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Roland Zingerle

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Beschreibung

Während der Vorbereitungen zur Fußball-Europameisterschaft 2008 ist in Klagenfurt die Aufregung groß: zwei Stadträte verschwinden, die Kaufmannschaft probt den Aufstand und eine neue Stadtpartei mit unbekannten Gesichtern nützt die Gunst der Stunde zum Wählerfang. Eine Zeugenaussage führt zu dem Verdacht, die verschwundenen Politiker seien einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen und ihre Leichen im Neuen Platz einbetoniert worden, welcher extra für die EM renoviert wird. Bei seinen Ermittlungen gerät Chefinspektor Leopold Ogris in einen Sumpf aus Korruption und Freunderlwirtschaft, während Hubert Pogatschnig einen schlimmen, sehr schlimmen Verdacht hegt. Zur Serie: Über die Einhaltung von Gesetzen wacht die Polizei – aber nicht nur! In Klagenfurt am Wörthersee haben sich Hubert Pogatschnig (zunächst Großhandelsvertreter, später Bierführer) und Ludwig Melischnig (Bierführer-Assistent) die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als "Zwei für die Gerechtigkeit" gefeiert und von der Kripo unter dem Kommando von Leopold Ogris als "Deppen-Duo" verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in Gaststätten oder Gewerbebetrieben, Vereinen oder Nachbarschaften, beim täglichen Herumkommen oder auf gelegentlichen Extratouren an Originalschauplätzen in und um Klagenfurt.

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Roland Zingerle

Beton

Klagenfurter Kneipen-Krimi Nr. 8

 

 

 

 

 

Prolog

 

Gesetz und Verbrechen unterliegen dem Henne-Ei-Prinzip. Zwar scheint das Verbrechen älter zu sein, da Gesetze ansonsten nicht nötig geworden wären, doch hätte man schwerlich je ein Verbrechen erkannt, wäre damit nicht irgendein Gesetz gebrochen worden.

Gesetze regeln das menschliche Zusammenleben und über ihre Einhaltung wacht die Polizei. Aber nicht nur: In Klagenfurt haben sich der Großhandelsvertreter Hubert Pogatschnig und der Bierführer-Assistent Ludwig Melischnig die Aufklärung von Kapitalverbrechen zur Aufgabe gemacht. Dabei besteht der besondere Reiz für die beiden darin, schneller zu ermitteln als die Polizei. Von den Medien als „Zwei für die Gerechtigkeit“ gefeiert und von der Polizei unter dem Kommando von Gruppeninspektor Leopold Ogris als „Deppen-Duo“ verachtet, machen sich die beiden Hobby-Detektive die Vorteile des Tratsches zunutze: Sie suchen dort nach Hinweisen, wo Informationen ausgetauscht werden, nämlich in den Gaststätten in und um Klagenfurt…

Sonntag, 22 Uhr, ein Keller in Klagenfurt.

 

Die Tage der Finsternis waren überstanden. Selbst das düstere Kellergewölbe, in dem die Klagenfurter Einzelhandels-Kaufleute nun schon zum vierten Mal zusammentrafen, war diesmal heller. Doch das lag daran, dass einer der Anwesenden Gaslampen mitgebracht hatte. Gaslicht war nicht nur heller, es war vor allem ruhiger als Kerzenlicht. Es leuchtete den Raum rund um die Biertische und -bänke besser aus und bannte all die Gespenster, die in den Kerzenschatten getanzt hatten.

Ähnlich wie das Licht schien auch die Stimmung weniger unstet zu sein als bei den vorherigen Zusammenkünften. Zwar war jeder Anwesende nach wie vor wütend, doch hatte diese Wut eine einheitliche Stoßrichtung bekommen und förderte die gemeinsame Entschlossenheit. Zur heutigen geheimen Sitzung waren 17 Einzelhändler gekommen, die sich mit gedämpften Stimmen unterhielten, während sie auf ihren Vorsitzenden warteten.

Franziska Weinbauer, eine elegant gekleidete Dame mittleren Alters, hatte den konspirativen Treffen von Anfang an beigewohnt.

„Was haben Sie mit dem Walcher und dem Grojer gemacht?“, fragte sie den jungen Herrn neben ihr, der so aussah, als hätte man sein Bild aus einem Männermoden-Magazin ausgeschnitten.

Sein Name war Thomas Grünwalder und auch er war nicht zum ersten Mal hier.

„Mit wem?“, fragte er irritiert und seine Blicke zuckten unstet umher.

„Na, mit den beiden Stadträten, die Ihnen schon die ganze Zeit so auf die Nerven gegangen sind“, erklärte Franziska Weinbauer und lächelte hintergründig.

„Wieso? Nichts!“ Grünwalder sah sie verständnislos an.

Frau Weinbauer gab sich ungläubig:

„Jetzt sagen Sie bloß, Sie haben es noch nicht gehört!“

„Gehört? Was denn?“

„Dass die Herren Stadträte Walcher und Grojer spurlos verschwunden sind!“

Thomas Grünwalders Gesicht hellte sich auf. Er lachte und sagte:

„Ach so, das meinen Sie! Wie lange sind die schon weg? Drei Monate?“

Franziska Weinbauer wiegte abschätzend den Kopf hin und her, ehe sie antwortete:

„Zweieinhalb. Der Bürgermeister hat schon die Ersatzmitglieder in den Stadtsenat einberufen.“

Grünwalder erwiderte hämisch grinsend:

„Wozu eigentlich die Nachbesetzung? Im Gemeinderat wird eh diskutiert, ob der Stadtsenat nicht um zwei Stadträte gekürzt werden soll, da wäre die Gelegenheit doch jetzt günstig, oder? Weiß man, wer die Ersatzmitglieder sind?“

„Ja“, erwiderte Frau Weinbauer, „eine gewisse Jana Wadl und ein gewisser Markus Holzer.“

Thomas Grünwalder schüttelte lächelnd den Kopf und sagte:

„Da schau her, es gibt also tatsächlich noch Dinge, die sich von selbst regeln. Wie kann es überhaupt sein, dass zwei Stadträte wochenlang verschwinden, ohne dass irgendjemand Alarm schlägt?“

Frau Weinbauer lachte glockenhell auf, ehe sie antwortete:

„Das fragen sich im Rathaus auch alle, jetzt im Nachhinein. Anscheinend ist es keine Seltenheit, dass ein Mitglied der Stadtregierung vorübergehend untertaucht. Wahrscheinlich wollte lange Zeit niemand wahrhaben, dass die beiden tatsächlich verschwunden sind und jetzt will niemand daran schuld sein, es nicht gemeldet zu haben.“

„Gibt es da keine Konsequenzen?“

„Doch, soweit ich weiß, will der Landeshauptmann eine Art Untersuchungskommission einsetzen. Aber Bürgermeister Stamper hat ihm schon ausrichten lassen, dass er keine Einmischung in seinen Wirkungsbereich duldet.“

Thomas Grünwalders Stimme wurde wütend.

„Der soll nicht so scheinheilig tun, unser Herr Bürgermeister!“, rief er. „Beim Neujahrsempfang des Landeshauptmanns hat er sich an den anderen Gästen vorbeigedrängt, weil er es nicht erwarten konnte, dem Landeshauptmann devot die Hand zu schütteln. Und wissen Sie, was er dabei gesagt hat? ‚Ich werde mich da einmal vordrängen!’ – Ungeheuerlich! Und jetzt tut er so, als ob er dem Landeshauptmann auf gleicher Augenhöhe begegnen will!“

 

Da betrat Arnold Moser den Raum, der Vorsitzende der verschworenen Schicksalsgemeinschaft. Er schritt die Tafel ab und begrüßte jeden mit Handschlag. Im Gegensatz zu allen anderen schien Moser bester Laune zu sein. Er eröffnete die Sitzung und bat um Wortspenden.

Regine Santner, eine energische junge Frau, die wie immer schräg gegenüber von Franziska Weinbauer saß, begann:

„Es geht so nicht weiter! Es ist uner-träg-lich!“

Thomas Grünwalder stimmte ihr zu:

„Sie hat recht. Wenn wir noch länger zusehen, wie die Stadtregierung unseren Geschäften den Garaus macht, können wir aus der Klagenfurter Innenstadt bald ein Freiluftmuseum machen.“

„So ist es“, pflichtete Egon Tscheppe bei, der trotz seines vorgerückten Alters jede der vier Sitzungen besucht hatte. „Und eingekauft wird dort, wo das Parken mindestens eine Stunde lang gratis ist.“ Obwohl die dünne Stimme des Alten nicht gegen jene seiner jüngeren Kollegen ankam, herrschte fast augenblicklich Stille, wann immer er das Wort ergriff.

Der Vorsitzende nutzte die kurze Stille, die Tscheppes Beitrag gefolgt war:

„Ziehen wir es durch!“, zischte er. „Wenn wir alle zusammenhalten, dann schaffen wir es!“

 

Arnold Moser hatte beim letzten Treffen einen Vorschlag eingebracht, der die Sitzungsteilnehmer beinahe von den Bierbänken hatte kippen lassen. Dennoch war er eingehend diskutiert worden und alle hätten ihn gerne angenommen – hätte es nicht am nötigen Geld gemangelt ihn umzusetzen. Dass Moser nun so tat, als wäre das fehlende Geld plötzlich kein Thema mehr, überraschte die Anwesenden.

 

„Unrealistisch“, platzte Franziska Weinbauer heraus. „Wovon sollen wir denn leben? Von der Hand in den Mund?“

„Außerdem haben wir laufende Verträge mit unseren Lieferanten“, warf Regine Santner ein. „Wer bezahlt unsere Stornogebühren, wenn wir zur Tat schreiten?“

„Ganz zu schweigen von den Gehältern, den Versicherungen, der Miete, den Betriebskosten und schätzungsweise noch tausend anderen Kostenstellen“, ergänzte Thomas Grünwalder und erntete damit allgemeine Zustimmung.

Der Vorsitzende schmunzelte überlegen und begann:

„Ich glaube, meine Damen und Herren, ich bin in der Lage, Ihnen für all diese Probleme eine wunderbare Lösung anzubieten.“

Zwei Wochen später:

Freitag, 14.30 Uhr, Südring, Klagenfurt.

 

Der Himmel über Klagenfurt war bedeckt, das war gut. Dadurch war die Sicht in Ordnung und nichts konnte Ludwig Melischnig blenden. Auch der Straßenzustand war perfekt und der Verkehr hielt sich in Grenzen. Alles war wie bestellt für den Praxisteil von Melischnigs Lkw-Führerscheinprüfung.

Dennoch war er nervös. Kein Wunder, immerhin trat er heute ja nicht zum ersten Mal an. Er trat zum vierten Mal an. Und dann gab es da jemanden, der ihn noch nervöser machte: einen relativ jungen Fahrprüfer namens Kevin Jamnig.

„Wie ist Ihr Name?“, fragte er, als Melischnig zu ihm in die Lkw-Fahrerkanzel kletterte.

„Ludwig Melischnig“, antwortete der Prüfling.

Der Prüfer bekam große Augen.

„Der Ludwig Melischnig?“, fragte er ungläubig.

Melischnigs Blicke zuckten hin und her. Er wusste nicht recht, wie das gemeint war.

„Freut mich“, rief Kevin Jamnig begeistert und schüttelte Melischnig heftig die Hand, „freut mich!“

Ludwig Melischnig fühlte sich auf der Stelle unwohl.

