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Eine kleine, verschwiegene Universität in West Virginia. Rileys geplatzter Traum von einer Sportkarriere. Und Jason, der seine Gefühle mit Fäusten zu bändigen versucht. Riley liebt Fußball, Star Wars und eindeutig Jungs. Ein Sportstipendium soll ihm den Weg ebnen. Doch eine Kopfverletzung beendet die Karriere, bevor sie begonnen hat. Stattdessen folgt er seiner Schwester Grace auf die Bluewell University, um der schmerzhaften Vergangenheit zu entfliehen und noch mal neu anzufangen. Als er ausgerechnet mit Jason in ein Zimmer kommt, droht sich die Geschichte zu wiederholen. Denn Jason ist als Frauenheld und Schläger verschrien. Warum nur hat Riley dennoch das Gefühl, diesem Kerl mit den cognacfarbenen Augen und dem schiefen Lächeln vertrauen zu können? Ein queerer New-Adult-Roman. Frech, humorvoll und unverblümt. Mit Figuren, die ihre ganz persönlichen Masken tragen, um zur Gemeinschaft dazuzugehören, und dabei doch nur den Weg zu sich selbst suchen.
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Seitenzahl: 506
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Martina Riemer
Bluewell University - The Pain You Give
Martina Riemer
Bluewell University - The Pain You Give
Instagram: @martina_riemer
TikTok: @martina.riemer
Content Notes:
Hassverbrechen, Schwulenfeindlichkeit, schwulenfeindliche Sprache, Schlaganfall (erwähnt), Drogen (erwähnt), Trauma, Ghosting, Gewalt, Schaukämpfe mit Geldeinsatz, emotionale Erpressung durch Vater, unverblümte Sprache, Verlust, Trauer, Geldsorgen, Alkoholkonsum, Sucht, Blut, Übelkeit und Erbrechen, verletztes Tier, Sex (einvernehmlich).
1. Auflage 2024
Copyright © Novel Arc Verlag, Fridolfing 2023
Novel Arc Verlag, Kirchenstraße 10, 83413 Fridolfing
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk darf im Ganzen, wie auch in Teilen, nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben, vervielfältigt, übersetzt, öffentlich zugänglich gemacht oder auf andere Weise in gedruckter oder elektronischer Form verbreitet werden.
www.novelarc.de
Umschlaggestaltung: M. D. Hirt
Lektorat & Korrektorat: worttief-Lektorat (Mareike Westphal)
Buchsatz: Novel Arc Verlag
Credits Envato Elements: creativetacos. Adobe Stock: linimasa, Save Jungle, Flavijus Piliponis, veronchick84. Freepik: myimagine2018, janevasileva, freepik, designer_things, juicy_fish, alxyzt, macrovector, xoha, sergey_kandakov.
Klappenbroschur: 978-3-98942-026-7
E-Book Ausgabe: 978-3-910238-18-3
Um allen das bestmögliche Lesererlebnis zu ermöglichen, informiere ich euch in diesem Vorwort über Inhalte des Buches, die womöglich triggern. Es ergeben sich Spoiler für die Handlung.
Folgende Themen werden in diesem Roman behandelt und manchmal auch nur angedeutet: Hassverbrechen, Schwulenfeindlichkeit, schwulenfeindliche Sprache, Schlaganfall (erwähnt), Drogen (erwähnt), Trauma, Ghosting, Gewalt, Schaukämpfe mit Geldeinsatz, emotionale Erpressung durch Vater, unverblümte Sprache, Verlust, Trauer, Geldsorgen, Alkoholkonsum, Sucht, Blut, Übelkeit und Erbrechen, verletztes Tier, Sex (einvernehmlich).
Bitte gebt beim Lesen auf euch acht und meldet euch bei Novel Arc unter [email protected], wenn ihr Inhalte im Text entdeckt, die in der Liste fehlen.
1. