahm – sehr gute Publikations- und Reisemöglichkeiten bot. Ihm kam seine australische Staatsbürgerschaft im wahrsten Sinne des Wortes sehr zupass.
Ankunft in New York, 1963
Angela Davis, 1972
Kaufmann bereiste die Welt und war bei wichtigen politischen Ereignissen schnell und mit großer journalistischer Neugier an den jeweiligen Schauplätzen – in Amerika nach dem Mord an Kennedy und beim Prozess gegen Angela Davis. Von seinen Reisen brachte Kaufmann abenteuerlich und spannend, aber auch mit einer klaren politischen Haltung geschriebene Texte, Reportagen und Erzählungen, Romane mit – zumeist auf eigenen Erlebnissen beruhend, also eine Art Autobiografie in Teilstücken. Und schon bald hatte sich Kaufmann einen Namen gemacht – bei vielen Lesern und auch bei der Führung des Landes, die ihn nicht immer als einen sicheren Kantonisten ansah. Immer aber kehrte er auch von den längsten Ausflügen nach „East Germany“ zurück.
Von 1975 bis 1993 war Walter Kaufmann Generalsekretär der DDR-Sektion des PEN-Clubs; einem der wichtigsten internationalen Autorenzusammenschlüsse der Poets, Essayists, Novelists. Die Wahl soll seinerzeit im Zentralkomitee der SED und im DDR-Kulturministerium für Aufregung gesorgt haben, konnte man dem DDR-Australier doch keine Parteiaufträge erteilen.
1993 wurde Walter Kaufmann, der in seinem langen Leben als Journalist und Schriftsteller vierzig Bücher veröffentlich hat, mit dem Literaturpreis der Ruhr-Region für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Bereits 1961 und 1964 hatte er den Theodor-Fontane-Preis des Bezirkes Potsdam erhalten und 1967 den Heinrich-Mann-Preis. Schon 1953 war er nach dem Erscheinen seines allerersten Buches mit dem australischen „Mary Gilmore Award“ ausgezeichnet, ein Preis, der nach der australischen Schriftstellerin benannt ist, deren sozial engagierte Dichtung von William Baylebridge beeinflusst wurde und sich durch Wärme und Menschlichkeit auszeichnet. Eine im doppelten Sinne des Wortes gute Wahl.
Von den zwischen 1953 und 2020 erschienenen Titeln von Walter Kaufmann, darunter etliche in englischer Sprache, hat EDITION digital aktuell fünfunddreißig als E-Books im Angebot, die im Verlagsprogramm unter http://www.edition-digital.de/Kaufmann/ zu finden sind.
Walter Kaufmann war auch spartenübergreifend in DEFA-Filmen unter dem Pseudonym „John Mercator“ als Darsteller tätig, wie zum Beispiel in „Die gefrorenen Blitze“ (1967), wo er den britischen Colonel Briggs gab.
Zunächst einmal einen herzlichen Glückwünsch zu Ihrem 97. Geburtstag. Congratulations. Wie geht es Ihnen an diesem besonderen Tag?
Ganz ehrlich bin ich gerade ein bisschen angeschlagen. Es waren so viele Anrufe.
97 Jahre – das klingt phantastisch. Was wünschen Sie sich in diesem hohen Alter als Mensch, als politischer Kämpfer und nicht zuletzt als Schriftsteller?
Als Erstes wünsche ich das Ende von Corona. Und das Ende einer amerikanischen Politik, die die ganze Welt aus den Fugen bringt. Als Schriftsteller habe ich mir stets die Anerkennung meiner Arbeit gewünscht – Man lebt nicht nur vom Brot allein. Anerkennung war mir vom ersten Tag meines Schreibens bis heute wichtig.
97 Jahre, Jahrgang 1924, wie blicken Sie von heute aus gesehen auf dieses Jahrhundert Stück Leben zurück? Wie war es? Lässt sich das in einen Begriff fassen?
Ich wünschte, die Zeiten wären weniger kriegerisch gewesen. Weniger grausam. Ich bin dankbar, dass ich überlebte, ohne ernsthaften Schaden genommen zu haben.
Herr Kaufmann, noch eine vorgezogene Frage: Was verstehen Sie unter Glück?
Das haben wir eben erörtert: Anerkennung meiner Lebensleistung. Gesundheit. Und eine ausgeglichene Partnerschaft in der Ehe.
In einer Ihrer biografischen Storys berichten Sie von der Suche nach Ihrer Mutter im Berlin der Fünfzigerjahre. Was wissen Sie über Ihre Mutter? Haben Sie später noch mehr erfahren?
Ich habe nach dem Kriege nach ihr gesucht. Dabei hatte ich stets den Eindruck, dass man mir ausgewichen ist. Mal hieß es, sie sei „Gott behüte“ nicht verschleppt worden. Mal, dass sie sich noch ins Ruhrgebiet habe retten können. Aber wahrscheinlich ist sie doch von der Großen Hamburger in Berlin aus verschleppt und in Auschwitz ermordet worden. Das wird die schonungslose Wahrheit sein.
Gibt es noch irgendwo ein Bild dieser polnischen Jüdin, die Sie geboren hat, oder ist buchstäblich in Auschwitz alles zu Asche geworden?
Es gibt eine visuelle Erinnerung. In dem 1920 in Rostock erschienenen Buch „Das ostjüdische Antlitz“ von Arnold Zweig finden sich auch 52 Steinzeichnungen von Hermann Struck, darunter etliche Porträts. Das auf der Seite 108 könnte meine Mutter im Alter von etwa zwanzig Jahren zeigen.
Die Eltern Johanna und Sally Martin Kaufmann, August 1924
Wie kam es zur Adoption durch das Anwaltsehepaar aus Duisburg? Und welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Eltern? Haben Sie irgendwann später herausfinden können, ob Ihr Adoptivvater auch Ihr leiblicher Vater war?
Erst vor wenigen Wochen erfuhr ich von einem Anwalt in Duisburg, der in Vorbereitung einer Abhandlung über das Schicksal jüdischer Anwälte im Rheinland bestimmte Unterlagen durchgesehen und sich besonders um die über meinen Vater vertieft hatte. Dabei war er auch auf die junge Frau Rachela Schmeidler aufmerksam geworden und zu dem Schluss gelangt, dass mein Adoptivvater mein leiblicher Vater war. Das sind allerdings nur Spekulationen.
Aber es könnte sehr wahrscheinlich so gewesen sein?
Ja, warum sollte jemand ein Kind aus Berlin adoptieren und es nach Duisburg bringen, wenn es sicherlich auch im Rheinland Kinder gegeben hätte, die zur Adoption standen.
