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Das Buch möchte neugierig machen auf das Lebenswerk des Berliner Schriftstellers Klaus Möckel, möchte Lust machen – Lust auf den Schriftsteller und seine Texte, die nahezu vollständig als E-Books bei EDITION digital vorliegen. So wird es möglich, sich ein umfassendes Bild des Autors zu machen oder sich hin und wieder mit einzelnen seiner Bücher zu beschäftigen. Zu Beginn findet sich eine kurze Einführung in Leben und Werk sowie eine biografische und eine bibliografische Übersicht. Danach folgen in chronologischer Folge der jeweiligen gedruckten Erstausgaben Auszüge aus den Büchern. Die Auswahl an Texten des inzwischen 86-jährigen, äußerst vielseitigen Autors und Übersetzers, der in vielen Genres literarisch unterwegs ist, reicht von der 1966 in der damals beliebten kap-Reihe (Krimi, Phantastik, Abenteuer) des Verlages Kultur und Fortschritt Berlin veröffentlichten historisch-fantastischen Erzählung „Unter dem Banner des weißen Hirsches“ über den berührenden literarischen Bericht über das Zusammenleben mit einem Kind mit Behinderungen „Hoffnung für Dan“ und die gemeinsam mit seiner Frau Aljonna Möckel anfangs noch unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow geschriebenen acht Märchenbücher bis zu der erst kürzlich erschienenen Sammlung „Möckels gestresste Tiere“ und den von ihm herausgegebenen Kurzgeschichten des Franzosen Alphonse Allais „Die Kutsche als Liebesnest und andere Frivolitäten“. 1969 begann Klaus Möckel seine Laufbahn als freier Schriftsteller und hat fast 60 Bücher geschrieben.
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Seitenzahl: 379
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Jürgen Seidel
Gelegenheiten, Verwirrung zu stiften
Klaus Möckel und seine Bücher
ISBN 978-3-96521-272-5 (E-Book)
ISBN 978-3-96521-301-2 (Buch)
Gestaltung des Titelbildes: Ernst Franta
© 2020 EDITION digital® Pekrul & Sohn GbR Godern Alte Dorfstraße 2 b 19065 Pinnow Tel.: 03860 505788 E-Mail: [email protected] Internet: http://www.edition-digital.de
Diese Reihe der Autorenbücher bei EDITION digital möchte Lust machen – Lust auf Schriftsteller und ihre Texte, die teils in einer Vielzahl ihrer jeweiligen Werke, teils sogar vollständig als E-Books bei EDITION digital vorliegen. So wird es möglich, sich ein umfassendes Bild vom jeweiligen Autor oder von der jeweiligen Autorin zu machen oder sich hin und wieder mit einzelnen seiner beziehungsweise ihrer Bücher zu beschäftigen.
Zu Beginn jedes Autorenbuches finden sich eine kurze Einführung in Leben und Werk sowie eine biografische und eine bibliografische Übersicht. Danach folgen in chronologischer Folge der jeweiligen gedruckten Erstausgaben Auszüge aus den Büchern.
Ich hoffe, Sie nehmen diese Einladungen zum Entdecken oder Wiederentdecken von Autorinnen und Autoren an. Viel Vergnügen beim Entdecken und bei der Lektüre.
Gisela Pekrul
Verlegerin
„lm Grunde ist Möckel ein Starliterat. Gefiele ihm diese Bezeichnung? Vermutlich nicht! Denn wenn mich eines bei ihm verblüfft hat, so war es der Gegensatz zwischen der geistigen Spannweite seiner Produktionen und seiner äußerst zurückhaltenden Art.“
Literaturwissenschaftlerin und Journalistin Ulrike Bresch kurz vor der Wende in einem Porträt über den vielseitigen Schriftsteller, das im Heft 6/1989 der in der DDR überaus beliebten Wochenzeitschrift „DAS MAGAZIN“ veröffentlicht wurde.
Besondere Kennzeichen von Klaus Möckel, der im Sommer dieses Jahres seinen 86. Geburtstag feiern konnte, sind seine enorme Produktivität und große Kreativität. Der Mann kann fast alles schreiben; er hat sich in vielen Genres erfolgreich ausprobiert und zwar sowohl für Erwachsene wie auch für Kinder – von historischen Erzählungen und SF-Geschichten bis zu Krimis und satirischen Texten.
Einen großen Erfolg landeten Möckel und seine Frau Aljonna, die vor allem als Übersetzerin aus dem Russischen hervorgetreten war, Ende der Neunzigerjahre des vorigen Jahrhunderts mit den zunächst unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow veröffentlichten Fortsetzungen der berühmten Zauberland-Geschichten des russisch-sowjetischen Schriftstellers Alexander Wolkow. Auch die Möckels haben sehr überzeugend ein ganz eigenes Zauberland geschaffen, das nicht nur in den neuen Bundesländern viele begeisterte Leserinnen und Leser gefunden hat. Insgesamt entstanden bis 2003 acht Bände.
Zu den bis heute nachwirkenden Bucherfolgen gehört der erstmals 1983 erschienene literarische Bericht über das Schicksal eines behinderten Kindes „Hoffnung für Dan“, eines der ersten Bücher der DDR, die sich diesem Thema und allen damit verbundenen Schwierigkeiten gewidmet sowie zu einem Umdenken und zu mehr Aufmerksamkeit und Sensibilität für diese Menschen beigetragen hatten. Klaus Möckel und seine Frau kannten und kennen sich gut aus: Dan ist ihr eigener Sohn.
Gut möglich, dass sich die beiden Autoren deswegen nicht so sehr um Selbstmarketing in eigner Sache kümmern konnten, da sie sich nicht so häufig in der Öffentlichkeit bewegten und nur selten Interviews gaben. Die Pflege ihres Sohnes, inzwischen 54 Jahre alt, nahm sie außerordentlich stark in Anspruch. Wie es mit Dan weiterging und geht, ist übrigens dem 2015 erschienenen Band „Hoffnung, die zweite“ zu entnehmen.
Möckel hat keinerlei Literaturpreise erhalten. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass er stets sehr unterhaltsam geschrieben hat und noch immer schreibt. Nach Ansicht mancher Rezensenten, Literaturkritiker und Preisverleiher aber taugt ein Unterhaltungsschriftsteller nicht als Empfänger von Literaturpreisen. Dabei wurde allerdings oft übersehen, dass hinter den auf den ersten Blick unter einer glitzernden und scheinbar harmlos-unterhaltsamen Oberfläche verborgenen Geschichten sehr viel Tiefe und Nachdenklichkeit stecken, Gesellschaftskritik damals wie heute eingeschlossen.
Alles in allem ist Klaus Möckel ein sehr produktiver, kreativer und im wahrsten Sinne des Wortes vielseitiger Autor. Zusammengenommen und durch Übersetzungen bzw. Nachdichtungen ergänzt, präsentieren seine Bücher den Leserinnen und Lesern rund 12000 Seiten Lektüre.
Und er ist ein neugieriger, vor allem auch an zeitgenössischer Literatur interessierter Autor. Das war schon so, als er sich Anfang der 1960er Jahre für das Thema seiner Doktorarbeit entschied – Antoine de Saint-Exupéry. Bereits damals begeisterte er sich für die neuere französische und französischsprachige Literatur, wozu eben auch Saint-Exupéry gehörte und dessen kurze Zeit zuvor ins Deutsche übersetzter Welterfolg „Der kleine Prinz“, in dem unter anderem die berühmten, noch heute sehr bekannten Sätze stehen „Man sieht nur mit dem Herzen gut. Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“. Wie sich nicht zuletzt an seinen Bachnow-Märchen zeigt, treffen diese Sätze auch für den Schriftsteller Klaus Möckel und sein Werk zu. Wahrscheinlich hat ihm der kleine Prinz beim Schreiben zugeschaut …
Von den fast 60 zwischen 1966 und 2020 erschienenen Titeln von Klaus Möckel hat EDITION digital aktuell 52 als E-Books im Angebot, die im Verlagsprogramm unter http://www.edition-digital.de/Moeckel/ zu finden sind. Einige weitere Publikationen wie „Hoffnung die zweite“, „Die Gespielinnen des Königs“, „Gold und Galeeren“, „Rebellisches Wissen“ oder „Möckels gestresste Tiere“ liegen beim Verlag auch in Buchform vor.
Zwei seiner Krimis waren übrigens durch das DDR-Fernsehen in seiner „Polizeiruf 110“-Serie verfilmt und ausgestrahlt worden – „Variante Tramper“ am 19. Februar 1989 und „Drei Flaschen Tokaier“ am 27. August 1989. Gleichfalls verfilmt wurden durch das Fernsehen der DDR Szenen aus „Hoffnung für Dan“. Im Vorspann dieser Folge der Sendereihe „Wir stellen vor“ vom 17. Dezember 1989 ist der Autor auch persönlich zu sehen.
Das ist keine leichte Frage. Vielleicht wäre „Ein anstrengendes Leben“ passend. Oder vielleicht eher „Ein spannendes Leben“. Aber darüber muss ich nochmal gründlicher nachdenken.
Ich war einer, der gern Schriftsteller werden wollte. Wahrscheinlich hat das mit meiner Mutter zu tun, die es mit angeregt hat. Sie war eine einfache Arbeiterfrau, hat aber viel gelesen, vor allem Krimis, doch auch Märchen und Gedichte und zum Beispiel selbst während der Nazi-Zeit den damals als jüdisch verachteten und totgeschwiegenen Heinrich Heine. Aber sie hat auch Karl May gelesen.
Durch sie bin ich wohl zum Krimischreiben gekommen. Denn eines meiner frühen Bücher war 1976 „Drei Flaschen Tokaier“, das als einer der ersten Krimis aus der DDR 1980 auch in der Bundesrepublik erschienen ist.
Ja, man kann sagen, dass ich ziemlich zielgerichtet auf den Schriftstellerberuf zugesteuert bin. Nachdem ich mein Abitur gemacht hatte und nach Leipzig gegangen war, habe ich angefangen zu schreiben, zunächst allerdings Gedichte.
Und was den Wechsel von der wissenschaftlichen zur literarischen Laufbahn angeht, dafür gibt es verschiedene Gründe. Einer war, dass ich doch mehr zur Literatur als zur Wissenschaft neigte. Deshalb habe ich die Chance ergriffen, bei einem Verlag zu arbeiten, obwohl ich dort zunächst schlechter bezahlt wurde. Aber im Verlag war ich näher mit der direkten, zeitgenössischen Literatur verbunden als an der Universität.
Außerdem hatte dieser Wechsel noch mit den für mich damals etwas schwierigen politischen Verhältnissen an den beiden Universitäten in Leipzig und Jena zu tun. Und so habe ich die Gelegenheit genutzt und bin dort weggegangen.
Um mit dem Schluss der Frage zu beginnen: Ich schreibe alles zunächst mit der Hand. Und dann schreibt meine Frau das am PC ab. Sie hat alle meine Manuskripte abgeschrieben. Wobei ich ihr meine handschriftlichen Aufzeichnungen diktieren kann.
Sie war und ist aber auch schon bei der Ideensuche dabei. Sie ist eine großartige Ideengeberin. Wenn ich zum Beispiel an der amerikanischen Präsidentenwahl teilnehmen würde, dann würde ich zusammen mit ihr ganz bestimmt eine gute Figur machen.
Und nun zu den Einfällen: Das hängt mit meiner gesamten Einstellung zur Literatur zusammen. Ich versuche stets Verhaltensweisen der Menschen innerhalb ihrer Gesellschaft darzustellen und zwar auf möglichst einprägsame, gut lesbare und oft humorvolle Weise. Daher habe ich auch schon früher immer nach Geschichten gesucht, die mir genau das erlauben.
Ein gutes Beispiel dafür sind meine Science-Fiction-Geschichten, wo es ja gar nicht so sehr auf die anderen Welten ankommt. Natürlich gehören auch Abenteuer im Weltraum zu diesem Genre, damit sich das gut liest und manches Überraschende passiert. Aber es geht vor allem auch um solche Dinge wie in dem Band „Die gläserne Stadt“, wo ich in etwa in der Erzählung „Die Brille“ von einem Schriftsteller erzähle, der eine Brille auf die Nase gesetzt bekommt, mit der er die Dinge realistisch sieht. Früher hatte er nach dem Munde geschrieben und durch diese Brille sieht er jetzt alles ganz anders.
Solche Geschichten denke ich mir aus, weil ich eine besondere Art finden will, mich den Menschen und der Gesellschaft zu nähern.
An der Kriminalliteratur hat mich damals in der DDR vor allem die Möglichkeit gereizt, die Dinge in dieser Gesellschaft realistisch darzustellen – eben so, wie sie tatsächlich waren. Das ging ganz gut über die Verbrechen und darüber, wie sich die Menschen verhalten, was sie zum Beispiel tun, um sich Vorteile zu verschaffen, und wo die Gründe dafür liegen. Genau das konnte man ja im Krimi einigermaßen realistisch abbilden. Das war einer der Hauptgründe.
Aber ich muss natürlich auch sagen, dass es bei mir wie bei jedem anderen, der schreibt, zunächst einmal die Freude ist, sich was auszudenken und den Leser damit möglichst spannend zu unterhalten.
Das galt und gilt nicht nur für die Kriminalliteratur, sondern auch für die Utopische Literatur: Denn diese Form des Schreibens konnte man in der SF-Literatur gut benutzen. Ich habe zum Beispiel Mitte der 1970er Jahre ein Buch geschrieben, „Die Einladung“, da kommt ein seinerzeit sehr angesehener Schriftsteller, der sich selbst für einen großen Menschen hält, in die Zukunft und muss feststellen, dass er dort gar nicht mehr gekannt wird. Während ein anderer, der bei ihm nichts galt und den er einmal sehr abgestraft hatte, jetzt plötzlich bei allen bekannt ist. Und ein Werk, das dieser berühmte Schriftsteller am Anfang seiner Laufbahn geschrieben und von dem er sich später losgesagt hatte, das gilt inzwischen als sein bestes.
Alles in allem: Bei solcher Art Schreiben hat der Autor die Möglichkeit, ja, sogar mehrere Möglichkeiten, sehr viel Verwirrung zu stiften. Der Schriftsteller begegnet sich in der Zukunft übrigens selber noch, weil der Automat einen Fehler gemacht und ihn zu zeitig losgeschickt hat. Da kann man als Autor immer wieder Überraschungen produzieren. In der SF-Literatur war das besonders günstig. Aber auch in den Märchen ging und geht das sehr gut.
Also, ich hatte immer schon eine bestimmte Absicht, mich in die zeitgenössische Welt hineinzuschreiben und dort Verhaltensweisen der Menschen meist lustig, manchmal aber auch auf derbere Art aufs Korn zu nehmen.
„Hoffnung für Dan“ aber war mein größter Erfolg, mit dem wir nach dem Erscheinen 1983 stark besuchte Veranstaltungen in fast allen größeren Städten der DDR gemacht haben. Auch das war ein Bericht über die ungeschminkte Wirklichkeit, sie so zu sehen und zu beschreiben, wie sie damals war.
Ich war ja bestimmt kein Dissident. Ich war immer, und ich bin auch heute noch ein Mensch, der voran wollte, der immer noch geglaubt hat, man könnte irgendeinen Hebel herumreißen und die Sache verbessern … aber das ist vorbei.
Selbst in meinem bisher letzten Buch, in den „Gestressten Tieren“, ist zu erkennen, dass mein Schreiben auf laufende, aktuelle Dinge hinzielt.
Deshalb habe ich meine Fantasien stets in diese Richtung hin zu entwickeln versucht. Und vielleicht gehört auch ein bisschen Talent dazu. Das denke ich allerdings schon …
Ganz klar: Bei mir steckte immer eine Absicht dahinter.
Zunächst einmal habe ich Aljonna als Studentin kennengelernt, wo sie hübsch in die nähere Umgebung passte und damals nicht nur mir aufgefallen war. Aber wir haben uns dann auch sehr schnell auf anderer beruflicher Ebene verstanden. Ich hatte ein paar Sprachen drauf, vielleicht nicht ganz so gut wie sie, sie hatte Russisch ganz ausgezeichnet drauf. Auch ein bisschen Französisch, aber vor allem Russisch. Und auf dieser Ebene, wo man plötzlich mit den verschiedenen Sprachen arbeiten kann, haben wir uns getroffen. Sie hatte zum Beispiel Rohübersetzungen russischer Gedichte angefertigt, und ich habe sie dann in Verse verwandelt.
Zur Frage des Schreibens ist zu sagen, dass hauptsächlich ich geschrieben habe. Aber manchmal, z. B. bei „Drei Tropfen Licht“, hat sie auch selbst zur Feder gegriffen. Und wenn sie Ideen hatte, und ich fand diese gut und ausbaufähig, dann habe ich versucht, diese Ideen weiterzubauen. So ist es immer gewesen.
Ansonsten hat sie, wie schon erwähnt, alles für mich abgeschrieben. Und noch etwas ganz Wichtiges: Aljonna ist sehr gut im Korrigieren. Wenn ich dreimal einen Text lese und finde den Fehler nicht, dann findet sie ihn bestimmt.
Wir konnten solche Sachen zusammen machen, wie zum Beispiel ein Versepos von Jewtuschenko nachdichten. Andererseits hat sie auch humoristische Bücher aus dem Russischen beim Eulenspiegel-Verlag allein herausgegeben oder viele andere Übersetzungen aus dem Russischen angefertigt, von Kinderbüchern (Sutejew, Bulytschow) bis zu Strugatzki-Romanen, von Texten über Pasternak bis zu Rasputin (wofür sie Anerkennungsschreiben und eine Prämie von den Verlagen bekam). Da konnte ich dann hin und wieder korrigieren, oder eben weiterbauen.
Und dann hatten und haben wir Dan. Wir mussten einfach zusammenhalten, wenn das was werden sollte. In den ersten Jahren, als der Junge von früh bis Abend schrie oder quietschte und überhaupt keine Nachtruhe möglich war, habe ich im Verlag unbezahlt einen Tag die Woche freigenommen und zu Aljonna gesagt, an diesem Tag bleibe ich zu Hause und betreue den Jungen. Du aber kannst in die Bibliothek gehen und deine Sachen erledigen, damit du mal einen ganzen Tag lang frei bist.
Umgekehrt hat sie mich natürlich bei meinen Arbeiten unterstützt. Und so ist über die Jahre eine Gemeinschaft entstanden, die sich einfach bewährt hat.
Klaus Möckel und seine Frau Aljonna auf dem Buchbasar 1985 in Rostock. Quelle: ddrbildarchiv.de/Klaus Morgenstern
Nein, ein direktes Lebensmotto habe ich nicht. Tolerant sein vielleicht. Im Übrigen will der Mensch in Frieden und gut durchs Leben kommen. Dabei war und ist der Beruf, die Schriftstellerei, für mich ungeheuer wichtig. Für meine Frau war die Übersetzerei ungeheuer wichtig. Wir brauchten auch wegen Dan einfach einen Ausgleich, etwas, was einen aus dem Alltag heraushebt und womit man das bewältigen kann.
Und Glück ist für mich zu einem gewissen Grade Harmonie. Man sagt ja immer, ein Leben ohne Konflikte sei uninteressant, aber ich denke, ein bisschen weniger Konflikte im Leben zu haben, wäre auch ganz schön.
Glück braucht dazu aber vor allem Sicherheit. Sicherheit in allen Lebensbereichen – familiär, gesellschaftlich und natürlich auch ganz persönlich. Und ein klein wenig Erfolg gehört dazu. Es ist ein weites Feld!
Ganz besonders wichtig für das Glück ist, dass man zueinander passt. So wie Aljonna und ich.
Also jetzt will ich eigentlich mal aufhören. Ich bin inzwischen ziemlich alt geworden und habe auch schon sehr viel über mich geschrieben, in diesen meinen Geschichten. Man ist ja immer irgendwie dabei. Und ich denke, dass inzwischen ziemlich alles gesagt ist, was ich sagen konnte, was also in mir drin war.
Ich hatte stets viel Freude am Schreiben. Ich habe immer aus Freude am Schreiben geschrieben. Manchmal war das ein bisschen schwieriger, manchmal war das ein bisschen einfacher. Vor allem „Hoffnung für Dan“ war nicht einfach zu schreiben.
Spaß bereiteten mir besonders die fantasievollen Erfindungen.
Aber jetzt soll erst einmal das Bisherige wirken. Ja, so ungefähr. Oder vielleicht passiert es doch noch mal, dass ich einen Pfeil im Köcher finde. Dann setze ich mich eben wieder hin und schreibe weiter. Wer weiß …
1934
4. August in der sächsischen Kleinstadt Kirchberg geboren und aufgewachsen. „Die Stadt der sieben Hügel“, deren Gründung in die Zeit von Kaiser Barbarossa fällt, liegt in der Nähe von Zwickau.
1940 – 1948
Besuch der Volksschule in Kirchberg. Möckel war ein guter Schüler und wollte eigentlich die Oberschule in Zwickau besuchen, entschied sich aber für eine Lehrausbildung, weil die Lehre mit einem Mittagessen verbunden war.
1948 - 1951
Berufsausbildung als Werkzeugschlosser ebenfalls in Kirchberg.
Abschluss mit Gesellenbrief.
1951 - 1954
Besuch der Arbeiter-und-Bauern-Fakultät (ABF) zunächst in Dresden, dann ab 1952 in Leipzig.
1954
Abitur.
1954 – 1958
Studium der Romanistik an der Karl-Marx-Universität Leipzig. Von einem Lehrer an der ABF war er für die französische Geschichte und vor allem die Große Französische Revolution begeistert worden.
1959 – 1963
Wissenschaftlicher Assistent am Romanischen Seminar der Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Während seiner Zeit an der Universität Jena machte Möckel auch die Bekanntschaft des 1902 in Budapest geborenen Sprachwissenschaftlers Henrik Becker, damals dort Professor für Germanistik, der mehrere Bücher von Saint-Exupéry ins Deutsche übertragen hatte, darunter als erstes 1939 den philosophischen Erlebnisbericht eines Post-Piloten „Wind, Sand und Sterne“. Henrik Becker machte Möckel nicht zuletzt mit den Risiken und Nebenwirkungen des Übersetzerberufs bekannt. Prof. Dr. Henrik Becker, 1956 zum Direktor des Instituts für Sprachpflege und Wortforschung ernannt, wurde 1968 emeritiert, und er starb am 10. Februar 1984 in Jena.
1963
In Leipzig Promotion zum Doktor der Philologie. Das Thema der Dissertation lautete: „Die Rolle der bürgerlichen Gesellschaft bei der Herausbildung von Antoine de Saint-Exupérys Weltanschauung“.
1963 – 1969
Verantwortlicher Lektor für Romanistik beim Verlag Volk und Welt in Berlin (Französisch, Spanisch, Italienisch). Dort macht sich Möckel bald einen Namen als Herausgeber, Übersetzer und Nachdichter vor allem moderner französischer Dichter. Als einige der von ihm verantworteten Bücher werden in der DDR „Der kleine Prinz“ und „Wind, Sand, Sterne“ von Saint Exupéry sowie später „Die Pest“ von Camus veröffentlicht.
Zu Beginn dieser Tätigkeit hatte er gesagt: „Ich bleibe sechs Jahre.“ Und er blieb sechs Jahre dort.
In dieser Zeit, Anfang der 1960er Jahre, wird er auch Mitglied des Schriftstellerverbandes der DDR, seit der Wende Mitglied im VS/Verdi.
1964,
19. Dezember: Hochzeit mit Aljonna Bach, Tochter des Musikprofessors und Schriftstellers Erwin Johannes Bach. Aljonna Möckel hatte von 1959 bis 1963 an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Slawistik und Romanistik studiert.
1966,
24. April: Geburt von Dan.
1966
erscheint in der kap-Reihe seine erste Erzählung „Unter dem Banner des weißen Hirsches“. Gleichzeitig bereitet er sein erstes größeres Buch vor, das 1973 unter dem Titel „Ohne Lizenz des Königs“ erscheint und, in der BASAR-Reihe in hoher Auflage gedruckt, sein erster großer Erfolg wird.
Dieses Buch sollte von einer westdeutschen Filmgesellschaft (Bauer-Produktion) verfilmt werden. Die Pläne zerschlugen sich jedoch aus unbekannten Gründen, vielleicht hatte da jemand entsprechend „nachgeholfen“.
1969
Beginn der Laufbahn als freier Schriftsteller.
Auszeichnungen:
1987
Als erster Übersetzer der DDR erhält er ein Übersetzer-Stipendium des Französischen Kulturministeriums, das ihn zu einem dreimonatigen Aufenthalt u.a. in Arles berechtigt. Für die damalige Bundesrepublik wird zum selben Zeitpunkt der renommierte saarländische Schriftsteller und literarische Übersetzer Eugen Helmlé ausgezeichnet.
1992
Stipendium der Stiftung Preußische Seehandlung.
1966 Unter dem Banner des weißen Hirsches.Historisch-phantastische Erzählung, Verlag Kultur und Fortschritt, Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1969 Die gefälschten Signaturen. Kriminalerzählung, Verlag Das Neue Berlin.
1972 Gesucht: Person mit Schirm. Kriminalerzählung, Verlag Das Neue Berlin.
1973 Ohne Lizenz des Königs. Historischer Roman, Verlag Neues Leben, Berlin.1984 Smena Bratislava (Slowakisch). E-Book 2012 unter dem Titel „Heiße Ware unterm Lilienbanner“, EDITION digital, Pinnow.
1976 Die Einladung. Phantastische Erzählung, Verlag Neues Leben, Berlin. E-Book 2012 unter dem Titel „Die geheimnisvolle Einladung“, EDITION digital, Pinnow.
1976 Drei Flaschen Tokaier. Kriminalroman, Verlag Das Neue Berlin. 1980 Rowohlt. 1980 Nase Vojsko Praha (Tschechisch). 2012 Komet Verlag, Köln. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1980 Die nackende Ursula. Satirische Gedichte, Eulenspiegel Verlag, Berlin. E-Book 2012 unter dem Titel „Die nackende Ursula / Kopfstand der Farben“, EDITION digital, Pinnow.
1980 Tischlein deck dich! Märchensatiren, Verlag Tribüne, Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1980 Die gläserne Stadt. Phantastische Erzählungen, Verlag Neues Leben, Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1981 Haß. Kriminalroman, Verlag Das Neue Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1982 Kopfstand der Farben. Satirische Gedichte, Eulenspiegel Verlag, Berlin. E-Book 2012 unter dem Titel „Die nackende Ursula / Kopfstand der Farben“, EDITION digital, Pinnow.
1982 Das Mädchen. Kriminalerzählung, Verlag Das Neue Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1983 Hoffnung für Dan. Roman über ein behindertes Kind, Verlag Neues Leben, Berlin. 1993 Deutscher Taschenbuch-Verlag, München. E-Book 2011, EDITION digital, Pinnow.
1984 Variante Tramper / Die Damengang. Zwei Kriminalromane, Verlag Das Neue Berlin. Zwei E-Books 2012 unter dem Titel „Variante Tramper“ und „Die Damengang“, EDITION digital, Pinnow.
1985 Die seltsame Verwandlung des Lenny Frick. Phantastische Erzählungen, Das Neue Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1986 Das Stromzellverfahren. Kriminalerzählung, Verlag Das Neue Berlin. 2012 enthalten in dem E-Book „Der undankbare Herr Kerbel“, EDITION digital, Pinnow.
1986 Auf seinem Baum sitzt Meister Zäpfel. Bilderbuch, Altberliner Verlag, Berlin. 2012 enthalten in dem E-Book „Der geblümte Hund und andere Tiere. Lustige Geschichten für kleine Leute“, EDITION digital, Pinnow.
1987 Der undankbare Herr Kerbel. Kriminelle Geschichten, Verlag Das Neue Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1988. Das Märchen von den Porinden. Kinderbuch, Altberliner Verlag, Berlin. 2012 enthalten in dem E-Book „Der geblümte Hund und andere Tiere. Lustige Geschichten für kleine Leute“, EDITION digital, Pinnow.
1989 Geschichte eines knorrigen Lebens. Literarischer Bericht, Verlag Neues Leben, Berlin. E-Book 2011, EDITION digital, Pinnow.
1991 Flußpferde eingetroffen. Lachen mit Möckel, Reiher Verlag, Berlin. 2012. Die Texte sind zu großen Teilen enthalten in den E-Books „Der undankbare Herr Kerbel“ und „Die seltsame Verwandlung des Lenny Frick“, EDITION digital, Pinnow.
1991 Bennys Bluff oder Ein unheimlicher Fall. Kinderkrimi, Rowohlt Verlag. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1991 Eine dicke Dame. Kriminalroman, Verlag Das Neue Berlin. 2013 Verlag Bild und Heimat, Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1992 Auftrag für eine Nacht. Kriminalroman, Verlag Das Neue Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1993 Kasse knacken. Kinderkrimi, Rowohlt Verlag. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1993 Wer zu Mörders essen geht. Kriminelle und andere Sprüche, Frieling Verlag, Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow
1995 Bleib cool, Franzi. Kinderkrimi, Rowohlt Verlag, Reinbek. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1995. Gespensterschach. Kriminalroman, Verlag Das Neue Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
1996 – 2003 (zusammen mit Aljonna Möckel) unter dem Pseudonym Nikolai Bachnow, LeiV, Leipzig. E-Book 2013, EDITION digital, Pinnow. 2020 alle 8 Bücher in einem E-Book unter dem Titel „Von Seemonstern, Hexern, Drachen, Feen und Smaragdenbienen“, EDITION digital, Pinnow.
1996 In den Fängen des Seemonsters. Kinderbuch. 1997 Die Schlange mit den Bernsteinaugen. Kinderbuch. 1998 Der Schatz der Smaragdenbienen. Kinderbuch. 1999 Der Fluch des Drachenkönigs. Kinderbuch. 2000 Die falsche Fee. Kinderbuch. 2001 Die unsichtbaren Fürsten. Kinderbuch. 2002 Der Hexer aus dem Kupferwald. Kinderbuch. 2003 Das gestohlene Tierreich. Kinderbuch.
1997 Steffis Party. Kinderbuch, Elefanten Press, Berlin. 2012 enthalten in dem E-Book „Steffis Party / Fahrtwind“, EDITION digital, Pinnow.
2000 Der Löwe aus dem Ei (Abenteuer Zauberlöwe, Teil 1). Kinderbuch, Verlag Gladenbach, Ritschel. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
2000 Der Löwe und die Inselbande (Abenteuer Zauberlöwe, Teil 2). Kinderbuch, Verlag Gladenbach, Ritschel. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
2000 Der Sohn des gestiefelten Katers. Kinderbuch, Leiv, Leipzig. 2012 enthalten in dem E-Book „Der geblümte Hund und andere Tiere. Lustige Geschichten für kleine Leute“, EDITION digital, Pinnow.
2000 Trug-Schuß. Krimi-Erzählungen, Verlag Neues Leben, Berlin. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
2003 Ein Hund mit Namen Dracula. Gruselgeschichten für Kinder, Edition D. B., Erfurt. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
2010 Die Gespielinnen des Königs. Frankreichs berühmteste Mätressen, Verlag Das Neue Berlin. 2020 EDITION digital, Pinnow. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
2011 Tornado – Die tödlichen Rüssel. Fantastischer Roman. E-Book, EDITION digital, Pinnow.
2012 Drei Tropfen Licht. Ein doppeltes Tagebuch (zusammen mit Aljonna Möckel), Edition D. B., Erfurt. E-Book 2012, EDITION digital, Pinnow.
2012 Der geblümte Hund und andere Tiere. Lustige Geschichten für kleine Leute. E-Book, EDITION digital, Pinnow.
2012 Der Löwe in der Gangsterburg. Abenteuer Zauberlöwe Teil 3. Kinderbuch. E-Book, EDITION digital, Pinnow. 2020 alle drei Teile unter dem Titel „Abenteuer Zauberlöwe“ als E-Book bei EDITION digital, Pinnow.
2012 Rache für Opi. Kinderbuch. EDITION digital, Pinnow.
2012 Steffis Party / Fahrtwind. Erzählungen für Kinder. E-Book, EDITION digital, Pinnow.
2012 Bäckerbrot und Bergkristall. Nach den Aufzeichnungen von Gisela Pekrul. EDITION digital, Pinnow.
2013 Kneli, das schreckliche Weihnachtsmonster. Kinderbuch. EDITION digital, Pinnow.
2014 Lela Hundertschön, Krokodilkind und der schusslige Zauberer Prax. E-Book, EDITION digital, Pinnow.
2015 Hoffnung, die zweite – Dan und seine Bilder (zusammen mit Aljonna Möckel). EDITION digital, Pinnow.
2015 Eine lästige Leiche, Verlag Bild und Heimat, Berlin.
2018 Gold und Galeeren. Eine ungewöhnliche Lebensgeschichte aus dem mittelalterlichen Frankreich. EDITION digital, Pinnow.
2020 Rebellisches Wissen. Diderots Kampf um die Große Französische Enzyklopädie. EDITION digital, Pinnow.
2020 Möckels gestresste Tiere. EDITION digital, Pinnow.
1962 Paul Eluard: Tod, Liebe, Leben, Reclam Verlag Leipzig. Nachwort, einige Übersetzungen.
1968 Französische Erkundungen. Erzählungen. Verlag Volk und Welt Berlin. Nachwort.
1968 Französische Dramen. Verlag Volk und Welt Berlin.
1971 Jean Cocteau: Prosa, Gedichte, Stücke. Band I und II. Verlag Volk und Welt Berlin. Nachwort, einige Übersetzungen.
1974 Blaise Cendrars: Gold. Erzählungen. Verlag Volk und Welt Berlin. Nachwort.
1974 Vietnamesische Erkundungen. Erzählungen. Verlag Volk und Welt Berlin. Nachwort (zusammen mit Aljonna Möckel).
1976 André Stil: Versehentlich auch Blumen. Erzählungen. Verlag Volk und Welt Berlin.
1980 Ein Verlangen nach Unschuld. Humor und Satire aus Frankreich. Eulenspiegel Verlag Berlin. Nachwort, einige Übersetzungen.
1980 Der Alabastergarten. Phantastische . Erzählungen aus Frankreich, Italien, Spanien. Verlag Das Neue Berlin. Nachwort.
1983 Französische Erzähler aus sieben Jahrzehnten. Erzählungen. Verlag Volk und Welt Berlin, Band I u. II (Zusammen mit Frauke Rother).
1984 Das Zimmer der Träume. Erzählungen aus Frankreich. Verlag Volk und Welt Berlin.
1988 René Char: Gedichte. Verlag Volk und Welt Berlin. Essay und einige Übersetzungen.
2017 Erwin Johannes Bach: Das Wunder von Leningrad. EDITION digital, Pinnow (zusammen mit Aljonna Möckel).
2019 Alphonse Allais. Die Kutsche als Liebesnest und andere Frivolitäten. Erzählungen. Nachwort. EDITION digital, Pinnow.
Außerdem Nachworte und Essays u.a. zu Antoine de Saint-Exupéry, Roger Ikor, Claire Etcherelli, Robert Desnos, Italo Calvino.
Aus dem Französischen:
1975 Bernard B. Dadié: Das Krokodil und der Königsfischer. Legenden. Verlag Volk und Welt Berlin.
1975 Jacques Prévert/Teilübers. in: Ein schöner Wal mit blauen Augen. Verlag Volk und Welt Berlin.
1976 Arthur Rimbaud/Teilübersetzung. in: Arthur Rimbaud: Gedichte. Reclam Verlag Leipzig.
1979 Henry Deluy, Georges l. Godeau, Jean Marcenac in: Franz. Lyrik der Gegenwart. Volk und Welt Berlin.
1981 Marcel Marceau: Bip träumt. Gedichte. Verlag Volk und Welt Berlin.
1985 Robert Desnos /Teilübersetzung. in: Die Quellen der Nacht. Volk und Welt Berlin.
1994 Henri Coulonges: Das verschwundene Gesicht (zusammen mit Aljonna Möckel). Rütten & Loening Berlin.
Aus dem Spanischen
1979 Pablo Neruda: Glanz und Tod des Joaquin Murieta. Drama. Verlag Volk und Welt Berlin.
1983 Jorge Diaz: Glanz und Tod des Pablo Neruda. Drama. Henschelverlag Berlin.
Aus dem Russischen
1983 Jewgeni Jewtuschenko: Mutter und die Neutronenbombe. Poem. Verlag Volk und Welt Berlin (zusammen mit Aljonna Möckel).
1987 Jewgeni Jewtuschenko: Fuku. Poem. Verlag Volk und Welt Berlin (zusammen mit Aljonna Möckel).
Nachdichtungen in verschiedenen Anthologien und Zeitschriften.
1966 veröffentlichte Klaus Möckel in der damals beliebten kap-Reihe (Krimi, Phantastik, Abenteuer) des Verlages Kultur und Fortschritt Berlin die historisch-fantastische Erzählung „Unter dem Banner des weißen Hirsches“, die als E-Book vorliegt:
Satakru, Kaiser der Okirfen und Herrscher über siebenundzwanzig Königreiche, befindet sich auf einem bereits vier Jahre währenden Feldzug, der ihm den endgültigen Triumph über seine letzten Widersacher bringen soll. Seine Macht scheint unbegrenzt, doch Teredschan, sein Statthalter, warnt ihn vor Gefahren aus dem Inneren des Landes. Die Untertanen sind kriegsmüde, zu viel wurde zerstört, Handel und Gewerbe befinden sich im Niedergang. Obgleich nicht überzeugt von diesen Argumenten, beschließt Satakru, eine Wahrsagerin aufzusuchen, die ihm die Zukunft deuten soll. Zu seiner Überraschung trifft er auf eine junge, zugleich kluge wie auch schöne Frau, in die er sich verliebt, obwohl sie ihm nicht die erhoffte Weissagung verkündet.
Die vorliegende Erzählung war eine der ersten Publikationen des Autors. In einer fiktiven Welt spielend, in der die Schwerter aufeinander klirren und der Herrscher seine Größe durch immer neue Eroberungen zu beweisen sucht, bestimmen Macht, Zerstörung und das Aufbegehren dagegen das Geschehen. Die Liebe, so stark sie auch sein mag, vermag den Kaiser nicht von seinem verhängnisvollen Weg abzubringen. Hier ein längerer Ausschnitt vom Beginn der immer noch packend zu lesenden Erzählung:
I. Kapitel
Als sich Satakru, Kaiser der Okirfen und Herrscher über siebenundzwanzig Königreiche, im vierten Jahr auf einem Feldzug befand, den er bis hin zum Flusse Harfu führen wollte, wurde ihm eines Tages die Ankunft Teredschans, seines obersten Statthalters, gemeldet. Satakru, mit militärischen Projekten beschäftigt, zeigte sich überrascht. Ein wichtiger Grund musste vorliegen, wenn sich Teredschan zu ihm bemühte. Waren doch die Wege weit und unsicher, und er, der Kaiser, hatte nicht nach einem Mann verlangt, der ihm zwar im Frieden gute Dienste zu leisten wusste, im Krieg aber kaum zu gebrauchen war. Nichtsdestoweniger ließ er die gelben Feuer anzünden, wie es der Ritus verlangte, und zum Zeichen seiner freudigen Berührtheit mussten fünf der tapfersten Krieger das Banner mit dem weißen Hirsch über seinem Zelt flaggen.
Wolkenlos war der Himmel, als Teredschan, begleitet von fünfzehn Paladinen, im Lager des großen Feldherrn einritt. Am Hügel zum kaiserlichen Zelt standen die Offiziere Spalier, und Satakru kam seinem Untergebenen drei Schritte entgegen.
Dann saßen sie sich im Zelt gegenüber. Satakru war korpulent und groß, ein Mann auf dem Höhepunkt seiner Macht und seiner Kraft, ein Hüne, breit die Schultern und das Gesicht scharf geschnitten. Seine Stirn war hoch und sein Blick durchdringend. Während sonnengelb gekleidete Jungfrauen Jasmintee servierten und Gebäck aus fein gestoßenem Weizen anboten, erkundigte er sich ruhig und mit sorgfältig gewählten Worten nach dem Befinden seiner Gemahlin und der beiden jungen Prinzen.
„Es fehlt ihnen an nichts, es sei denn an der Anwesenheit des Herrn und Vaters“, versicherte der Statthalter, der von dem herzlichen Empfang angenehm berührt war.
„Und Zerina, meine Silberlöwin“, wollte der Herrscher wissen, „wird sie gut versorgt, wie ich es befohlen habe?“
„Sie wird gepflegt, Herr, wie du es angeordnet hast und wie es dem Lieblingstier am Hofe zukommt.“
Teredschan war gleichfalls kräftig, aber kleiner von Statur. Wer ihn von Weitem sah, hätte ihn für einen derben, vierschrötigen Kerl gehalten, für einen linkischen Klotz, den man in seidene Gewänder gesteckt hatte. Wer ihn jedoch näher kennenlernte, merkte schon bald, dass ein solcher Eindruck falsch war. Im Grunde ging von der ganzen Gestalt Ruhe und Besonnenheit aus. Die Stimme des obersten Statthalters war tief und wohlklingend.
Nachdem Satakru die Fragen nach dem Befinden der Familie gestellt und Auskunft auch über die sonstigen Vorgänge am Hof erhalten hatte, schickte er sich an, den eigentlichen Grund des Besuchs von Teredschan zu erkunden. Zwar hätte es die Höflichkeit geboten, den Gast von selbst darauf kommen zu lassen, doch der Kaiser fand, dass man in Zeiten des Krieges die Sitten verändern könne. Er war ungeduldig. Er hatte für den folgenden Tag einen beschwerlichen Marsch geplant, und er wollte das Gespräch nicht über die Maßen in die Länge ziehen. Teredschan, dem man keinerlei Unzufriedenheit über die ungewohnte Eile des Herrschers anmerkte, kam denn auch zur Sache. Er hatte sorgfältig vorbereitet, was er nun mit sicherer Stimme vortrug.
„Herr“, sagte er, und es schien, als wende er sich an eine Gottheit, die unsichtbar, hoch aufgerichtet hinter dem Kaiser stand, „Herr, du fragst, weshalb ich gekommen bin und es wage, Minuten deiner kostbaren Zeit zu rauben. Bescheiden stehe ich vor dir, denn dein Sinn fliegt, einem Adler gleich, deinen Truppen voraus und mag sich nicht bei Kleinigkeiten aufhalten. Dennoch spreche ich zu dir wie der Schatten zum Licht. Herr, vier Jahre schon führst du den Krieg, und das Glück stand dir bisher zur Seite. Dein Reich ist so groß, dass der Regen, die Sonne, der Sturm und die Windstille zu gleicher Zeit Platz darin haben. Berge, Wüsten und Meere gehören dir. Willst du jagen, so kannst du im Norden den weißen Bären, im Süden die Antilope, im Osten den Hirsch und im Westen den ergrauten Steinbock erlegen. Zwölf Flüsse strömen durch deine Länder, und sechsundzwanzig Fürsten haben sich deinem Befehl unterworfen. Deine Macht ist gewaltig, Herr. Du kannst ganze Völker vernichten oder sie dir untertan machen. Gefällt es dir, einen Palast am Ufer des roten Sees oder auf dem Kamm des höchsten Gebirges errichten zu lassen, so werden Zimmerleute und Goldschmiede aus allen Teilen der Erde herbeieilen, um sich vor dir auszuzeichnen. Du bist der Kaiser, du befiehlst.“
„Sprich zur Sache, Teredschan“, unterbrach ihn Satakru, „Du bist nicht gekommen, mir ein Loblied zu singen.“
„Herr“, fuhr der Statthalter fort, und seine Stimme nahm einen entschiedeneren Klang an, „du hast vier Jahre Krieg geführt und viel Erfolg gehabt. Deine Wünsche sind erfüllt, du gehörst heute zu den Mächtigen der Erde. Aber jede Straße, so weit sie auch führen mag, hat einmal ein Ende, und man kann einen Fluss nicht weiter verfolgen denn ans Meer. Meinst du nicht, dass es an der Zeit ist, Frieden zu schließen und nach Hause zurückzukehren? Dein Volk ist des ewigen Kampfes müde.“
Einen Augenblick lang war Stille im Zelt. Satakru, mehr verblüfft als erzürnt über die Wendung, die die Rede des Statthalters nahm, hielt die Stirn gesenkt und die Fäuste auf der Tischplatte zusammengepresst. Der Wind rüttelte schwach an den Zeltverstrebungen, doch das drang nicht ins Bewusstsein der beiden Mächtigen.
„Und worauf begründet sich dein Urteil?“, fragte Satakru schließlich.
„Es wird immer schwerer“, antwortete Teredschan, „Soldaten für dein Heer auszuheben. Längst sind die Zeiten vorbei, da Freiwillige von allen Seiten zu deiner Fahne stießen. Zu viele sind gefallen, und die Weiber können nicht so schnell Krieger heranziehen, wie sie der Kampf verschlingt. Das Land ist von Männern entleert. Wohl wächst da und dort ein Jüngling heran, aber die Mütter verbergen ihn vor unseren Werbern. Und sie tun es nicht nur, um ihn vor dem feindlichen Schwert zu schützen – sie tun es auch, um Haus und Hof vor dem Verfall zu bewahren. Denn die Äcker liegen brach, Herr, und auf den Weinbergen wuchert wild das Unkraut. Das Volk in den Städten aber ist unruhig geworden. Noch halten sich die Gewerbe am Leben, und die Bäcker backen Brot. Doch das Getreide wird bereits knapp, und allerlei lichtscheues Gesindel versucht, sich durch Betrug zu bereichern. Die Getreidehändler klagen darüber, wie schwierig es sei, Korn und Weizen zu beschaffen, und sie fordern immer höhere Summen von den Käufern. Es ist an der Zeit, Herr, die Ordnung wiederherzustellen und die Spekulanten in ihre Grenzen zu verweisen.“
„Und bist du nicht Manns genug, sie selbst zur Ordnung zu rufen“, fragte der Kaiser unmutig, „brauchst du mich dazu?“
„Wie soll ich sie zur Ordnung rufen“, sagte Teredschan demütig, „wenn sie frech behaupten, mit ihren Gewinnen deinen Feldzug zu finanzieren? Einen einzigen von ihnen in den Kerker werfen, hieße eine Herausforderung an alle richten. Würde das aber nicht deinen Plänen zuwiderlaufen?“
Satakru wusste, dass der andere Recht hatte. Seit geraumer Zeit schon flossen die Quellen, die die kaiserliche Kasse füllen sollten, spärlicher, und es waren allein die Großhändler, die Plantagen- und Spielhausbesitzer, die die nötigsten Gelder aufbrachten. Ihre Macht antasten bedeutete, das ganze Unternehmen zu gefährden. Er ging deshalb auf die Frage des anderen nicht ein, sondern sagte ablenkend:
„Hast du den Schwur vergessen, den ich getan habe? Bis zum Flusse Harfu will ich den Feldzug führen, dann soll Frieden sein. Vier Jahre kämpfe ich, manche Scharte gibt es an meinem Schwert, doch seine Schneide ist noch nicht stumpf.“
„Bis zum Flusse Harfu wollte Kim Fle gelangen und Sunos, der drei Jahrhunderte vor der Geburt des Mondes regierte“, ergriff Teredschan mutig von Neuem das Wort. „Zum dritten Mal willst du etwas versuchen, was dem Durchwaten des Grauen Meeres gleichkommt. Bedenke, welche Kraft es kostete, aus den Trümmern, die Kim Fle hinterließ, erneut emporzusteigen.“
Teredschan wollte weiterreden, doch Satakru fuhr ihm zornig ins Wort. Er ließ sich nicht gern die Schwierigkeiten vorhalten, die sein Vorgänger vor dem Volk der Okirfen aufgehäuft hatte. Wenn er den Statthalter auf diese Art sprechen hörte, wurde er immer daran erinnert, dass er in ihm einen Mann bäuerlicher Herkunft vor sich hatte. Er stammt von Bauern ab und denkt wie ein Bauer, sagte er sich.
„Überlege dir, was du redest“, griff er den anderen an.
