Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstars-Serie 2) - Teresa Sporrer - E-Book

Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstars-Serie 2) E-Book

Teresa Sporrer

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Beschreibung

Wenn sich Serena einer Sache ganz sicher sein kann, dann dieser: Rockstars sind allesamt Schweine! Ok, vielleicht hat die Sache zwischen ihrer Freundin Zoey und Acid ein Happy End gehabt, aber das war ja mal eine totale Ausnahme. Ganz anders sieht es mit seinem Bassisten Simon aus, der ihr nicht nur rein sportlich immer wieder das Herz bricht, sondern auch gerne so tut, als ob er sie nicht kenne. Mag sein, dass er wie ein junger Gott aussieht mit seinen hohen Wangenknochen, den galant geschwungenen dunkelbraunen Haaren und verboten grünen Augen, sein Charakter ist trotzdem so schwarz wie der Teufel selbst. Da hilft nur eins: Ablenkung! Denken zumindest ihre besten Freundinnen, die ihr eifrig ein paar Blind Dates organisieren. Nur leider hat niemand damit gerechnet, dass Simon da bald mit von der Partie ist… //Alle Bände der romantischen Bestseller-Reihe:  -- Verliebe dich nie als Rockstar (Die Rockstar-Reihe 0)  -- Verliebe dich nie in einen Rockstar (Die Rockstar-Reihe 1)  -- Blind Date mit einem Rockstar (Die Rockstar-Reihe 2)  -- Ein Rockstar kommt selten allein (Die Rockstar-Reihe 3)  -- Rockstar weiblich sucht (Die Rockstar-Reihe 4)  -- Der Rockstar in meinem Bett (Die Rockstar-Reihe 5)  -- Rockstars bleiben nicht zum Frühstück (Die Rockstar-Reihe 6)  -- Rockstars küssen besser (Die Rockstar-Reihe 7)  -- Rockstars kennen kein Ende (Die Rockstar-Reihe 8)  -- Rock'n'Love (Ein Rockstar-Roman)  -- Liebe ist wie ein Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Alles begann mit einem Rocksong (Die Rockstar-Reihe Spin-off) -- Die MEGA Rockstars-E-Box: Band 1–8 der Bestseller-Reihe -- ROCKSTARS. Band 1–3 in einer E-Box -- Berührende Rocksong-Romantik im Sammelband (Die Rockstar-Reihe)//   Die Rockstar-Reihe ist abgeschlossen. Alle Bände der Reihe können unabhängig voneinander gelesen werden und haben ein abgeschlossenes Ende.

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Im.press Ein Imprint der CARLSEN Verlag GmbH © der Originalausgabe by CARLSEN Verlag GmbH, Hamburg 2013 Text © Teresa Sporrer, 2013 Redaktion: Katharina Kohlhaas Dieses Werk wurde vermittelt durch die Agentur SCRIPTZZ, Waldesruher Str. 37, 12623 Berlin. Umschlagbild: shutterstock.com / © Stokkete Umschlaggestaltung: formlabor Gestaltung E-Book-Template: Gunta Lauck Schrift: Alegreya, gestaltet von Juan Pablo del Peral

Für Lisa, Dominik, Raschi, Anna, Vere und die restliche BHELI 08/09.

PROLOG

SERENAS KLEINE MÄRCHENSTUNDE

Es war einmal vor langer, langer Zeit in einem weit entfernten Königreich, da lebte eine wunderschöne Prinzessin. Sie hatte lange, blonde Haare, so gelb wie Weizen; Augen, so blau wie das Meer und eine Haut, so weiß und weich wie Schnee.

Jeder beneidete sie um ihre Schönheit, ihre Güte und ihre Anmut.

Die Prinzessin war im ganzen Reich hoch angesehen und wurde von jedem geliebt.

Eines wundervollen Tages verliebte sich die hübsche Prinzessin unsterblich in einen edlen Ritter in strahlender Rüstung, der ihr auf einem weißem Ross zu Hilfe ritt, um sie vor dem bösen Drachen zu bewahren … Oh, das ist ja total die falsche Geschichte!

Entschuldigung.

Das kam nun einmal davon, wenn die Gedanken beim Haarefärben abschweiften und man nebenbei so einen Song wie Better Luck Next Time, Prince Charming von Alesana hörte. Natürlich lief der Song nicht im Radio. Wann wurde denn da schon mal etwas Anständiges gesendet? Und nein, das empfand ich jetzt nicht so, weil ich einen gewöhnungsbedürftigen Musikgeschmack hatte.

Also, wo war ich noch mal stehen geblieben?

Ach genau, falsche Geschichte. Ich ähnelte dieser Prinzessin nicht wirklich: Meine Haare waren nicht von Natur aus blond, sondern dunkelbraun, aber ich färbte sie mir schon seit Jahren, weil ich mich so einfach … Ich fühlte mich selbstbewusster und dieses Selbstbewusstsein half mir, mit dem Leben fertig zu werden. Oh, und natürlich mit meinen Freundinnen Zoey, Violet und Nell, aber zu denen erst später mehr.

Vielleicht hatte ich auch meerblaue Augen und eine schöne Haut, dank der zahlreichen teuren Cremes und Peelings, aber eines war ich nicht: allseits beliebt. Bis auf Zoey, Violet und Nell hatte ich keine weiteren Freundinnen, aber die drei Verrückten reichten mir vollkommen. Ich konnte immer auf sie zählen – und sie natürlich auch auf mich. Egal, ob jemand ein Alibi brauchte, um die Nacht bei einem Jungen oder über die Toilettenschüssel gebeugt zu verbringen oder, um sich den Liebeskummer von der Seele zu heulen. Auch Zickenkriege mit anderen Mädchen liefen immer gleich ab. Niemand hatte eine Chance gegen den festen Zusammenhalt unserer Clique. Außer, jemand musste auf Zoeys Dach klettern und die Antenne richten, weil es wieder mal hieß: »Alle für ein gutes Fernsehbild – Zoey hilft uns nicht«.