Haben Sie Fotografien von Ihren Stiefeltern?
Ja, Sie finden sich in meiner 2015 im Dittrich-Verlag Berlin veröffentlichten Autobiografie „Im Fluss der Zeit“, die auch als E-Book verfügbar ist.
Mit den Eltern 1937 in Egmond aan Zee, Holland
Die Eltern Johanna und Sally Martin Kaufmann, August 1941
Herr Kaufmann, Sie sind wohl mit dem letzten Kindertransport nach England entkommen? Wann und wie kam es dazu? Wer hat das organisiert?
Das wurde von Berlin aus organisiert. Mehr weiß ich dazu nicht.
Und jetzt eine traurige Frage: Können Sie sich noch an den Moment des Abschieds erinnern?
Sehr wohl. Nur meine Mutter war zum Bahnhof mitgekommen. Nie vergesse ich, dass ich noch im Abteilfenster des Zuges zu ihr sagte, sie solle nicht traurig sein, ich sei ja doch nicht ihr Kind. Und was das in ihr auslöste. Bald darauf sah ich sie nicht mehr, sie verschwand im Rauch der Lokomotive.
Als Kind mit seiner Mutter
Wie haben Sie die Ankunft in England erlebt? Eigentlich sollten Sie dort wohl abgeholt werden …
Sie geben mir das Stichwort. In dem alten Zug der Reichsbahn waren etliche hundert Kinder aus dem Rhein- und Ruhrgebiet. Jeweils acht Kinder in den getrennten Abteilen. Anfangs war es eine stumme Reise, erst als wir die holländische Grenze passiert hatten, lösten sich unsere Zungen.
An einem Januarabend, am 19. Januar 1939, am Tag meines 15. Geburtstags, kamen wir im Londoner Liverpool Station an. Es war kalt und frostig. Alle Kinder wurden abgeholt. Nur ich blieb übrig. Eine gefühlte Ewigkeit wartete ich auf einer Bank am Bahnsteig. Schließlich kam ein Angestellter der Bahnhofsmission und sprach mich an. Ich konnte ihn kaum verstehen. Wir versuchten einen so genannten Onkel Hugo Daniels telefonisch zu erreichen. Vergeblich. Da meinte der Mann von der Bahnhofsmission, es bleibe gar nichts anderes übrig als ein Obdachlosenasyl. Er nahm mich mit zu einem roten Doppeldeckerbus, der auf der Strecke nach East London lange aufgehalten wurde, weil wir in eine Demonstration gerieten. Ich begriff erst nicht, dass es eine Demonstration für Spanien war – Waffen für Spanien!
Endlich erreichten wir das Asyl und mir wurde im Schlafraum ein Klappbett zugewiesen. Auf dem lag ich dann im Wintermantel mit dem Kopf auf meinem Köfferchen. Die kleine Summe Geld, die ich hatte mitnehmen dürfen, waren 10 Deutsche Reichsmark.
Die Obdachlosen waren recht freundlich, obwohl sie mit dem fremden Kerlchen im Mantel, der unterm Kopf sein Köfferchen hütete, nicht viel anzufangen wussten. Morgens, gegen sechs oder sieben Uhr bekamen wir alle eine Tasse dünnen Tee. Ich wartete weiter. So gegen neun Uhr tauchte ein Herr in einem dunklen Mantel und einem runden steifen Hut auf, am Arm trug er einen Regenschirm. Er fragte nach mir und musste der vermeintliche Onkel sein, der wohl irgendwie verwandt mit meinem Vater war. Ich war verstockt, weil ich nicht glaube wollte, was er sagte. Er erklärte in gebrochenem Deutsch, obwohl er Deutscher war, dass er erst heute von meiner Ankunft erfahren hätte. Von gestern sei keine Rede gewesen, und es täte ihm leid, dass ich habe warten müssen.
Da alle anderen Kinder abgeholt worden waren, glaubte ich ihm kein Wort und blieb verstockt. Er nahm mich mit in seine feudale Wohnung am Hyde Park, London W1. Er war sehr wohlhabend – ein Reeder, wie sich herausstellte, der Kohle aus dem Ruhrgebiet nach England exportierte. Ich bekam die Gelegenheit, mich zu waschen, man gab mir ein Frühstück und dann sagte der Onkel unvermittelt: „Macht es dir was aus, wenn du heute schon zu deiner Schule fährst?“ Ich sagte dazu nichts, da brachte mich der Hausdiener zu einem anderen Londoner Bahnhof und setzte mich mit dem Köfferchen und einem World Wide Magazin, das ich nicht lesen konnte, in den Zug. Am Mantel trug ich ein Schild, darauf stand „Faversham“ – die Station, wo ich aussteigen sollte. Und dann lag London hinter mir.
Den Onkel Hugo Daniels sah ich nur ein einziges Mal in dieser Zeit wieder. Trotzdem muss ich ihm dankbar sein, weil er ja die Schule bezahlt hat, ein Internat, wo ich über ein Jahr lang blieb und glücklich war.
So viel zu meiner Zeit in England.
Und wie war der Anfang in Australien?
Weit misslicher als der englische. Ich wurde mit sechzehn Jahren als enemy alien auf einem Schiff namens „Dunera“ deportiert – einem Truppentransporter, gedacht für 500 Leute. Aber 2 500 wurden in die Laderäume gepfercht. Wenige hatten Hängematten, die meisten schliefen auf der Erde. Insgesamt waren wir zwei Monate unterwegs, um bis nach Australien zu gelangen. Wir wussten mehr als die Hälfte der Zeit nicht, wohin wir fuhren. Nach Kanada, nach Amerika oder Afrika. Auf dem Weg durch die Irish Sea wurden wir von einem deutschen U-Boot torpediert. Zum Glück explodierten beide Torpedos unter dem Schiff und nicht am Schiff. Später erfuhren wir, dass durch einen Sabotage-Eingriff die Kreiselkompasse der Torpedos manipuliert worden waren, sodass die „Dunera“ nicht getroffen, nur mächtig erschüttert wurde. In den Laderäumen wurden wir durcheinandergewirbelt wie Puppen. Wir überlebten. Endlich gelangten wir über Takoradi und Kapstadt nach Melbourne und Sydney – an einem strahlenden Tag im Herbst 1940 blickten wir auf die Harbour-Brücke, dem Wahrzeichen der Stadt, und auf die Villen an der Bucht und die Yachten auf dem Wasser.
Ich besaß nur, was ich am Leibe hatte: eine Hose, die mit einem Strick gehalten wurde, ein Wollhemd ohne Kragen und einen Schal, der einst meiner Mutter gehört hatte. An den Füßen trug ich aus einem alten Autoreifen geschnittene Sandalen – die Wachsoldaten auf dem Schiff hatten uns ausgeplündert, was sie nicht brauchen konnten, hatten sie über Bord geworfen.
Wir mussten in einen bereitstehenden Zug einsteigen, an dem australische Soldaten Wache hielten. Und ich habe davon in guter Erinnerung, dass ich dringend so ein Paar Stiefel haben wollte, wie diese Wachsoldaten sie trugen – halbhohe, geschmeidige, braune Schnürstiefel. Die bekam ich erst viel später, als ich in der australischen Armee war.
Schließlich haben im Internierungslager viele von uns von den Quäkern Kleidungsstücke bekommen, darunter auch Schuhe und Strümpfe, die sie gesammelt hatten. Es hatten nicht alle alles verloren. Aber ich hatte alles verloren. Über mehr als ein Jahr war ich im Lager in der Wüste von Hey. Von Australien sah ich anfangs nur den herrlichen Hafen von Sydney, wo ich gern geblieben wäre, und anderthalb Tage später nach einer langen Zugreise das Internierungslager in der Wüste von Hey.
Dort ging es uns – gemessen an den Konzentrationslagern in Deutschland und anderswo – recht gut. Wir hatten eine Selbstverwaltung mit eigener Schule, eigener Gärtnerei und Schreinerei. Das war nicht von Anfang an so. Aber Stück für Stück haben wir es organisiert, dass wir self-sufficient waren, wie es in Englisch heißt.
Ich besuchte die Schule, tat Lagerdienst in der Küche, in der Gärtnerei oder in der Schreinerei und hoffte immer auf Dienst außerhalb des Lagers, wo es einen Fluss gab, der Murrumbidgee hieß. Dort Kies schaufeln zu dürfen bedeutete für mich ein Stück Freiheit. Das war mein Anfang in Australien.
Herr Kaufmann, Sie haben gleich mit Ihrer ersten Arbeit einen literarischen Preis gewonnen. Wie sind Sie zum Schreiben gekommen? Ist es auf einmal so aus Ihnen herausgebrochen – und dann gleich perfekt?
Meine Geschichte „Die einfachen Dinge“ lebte in mir schon lange Zeit, ehe ich sie schrieb. Es war eine Geschichte aus Nazideutschland, die in jener Zeit von weltweitem Interesse war. Ich habe dafür in einem australischen Preisausschreiben den ersten Preis gewonnen – mein Eintritt in die Literatur.
Und sie waren tatsächlich gar nicht auf Schreiben vorbereitet? Sie haben nicht so eine Art – wie man es heute nennen würde – Kurs in Creative Writing, Kreatives Schreiben oder Anleitung zum Literarischen Schreiben, besucht.
Nichts davon. Ein Talent sollte sich auch ohne Anleitung schon in den ersten Schreibversuchen offenbaren.
Wer waren damals Ihre Vorbilder? Ich habe irgendwie Anna Seghers und Ernest Hemingway im Hinterkopf? Ist das richtig?
Anna Seghers kannte ich damals noch nicht. Jedenfalls nicht, als ich meine erste Geschichte schrieb.
Und Hemingway? Nicht selten werden Ihre Short Storys mit den Texten von Hemingway verglichen. Sehen Sie das auch so.
Der Vergleich ehrt mich. Aber ein größerer Einfluss auf mich und meine Texte ging von einem Schriftsteller namens William Saroyan aus. Der hatte „The Daring Young Man on the Flying Trapeze“ geschrieben, ein kleines Buch wie später mein erstes Geschichtenbuch. „The daring young Man“ hat mich begeistert und der es schrieb auch. William Saroyan aus Kalifornien hatte armenische Wurzeln und war einer der eigenwilligsten amerikanischen Schriftsteller des 20. Jahrhunderts.
Ich habe ihn später persönlich kennengelernt – in Amerika und in der DDR bei einem internationalen Schriftstellerkongress in Weimar im Frühjahr 1965.
Sie haben Ihre Story oft zuerst auf Englisch geschrieben. Wie entscheidend war der Druck, diese Sprache möglichst schnell zu lernen? Oder sind Sie von Natur aus ein Sprachtalent?
Als ich noch die Möglichkeit hatte, in Englisch zu publizieren, habe ich ausnahmslos in Englisch geschrieben. Das war auch lange Zeit so, nachdem ich in der DDR ankam, Mitte und Ende der Fünfzigerjahre des vorigen Jahrhunderts also. Ungefähr zehn Jahre danach noch hatte ich Kontakte zu englischen Verlagen und schrieb in englischer Sprache. Jetzt bin ich ambivalent, bin bilingual. Das heißt, beide Sprachen liegen mir gleich gut, die eine wie die andere.
Kurz noch mal zurück zum Schreiben auf Englisch. In welcher Weise lesen Sie die anschließenden deutschen Übersetzungen gegen? Wie intensiv ist Ihre Kontrolle? Ändern Sie da womöglich noch viel oder nicht?
Ich hatte Glück mit meinen Übersetzern. In einigen Fällen habe ich tatsächlich versucht, die deutschen Übersetzungen meiner englischen Originaltexte zu verbessern, aber ich war damals nicht so firm in Deutsch, dass ich es besser gekonnt hätte als die Übersetzer. Der Beste von ihnen hieß Vietinghoff, Wilhelm Vietinghoff. Er kommt aus dem Norden, irgendwo in der Nähe von Rostock. Er hat derart adäquate deutsche Übersetzungen abgeliefert, dass ich sie selber nicht hätte besser machen können.
Dann war da noch eine Frau, Elga Abramowitz, ganz am Anfang, die auch sehr gut gearbeitet hat.
Ich habe in den ersten Jahren in der DDR viele Übersetzer gehabt – alles gute Leute.
Und wie schreiben Sie eigentlich? Mit Hand oder mit dem PC? Wie hat sich das im Laufe Ihres langen Schriftstellerlebens geändert?
Wenn Sie nach meinen frühen Short Storys fragen, die habe ich mit der Hand in eine Kladde geschrieben. Davon bin ich sehr bald abgegangen und habe mich an die Schreibmaschine gesetzt. Heute komme ich weder mit der Schreibmaschine noch mit dem Schreiben von Hand aus, sondern schreibe nur noch mit dem Computer.
Eines Ihrer Bücher heißt „Meine Sehnsucht ist noch unterwegs. Ein Leben auf Reisen“. Fühlen Sie sich eigentlich als Kosmopolit oder als Weltbürger? Und welche Länder liegen Ihnen besonders am Herzen?
Für mich ist das Wort Kosmopolit irgendwie negativ besetzt. In meinem Leben hat es sich so ergeben, dass ich viel in der Welt herumgekommen bin. Dafür brauche ich kein Label – Kosmopolit war übrigens in der Sowjetunion eine Art Schimpfwort. Und auch in deutscher Sprache missfällt mir das Wort.
Und wie ist es mit der Bezeichnung Weltbürger?
Ich habe viel von der Welt erleben dürfen, bin aber kein professioneller Reisender. Es hat sich so ergeben, dass ich viel von der Welt sehen durfte.
Was halten Sie denn dann von einem Begriff wie „Entdecker menschlichen Lebens“? Würde der Ihnen eher gefallen?
Damit wäre ich einverstanden. Man sollte aber noch die fortgesetzte Suche nach Erfahrungen hinzufügen.
Welche der fast 200 Länder der Erde liegen Ihnen denn auch heute noch besonders am Herzen? Welche sind Ihre Favoriten? Ich habe da etwas gelesen von Australien natürlich, Irland …
Australien mehr als viele andere Länder. aber auch Irland und Amerika. Zu Amerika hatte ich gleich von Anfang an eine besondere Affinität wegen John Steinbeck, wegen Hemingway, und auch Truman Capote. Und wie schon gesagt, William Saroyan.
Auch Irland ist mir wegen der Literatur nahe, und wegen des sprudelnden Erzähltalents der Menschen dort. Das Land hat mich besonders deshalb fasziniert, weil die Leute wirklich zur Dichtung neigen. Sie sind fast alle geborene Dichter – in der Prosa wie in der Lyrik. Das habe ich in so mancher Kneipe in Irland erlebt, aber nicht nur dort, sondern überall, wo ich Leute traf, die mir auf ihre Art ihr Leben schilderten – humorvoll, lebensnah und anregend.
Stichwort Deutschland. Stichwort DDR, wohin Sie 1957 gegangen sind. Wie hat sich das ergeben? Sie haben aber dennoch bis heute Ihren australischen Pass behalten …
Ich kam bereits 1955 zunächst einmal zu Besuch in die DDR – als Delegierter der australischen Seemannsgewerkschaft nach Polen geschickt, war ich mit einer Gruppe von ungefähr 15 jungen Leuten aus verschiedenen Lebensbereichen unterwegs zu den V. Weltfestspielen der Jugend und Studenten in Warschau. Die fanden damals vom 31. Juli bis 14. August 1955 statt.
Meine Sehnsucht nach Europa erfüllte sich erst mit dieser Reise. Immer war da auch die Neugier auf Deutschland, auf beide Deutschlands. Ich habe bei den Weltfestspielen einen DDR-Verleger kennengelernt, Bruno Peterson, der damals den Verlag Volk & Welt leitete, später den Verlag Neues Leben. Ich erzählte ihm von dem Roman, den ich geschrieben hatte. Er lud mich zu einem Internationalen Schriftstellerkongress nach Berlin ein. Auf diesem Kongress bestätigte sich eine innere Ahnung, die ich schon längere Zeit hatte: Hier könntest du bleiben wollen.Auch und nicht zuletzt wegen Schriftstellern wie Anna Seghers und Bodo Uhse, Willi Bredel und Stephan Hermlin. Ich traf sie damals alle und sicher war der junge Kollege aus Australien auch für sie anregend. Gut in Erinnerung habe ich Willi Bredel, dessen Bücher ich in Fidschi gelesen und dem ich von dort eine Bildpostkarte geschickt hatte, wie sehr mich seine Bücher beeindruckt hatten.
Während des Kongresses bekam ich das Angebot, in der DDR zu publizieren und es ergab sich, dass ich hier veröffentlicht wurde. Also hätte ich in der DR leben können. Zunächst aber musste ich noch einmal nach Australien zurück, ich hatte ja noch eine Verpflichtung gegenüber den australischen Seeleuten, die mich nach Europa und in die sozialistische Welt geschickt hatten – so kam es zu einer Vortragsreise durch Australien.
Anschließend wurde ich Olympia-Attaché für die deutsche Mannschaft, die damals noch als gesamtdeutsche Mannschaft an den Spielen in Melbourne teilnahm. Gesamtdeutsch – und doch getrennt. So konnte ich im Jahr 1956 zwei Aufgaben erledigen – die Australien-Rundreise mit dem Bericht über die Erfahrungen in der sozialistischen Welt und die als Attaché der Olympischen Mannschaft. Es ergab sich, dass ich in die DDR auf einem Schiff zurückkommen konnte, das die Ausrüstung der DDR-Sportler geladen hatte und auf dem sich dann auch meine wenigen Sachen befanden, die ich damals so besaß.
Ihren australischen Pass haben Sie aber behalten? Bis heute?
Ich war damals sogar geneigt, ihn gegen einen DDR-Pass zu tauschen. Davon hat man mir allerdings im Kulturministerium abgeraten. Die sagten, ein australischer Pass sei nützlich für mich – und auch für uns. Sie könnten für uns kulturelle Aufgaben im Ausland viel leichter erledigen als Leute, die erst langwierig um Visa, und diverse Reisedokumente ersuchen müssen. Also habe ich den einen oder anderen kulturellen Auftrag für die noch junge DDR erledigt. Höhepunkt war die Begegnung mit Paul Robeson, der im April 1959 im Shakespeare-Theater in Stratford-on-Avon den „Othello“ gab – als erster schwarzer Othello in Shakespeares Geburtsstadt.
In April 1959, that one of the most important events in the history of the theatre in Stratford-upon-Avon took place. Paul Robeson, the great American singer and actor, became the first black Othello in Shakespeare's town in the twentieth century.
Ich habe eine seiner Othello-Darbietungen erleben und ihn später in seiner Garderobe aufsuchen und ihn ganz offiziell in die Deutsche Demokratische Republik einladen dürfen, um dort aufzutreten.
DDR-Briefmarke zu Paul Robeson aus dem Jahre 1983.
Und er war ja dann auch gleich gekommen.
Nein, das war etwa ein Jahr später. Im Oktober 1960. Ich hatte aber die Zusage von Paul Robeson eingeholt, dass er kommen würde. Um die konkrete Einladung und die Details seines Besuchs haben sich dann andere gekümmert.
Robeson kam im Herbst 1960 nach Berlin, DDR, und wurde dort Ehrendoktor für Philosophie an der Humboldt-Universität.
Das wird wohl so sein. Ich weiß es nicht mehr. Es ist schon so lange her.
Springen wir jetzt mal eine ganze Zeit nach vorn – aus den Sechzigerjahren zum Ende der Achtziger- und Anfang der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts. Wie haben Sie ganz persönlich den Untergang der Deutschen Demokratischen Republik und den Abschied von der DDR erlebt? Wie war das für Sie?