 

Jamnig dirigierte ihn aus dem Fahrschulgelände hinaus in Richtung Südring, ein Umstand, der Melischnigs Nervosität noch weiter steigerte. Denn am Südring hatte er seine letzten zwei Prüfungen in den Sand gesetzt. Kaum hatten sie das Fahrschulgelände verlassen, hörte Kevin Jamnig nicht mehr auf zu plappern:

„Wissen Sie, unter uns Führerscheinprüfern sind Sie so etwas wie eine Legende! Jeder kennt die Geschichten von Ihrem x-maligen Antreten bei der Lkw-Fahrprüfung, jeder schüttelt den Kopf und lacht … Sie wissen gar nicht, wie viele lustige Stunden Sie uns schon gestiftet haben, allein weil Sie sind, wer Sie sind!“

Melischnig versuchte krampfhaft, sich auf den Straßenverkehr zu konzentrieren, doch der Prüfer kannte kein Erbarmen:

„Ich fühle mich wirklich geehrt, dass ich Ludwig Melischnig – dem Ludwig Melischnig – die fünfte Fahrprüfung abnehmen darf. Oder die wievielte ist das heute, die sechste?“

„Die v…“ Melischnig hatte dem Prüfer die Zahl mit den Fingern zeigen wollen, besann sich aber noch rechtzeitig, die Hand besser nicht vom Lenkrad zu nehmen. „…vierte“, sagte er schließlich.

„Vier Anläufe für den Lkw-Führerschein…“ In Kevin Jamnigs Augen glänzte so etwas wie Ver- oder Bewunderung. „Na, meine Kollegen werden schön schauen, wenn ich ihnen das erzähle! Eines würde mich interessieren: Was geht in Ihnen vor? Sie müssen ja heute unglaublich nervös sein! Ich meine, ich wäre fürchterlich nervös, wenn ich nun schon wieder … ich meine…“

Als Melischnig auf den Südring einbog, zitterten seine Arme.

 

Bei seinem ersten Anlauf – Ludwig Melischnig war damals achtzehn Jahre alt gewesen – war er schon im Theorieteil durchgefallen. Ein Jahr später hatte er es noch einmal versucht. Da hatte er zwar den Pkw-Führerschein bekommen, doch beim Lkw-Praxisteil hatte ein Drama begonnen, das sich seither durch Ludwig Melischnigs Leben zog: Er war am Südring einem Pkw aufgefahren, der an der Fußgängerampel Sattnitzgasse angehalten hatte. Der damalige Fahrlehrer, ein autoritärer, alter, missgelaunter Mensch, hatte das mit den Worten: „Wir sehen uns in zwei Wochen wieder“, kommentiert.

Zwei Wochen später hatte Melischnig ein Dejà-vu erlebt: Er war mit demselben Prüfer an derselben Ampel in die gleiche Situation geraten. Interessanterweise war der Fahrer des Wagens, den er dieses Mal erwischt hatte, ein Bruder jenes Mannes gewesen, dessen Fahrzeug Melischnig zwei Wochen zuvor demoliert hatte.

Gott sei Dank war in beiden Fällen nur Blechschaden entstanden, doch Melischnigs seelische Verwundungen waren nie richtig verheilt. Kein Wunder, hatte doch sein Prüfer nach dem zweiten Unfall folgenden Eid abgelegt:

„Melischnig, wenn Sie sich noch ein einziges Mal hinter das Steuer eines Lkw setzen, wandere ich aus!“

Das war vor sechs Jahren gewesen. Ludwig Melischnig hatte seither dafür gesorgt, dass der Prüfer im Land bleiben konnte. Doch dann hatte Hubert Pogatschnig Melischnig gut zugeredet und ihm Mut gemacht, sich seinen größten Wunsch zu erfüllen. Sein größter Wunsch war beileibe nicht, den Lkw-Führerschein zu besitzen. Sein größter Wunsch war es, den Beruf des Bierführers auszuüben – und dafür war nun einmal die Fahrberechtigung für einen Lkw Voraussetzung. Wenn er den Lkw-Führerschein hätte, wäre Melischnig nicht länger in die Ketten des Bierführer-Assistenten geschlagen, dann wäre er selbst Bierführer, dann wäre er frei!