Wir waren wie die vier Musketiere – nur komplett anders.

Nein, meine Gedanken sind nicht immer verwirrend. Mir ist langweilig!

Da Violet keine neuen und vor allem keine interessanten Bücher in ihrer Sammlung hatte und im Fernsehen wieder einmal nichts anderes lief als Mord und Totschlag oder Assi-TV, wo es eh nur darum ging, von wem und warum die ganzen Dreizehn- oder Vierzehnjährigen schwanger waren, weil sie ja noch nicht wussten, wie das mit den Blümchen und Bienen wirklich ging (wer's glaubt!) oder wer wen mit wem betrogen hatte, musste ich mich mit meinem eigenen Gedanken beschäftigen, während ich darauf wartete, dass ich mir die Haare auswaschen konnte.

Und diese Gedanken drehten sich seit Wochen leider nur um ein Thema: Snake.

Nein, nicht um Schlangen, sondern um den Möchtegern-Rockstar Snake, früher bekannt als Simon.

In meiner Geschichte gab es keine Prinzessin. Auch, wenn ich ein bisschen so aussah wie eine und – nein, ich bin keine selbstverherrlichende Egomanin. Es existierten ebenso wenig ein Ritter und ein böser Drache …, obwohl man Zoeys Erzfeindin Stephanie mit Feuchtigkeitsmaske im Gesicht schon mal leicht mit einem Echsenviech verwechseln konnte. Aber nein. Hier gab es nur mein verrücktes Ich mit allen möglichen Macken und Problemen; dazu ein Arschloch, dessen Gefühlsleben dem eines Steins glich, und außerdem einen hässlichen Schmerz, der mich nicht etwa zu einem eisverschlingenden Trauerkloß gemacht hatte, sondern zu einem rachsüchtigen Individuum, das erst ruhen würde, wenn das Arschloch wusste, was es mir angetan hatte!

Alles in dieser Liebesgeschichte hatte so schön angefangen: ein Mädchen, ein Junge und die spürbare Liebe, die zwischen beiden herrschte. Meine Aura hatte sicherlich rosarot geglommen und Simons …, na ja, in einer nicht ganz so … grellen Farbe.

Die Wochen mit Simon waren die schönsten meines Lebens gewesen. Ich hätte niemals gedacht, dass ich einen Menschen so lieben könnte und erst recht nicht, dass jemand wie Simon auch etwas für mich empfinden würde.

Dann wurden die rosaroten Wolken, auf denen ich mit ihm geschwebt hatte, eine nach der anderen abgestochen wie von einem irren Seifenblasen-Serienmörder, der seinen Beruf gewechselt hatte und nun Wolken abschlachtete. Zurück blieb ich mit einer Krone, die vom Sturz aus den Wolken ein paar Zacken eingebüßt hatte und einem Herzen, das wohl für immer in mehr Teile als die einzelnen Elemente eines Ikea-Regals zerbrochen sein würde.

Es hatte geholfen, Simon nicht sehen zu müssen, aber dann musste er ja wiederkommen und unbedingt in Alex' Band aufgenommen werden, in der eine meiner Freundinnen sang – die ganz nebenbei etwas mit diesem Alex hatte.

Als Kirsche auf meinem Eisbecher aus Schmerz und Leid thronte die Tatsache, dass Simon, der sich wie gesagt Snake nannte, mich einfach ignorierte und so tat, als würde er mich nicht kennen!

»Serena lässt so etwas nicht mit sich machen!«, sagte ich streng zu meinem Spiegelbild. Ich hob drohend meinen Zeigefinger, aber meine hellblau lackierten Nägel mit den aufgemalten Smileys verringerten die Wirkung der Geste stark. Auch meine Haare, die mit dem Haarfärbemittel zu einem Monster aufgetürmt waren, minderten meine Gefährlichkeit. »Serena geht jetzt zu Simon und geigt ihm ordentlich die Meinung! Oder Serena heult …«

Ich schüttelte den Kopf. Vor Simon sollte ich all meine Gefühle, außer meiner Wut, unter Verschluss halten. Ja, klar, weil ich es höchstens eine Minute in seiner Nähe aushielt, ohne an die ganzen glücklichen Momente zu denken!

Not all knights in shining armor can make your dreams come true.

He's not quite as charming as he may seem.

We'll make all your dreams come true, come and claim your queen!

Und ich musste unbedingt das Radio auf einen anderen Sender umstellen …

1. KAPITEL

SERENAS IRRENANSTALT

Immer, wenn meine Freundin Zoey mit knurrender Stimme gedroht hatte, Acid, oder Alex, wie der Rockstar in Wirklichkeit hieß, töten zu wollen, konnte ich nur den Kopf schütteln.

Warum hatte sie sich so dumm aufgeführt? Jeder Blinde hätte sehen können, dass die beiden zusammengehörten.

Nein, ich übertreibe damit nicht!

Alex war ein typischer Aufreißer und notorischer Playboy gewesen, bis sich Zoey mit ihrer Scharfzüngigkeit und einer schallenden Ohrfeige in sein Herz gestohlen hatte. In dem Moment verliebte sich der gut aussehende Bad Boy hoffnungslos in meine Freundin und schenkte ihr von da an seine volle Aufmerksamkeit.

Zoey, die von uns im Geheimen Eiserne Jungfrau genannt worden war und den Titel redlich verdient hatte, verlor nach und nach ihre Unschuld und ebenso ihr Herz an ihn.

Zu unserer Überraschung besaß sie echt eine Hammerstimme. Alex hatte ihr gezeigt, wo sie wirklich hingehörte: mit ihm an ihrer Seite auf eine Bühne, hinter ein Mikrofon. Und natürlich gehörten wir drei Mädels als Fans hinter der Absperrung dazu.

Beziehungen hin oder her, wir vier klebten immer noch wie Pech und Schwefel, wie Nutella auf Brot und wie ich bei einem Schlussverkauf am Schaufenster zusammen.

Nun waren die beiden also ein Paar und Zoey hatte aufgehört, Alex wegen jeder Kleinigkeit anzuknurren und Drohungen auszusprechen. Zumindest meistens hielt sie sich zurück.