Mir war, als hätte ich ein Stück Heimat verloren – als die Mauer fiel, war ich längst in der DDR ein angesehener Schriftsteller mit gutem Kontakt zu vielen Lesern bei Vortragreisen durchs ganze Land. Ich wusste, das würde alles wegfallen, wenn die Mauer fiel. Und so kam es dann auch.
Ich musste einen völlig neuen Anfang machen, gleichsam von Null an. Den habe ich Gott sei Dank geschafft. Aber es war nicht leicht.
Hat der Sozialismus eine Zukunft?
Das ist eine Frage, die ich nicht beantworten kann – momentan sind wir damit beschäftigt, die Welt vor Chaos zu bewahren. Ohne Hoffnung auf Sozialismus oder gar Kommunismus, sondern ausgerichtet auf eine friedlichere, weniger raubtierkapitalistische Welt.
Wenn wir es erst einmal schaffen, wieder Stabilität in die Welt zu bringen, wir alle zusammen, also die Menschheit insgesamt, dann wären wir schon ein Stück weiter.
Der schöne Traum vom Sozialismus wird wohl für keinen von uns heute und hier Lebenden in Erfüllung gehen.
Noch dreieinhalb Fragen zum Schluss: Sie haben zwei Wohnsitze: Berlin und den Darß. Wo sind Sie lieber zu Hause? Kann man das so sagen oder fragen?
Ich bin am liebsten in Berlin zu Hause. Ganz klar.
Jeweils immer nur ein paar Sommermonate lang habe ich in meiner kleinen Finnhütte in Born verbracht, wo ich absolute Ruhe hatte und gut schreiben konnte. Mit der Zeit ist mir Born sehr nahe, ich habe dort gute Freunde. Das kulturelle Leben auf dem Darß ist vielfältig, so dass ich in den Sommermonaten sehr gern dort bin.
Bei all dem, in Berlin bin ich zu Hause.
Wenn Sie einem jungen Mann oder einer jungen Frau, die auch gern schreiben oder vielleicht sogar Journalist oder Schriftsteller werden möchten, einen Rat oder Empfehlungen geben sollten, was würden Sie diesen Nachwuchsautoren raten?
Ich habe nie jemanden beraten, der mir nicht schon Proben seines Erzählens vorgelegt hat. Nur daran lassen sich die Erfolgsaussichten ableiten. Das Talent einer jungen Autorin oder eines jungen Autors sollte schon in den ersten Skizzen erkennbar sein. Erst dann kann ich Rat geben – etwa über Stil, Aufbau und Struktur einer Erzählung oder eines Romans. Wie schreibt man gut und erfolgreich? Das wage ich nicht zu beantworten, darauf gibt es keine pauschale Antwort.
Welche literarischen Pläne haben Sie? Woran schreiben Sie? Und glauben Sie an die Zukunft des Buches?
Bücher haben Bestand, gerade in diesen verrückt-verfluchten Corona-Zeiten ist die Zuflucht zum Buch groß. Ich kann mir keine Zeit vorstellen, in der nicht das geschriebene und gedruckte Wort von Wichtigkeit ist. Eine Welt ohne Bücher ist undenkbar.
Und woran schreiben Sie selbst noch?
Ich bin inzwischen 97 Jahre alt, immer noch geistig rege, aber physisch müde. Ich kann nicht mehr so wie einst. Auch das Corona-Jahr hat mich einmal mehr zurückgeworfen. Das alles macht, dass ich momentan wenig schreibe – Ich hatte mir im vorigen Jahr eine neues Betätigungsfeld erarbeitet, das ohne Corona wohl in diesem Jahr gut zum Tragen gekommen wäre: Theater- und Filmbesprechungen. Das alles fiel weg, weil die Tore der Kultur allesamt geschlossen blieben. Wenn nicht gespielt wird, gibt es auch nichts anzuschauen, um darüber schreiben.
Wenn doch bloß Corona, diese Geisel der Menschheit ein Ende hätte!
Herzlichen Dank, dear Mr. Kaufmann, für dieses aufschlussreiche, informative Gespräch mit einem Jahrhundertzeugen. Bleiben Sie in diesen schwierigen und teils bedrückenden Zeiten weiterhin vorsichtig, vor allem aber bleiben Sie gesund und so munter wie möglich. Und schreiben Sie was Schönes.
(Das Telefon-Interview wurde am 19., 25. und 29. Januar sowie am 26. Februar 2021 geführt.)
19. Januar 1924
Als unehelicher Sohn einer aus Polen nach Deutschland eingewanderten Jüdin wird Jizchak Schmeidler im Berliner Scheunenviertel geboren. Seine Mutter Rachela Schmeidler arbeitet als Verkäuferin im Kaufhaus Tietz am Alexanderplatz.
1926
Der Junge wird von dem wohlhabenden jüdischen Anwaltspaar Dr. Sally und Johanna Kaufmann adoptiert und nach Duisburg geholt – dem Mittelpunkt seines jungen Lebens. Kaufmann wächst in der Prinz-Albrecht-Straße auf und besucht nach der Volksschule in Duissern, „eine rotbraune, Furcht einflößende Festung“, von Ostern 1934 bis Ostern bis 1938 das Steinbart-Gymnasium – so lange er es als jüdischer Schüler darf. Danach wechselt er zur jüdischen Privatschule in Düsseldorf.
Seine glückliche und behütete Kindheit endet spätestens mit der Reichspogromnacht am 9. November 1938, als sein Vater verhaftet, misshandelt und für einige Wochen nach Dachau, eines der ersten Konzentrationslager, gebracht wird. Seine Mutter und Walter müssen miterleben, wie die SA die Wohnung durchsucht und dort alles demoliert. Sie hinterlassen ein irreparables Chaos.
Später werden die Kaufmanns gezwungen, ihr schönes Einfamilienhaus in der Prinz-Albrecht-Straße 17 zu verkaufen und in die Junkernstraße 2 umzuziehen. Über diese frühen Jahre schreibt der Schriftsteller auch in seinem ersten, zunächst in englischer Sprache erschienenen Roman „Voices in the storm“ („Stimmen in Sturm“).
18. Januar 1939
Mit einem der letzten Kindertransporte gelingt ihm einen Tag vor seinem 15. Geburtstag die Flucht über die Niederlande nach England. Sowohl seine Mutter als auch seine Adoptiveltern werden im KZ ermordet.
Ein Verwandter ermöglicht ihm den Besuch der auch unter dem Namen New Herrlingen School bekannten Bunce Court School, einer von Anna Essinger gegründeten Schule im Exil.
Frühsommer 1940
Als „Enemy Alien“ wird Kaufmann in einem britischen Internierungslager in Huyton interniert. Dort meldet er sich freiwillig für einen Transport mit der HMT „Dunera“, weil ihm versprochen worden war, die Fahrt ginge nach Kanada, wo er zur Arbeit freigelassen würde. Tatsächlich begann die „Dunera“ am 10. Juli 1940 eine für die Passagiere äußerst strapaziöse und 57 Tage dauernde Reise nach Australien. Anfang September 1940 wird Kaufmann nach der Ausschiffung in Sydney in ein Internierungslager in Hay (New South Wales) verbracht. Er bleibt dort für ein Jahr und kann dank des von den Lagerinsassen selbst organisierten kulturellen Lebens seine Schulbildung fortsetzen. Seine Lehrer waren Akademiker nahezu aller Fachrichtungen.
Seine endgültige Entlassung aus der Internierung erreicht er dadurch, dass er sich zusammen mit 900 anderen Internierten freiwillig zum Dienst in der Australischen Armee verpflichtete. Von 1942 bis 1946 gehört er einem nichtkämpfenden Bataillon an und ist überwiegend beim Ent- und Umladen von Waren sowie deren Transport eingesetzt. Nach der Entlassung aus der Armee macht er von der Möglichkeit Gebrauch, die australische Staatsbürgerschaft zu erwerben, und bleibt in Australien. Er arbeitet als Obstpflücker, Landarbeiter, Hafenarbeiter, Seemann und Fotograf.
1943
Walter Kaufmann erhält eine letzte Postkarte seiner Eltern.
Herbst 1944
In Australien Hochzeit mit Barbara Dyer, seiner ersten Frau. Sie kommt Mitte der Fünfzigerjahre ebenfalls in die DDR.
Als Soldat der Australian Employment Company mit Barbara, 1944
Barbara als Unteroffizierin in der Chiffrier-Einheit, 1944
1949
Er beginnt mit dem Schreiben seines ersten Romans, der
1953
unter dem Titel „Voices in the storm“ erscheint. Darin verarbeitet Kaufmann Erlebnisse seiner Jugend im nationalsozialistischen Deutschland.
Danach arbeitet Kaufmann zunächst auf einem Schlepper in Melbourne und fährt dann rund zwei Jahre auf der Handelsmarine zur See. Das ist ein hartes, aber abenteuerliches Leben.
Der erste Roman von Walter Kaufmann, der in fünf Sprachen übersetzt wurde
1955
Als Delegierter der Seamen’s Union of Australia (SUA) nimmt er an den Weltjugendfestspielen in Warschau teil. Anschließend besucht er einige Wochen die Sowjetunion und danach die DDR, wo er zu einem Schriftstellerkongress eingeladen wird und viele prominente DDR-Autoren kennenlernt.
Danach reist er noch einmal zurück nach Australien, auch um dort auf einer großen Rundreise von seinen Erlebnissen In Europa und bei den Weltfestspielen zu berichten.
1956
Kaufmann betreut dank seines australischen Passes als Attaché die DDR-Sportler bei den Olympischen Sommerspielen in Melbourne, die damals noch in einer gemeinsamen deutschen Mannschaft antraten. Dieselbe Aufgabe übernimmt Kaufmann auch bei den Olympischen Spielen 1960 in Squaw Valley in den USA, von wo aus er auch Radio-Reportagen sendet.
1957
Kaufmann übersiedelt in die DDR, behält jedoch seine australische Staatsbürgerschaft bei.
Seit Ende der Fünfzigerjahre arbeitet Kaufmann als freischaffender Schriftsteller und ist viel auf Reisen unterwegs und kommt in der Welt herum. Viele seiner Erlebnisse finden Eingang in seine Romane, Erzählungen und Reportagen. Seine Bücher zeigen Weltgeschichte in autobiografischen Eindrücken.
Seine Bücher erreichen hohe Auflagen, er wird von vielen Leserinnen und Lesern sehr geschätzt, hat allerdings auch mit der Zensur zu tun und wird – wie sich nach der Wende herausstellt – von der Stasi überwacht.
Seit 1958
lebt Walter Kaufmann mit seiner zweiten Frau, der Schauspielerin Angela Brunner, und ihren beiden Töchter Rebekka (Jahrgang 1961) und Debora (Jahrgang 1970) in Kleinmachnow in der Nähe von Berlin. Rebekka wird Fotografin, Deborah Schauspielerin.
Mit seiner zweiten Frau Angela, 1977
Mit Tochter Deborah, 1977
Mit Tochter Rebekka, 1977
Anfang der 1960er Jahre
Nach Diskussionen über zwei seiner geplanten Bücher, an denen er jedoch nichts ändern will, entscheidet sich Kaufmann für eine längere Auszeit und fährt zwei Jahre lang auf DDR-Schiffen erneut zur See. Während dieser Zeit erlebt er unter anderem Kuba „im revolutionären Rausch“.
Bevor Walter Kaufmann an Bord des MS „Greifswald“ geht, lassen sich er und seine Frau Barbara einvernehmlich scheiden.
1975
Kaufmann, der seit 1955 dem Schriftstellerverband angehörte, wird Mitglied des PEN-Zentrums der DDR.
1984
„Flucht“ – ein totgeschwiegenes Buch – setzt sich dennoch bei den Lesern durch.
1985
Kaufmann wird Generalsekretär des PEN-Zentrums der DDR und bleibt es bis 1993, danach ist er Mitglied des PEN-Zentrums Deutschland.
November 2007
Seine erste Frau Barbara stirbt in Kleinmachnow.
17. Juni 2011
Seine zweite Frau Angela Brunner, Jahrgang 1931, stirbt an einem Krebsleiden ebenfalls in Kleinmachnow.
November 2011
Walter Kaufmann heiratet seine langjährige Lebensgefährtin Lissy Kemter.
Mit Lissy, 1999
Mit Lissy, 2004
2013
Walter Kaufmann reist zum letzten Mal nach Australien.
15. April 2021
Walter Kaufmann stirbt mit 97 Jahren in Berlin. Bis in die letzten Tage seines Lebens war er politisch und am aktuellen Weltgeschehen interessiert sowie – soweit unter Corona-Bedingungen möglich – journalistisch aktiv.
Voraussichtlich im Herbst dieses Jahres soll der Dokumentarfilm „Walter Kaufmann. Welch ein Leben!“ von Karin Kaper und Dirk Szuszies in die Kinos kommen. Der genaue Termin ist abhängig von der Entwicklung der Pandemie.
