Beihilfe zum Völkermord - Jürgen Gottschlich - E-Book

Beihilfe zum Völkermord E-Book

Jürgen Gottschlich

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Beschreibung

Deutschland strebte mit dem Ersten Weltkrieg die Vorherrschaft im Orient an und zog dazu seinen Bündnispartner Osmanisches Reich in den Krieg hinein. Dessen Armee wurde von deutschen Militärs geleitet, die alle Armenier im Land als Spione und Verräter ansahen, da diese angeblich mit dem russischen Feind kollaborierten. Aus der eingeleiteten Umsiedlung der armenischen Bevölkerung in Richtung syrische Wüste wurde von türkischer Seite schnell ein Völkermord. Ihm fielen mehr als eine Million Menschen zum Opfer, was die deutsche Regierung als »hart, aber nützlich« akzeptierte. Bedenken von Diplomaten und Kirchenvertretern wurden beiseite gewischt.
Jürgen Gottschlich ist an die Orte der damaligen Ereignisse gereist, hat Nachkommen der betroffenen Familien befragt sowie deutsche und türkische Archive durchforscht. Entstanden ist eine spannende historische Reportage, die die ganze Dimension der deutschen Verstrickung in den Genozid offenlegt und die Auseinandersetzungen um dieses umstrittene Geschehen bis in die Gegenwart verfolgt.

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Jürgen Gottschlich

Jürgen Gottschlich

Beihilfe zum Völkermord

Deutschlands Rolle bei der Vernichtung der Armenier

Die Recherchen zu diesem Buch wurden unterstützt von der Heinrich-Böll-Stiftung.

Editorische Notiz In den historischen Dokumenten wurde die alte Rechtschreibung beibehalten, offensichtliche Tippfehler sind allerdings stillschweigend korrigiert worden.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überwww.dnb.de abrufbar.

1. Auflage, März 2015 (entspricht der 1. Druckauflage von Februar 2015) © Christoph Links Verlag GmbH Schönhauser Allee 36, 10435 Berlin, Tel.: (030) 44 02 32-0www.christoph-links-verlag.de; [email protected] Umschlaggestaltung unter Verwendung eines Fotos von Kathryn Cook aus den ehemaligen Armeniergebieten in der heutigen Türkei, 2014

Inhaltsverzeichnis

Titel

Impressum

Vorwort

»Die stinkenden schwarzbärtigen Halbwilden«

Wie sich der deutsche Offizier Eberhard Graf Wolffskeel von Reichenberg im Kampf gegen die Armenier bewährt

Der Entdecker, der Kriegstreiber, der Weltmachtstratege und der Eisenbahnbaron

Wie der Traum vom deutschen Orient langsam Gestalt annimmt – Archäologen, Militärs und Bahnbauingenieure erschließen das Osmanische Reich

Die Clique von Neubabelsberg und die Freundschaft mit Enver Pascha

Die Protagonisten des Völkermordes lernen sich kennen

Geheimoperation »Goeben« und »Breslau«

Wie Deutschland die Türkei in den Krieg manövriert

Die osmanische Dolchstoßlegende

Wie deutsche Offiziere die Deportation der armenischen Bevölkerung mitverantworten

»Bösartigen Aktivitäten der Armenier ist vorzubeugen«

Die Spuren deutscher Offiziere in türkischen Archiven

»Nicht in den Arm fallen«

Wie der deutsche Botschafter die Deportationen gutheißt und politisch absichert

»Hart, aber nützlich«

Die Deutschen akzeptieren, dass aus den Deportationen ein Völkermord wird

Fakten und Zahlen zu den Deportationen

»Und wenn alle Armenier dabei zugrunde gehen …«

Der vergebliche Versuch, die Vernichtung der Armenier im Osmanischen Reich zu stoppen

Eine Herrenpartie

Der Völkermord wird als orientalische Unzivilisiertheit betrachtet

Die Vertuschung danach

Die Hauptverantwortlichen für den Völkermord fliehen nach Deutschland

»Wir bedauern die unrühmliche Rolle des Deutschen Reiches«

Aktivitäten der deutschen und der türkischen Zivilgesellschaft verändern die Sicht auf die Dinge

Anhang

Dokumente

Deutsch-türkischer Bündnisvertrag vom 2. August 1914

Notverordnung zur Deportation der Armenier im Osmanischen Reich vom 1. Juni 1915

Botschaft des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zu den Ereignissen von 1915, 23. April 2014

Anmerkungen

Literaturverzeichnis

Abbildungsnachweis

Erläuterungen zur Quellenlage

Dank

Geografisches Register

Personenregister

Vorwort

Den Namen Hans Humann hörte ich in der Türkei das erste Mal während eines Gespräches kurz nach dem Mord an dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink 2007. Dieser hatte eine in der Türkei bis dahin nie da gewesene Protestwelle gegen die Leugnung des Völkermordes an den Armeniern im Osmanischen Reich ausgelöst. Wir saßen in einem Café in einer der neuen, mondänen Shoppingmalls. Mein Gesprächspartner war ein bekannter Journalist, der länger in Deutschland gearbeitet hatte. »Wenn es denn ein Völkermord war, was ich nicht glaube«, sagte er, »dann sind doch die Deutschen diejenigen, die den größten Anteil daran haben. Schließlich waren es die Deutschen, die die Deportationen vorgeschlagen und organisiert hatten. Immerhin war der engste Berater von Kriegsminister Enver Pascha damals der deutsche Marineattaché Hans Humann. Und der Generalstabschef des türkischen Heeres war ebenfalls ein Deutscher: General Bronsart von Schellendorf.«

In den folgenden Monaten und Jahren sollte ich noch häufiger hören, man solle in Deutschland doch nicht ständig auf dem Vorwurf herumreiten, die Türkei leugne einen Völkermord an den Armeniern, sondern sich lieber erst einmal mit der eigenen Rolle während des Ersten Weltkrieges befassen.Was mir zunächst wie eine billige Retourkutsche türkischer Nationalisten vorkam, gewann für mich mehr Gewicht, als auch türkische Armenier die Meinung äußerten, gerade die Deutschen trügen ein gerüttelt Maß an Schuld am Massenmord an den Armeniern im Osmanischen Reich. Doch wieso gerade die Deutschen?

Im Gedächtnis der meisten Deutschen beginnen die deutsch-türkischen Beziehungen mit den ersten türkischen Migranten, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts als sogenannte Gastarbeiter in die Bundesrepublik einwanderten. Doch das ist weit gefehlt. Am Ende des 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Beziehungen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und dem Osmanischen Reich so eng, wie man es sich heute kaum noch vorstellen kann. Die Zäsur des Zweiten Weltkrieges mit der Stunde null danach hat die Erinnerung an den Ersten Weltkrieg weitgehend verdrängt. Das mag sich inzwischen etwas verändert haben, doch dass neben Österreich die Türkei im Ersten Weltkrieg der wichtigste Verbündete des Deutschen Kaiserreiches war, ist immer noch so etwas wie ein Insidertipp.

Da die Türkei im Zweiten Weltkrieg neutral blieb, ist am Bosporus dagegen der Große Krieg zu Beginn des 20. Jahrhunderts nach wie vor der wichtigste historische Bezugspunkt. Viele Türken wissen von der damaligen »deutsch-türkischen Waffenbrüderschaft«. Lange überwog dabei im Rückblick der sentimentale Aspekt, doch heute sind die meisten türkischen Historiker der Meinung, die Beteiligung am Krieg an der Seite Deutschlands sei ein großer Fehler gewesen, habe dies letztlich doch mit dazu geführt, dem Osmanischen Reich den Todesstoß zu versetzen.

Als ich 1998 als Korrespondent der tageszeitung (taz) nach Istanbul kam, hatte ich in der Frage des Völkermordes an den Armeniern eine klare Meinung: Die Armenier waren während des Ersten Weltkrieges die Opfer eines brutalen Menschheitsverbrechens geworden, für das der damalige türkische Staat verantwortlich war. Ich war in Jerewan gewesen, hatte das Völkermorddenkmal vor den Toren der armenischen Hauptstadt besucht und die Empörung vieler Armenier erlebt, dass die offizielle Türkei sich bis heute weigert, diesen Völkermord anzuerkennen.

Umso überraschter war ich, als ich in der Türkei mitbekam, dass auch viele Freunde, engagierte Linke und Alternative, die mit großem persönlichen Risiko für eine Demokratisierung der Türkei kämpften, sich dagegen wehrten, die damaligen Ereignisse als Völkermord zu klassifizieren. Ich lernte viel über den geschichtlichen Zusammenhang, in dem die »Große Katastrophe« stattfand, und über die Schwierigkeiten einer Gesellschaft, sich mit den dunkelsten Kapiteln ihrer Vergangenheit offen auseinanderzusetzen.

Je mehr ich hörte, umso mehr begann ich zu begreifen, dass ich als Deutscher in dieser Debatte kein neutraler Beobachter von außen sein konnte. Obwohl ich damals wie heute davon überzeugt bin, dass die Berichte, und dabei vor allem auch die Berichte deutscher Diplomaten, keinen Zweifel daran lassen, dass 1915/16 im Osmanischen Reich ein Völkermord an den Armeniern stattfand, bei dem mehr als eine Million Menschen umgebracht wurden, wollte ich dann doch genauer wissen: Was passierte wie, wann und aus welchem Grund, und welche Rolle spielte Deutschland dabei? Wer waren Hans Humann und Friedrich Bronsart von Schellendorf, was hatten deutsche Soldaten und deutsche Diplomaten mit dem Völkermord zu tun?

Warum überhaupt sollte Deutschland Massenmorde an einem kleinen kaukasischen Volk vorgeschlagen haben, mit dem es doch nichts zu tun hatte?

Die Antworten auf diese Fragen sind nicht leicht zu finden. Zeitzeugen gibt es nach hundert Jahren nicht mehr; Auskunft können deshalb nur staatliche Archive und die schriftlichen Nachlässe damals beteiligter Personen geben.

Bislang sind nur sehr wenige deutsche Historiker der Frage nach der deutschen Schuld beim Völkermord an den Armeniern nachgegangen. Die umfangreichsten Arbeiten dazu haben in den 1990er Jahren ein Schweizer und ein US-amerikanischer Historiker armenischer Herkunft vorgelegt. In Deutschland war es vor allem ein Journalistenkollege, Wolfgang Gust, ein früherer Spiegel-Redakteur, der sich mit dem Thema eingehend befasst hat und 2005 gemeinsam mit seiner Frau Sigrid auf knapp 700 Seiten die Dokumente des deutschen Auswärtigen Amtes zur Armenierfrage publizierte, in denen sich auch Spuren der deutschen Verantwortung finden lassen.

Doch so verdienstvoll die Arbeit von Gust ist, es blieben viele Fragen offen. Das hat zum einen mit der Quellenlage zu tun. Die von Wolfgang Gust herausgegebenen Dokumente stammen aus dem Auswärtigen Amt. Aber was ist mit dem deutschen Militär? Ein Teil der Militärakten aus dem Ersten Weltkrieg ging im Bombenhagel des Zweiten Weltkrieges in Flammen auf. Was noch da ist, lagert im Militärarchiv in Freiburg und teilweise in München.

Doch die Frage lässt sich nicht nur in deutschen Archiven beantworten. Welche Erinnerungen gibt es an den Orten der damaligen Verbrechen in der Türkei? Was verbirgt sich dazu in türkischen Archiven, und wie kann man diese einsehen? Nachdem ich mich entschlossen hatte, mich intensiver mit der deutschen Rolle im damaligen Osmanischen Reich zu befassen, reiste ich zu den Schauplätzen der Tragödie und verbrachte viel Zeit in diversen Archiven und Lesesälen in Istanbul und Ankara.

Dabei wurde nach und nach klar, dass die Gruppe von Politikern, Wirtschaftsleuten, Publizisten, Diplomaten und Militärs, die vor und während des Ersten Weltkrieges die deutsche Türkeipolitik steuerten, relativ klein war. Vor allem während des Krieges verengte sich die Gruppe der Entscheidungsträger noch einmal auf gut ein Dutzend Männer – Frauen waren dabei nicht vertreten – aus Diplomatie und Militär. Diese Männer trafen ihre Entscheidungen jedoch nicht autonom, sondern in enger Absprache mit dem damaligen deutschen Reichskanzler, dem jeweiligen Chef des deutschen Generalstabes und letztlich mit Zustimmung des Kaisers.

Eine der zentralen Figuren auf deutscher Seite war tatsächlich der damalige Marineattaché Hans Humann, der Sohn des berühmten deutschen Archäologen Carl Humann, der Ende des 19. Jahrhunderts an der türkischen Ägäisküste den Pergamonaltar wiederentdeckt und nach Berlin gebracht hatte. Von Hans Humann stammt die verstörende Feststellung, der Massenmord an den Armeniern sei »hart, aber nützlich« gewesen. Warum Humann und andere deutsche Militärs, Diplomaten und Politiker den Massenmord an den Armeniern unterstützten, guthießen oder doch zumindest billigend in Kauf nahmen und damit Beihilfe zu einem Völkermord leisteten, davon handelt dieses Buch.

Es ist damit nicht zuletzt auch ein Rückblick auf das deutsche Verlangen nach einem »Platz an der Sonne«, das Streben Deutschlands, mit allen, auch den verwerflichsten Mitteln, eine Großbritannien ebenbürtige Weltmacht zu werden. Für dieses Ziel wurde im Orient Krieg geführt, und für dieses Ziel ließen die deutschen Verantwortlichen das Morden an den Armeniern nicht nur passiv geschehen, sondern sie deckten es, nahmen die Mörder in Schutz und machten durch die Unterstützung ihrer türkischen Verbündeten den Völkermord letztlich erst möglich.

Nicht nur die Türkei, auch Deutschland hat noch Nachholbedarf bei der Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels der Geschichte.

Europa vor dem Ersten Weltkrieg 1914

»Die stinkenden schwarzbärtigen Halbwilden«

Wie sich der deutsche Offizier Eberhard Graf Wolffskeel von Reichenberg im Kampf gegen die Armenier bewährt

Der Mann ist nervös. Unruhig rutscht er hinter dem Steuer des klapprigen Golfs hin und her und kaut unentwegt auf seiner Unterlippe. Dabei ist die Schotterstraße, auf der der Wagen sich dahinquält, nicht dazu angetan, die Lippen zwischen die Zähne zu nehmen. Die Schlaglöcher rütteln das Auto heftig durch, es ist also Vorsicht geboten mit allem, was einem zwischen die Zähne kommt.

Doch Ahmed, so heißt der junge Mann am Steuer, denkt offenbar weniger an die Gefahren der Schotterpiste als vielmehr an das Ziel der Reise. »Warum Süleymanli«, möchte er gern wissen. »Da gibt es doch nichts zu sehen.«

Unser Ziel ist ein abseits gelegenes Bergdorf im Südosten der Türkei. Der Name der Häuseransammlung, die nach einer halben Stunde Fahrt am Berghang auftaucht, Süleymanli, ist ein neuer Name, den kaum einer kennt. Früher hieß der Ort Zeitun, und Zeitun hat in der Türkei einen dunklen, unheilvollen Klang. Offenbar bis heute, wie ich schon früher an diesem Tag erleben konnte.

Auf dem Busbahnhof in Kahramanmaras wurde ich nach der Frage, wo denn der Minibus nach Süleymanli abfahre, misstrauisch gemustert. Erst nach mehreren vergeblichen Anläufen fand sich ein Platzanweiser, der auf einen entfernteren Bahnsteig deutete und unwillig murmelte: »Ja, ja, dort geht der Bus nach Süleymanli, es dauert aber noch ein wenig.«

Wie üblich fuhr der Minibus nicht nach Plan, sondern der Fahrer wartete einfach, bis er voll war. Auch wenn man von Istanbul im Verkehr einiges gewohnt ist, staunt man immer wieder darüber, was in der tiefen Provinz unter einem vollen Bus verstanden wird. Als wir endlich losfuhren, stapelten sich die Leute förmlich – nicht nur auf den Sitzen, sondern auch auf jedem freien Flecken im Gang.

Es war ein wolkenverhangener, regnerischer Tag im Februar. Mühsam quälte sich der überladene Minibus Kilometer um Kilometer immer weiter hinauf in die Berge. Die Sicht war schlecht und durch die verdreckten Scheiben noch weiter eingeschränkt. Als wir dann nach gut zwei Stunden am Endhaltepunkt anlangten, hielten wir auf einem von hässlichen Ferienapartments umstellten Platz, der ganz und gar nicht nach dem historischen Süleymanli / Zeitun aussah.

Wir sind auch nicht in Süleymanli, sondern in Ilica, einem expandierenden Ferienort, in den die Bewohner von Kahramanmaras oder Gaziantep im Sommer vor der Hitze der Ebene fliehen. Wie die meisten Ferienorte außerhalb der Saison macht auch Ilica einen ziemlich trostlosen Eindruck: fast alle Häuser leer, die meisten Cafés geschlossen und wenig Betrieb auf der Straße. »Süleymanli, na ja, das ist noch ein paar Kilometer weiter rauf in die Berge. Bis dahin fährt der Bus aber nicht«, meint der Fahrer mit der Verwunderung des Ortskundigen über den Fremden. »Da ist doch der Weg viel zu schlecht.« »Gibt es ein Taxi?« »Taxi, nein, aber vielleicht einen Bekannten mit einem Auto, der sich ein paar Lira verdienen will.«

Der Fahrer winkt einen Mann herbei, der sich erst einmal nach dem Woher und Wohin erkundigt, dann aber bereit scheint, ein Auto zu besorgen. Doch statt zu seinem Auto gehen wir in einen Laden, dessen Fensterfront mit alten Zeitungen zugeklebt ist. Dahinter verbirgt sich eine Metzgerei. Um einen langen Tisch, auf dem in der Saison wahrscheinlich Lämmer und Schafe zerlegt werden, hocken zehn Männer und trinken Tee. Ein zahnloser Alter erzählt, er sei aus Süleymanli. »Willst du wirklich dahin?«

Während der alte Mann abfällige Bemerkungen über den angeblichen Ort seiner Herkunft vor sich hin murmelt, telefoniert der Gastgeber offenbar mit einem Offiziellen. »Jawohl, Kommandant«, sagt er, »ein Fremder aus Istanbul, aber eigentlich aus Almanya. Will nach Süleymanli.« Es bleibt unklar, was der Kommandant am anderen Ende der Leitung sagt, aber offenbar kann er keine Bedrohung für die nationale Sicherheit erkennen. »Tamam«, sagt der Gastgeber nur noch und grinst etwas verlegen, als er merkt, dass ihn alle anschauen. »Her sey yolunda«, also alles okay.

Wir hocken trotzdem noch weiterhin in der Metzgerei herum, bis endlich ein junger Mann hereinkommt, der sich als Ahmed vorstellt und dann einen Autoschlüssel in die Hand gedrückt bekommt. Es ist der Schlüssel zu dem klapprigen Golf, mit dem wir dann aufbrechen. Ahmed kommt aus einem Dorf ganz in der Nähe von Süleymanli. Sein Vater züchtet Schafe, er hilft dabei, aber im Winter ist nicht viel zu tun. Er hockt deshalb meistens in Ilica und schlägt dort mit anderen jungen Männern die Zeit tot. Das sei immer noch besser, als im Dorf darauf zu warten, dass der Frühling kommt.

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