 

Ludwig Melischnig näherte sich der schicksalhaften Fußgängerampel. Bis jetzt verlief seine Prüfungsfahrt gut, er glaubte nicht, dass er sich bisher einen Fehler geleistet hatte. Doch das ständige Geplapper seines Prüfers lenkte ihn ab:

„Hier sind sie ja dem Mann hinten aufgefahren, stimmt’s? Und zwei Wochen später seinem Bruder, stimmt’s?“

Melischnig spürte, wie sein Herz zu rasen begann. Hitze schoss ihm ins Gesicht. Noch war die Ampel grün, doch schon wieder fuhr ein Pkw direkt vor ihm. Trotzdem, eigentlich musste diesmal alles gut gehen. Er hielt genug Abstand zum Auto vor ihm, er war nicht schnell unterwegs …

Da schoss auf der Sattnitzgasse ein Radfahrer von rechts auf den Südring zu und bremste erst im letzten Moment abrupt ab. Der Fahrer des Wagens vor Melischnig erschrak und trat im Reflex auf die Bremse; nur kurz, doch lange genug, um die Bremslichter aufflackern zu lassen.

„Mein Goutt! Mein Goutt!“, schoss es Ludwig Melischnig voller Entsetzen durch den Kopf. Sein rechter Fuß trat ins Eisen wie ein Dampfhammer.

Das Krachen selbst war nicht überraschend, sehr wohl aber die Richtung, aus der es kam: von hinten! Diesmal war nicht Melischnig einem Pkw aufgefahren, sondern ein Pkw ihm.

Freitag, 15 Uhr, Sicherheitszentrum, Klagenfurt.

 

Chefinspektor Leopold Ogris fuhr seinen Computer herunter. Er machte Schluss für diese Woche, denn was er bisher nicht hatte erledigen können, das würde er an einem Freitagnachmittag erst recht nicht mehr vom Tisch schaffen.

Er war beunruhigt und alarmiert, denn es gingen seltsame Dinge in der Stadt vor: Bereits vor Wochen war er mit der Suche nach zwei verschwundenen Stadträten betraut worden, selbstverständlich unter dem Siegel strikter Verschwiegenheit. Doch bis heute hatte er keinen einzigen Anhaltspunkt gefunden! So etwas war ihm in seiner Laufbahn noch nicht untergekommen; es war tatsächlich so, als hätte sich die Erde aufgetan und die beiden Stadträte einfach verschluckt.

 

Aber da war noch mehr: Vor etwa zwei Wochen hatte dasselbe Nichts, das die Stadträte verschlungen hatte, eine neue politische Gruppierung ausgeworfen, die sich „Partei des Klagenfurter Mittelstandes“ nannte, kurz „PKM“. Sie wurde von Funktionären angeführt, die im politischen Geschehen völlig unbekannt waren. Die PKM trat mit einem Werbefeldzug an die Öffentlichkeit, der so gigantisch war, dass Chefinspektor Ogris bereits jetzt, nach nur zwei Wochen, den Eindruck hatte, es hätte sie immer schon gegeben.

Natürlich stellten die Kärntner Medien die Frage in den Raum, welche Pläne der Geldgeber verfolgte, der hinter der PKM stand – doch keines von ihnen fragte zu laut, immerhin schnitten sie selbst die dicksten Scheiben vom Werbespeck der neuen Partei ab!

Die PKM baute auf der Unzufriedenheit der mittelständischen Kaufleute in Klagenfurt auf. Das war fruchtbarer Boden, denn die Spannungen zwischen den Kaufleuten und der Stadtregierung spürte jeder in der Stadt schon seit Jahren. In den vergangenen Monaten hatte sich dieser Konflikt so weit zugespitzt, dass die Medien ihm einen eigenen Namen gegeben hatten, nämlich „Einzelhandelskrise“.

Für Ogris hatte es den Anschein, als würde sich die festgefügte Ordnung der Dinge irgendwie auflösen, und das nur wenige Wochen vor der Austragung dreier Fußball-Europameisterschaftsspiele in Klagenfurt. Geschlossenheit wäre nun gefragt, gemeinsame Vorbereitung und auch gemeinsame Vorfreude. Doch stattdessen spürte der Chefinspektor regelrecht, dass irgendetwas in der Luft lag; dass irgendetwas passieren würde.