1959 (in Australien)
Mary Gilmore Award
1961 und 1964
Theodor-Fontane-Preis des Bezirkes Potsdam
1967
Heinrich-Mann-Preis der Akademie der Künste der DDR
1993
Literaturpreis Ruhr-Region für sein Lebenswerk
Voices in the storm. Australian Book Society, Melbourne 1953.
The curse of Maralinga and other stories. Seven Seas Publishers, Berlin 1959.
American encounter. Seven Seas Publishers, Berlin 1966.
Beyond the green world of childhood. Seven Seas Publishers, Berlin 1972.
Wohin der Mensch gehört. Verlag Neues Leben, Berlin 1957.
Der Fluch von Maralinga. Aus dem Englischen übersetzt von Johannes Schellenberger. Verlag Neues Leben, Berlin 1958.
Ruf der Inseln. Aus dem Englischen übersetzt von Hannelore Sanguinette und Elga Abramowitz. Verlag Volk und Welt, Berlin 1960; BS Verlag, Rostock 2006 (Titel: Das verlorene Paradies. Paradise lost)
Feuer am Suvastrand. Aus dem Englischen übersetzt von Hannelore Sanguinette, Bernd Hanisch und Elga Abramowitz. Aufbau-Verlag, Berlin 1961.
Kreuzwege. Verlag Neues Leben, Berlin 1961.
Die Erschaffung des Richard Hamilton. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1964.
Begegnung mit Amerika heute. Aus dem Englischen übersetzt von Helga Zimnik. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1965.
Unter australischer Sonne. Deutscher Militärverlag, Berlin 1965.
Hoffnung unter Glas. Aus dem Englischen übersetzt von Helga Zimnik. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1966.
Stefan – Mosaik einer Kindheit. Aus dem Englischen übersetzt von Helga Zimnik. Edition Holz im Kinderbuchverlag, Berlin 1966.
Unter dem wechselnden Mond. Aus dem Englischen übersetzt von Helga Zimnik. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1968.
Gerücht vom Ende der Welt. Aus dem Englischen übersetzt von Wilhelm Vietinghoff. VEB Hinstorff Verlag, Rostock 1969.
Unterwegs zu Angela. Aus dem Englischen übersetzt von Olga Fetter und Erich Fetter. Verlag der Nation, Berlin 1973; Atlantik Verlag, Bremen 2005.
Das verschwundene Hotel. Aus dem Englischen übersetzt von Olga Fetter und Erich Fetter. Verlag Junge Welt, Berlin 1973.
Am Kai der Hoffnung. Aus dem Englischen übersetzt von Elga Abramowitz u. a. Verlag der Nation, Berlin 1974.
Entführung in Manhattan. Aus dem Englischen übersetzt von Olga Fetter und Erich Fetter. Kinderbuchverlag, Berlin 1975.
Patrick. Verlag Junge Welt, Berlin 1977.
Stimmen im Sturm. Aus dem Englischen übersetzt. Verlag der Nation, Berlin 1977; BS Verlag, Rostock 2002.
Wir lachen, weil wir weinen. F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig 1977; BS Verlag, Rostock, 2003 (Titel: Flammendes Irland. Reportagen).
Irische Reise. Kinderbuchverlag, Berlin 1979.
Drei Reisen ins gelobte Land. Brockhaus, Leipzig 1980; BS Verlag, Rostock 2002 (Titel: Reisen ins gelobte Land)
Kauf mir doch ein Krokodil. Edition Holz, Berlin 1982.
Flucht. Mitteldeutscher Verlag, Halle/Leipzig 1984; BS Verlag, Rostock 2004.
Jenseits der Kindheit. Aus dem Englischen übersetzt von Helga Zimnik. Kinderbuchverlag, Berlin 1985.
Manhattan-Sinfonie. Aus dem Englischen übersetzt von Helga Zimnik und Wilhelm Vietinghoff. Militärverlag der DDR, Berlin 1987.
Tod in Fremantle. Mitteldeutscher Verlag, Halle/Leipzig 1987; BS Verlag, Rostock 2008.
Die Zeit berühren. Mosaik eines Lebens auf drei Kontinenten. Edition q, Berlin; Verlag Wiljo Heinen, Berlin und Böklund 2013.
Ein jegliches hat seine Zeit. Edition q, Berlin 1994.
Im Schloss zu Mecklenburg und anderswo. Dietz Verlag, Berlin 1997.
Steinwurf. Über eine Liebe in Deutschland. Dietz Verlag, Berlin 1998; BS Verlag, Rostock 2008.
Gelebtes Leben. Dietz Verlag, Berlin 2000.
Amerika. BS Verlag, Rostock 2003.
Die Welt des Markus Epstein. ddp goldenbogen, Dresden 2004.
Im Fluss der Zeit. Dittrich Verlag, Berlin 2010.
Schade, dass du Jude bist. (Autobiografie). Prospero Verlag, Münster, Berlin 2013; Dittrich Verlag, Berlin 2017.
Meine Sehnsucht ist noch unterwegs. Ein Leben auf Reisen. Verlag Neues Leben, Berlin 2015.
Die meine Wege kreuzten. Begegnungen aus neun Jahrzehnten. Quintus-Verlag (Imprint des Verlages für Berlin-Brandenburg), Berlin 2018.
Gibt es dich noch, Enrico Spoon? Über Menschen und Orte weltweit. EDITION MEMORIA, Hürth bei Köln 2019.
The book was published in 1953 by Australasian book society, Melbourne. (E-Book bei EDITION digital 2020)
For Barbara
In this his first novel Walter Kaufmann tells with stark realism the story of a group of underground fighters against Hitler. Woven into the heroic pattern of struggle and resistance, is the Iife story of a Jewish boy who sees his family disintegrating before the onslaught of HitIer’s thugs. With the passion of one who has Iived through many of the events described in Voices in the Storm, Walter Kaufmann presents an unforgettable picture of the face of fascism. Written in Australia, the novel is a Iiving link between the turbulent days of the thirties in Germany and Australia to-day, raising anew problems we hoped had belonged to the past. No Australian could put the book aside thinking: „Fascism can’t happen here.” For the men and women in its pages are essentially the same, and are subject to the same social forces as the men and women who walk the streets in our own cities. Voices in the Storm is a relentless story, yet it is a story of Iove and hope and fight. Even through the depiction of defeat the author inspires us with the strength and grandeur of man. The courage which upheld countless Germans who defied fascism in the face of death, their confidence and strength, their belief in the future and the world’s radiant dawn—the spirit of these men and women is alive in Walter Kaufmann’s deeply moving novel.
PART ONE
CHAPTER ONE
A sad and longing strain drifting through the trees arrested them.
They listened:
Am Brunnen vor dem Tore da steht ein Lindenbaum …
It seemed as though the melody had risen from the earth and was borne by the wind which swept the rainclouds across the sky and swayed the forest. Autumn leaves were falling, danced in the air and tumbled along the ground.
The girl began to sing quietly, gazing at the boy who was with her. She had long dark hair which swept cleanly from her forehead. Her body was slender, her movements had the unstudied grace of youth; but in her eyes was buried a strange maturity that went beyond her years.
The boy turned away toward the sound. He was small for his seven years. From the back he seemed frail, as though he had been ill; but his smooth olive skin, which appeared as though burnt by the sun, belied a long sickness which had kept him indoors. His hair was softer than hers and as dark as his eyes.
I dreamed in the shade of the linden tree
Many a sweet dream … the girl was singing to the chorus that was fading now as though the singers had moved away. But it was only the wind which had stilled as it does before the fall of rain. The forest whispered under a sombre sky, the sparse leaves began to tremble in the branches.
„Rain,” said the boy.
She glanced upward and when the first drops began to fall hesitantly she nodded to the boy and both began to hurry along the path toward the forest shelter.
Soon a torrent streamed in a glistening sheet down the sloping roof. The boy stood in the entrance and gazed into the fascinating rain. His hair clung to his face and he shivered. The girl put her arm about him. In the darkness behind them some men were sitting on the wooden seats. Suddenly a deep voice called from inside: „Hello, Hilde,” and a lean, fair man, whose bony face was covered with a blond stubble, strode toward her. The girl started. „Gerhart, what are you doing here?” she asked.
Left to himself, the boy began to study the stranger, who was poorly dressed in a coat much too small for him, so that his sleeves were inches above his wrists. Blond hair sprouted over his collarless shirt and, facing the girl, he slowly fastened the top button to hide it. His clothes were clean, but his trousers were frayed at the bottom from constant rubbing against rough leather boots. His hair, parted on the side, was long and straight.
The boy felt himself unobserved and continued watching the other with undisguised wonder. He noticed the man’s sunken cheeks and his hard protruding bones, his grey eyes which softened when he smiled and the burnt spot in the corner of his mouth where cigarette stubs had marked his lips. His fingers were so stained with nicotine that when he placed a hand on the girl’s shoulder they stood out against her cream jumper like brown sticks. He stood looking earnestly at her, keeping his head very still, not wasting his slow movements; watched her combing her hair, raising her thin white arms above her shoulders.
Still the rain was falling steadily and a fine spray of water drifted over her. He noticed this, and slowly and deliberately took off his coat, which he placed about her shoulders, saying in his deep voice: „Come on, sit here in the back with us till the rain stops. Take the boy. The lad’s cold.”
She gave him a grateful glance, then moved into the darkness with the boy and sat down among the men who had moved to make room for them both. A low murmur filled the shelter, and cigarettes glowed in the darkness.
„What time might it be?” someone asked.
„About four,” answered another.
„Think that rain’ll stop at all?”
„It’s got to stop some time.”
„We’ll be here all afternoon, by the looks of it.”
„What of it? You haven’t got anywhere to go, have you?”
„No,” came with a bitter laugh, „you’re right there. I haven’t got anywhere to go.”
The boy moved closer to the girl and whispered: „Hilde, who are these men?”
„Just men.”
„What men?”
„Men out of work, unemployed.”
He nodded slowly. From past association this cast a shadow on them. He withdrew into himself.
Then, quietly, Gerhart’s voice began to rise above the sound of the slowing rain. He had remained in the doorway and the song drifted through the mist into the forest. The girl motioned to the boy to listen.
Ich weiss nicht, was soli es bedeuten, dass ich so traurig bin …
It seemed as though the melody were sung for her alone. None of the others had joined in the words, but were humming the simple tune in bass or tenor voices,
Ein Maerchen aus alien Zeiten das kommt mir nicht aus dem Sinn.
Before the song was finished the rain had stopped. A patch of blue showed in the sky. The water dripped more slowly from the roof then ceased and only single pearls of drops fell to the earth.
The men, who had sat quietly, began to stir, one by one, as if waking from sleep. Looking about him, the boy saw their dim faces, their lips moving as they hummed the song, their stubbly chins, scarves hiding the absence of shirts, naked feet in shoes that needed mending, bulging coat pockets from which stuck newspapers, a mouthorgan or a sausage or a thermos flask; saw their caps and battered hats, pale bloodless skins over bony faces.
Their voices blended beautifully, and their glances stayed shy of the girl who was looking at Gerhart.
…und das hat mit ihrem Singen die Lorelei getan.
The song ended. The girl slipped the coat from her shoulders and, turning to the boy, said: ‘‘Come, David, we must get home.”
„I like it here,” the boy said quietly.
„Still we must get you home, or you’ll be ill again. Thanks for the coat,” she said to Gerhart. "Goodbye.”
„I’ll walk with you,” the man answered. Turning to the others, he called: „Till tomorrow, then,” and walked beside her with a long, swinging stride.
The sun had come out and its rays stabbed through the trees, the water glistened in the branches and a fine steam was rising from the undergrowth. For a time no word was spoken. A crow cawed, winging through the treetops.
Then Gerhart said: „You know I still love you, Hilde. Don’t you?” He did not seem to mind the boy; he had eyes only for her. She kept silent and walked without slackening her pace, though her cheeks colored. „I know,” he added after a pause, „that these are not the times to ask for anything. I can’t remember them worse. Everyone I know is out of work, and I’m no exception. But I want you to marry me, Hilde, I’m not frightened that we can’t make a go of it together— that’s if you still love me. I have a trade and I’ll keep trying till I find a job. Two are better than one. We can clean up that dump of mine and live there till we find a better place. Why should we let the lack of money keep us apart? Things won’t get much better for a long time. What do you say? I’ve sold my bike and got forty marks for it; that’ll start us off. I’ve kept that money for us.”
He hesitated a moment and regarded her fixedly. „You still love me,” he asked at length, „don’t you? Or did you only love me when I won those cycle races a year ago, and was able to get a job anywhere in town on the strength of that?”
He hesitated and watched the girl closely. But she did not turn her head to him nor did she answer. Their footsteps were noiseless on the soft ground, and the air was rich with the clean, sharp scent of the forest. Then he spoke once more after a short silence, but now he sounded almost uninterested, as though aware that anything he said woulld be of little use.
"Hilde, it could be that they’ll accept my patent for the new bike frame. I’ve talked to someone and he thinks that they should. We’ll have money then; it’s worth a try.” His last words faded away and he was beginning to feel that if she accepted him he would no longer want her.