Doch ausgerechnet jetzt konnte ich ihre Mordabsichten besser verstehen, als mir lieb war.

Ich war keins dieser Mädels, die gleich auf andere Mädchen oder Jungs losgingen, kratzten, bissen oder richtige Schläge austeilten, nur weil sie komisch von der Seite angestarrt oder sonst irgendwie provoziert wurden. Glaubt mir, von mir wäre sonst schon die halbe Weltbevölkerung ausgerottet worden. Ich hatte noch nie jemanden körperlich verletzt und hatte es auch nicht vor. Ein blaues Auge, eine gebrochene Nase oder gar eine aufgeplatzte Lippe würden schon dafür sorgen, dass mir sofort schlecht werden und ich den nächsten Busch mit meinem Essen verschönern würde. Ich verabscheute eigentlich jede Art von Gewalt …, außer, es handelte sich um Horrorfilme. Da ging das mittlerweile zum Glück in Ordnung. Meine andere Freundin Nell liebte nämlich Horrorfilme und führte uns ihre Favoriten immer vor. Ich war so weit abgehärtet, dass mir nur noch ein bisschen schlecht wurde und ich nur die halbe Nacht nicht mehr schlafen konnte. Ab und zu bekam ich noch Alpträume.

Ich verabscheute Gewalt nicht nur, weil sie meine aufwendig gestalteten Nägel in Mitleidenschaft ziehen konnte und weil mir beim Anblick von echtem Blut schlecht wurde, sondern auch, weil ich in einem ehrlichen Kampf sogar einem Plüschtier unterliegen würde. Ich war eben das typische Fluchttier.

Außerdem verlor ich allein schon jeden Samstag den Kampf gegen den Wahnsinn.

Für mich und meine ohnehin angeknackste Psyche wäre es besser gewesen, mich für immer von meinem Exfreund Simon fernzuhalten, stattdessen fuhr ich in letzter Zeit mit meinen Freundinnen jedes Wochenende ins Pulse, ein Szeneladen, in dem Alex' Band spielte. Jeden Samstag hoffte ich darauf, dass irgendetwas, seien es nun fliegende Kühe oder herabfallende Flugzeugtoiletten, Simon erschlagen und mir Frieden schenken würden. Doch immer wieder stellte sich heraus, dass sich mein Ex bester Gesundheit erfreute.

Blöde Sache.

»There was this boy who tore my heart in two«, schallte es aus meinen Kopfhörern, während ich gedankenverloren aus dem Busfenster schaute. Seit Simon aufgetaucht war, war ich wieder abhängig von meinem MP3-Player und lauter Musik-Dröhnung geworden. Na ja, sagen wir noch abhängiger als vorher. »I had to lay him eight feet underground.«

Ich blickte weiterhin aus dem Fenster und beobachtete, wie Licht um Licht an uns vorbeirauschte, während ich mir Going Down von der Band The Pretty Reckless anhörte. Zoey hatte mir eine Anti-Serenas-Aggressions-Playlist zusammengestellt, die mir tatsächlich ein klein wenig über die angestauten Gefühle in meinem Inneren hinweghalf.

»Serena?« Plötzlich fuchtelte Nell mit einer Hand vor meinem Gesicht herum. »Nell an Serena. Gibt es noch Leben in deinem Gehirn?«

»Hm?« Ich blinzelte ein paar Mal verwirrt. »Was ist denn los?«

Nell hatte ihr Kinn auf das Kopfpolster des Busses gebettet und sah mich mit besorgtem Gesichtsausdruck an. Das Licht im Inneren beleuchtete ihre ganzen bunten Strähnen, unter denen man ihre natürlichen dunkelbraunen Haare fast nicht mehr erkennen konnte.

»Ich dachte nur, dass du vielleicht in ein Koma gefallen bist, weil du mal nicht ununterbrochen davon redest, wie du Snake einen langsamen und schmerzvollen Tod bereiten wirst.«

»Ach so …«

Die Verrücktheit meiner drei besten Freundinnen und mir steigerte sich von der ersten bis zur letzten: Da war zunächst Violet, eigentlich Samantha, die sich seit Jahren die Haare hellviolett färbte und eine Vorliebe für Liebesromane aller Art und verschiedenste Kalorienbomben hatte, trotzdem aber nur selten ein Gramm zunahm. Außerdem besaß sie einen ausgeprägten Sinn für Empathie und war meine allerbeste Freundin. Und, das wusste fast keiner, sie war früher ein kleines musikalisches Wunderkind gewesen. Sie war wie ein violetter Mozart, der kein Klavier mehr spielte, sondern lieber Mozartkugeln verdrückte. Sie lackierte sich gerade mit herausgestreckter Zunge und konzentriertem Gesichtsausdruck die Nägel dunkellila – und das, obwohl sie ihre kniehohen Strümpfe und Stiefel wegen des kalten Wetters sowieso wieder anziehen musste. Über ihre Lieblingsfarbe muss ich wohl kein Wort verlieren, oder?

Dann kam Nell, mit bunten Strähnen und ihrem selbstgeschriebenen Büchlein über Jungs und Survival-Tipps für alle Lebenslagen. Wie schon erwähnt, sie war eine Horrorfilm-Liebhaberin, aber auch ein Serienjunkie. Sie konnte aus dem Stegreif sagen, wer mit wem und wie lange eine Beziehung in den Serien One Tree Hill oder Gossip Girl geführt hatte oder wer bei Pretty Little Liars wem das Leben warum zur Hölle machte. Doch Nell war, obwohl sie eine Beziehung mit dem weißblonden Gitarristen der Band – Snow, eigentlich Craig – hatte, nicht so verrückt wie die zwei letzten Individuen. Die Person, die meiner Verrücktheit am nächsten kam, war Zoey. Vor einigen Monaten war sie noch ziemlich normal gewesen, wahrscheinlich normaler als Violet, aber dann war sie Alex' Charme und seiner Sexgott-Ausstrahlung so verfallen, dass sie nicht mehr das brave Mädchen von früher war …

»Wir sind ja gleich da!«, brüllte Zoey in ihr Handy. Sie lehnte neben mir im Sitz und kratzte sich an der Stelle, an der sie vor über einer Woche ihr erstes Tattoo bekommen hatte. Auf ihrem Hals prangten ein paar schwarze Notenzeichen. Wenn sie ihre Haare über die Stelle schob, sah man die Tattoos aber nicht. Ihre Eltern nahmen ihre Verwandlung nämlich nicht so gelassen hin wie wir. Nur ihr Bruder Ian fand die Sache ganz unterhaltsam, wenn man davon absah, dass er noch eine offene Rechnung mit Alex hatte. »Nein, Alex. Du holst mich nächstes Mal nicht mit deinem kleinen Roller ab. Warum nicht? Weil ich mir da vielleicht dumm vorkomme und weil es arschkalt draußen ist? Ja, du auch. Schon mal daran gedacht, den Führerschein fürs Auto oder Motorrad zu machen? Haha, wirklich sehr witzig. Du musst doch zugeben, dass dich die Sache mit Ian und seinem tollen Motorrad total eifersüchtig gemacht hat.«

Es folgten ein paar Sekunden Stille. »Du notgeiler Arsch!«, zischte sie so laut, dass die anderen Leute im Bus – ein altes Pärchen, ein Typ mit blauem Iro und natürlich wir drei – sie anstarrten. »Nein, ich sage dir nicht, wie mein Höschen und mein BH aussehen. Ich bin auch nervös! Frage ich dich deshalb, was für Unterwäsche du trägst? Aha, Baumwollboxershorts also. Ich werde ganz wuschig. Natürlich meine ich das sarkastisch! Nein, ich kratze mich nicht an der Stelle!« Sie stöhnte. »Ja, Herr Doktor. Hey, wer war vor noch nicht allzu langer Zeit todkrank und musste aufgepäppelt werden? Wen habe ich dabei erwischt, wie er bei Dora – The Explorer laut mitgesungen hat? Ja, ich liebe dich auch.« Zoey legte seufzend auf. »Will wer einen nervigen Freund?«

Und am allerverrücktesten von uns vieren war ich.

»Serena!«, schrie ich laut. »Serena will Acid haben!«

Das Mädchen, das immer in der dritten Person von sich sprach, nebenbei Mordgelüste auf ihren Ex verspürte und sich nicht darum scherte, was andere Leute von ihr dachten. Die Verrückte, die streng auf Kalorien achtete und deren einstige künstlerische Kreativität sich mittlerweile auf bunte Fingernägel beschränkte.

Eigentlich wollte ich Alex nicht wirklich haben, da er nicht nur so schlank und weiß wie ein unbenutzter Tampon war, sondern auch, weil sein Ego einen erdrückte. Natürlich gönnte ich meiner Freundin ihre erste Liebe. Ich würde nie den Exfreund oder gar Freund einer meiner Mädels anrühren.

»Meins! Mein Alex«, sagte Zoey wie Gollum aus Herr der Ringe.

»Das war doch nicht so gemeint. Alex gehört dir und nur dir«, erwiderte ich. Grummelnd verschränkte Zoey die Arme vor der Brust.

Für einen Freund, wie Zoey oder Nell ihn gerade hatten, würde ich trotzdem morden. Ich würde mir zwar nach dem Blutbad die Seele aus dem Leib kotzen, aber wenigstens würde ich dafür etwas Schönes bekommen. Selbst die seltsame Beziehung von Violet und Kyle, dem Drummer der Band, wäre mir lieber, als meinen Freundinnen weiter beim Pärchensein zusehen zu müssen.

»Wie lange wollt ihr mir noch vorhalten, dass ich meine Meinung über ihn geändert habe?«, keifte Zoey. »Und jetzt sagt ja nicht, bis zur Hochzeit.«

»Und wer erinnert sich noch an die Zeit, in der Zoey Acid loswerden wollte?«, fragte Nell, worauf gleich drei Hände in die Luft schossen.

»Leckt mich«, murmelte Zoey als Antwort.

»Das macht Acid doch schon«, meinte ich. Zoeys fiesen Seitenkneifer war mir das auf jeden Fall wert gewesen. »Serena mag die versaute Zoey.«

Ich umarmte meine Freundin nur leicht, weil ich Angst davor hatte, dass sie mir die Arme brechen würde, und drehte dann die Lautstärke des Players wieder auf.

But wait, why did I have to go and kill him, when he was the best I'd ever had?

Ärgerlicherweise musste ich beim Betreten des Clubs feststellen, dass Simon immer noch nicht auf eine grausame Art aus dem Leben geschieden war.

Ich teilte Zoey im Flüsterton meinen horrorfilmreifen Mordplan mit.

»Nein!« Zoey schüttelte den Kopf und starrte mich wütend an. »Simon ist ein wahnsinnig begabter Bassist und Alex' bester Freund. Du wirst ihn nicht mit Akkupunkturnadeln einen Berg runterschubsen.«

»Und mit Stecknadeln?« Zoeys Blick wurde noch furchteinflößender.

»Stecknadeln haben eine Seite mit so einer Kug–«

»Nein, Serena.«

Mit einem frustrierten Seufzen bewegte ich mich mit den Mädels auf Simon zu.

Es war echt dumm von mir zu glauben, Simon entkommen zu können, weil er sich meist in meiner Nähe aufhielt. Zoey, ihr Freund, Nells Freund und Violets Was-auch-immer spielten schließlich mit ihm in einer Band. Entweder ich ließ meine Freundinnen hängen oder ich akzeptierte Simons Nähe.

Deswegen versuchte ich, ihm nicht auch nur einen Blick zu schenken, als ich mit hochgerecktem Hals auf das schwarze Sofa zumarschierte. Erhobenen Hauptes bahnte ich mir meinen Weg durch die Masse aus Tanzenden und Betrunkenen. Ich konzentrierte mich so darauf, ihn nicht anzusehen, dass ich vergaß, auf mich selbst zu achten.

Ich stolperte über meine eigenen Füße und landete direkt vor Simon. Mein Gesicht küsste den Boden vor seinen schwarz-weißen Vans. Sofort spuckte ich ein paar üble Staubwölkchen aus, die bei meinem dramatischen Fall in meinen Mund gelangt waren.

»Alles in Ordnung, Verena?«, hörte ich seine dunkle Stimme.

Sie hatte sich kaum verändert. Eine Stimme, die einem eine Gänsehaut über den Rücken jagen konnte, nicht vor Angst, sondern weil sich beim ersten Klang schon dein ganzes Herz mit Liebe und Zuneigung füllte.

Tja, das gehörte längst der Vergangenheit an.

»Serena«, flüsterte ich bedrohlich leise. »Serenas Name ist Serena.« Als wüsste Simon meinen Namen nicht!

Als wüsste Simon nicht, wen er hier vor sich hatte! Nicht nur, dass ich bereits ein paar Mal nach seinem plötzlichen Auftauchen in der Stadt im Club gewesen war, nein, er konnte mich einfach nicht vergessen haben! Schließlich hatte ich ihn auch nie vergessen können … Ich hatte wirklich versucht, jeden Gedanken an ihn zu verdrängen, mit Alkohol und anderen Typen, manchmal auch mit beidem gleichzeitig, mit literweise Eiscreme und traurigen Songs – aber ich war nie ganz über ihn hinweggekommen.

Die Erinnerung an ihn war anscheinend mit einem Widerhaken versehen: Je mehr ich sie loswerden wollte, umso schlimmer tat es weh.

Da ich nicht ewig seine Schuhe böse anstarren konnte, sah ich auf.

Dunkelbraune Haare, unglaubliche Augen in einer fast unwirklich wirkenden, grünen Farbe und ein unvergessliches Gesicht: hohe Wangenknochen, breites Kinn und Lippen, die einen in Versuchung führten. Nur seine Piercings waren neu.

Snakebites nannte man die zwei Piercings an seiner Unterlippe. Schlangenbisse, das war so klar gewesen! Simon war schon immer von Schlangen, Reptilien, aber auch von anderen Tieren fasziniert gewesen. Das erklärte auch seinen Künstlernamen.

Ich weiß, ich weiß.

Nell, Violet und ich fanden die Künstlernamen der Typen auch total bescheuert. Craig, Nells Freund, war mehr als glücklich gewesen, als sie ihn nicht mehr Snow genannt hatte und zu seinem wirklichen Namen gewechselt war.

Ich war so von seinem Anblick gefangen gewesen, dass ich nicht mitbekommen hatte, dass er mir seine Hand entgegenstreckte.

Er sollte sie besser wegnehmen, dachte ich und biss mir dabei auf die Unterlippe. Meine Freundinnen hatten meine Nagelfeile noch nicht konfisziert.

Statt ihm den Arm jedoch mit meiner sauteuren Feile, die ich selbst mit Schmucksteinchen verziert hatte, abzuhacken, schlug ich ihn nur mit meiner Hand weg. »Pass auf deine Hände auf, Simon«, drohte ich ihm mit finsterer Stimme. »Serena hat Hunger auf Hände.«

Ich fand das Youtube-Video Lamas mit Hüten nun einmal witzig!

»Verrücktes Weib«, schnaubte Simon und zog seine Hand zurück.

Ich ignorierte ihn höflich, obwohl ich auf der Stelle hätte losheulen können. Früher hatte er meine Verrücktheit über alles geliebt und ich seine Offenheit, nun hassten wir einander anscheinend für genau das, was uns damals zusammengebracht hatte.

Die Ironie war manchmal echt eine Schlampe.

2. KAPITEL

SERENAS VERSEHENTLICHE MISSGESCHICKE

Stur ignorierte ich den stumpfen Schmerz in meiner Brust. Auf ähnliche Weise hatte ich vor ein paar Jahren meine Bauchschmerzen ignoriert, bis man mich mit einem Blinddarmdurchbruch ins Krankenhaus einliefern und sofort operieren musste.

Vielleicht würde mein Herz, ähnlich wie mein Blinddarm damals, auch einfach auseinanderbrechen. Das war viel besser, als mit diesen dummen Gefühlen weiterzuleben und jedes Mal innerlich ein klein bisschen zu sterben, wenn ich Simon sah.

Wer brauchte schon Gefühle? Das Einzige, was ich brauchte, war einen Daumen, mit dem ich Gefällt mir ausdrücken konnte, und einen Mittelfinger, wenn dem nicht so war.

Grummelnd schwang ich mich wieder auf die Beine. Ich musste feststellen, dass die Ironie sogar eine psychopathische Schlampe war.

Zur Erklärung: es gab genau eine Couch im Pulse und die war für die Band Lost In Stereo reserviert. Also saßen dort die Bandmitglieder, während die anderen Gäste auf unbequemen und teils klebrigen Holzstühlen sitzen mussten. Das hieß im Klartext, dass folgende Leute auf einem ungefähr zweieinhalb Meter langen Sofa sitzen mussten:

Alex, der Sänger und Gitarrist. Manche nannten ihn auch den Kopf der Band, wobei er wohl diesen Status nun mit seiner Freundin Zoey, der Sängerin, teilen musste.

Simon, Bassist und größtes Arschloch der Gruppe.

Der zweite Gitarrist war Craig; Kyle war der Schlagzeuger. Seit kurzem mussten zusätzlich Violet, Nell und ich auf dem Sofa Platz finden.

Durch so viele Leute war der Platz natürlich sehr begrenzt.

Obwohl Nell, die sich auf Craigs Schoß geschwungen hatte und allem Anschein nach versuchte, ihren Kiefer auszurenken, um ihn wie eine Schlange mit Haut und Haar zu verspeisen, war nur noch genau ein Plätzchen frei – zwischen Simon und Alex. Ich wog kurz in Gedanken ab, ob ich die Desperados-Flasche auf dem Tisch nehmen, sie Simon über den Kopf ziehen und seinen bewusstlosen Körper als Hocker nutzen sollte – oder, ob ich zum ersten Mal seit langem, normalen Kontakt mit Simon zu haben versuchen wollte.

Ich entschied mich, lieber Körperkontakt mit meinen Freunden haben zu wollen, anstatt bequem meine Füße auf Simons Rücken zu betten. Um die Situation mit Simon genießen zu können, hätte ich ohnehin noch einen gemütlichen Bademantel, einen Kamin und eine Flasche Cognac gebraucht.

»Macht Serena Platz.« Ich zwängte mich zwischen Zoey und Alex, obwohl sie sich gerade gegenseitig die Zunge in den Hals gesteckt hatten. Die beiden sahen sich jeden Tag in der Schule, also durfte ich jetzt ja wohl einmal den Speichelaustausch für ein paar Stunden unterbrechen. Wenn man sich daran erinnerte, dass Zoey nach ihrem ersten Kuss mit Alex Angst vor Viren und Bakterien gehabt hatte, konnte man jetzt mehr oder weniger erfreut feststellen, dass sie diese Angst verloren hatte.

Ich hockte halb auf Zoeys, halb auf Alex' Schoß, was zwar nicht gerade gemütlich war, aber besser als der Platz neben Simon.

»Hallo, Freundin«, lächelte ich erst Zoey an, dann Alex. »Hallo, fester Freund von Serenas Freundin. Serena stört euch beide doch nicht, oder?«

Zoey und Alex bekamen den Mund zwar nicht auf, aber meine Freundin hatte wieder dieses nervöse Zucken um das Augenlid. Das letzte Mal hatte sie so einen Anfall gehabt, als sie eine Zwei in Chemie bekommen hatte, kurz bevor sie all ihre Bleistifte zerbrochen und gegen unsere Pinnwand geschleudert hatte. Unglaublicherweise steckte heute noch ein Bleistift in der Pinnwand. Hoffentlich schrieb Zoey demnächst keine Zwei mehr, denn das käme bestimmt wieder einem kleinen Weltuntergang gleich.

»Alex!«, schrie meine Freundin.

Ihr Freund seufzte und wandte sich an mich. »Kali ist im Moment zu wütend, um mit dir zu reden.«

Meine Freundin nickte energisch.

»Also muss ich dich fragen, ob du dich nicht netterweise woanders hinsetzen könntest?«

Ich schüttelte den Kopf. »Sonst ist hier doch nichts frei!«

Stöhnend deutete Alex auf den leeren Platz rechts von sich.

»Da sitzt doch schon Simons Ego.« Ich reckte das Kinn in die Höhe. »Ich sehe da keinen freien Platz.«

»Könnt ihr beiden nicht einfach eure Differenzen beiseiteschieben?«, fragte Alex ruhig. »Kali und ich haben das schließlich auch geschafft und jetzt sind wir glücklich.«

Ja, dachte ich. Nur hat man schon von Anfang an gemerkt, dass du meine Freundin geliebt oder zumindest gemocht hast. Bei mir und Simon beruht der Hass dagegen auf Gegenseitigkeit.

»Nein«, antwortete ich gleich und verschränkte die Arme vor der Brust. »Nie im Leben.«

»Welche Differenzen?«, wollte Simon wissen.

Er tat immer noch so, als würde er nicht wissen, um was es ging.

Ich warf ihm einen scharfen Blick zu und sah, wie er mit seiner Zunge an einem seiner Piercings spielte.

Natürlich blieb mein Blick an seinen Lippen und den metallenen Kugeln hängen. Wie sich seine Küsse jetzt wohl anfühlten? Es war schon so lange her gewesen, dass ich mit einem Jungen geschlafen, geschweige denn, dass ich einen geküsst hatte. Die Erinnerungen an Simon und unsere Beziehung mussten sich immer wie eine Fernsehbild-Störung in meinen Kopf drängen.

Ich schüttelte den Kopf und warf meine Handtasche auf den leeren Platz. »Da sitzt jetzt Serenas Handtasche Veronica. Wenn ein Gegenstand einen Namen hat, dann hat er eine Persönlichkeit. Somit ist der leere Platz besetzt und Serena bleibt hier sitzen. Ende der Diskussion. Wer holt Serena jetzt einen Drink? Irgendetwas Süßes mit viel Alkohol wäre nett.«

Sieben Augenpaare starrten mich an, als könnten sie nicht glauben, was ich gerade von mir gegeben hatte.

»Was ist denn?«

»Haben deine Eltern dich als Baby wie einen Flummi immer und immer wieder auf den Boden geworfen?«, fragte mein Ex mit einer hochgezogenen Augenbraue.

»Nein, das ist deine Geschichte, Simon«, keifte ich zurück. »Du bist nämlich …, äh, du bist …, das Baby aus Hangover!«

»Ist das eine Beleidigung?« Simon lehnte sich mit einem kleinen Lächeln auf den Lippen zurück. »Ich heule jetzt gleich in meiner Emo-Ecke.«

»Findet Serena gut.« Ich beugte mich über Alex und kramte mein veraltetes Handy aus meiner Handtasche Veronica. »Kann Serena dem ein Gefällt Mir auf Facebook geben?«

Erst da bemerkte ich Simons wachsame, grüne Augen, die mir direkt in den Ausschnitt starrten. »Wenn ich denen da auch ein Gefällt mir geben darf?«

Ich zog mein Shirt bis zum Hals hoch, so dass es dafür meinen flachen Bauch inklusive Bauchnabelpiercing – übrigens, eines der bestgehüteten Geheimnisse meiner Freundinnen und mir – und meine alte OP-Narbe entblößte. Alex und Zoey schüttelten beide die Köpfe. Wussten die beiden eigentlich, wie sie sich vor wenigen Wochen noch aufgespielt hatten?

Mindestens genauso blöd.

»Ja, ja, Snake. Rede nur weiterhin diesen Unsinn, während Serena den Arschloch-Song singt«, sagte ich kühl und fing an, vor mich hinzusingen. »Arsch, Arsch, Arschloch, Arsch, Arsch, Arschloch–«

»Jetzt reicht es mir!« Zoey fuhr so schnell hoch, dass sie mich beinahe zu Boden warf. »Ich hol mir jetzt was Hochprozentiges und dir auch, Serena.«

Sie packte mich am Handgelenk. In ihren kleinen Fingern steckte so viel Kraft, dass ich mich nicht sonderlich wehren konnte, als sie mich zur Bar schleifte.

»Was soll das?«, schrie ich meine Freundin über den Lärm des Clubs hinweg an. »Serena hat Simon gerade so schön beleidigt!«

»Warum hasst du Simon denn bitteschön so sehr?«, fragte mich Zoey mit außergewöhnlich ruhiger Stimme.

Früher, damit meinte ich die Zeit vor Alex, hatte sie sich zwar auch immer um uns gesorgt, aber so offen war sie nie gewesen. Sie hatte immer so getan, als würde sie sich nicht für unsere Probleme interessieren, was natürlich nicht stimmte. Sie hatte immer so getan, als würde sie nur halbherzig zuhören und rasselte dann mit monotoner Stimme ihre Ratschläge herunter.

Die anderen und ich hatten ziemlich schnell kapiert, dass sie nur spielte. Sie hörte uns wirklich zu und ihr Rat war immer ernst gemeint.

Viele hielten Zoey für gefühlskalt, aber diese Personen kannten sie nicht so gut wie ich, Nell oder Violet. Vielleicht war Zoey ein bisschen mürrisch, egozentrisch, bissig, dauergenervt, eigenbrötlerisch …, aber sie war eine loyale Freundin, die stets zu uns gehalten hatte, war es nun bei mörderischen Völkerballschlachten oder als Alibigeberin unseren Eltern gegenüber, wenn wir auf Partys waren und dann bei Jungs übernachtet hatten.

»Er hat Bambis Mutter getötet«, antwortete ich und starrte auf den dreckigen Boden des Clubs. »Und er hat die Ozonschicht zerstört.«

»Sei bitte ernsthaft«, ermahnte sie mich. »Ich weiß von Alex, dass Simon erst seit ungefähr fünf Monaten in der Stadt ist. Du hast dich in den letzten fünf Monaten nicht mit ihm verabredet. Die Sache mit Simon liegt also tiefer, oder? Seit wann kennst du ihn?«

Ich schnappte mir irgendeinen Shot von einem Typen, der gerade seine Begleiterin auffraß und kippte ihn herunter. Nichts war herrlicher als ein Gratis-Getränk. »Es gibt keine Sache zwischen Simon und Serena.«

In Zoeys Gesicht schlich sich dieser Wenn du mir nicht die Wahrheit sagst, bekommst du eine Ohrfeige-Blick. Nicht, dass Zoey so etwas bei mir und den anderen getan hätte. Dieses Privileg war Alex vorbehalten. Aber sie drohte gerne.

»Es liegt tiefer!«, gestand ich ihr und warf die Hände in die Luft. »Aber es ist nur eine Kleinigkeit. Nichts, was man mit einer Axt oder einem anderen scharfen Gegenstand nicht lösen könnte.«

»Serena, du weißt hoffentlich, wie so eine Hass-Sache enden kann.« Zoey zeigte nach hinten, in die Richtung ihres Freundes. »Es gibt sogar eine wissenschaftliche Studie, dass Hass und Liebe im menschlichen Gehirn nahe beieinanderliegen. In einem Moment wirfst du ihm noch die besten Schimpfwörter an den Kopf und im nächsten Augenblick liegst du in seinen Armen und kannst nicht aufhören, ihn zu küssen.«

»Und es gibt eine Studie darüber, dass Frauen öfter ihre Männer töten als Männer ihre Frauen«, grummelte ich genervt. »Verstehst du Serena denn nicht, Zoey? Alex war von Anfang an total süß und nett zu dir, aber Simon behandelt Serena wie Abfall. Abfall mit Brüsten. Er ist ein Vollarsch.«

»Vielleicht würde ein normales Gespräch euch beiden helfen? Setzt euch zusammen und redet darüber, was in eurer Beziehung falschläuft.«

Wow. Das war zwar ein Spruch, den sie genauso gut von der Ratgeberseite eines Mädchen-Magazins hätte haben können, aber er war wirklich süß gemeint.

Liebend gern hätte ich Zoey jetzt umarmt, wenn sie Umarmungen nicht so ablehnen würde.

»Serena hat keine Lust mit Simon zu reden.«

Ich gab der gepiercten Barfrau ein Zeichen, formte mit den Lippen Tequila und zeigte ihr drei Finger.

Zoey nahm das Gleiche, da sie heute ihren ersten richtigen Auftritt mit der neuen Bandformation hatte. Es hatte sich eigentlich nicht viel geändert: Ein Gitarrist hatte aufgehört, so dass Alex jetzt zusätzlich noch Gitarre spielte und Zoey hieß nun als Sängerin Kali. Das war der Spitzname, den Alex ihr gegeben hatte.

Ich nahm die Gläschen Tequila und folgte Zoey brav. Doch als ich in die Nähe von Simon kam, verhedderten sich meine Füße versehentlich wieder miteinander, so dass ich versehentlich den ersten Tequila in Simons Gesicht und den zweiten in seinen Schoß kippte.

»Oh, was für ein dummes Versehen.« Ich schlug meine Hand vor den Mund. »Also, das tut Serena jetzt um den teuren Alkohol leid. Er hat es nicht verdient, von dir aufgesaugt zu werden.«

Schadenfroh kicherte ich vor mich hin.

»Serena?« Simons Stimme war ein gefährliches Flüstern. »Ist das da hinten ähm … Chace Crawford?«

»Wo?« Mit einem leisen Aufschrei drehte ich mich um und suchte den Club nach dem Schauspieler ab. »Wo? Wo? Wo ist Serenas Lieblingsschauspieler?«

»Ed Westwick ist viel heißer, du Unwürdige!«, plärrte Nell hinter meinem Rücken.