„Es steht dir nicht zu, das Erbe Kim Fles und des gewaltigen Herrschers Sunos herabzusetzen. Ich will mir deine Gedanken durch den Kopf gehen lassen und über die Lage im Land nachdenken. Aber meinen Feldzug muss ich zu Ende führen, damit das Reich der Okirfen endlich für ewig gesichert sei. Noch hat die Sonne nicht gesehen, dass Satakru aus dem Sattel stieg, ehe die Schlacht gewonnen war. Ich werde die Fahne mit dem weißen Hirsch bis zum Flusse Harfu tragen, und das Volk wird über den Kleinmut lachen, den du und andere in schwieriger Situation zur Schau tragen. Jetzt nimm deine Paladine, reite nach Hause und gehe deinen Pflichten nach!“
Und zum Zeichen, dass das Gespräch beendet sei, erhob sich Satakru und ging schnellen Schritts zum Ausgang des Zeltes.
1973 erschien im Verlag Neues Leben Berlin „Ohne Lizenz des Königs“, ein historischer Roman, der als „Heiße Ware unterm Lilienbanner“ als E-Book seit 2012 bei Edition digital vorliegt:
Frankreich Mitte des 18. Jahrhunderts. Antoine Brac, jung und mittellos, kommt nach Paris, um sein Glück zu suchen. Er findet eine Stadt voll überschäumenden Lebens vor, in der aber auch Halsabschneider und Spitzbuben aller Art Hochkonjunktur haben. Mutig stürzt er sich ins Getümmel, steht jedoch schon bald ohne jeden Sou da, gerät sogar unschuldig ins Gefängnis. Nachdem ihm eine zwielichtige Geliebte zur Freiheit verholfen hat, ergreift Antoine die Chance, in die Dienste eines Verlegers zu treten und Schriften unters Volk zu bringen, für die es keine Lizenz des Königs gibt. Eine Tätigkeit, die ihn auf die Galeere oder an den Galgen bringen kann. Die Handlung des Buches ist erfunden, das historische Kolorit und die Verhaltensweisen jener Zeit indes sind detailgetreu nachgestaltet. Der Romanist und Schriftsteller Klaus Möckel legt mit diesem abenteuerlichen Roman ein kenntnisreiches Werk vor, in dem es um Liebe, Macht und Intrige geht, das aber zugleich ein noch wenig bekanntes Element der Zeit Ludwig XV. beleuchtet: die gefährliche Arbeit der illegalen Buchverkäufer.
„Möckel versteht es … die Probleme … in eine spannende, atemberaubende Handlung zu verweben. Von französischen Schriftstellern hat er die Kunst des flotten und pointierten Erzählens übernommen. Es gelingt ihm, seine Gestalten so ans Herz zu schreiben, dass sie nach Beendigung der Lektüre noch eine Zeitlang in uns weiterleben“, urteilte nach Erscheinen des Buches zum Beispiel der „Jugendschriftenausschuss Hannover im Gesamtverband Niedersächsischer Lehrer“. Und so fand das abenteuerliche Buch, das schnell in mehreren Zeitschriften nachgedruckt wurde, große Verbreitung. Im folgenden Ausschnitt begleiten wir Antoine Brac bei der Suche nach Arbeit, Geld und Quartier:
Drei Tage lang marschierte der junge Mann in diesem Anzug quer durch Paris, vom Val-de-Grace bis zur Porte-Montmartre, von der Salpétrière bis zum Champ-de-Mars. Er war auf der Suche nach Arbeit und nach einem billigen Quartier. Er unterhielt sich mit den Krämern vom Pont-Neuf, freundete sich mit den Lakaien der Rue Sant-Antoine an, spazierte in den Gärten des Palais-Royal auf und ab, immer darauf bedacht, mit einem der hier promenierenden reichen Stutzer ins Gespräch zu kommen. Am vierten Tag hatte er Glück. Er fand eine Unterkunft in einem kleinen, mit einem Rundgiebel versehenen Haus mitten auf den Seine-Inseln. Eine Kammer unterm Dach, weiß getüncht, eng: ein Korbstuhl, als würde er aus der Zeit Richelieus stammen, ein wackliger Schrank, ein wurmstichiger Tisch, eine Decke aus abgewetztem Camelot über einem Bündel Stroh. Aber das Zimmer besaß ein winziges Fenster auf den Fluss hinaus, und die Vermieterin, eine noch junge Glasersfrau, gab sich mit einer Vorauszahlung für eine Woche zufrieden. An einem Dienstagmittag zog Antoine in sein neues Domizil ein. Er war fast ausgesöhnt mit seinem Schicksal, warf sich angezogen auf die Strohschütte und blieb bis zum Abend dort liegen. Dann erhob er sich und trat ans Fenster. Unter ihm dehnte sich Paris oder zumindest dessen größter Teil, durch die Seine in zwei Hälften zerschnitten, wie eine Torte. Gewundene, eng zusammengedrückte, dunkle Gassen und breite, gerade, weit nach Süden, Westen oder Norden führende Straßen. Die Kirchtürme und Adelspaläste bildeten das Zuckerwerk auf diesem Gebäck, die Parks und Klostergärten die Cremetupfen. Eine besondere Kostbarkeit war das Palais-du-Parlement, dass sich mit seinem Schmuckstück, der Sainte-Chapelle, direkt vor seinen Augen befand. Den Blick auf den spitzen Turm dieser berühmten gotischen Kirche gerichtet, die im 13. Jahrhundert unter Ludwig dem Heiligen erbaut worden war und die Dornenkrone sowie Teile des echten Kreuzes Christi beherbergen sollte, dachte Antoine, dass er sein Leben jetzt ganz neu gestalten werde. Du hast das Abenteuer in der Hauptstadt schlecht begonnen, mein Lieber, sagte er sich, aber das hat nichts zu bedeuten. Du hast in vier Tagen Erfahrungen für ein Jahr gesammelt. Du hast Prügel bezogen, bist deinen Stock und deine Kleider losgeworden, doch du stehst hier, und dir liegt die Stadt zu Füßen. Du verfügst über einen eigenen Palast, besitzt genügend Sols, um dich an Brot, Käse sowie ab und zu an einer billigen Pinte Wein zu mästen. Du hast dir bereits Paris angesehen und drei oder vier Leute kennengelernt, die keine Schufte sind. Selber arme Schlucker, wollen sie dir dennoch weiterhelfen. Du wirst deinen Weg machen, Antoine, es gibt keinen Zweifel daran. Und nach diesen Überlegungen wünschte er sich selbst eine gute Nacht.
Am anderen Morgen machte er sich frisch und ausgeschlafen zum rechten Seine-Ufer auf. Er interessierte sich aber ebenso wenig für die Kramläden und Goldschmiedewerkstätten auf dem Pont-au-Change wie für die Befestigungsarbeiten, die gerade an den Quais ausgeführt wurden, eilte vielmehr schnurstracks in die Rue Saint-Paul, wo ihm eine Adresse empfohlen worden war. Jemand hatte ihm zugeflüstert, dass Monsieur Turcat, ein Spezereienhändler, die Stelle eines Schreibers zu vergeben habe. Dieser Turcat sei ein Mensch mit literarischen Ambitionen. Er suche einen gebildeten Mann, der sich auf seine Arbeit einstellen könne. Da kommst du gerade recht, dachte Antoine Brac, dein Gänsekiel wird gewiss schneller über das Papier fliegen als seine Gedanken durch die Landschaft der Fantasie. Und er stellte sich einen dicken Bürger vor, der in den Künstlersalons verkehrte, und die runden Summen, die ihm seine Geschäfte mit den Gewürzen einbrachten, an notleidende junge Leute weitergab.
Es war ein hohes Haus aus der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts mit großen, geschwungenen Fenstern und festen Türen, und Antoine war nur etwas enttäuscht, als ihn ein magerer, schüchterner Diener einließ, der eine schon ziemlich verblichene Livree trug. „Monsieur Turcat ist beim Frühstück, er bittet die Herren, im Vorzimmer zu warten.“ Antoine wollte erklären, dass er ganz allein komme, aber da ging hinter ihm die Tür auf, und ein zweiter junger Mann trat ein. Ganz augenscheinlich hatte sich herumgesprochen, dass hier eine Stelle zu vergeben war. Als sie in den Vorraum kamen, saßen da bereits vier oder fünf zum Teil dubiose Gestalten. Ein eichenholzgetäfeltes Zimmer, das aber bis auf zwei rot gepolsterte Bänke entlang der Wände völlig leer war. „Seit einer Stunde frühstückt er nun schon“, flüsterte einer der Anwesenden, als sich Antoine vorsichtig auf den blumengemusterten Plüschbezug setzte.
Der Bedienstete verschwand, und im Raum breitete sich unangenehme Stille aus. Die Männer, die hier zusammengekommen waren, um eine Arbeit zu ergattern, sahen einander abschätzend an, wogen ihre Chancen gegenüber den Konkurrenten ab. Das sieht trübe aus, dachte Antoine, denn er musste damit rechnen, erst an sechster Stelle vorgelassen zu werden. Wenigstens zwei der vor dir wartenden Bewerber machen mit ihren solide geschneiderten Kleidern, mit den Mienen, die sie zur Schau tragen, den Eindruck, als hätten sie die Sorbonne absolviert oder zumindest fünf Jahre lang die besten Jesuitenkollegs besucht. Die beherrschen sicherlich ihre fünf Fremdsprachen, sind bewandert im kanonischen Recht, wissen über die neuesten mathematischen und physikalischen Gesetze Bescheid, kennen sich in der Religion aus, in den schönen Künsten und der Philosophie. Und du, der du dein Latein mit Vaters Gänsen geübt hast, deinen Leibniz beim Verkauf von Schafskäse erprobt, deinen Descartes – cogito ergo sum (Ich denke, also bin ich.) – bei der Weinernte studiert hast – wie sollst du da mithalten? Er dachte über seine Lage nach und rutschte unruhig auf seinem Platz hin und her. Wenn du eine Chance haben willst, musst du erreichen, dass dieser schmalhüftige Lakai ein gutes Wort für dich einlegt, sagte er sich und stand auf. Unlautere Mittel waren ihm verhasst, doch tröstete er sich damit, dass ihm Paris bisher auch nicht gerade lauter entgegengekommen war. Wenn du dir hilfst, schadest du nur einem Einzigen, überlegte er, und dem fällt es gewiss leichter als dir, einen Ersatz zu finden. Er verließ den Raum und trat auf den Korridor hinaus. Aber erst als er erneut dem Diener gegenüberstand, der plötzlich hinter einer zweiten Tür hervorgeschossen kam, fiel ihm ein, dass er ja gar nicht wusste, wie er sein Anliegen vortragen sollte. So starrten sie sich an, jeder überrascht durch das Auftauchen des anderen, und erst nach einigen Sekunden peinlichen Schweigens stotterte Antoine Brac ohne jede Einleitung: „Hör zu, mein Lieber, da wir uns schon so unvermutet treffen … könntest du nicht deiner Zunge einen Wink geben, dass sie bei deinem Herrn ein gutes Wort für mich einlegt? Ich bin ganz bestimmt der geeignetste Mann für das Pöstchen.“
Der Bedienstete schaute den sonderbaren Bittsteller keineswegs verwundert an – er war solche Vorschläge anscheinend gewöhnt. „Ich könnte es vielleicht“, warf er lässig hin und machte überhaupt nicht mehr den verschüchterten Eindruck von vorhin. „Aber da wir schon von meiner Zunge reden. Sie folgt meinem Wink nur, wenn sie ein paar Silberstücke klimpern hört.“
Antoine lachte etwas gezwungen. „Eine anspruchsvolle Zunge“, sagte er, „dumm ist sie gewiss nicht. Sie hat nur das Pech, dass mir zurzeit alle Silberstücke aus den Taschen gesprungen sind. Ohne mich zu fragen. Bekäme ich dagegen das Pöstchen, würden gewiss einige von ihnen zu mir zurückkehren. Auf den ersten Wochenlohn sollte mir's nicht ankommen.“
Für den jungen Mann war das ein großes Opfer, aber der spillerige Diener schien von dem Angebot keineswegs beeindruckt. Er blies im Gegenteil verächtlich die Backen auf. „Einen Wochenlohn? Weniger hast du wohl nicht zu bieten? Da drin sind drei Kerle, die reißen sich darum, mir ihr erstes Monatsgehalt in die Tasche zu stecken. Und alle sind sie bereit, noch heute zwei Silbertaler anzuzahlen, wenn es klappt.“
Mit diesen Worten ließ er Antoine stehen und strebte eilig den Korridor hinunter.
Der junge Mann sah ihm wütend hinterher. Deine Zunge soll dir im Halse stecken bleiben, die Taler sollen sich in deinen Taschen zu Hundedreck verwandeln, dachte er. Er wollte die Sache schon aufgeben und sich das Haus von draußen ansehen, da kam ihm der Zufall zu Hilfe. Urplötzlich nämlich flog die Tür, durch die der Lakai gekommen war, erneut auf, und ein Mann, Ende der Fünfzig, stürzte heraus. Er war groß und nicht allzu dick; er trug lediglich ein langes weißes Nachthemd, einen dunkelgrünen, seidenen Morgenrock darüber, ein Paar Pantoffeln von gleicher Farbe an den nackten Füßen und eine langlockige, weiß bestäubte Perücke. Als er Antoine bemerkte, blieb er erstaunt stehen, streckte dann aber mit theatralischer Geste den rechten Arm vor und schrie mit lauter Stimme: „Bist du es, Grieche, der von meinen goldenen Tellern speisen will? Tritt ein und sei dem König Kroisos willkommen!“
Antoine war von dieser Begrüßung überrascht, da er es jedoch einerseits gewohnt war, herzlichen Worten herzlich zu entgegnen, andererseits nichts mehr zu verlieren hatte, erwiderte er nach einigem Überlegen: „Dies Angebot ist voller Größe, Majestät. Ich komm aus fernem Land und akzeptier es gerne.“
Es war ein Satz, den er gewissermaßen aus dem Ärmel geschüttelt hatte und über den er sich selbst wunderte. Vielleicht ebenso sehr wie der andere, der seine Verblüffung ein zweites Mal zeigte. Er vergaß den Arm herunterzunehmen, kugelte die Augen aus den Höhlen und wiederholte: „Dies Angebot ist voller Größe, Majestät … dies Angebot ist voller Große, Majestät …“ Dann aber raffte er sich zusammen, packte den jungen Mann beim Rockärmel und zog ihn hinter sich her in einen riesigen Salon. „Was du da eben von dir gabst, Bursche“, sagte er mit vor Erregung bebender Stimme, „von wem stammt es?“ Hast du es Äschylos gestohlen, Euripides, Racine oder Corneille? Gehört es etwa gar in das Werk eines dieser Nichtskönner, dieser Crébillon oder Voltaire? 'Dies Angebot ist voller Größe, Majestät'. Nein, das kann nicht sein. Wo also hast du es her?“
Antoine versuchte sich von seinem Griff loszumachen. Er sah keinen Grund für diesen Gefühlsausbruch, hielt den Mann im Morgenrock für nicht ganz bei Troste, sagte sich aber, dass es das Beste sei, auf seinen Ton einzugehen. „Nicht von Äschylos, Euripides, Racine oder Corneille, nicht von Crébillon oder Voltaire“, gab er so bescheiden wie möglich zur Antwort. „Wenn Sie so wollen, Monsieur, ist es eher von mir. Eure wohlklingende Begrüßung hat mir diese Worte hervorgelockt.“
Der Mann im grünen Schlafrock strahlte wie ein geputzter Zinnteller. „Weder von Äschylos noch von Racine, weder von Crébillon noch von Voltaire“, wiederholte er, „sondern durch meine wohlklingende Begrüßung.“ Er packte Antoine noch fester und sagte beschwörend: „Und du belügst mich nicht?“
„Nein, Monsieur, aber zerreißen Sie mir bitte nicht das Hemd, Monsieur.“
„Das Hemd“, schrie der Mann im grünen Schlafrock, „was soll das Hemd bei diesem literarischen Disput? Ich zerreiße dein Hemd und gebe dir dafür zwei, drei, fünf neue! Nicht um Hemden geht es, sondern um ein Kunstwerk. Denn diese Worte, sie fehlten mir noch für den ersten Akt meiner Tragödie. 'Dies Angebot ist voller Größe, Majestät. Ich komm', wie ging es weiter?“
„Ich komm aus fernem Land und akzeptier es gerne.“