Ich gab es zwar ungern zu, aber ich liebte diesen Schauspieler, seit ihn meine Augen zum ersten Mal bei Gossip Girl erblicken durften. Natürlich war es unglaublich naiv von mir zu glauben, dass Chace wirklich in so einem Club war, aber wer wusste schon, ob sich ein heißer Schauspieler nicht auch in unser Kaff verirren konnte? Wir lebten schließlich im Festspiel- und Mozartland Salzburg! Ich war auch schon mal Roberto Blanco über den Weg gelaufen. Zwar war ich kein Fan von dem, hatte aber immerhin mal einen Promi durch die Straßen laufen sehen.

Plötzlich wurde mir etwas Nasses über den Kopf geschüttet. Als ich mich umdrehte, grinste mich Simon mit einer leeren Bierflasche in der Hand an. »Das war jetzt kein Versehen.«

3. KAPITEL

SERENAS TICKENDE UHR

Zuerst konnte ich nicht glauben, dass mir ausgerechnet Simon – mein Simon – das Bier über meine geliebten blonden Haare gekippt hatte.

So einen ähnlichen Biervorfall hatte ich schon einmal miterleben dürfen, nur hatte ich da, ohne es zu ahnen, mit einem vergebenen Typen herumgeknutscht. Seine zu recht wütende Freundin hatte ihre Bierflasche über meinen Haaren geleert und mich als miese Schlampe bezeichnet.

Normalerweise war ich Bierduschen gewöhnt, nicht nur wegen dieses einen Vorfalls, sondern auch, weil uns seit drei Jahren die Maturanten nach ihrem Abschluss an der Schule mit allen möglichen Getränkeduschen, Wasserbomben, Spritzpistolen oder wie hier mit Flaschengetränken, terrorisierten.

Und dann auch noch Bier! Das von mir meist gehasste Getränk der Welt!

Whisky wäre mir lieber gewesen, den hätte ich mir wahrscheinlich von der Haut geschleckt. Was Simon wohl noch besser gefallen hätte …

Im ersten Schockmoment hielt ich daher diesen Unfall für eine Illusion, hervorgerufen durch all meine Sorgen und vor allem durch mein hormongeplagtes Gehirn.

Zumindest so lange, bis mir das klebrige, stinkende Getränk über meine Stirn, Augen, Nase, in den Mund und über die Wangen bis in meinen Ausschnitt hinunterlief.

Ich sah Simon in die Augen.

Er sah mit genüsslichem Grinsen zu, wie mir das Blut aus dem Gesicht wich und sich mein Ausdruck in pure Fassungslosigkeit verwandelte.

Nicht einmal im Traum hätte ich mir vorstellen können, dass Simon mir so etwas antun würde.

Gegen meinen Willen lief vor meinem geistigen Auge eine Szene aus einem glücklicheren Leben ab – okay, glücklich war so ein gefühlsstarkes Wort. Es war glücklicher im Sinne davon, dass die Beziehung zwischen mir und Simon besser gewesen war.

»Mir ist so heiß!«, stöhnte ich und fächelte mir mit meinem T-Shirt Luft zu.

Es war Hochsommer, in den letzten Tagen lag die Temperatur immer so bei dreißig Grad. Heute sollten es sogar fast sechsunddreißig Grad werden! Ich rechnete jeden Moment damit, in Flammen aufzugehen.

Meine kurzen, dunkelbraunen Haare klebten an meiner verschwitzen Stirn und an meinem Nacken.

Laut verfluchte ich meinen Kleiderschrank, in dem sich grundsätzlich nur schwarze, lange Klamotten stapelten. Obwohl erst Juni war, sehnte ich mich nach dem kühlen, regnerischen Herbst.

Ich grinste.

Wenn es wieder kalt war, konnten mein Freund und ich bei einer Tasse Tee vor dem Fernseher kuscheln.

Mein Bauch kribbelte voller Freude, als ich zu Simon sah, der vor mir stand und auf den blauen See starrte. Als er meine Klage hörte, drehte er sich um und bückte sich mit einem breiten Grinsen zu mir herunter.

»Warum ziehst du auch bei solchen Temperaturen etwas Schwarzes an?«, meinte Simon und tippte mir an die Stirn. »Weißt du, dass du einen ganz schönen Schaden hast?«

Ich stieß ein leises Schnauben aus. »Sagt ausgerechnet der Typ, der einmal ein berühmter Rockstar werden will!«

»Ich schaffe das«, sagte er, felsenfest von sich überzeugt. »Und jetzt …«

Er packte mich an den Handgelenken und zog mich von meinem trockenen Platz auf der Wiese in den See hinein.

Damals hatte ich mit Simon laut gelacht, als ich wegen ihm völlig aufgeweicht aus dem See gekrabbelt war. Ich war ihm nicht böse, weil er mir eine kalte Dusche verschafft hatte, denn ich hatte mich danach in seine Arme werfen und mich an seine Brust schmiegen können. Er hatte mich liebevoll damit geneckt. Nie hätte er mir etwas aus Bosheit angetan.

Aber dieses Mal hatte er aus reinem Hass und aus Rache gehandelt.

Wie hatte es nur so weit zwischen uns kommen können?

Diese Szene erinnerte mich an eine Zeile aus einem Song von Family Force 5, den mir Zoey vor ein paar Tagen vorgespielt hatte. Er hieß Never Let Me Go oder so ähnlich: The mind is a ticking time bomb.Itching to go off.

Der Song dröhnte in meinen Ohren, während sich die anderen Teile meines Gehirns ebenfalls verabschiedeten.

»Jetzt reicht es, Serena!« Ich sprang auf und stürzte mich, getrieben von meiner Wut, auf meinen Ex. Ich spürte, wie das Sofa wegen meines schwungvollen Sprungs fast umkippte, obwohl die ganzen Leute darauf saßen. »Du legst dich mit dem falschen Mädchen an, Simon.«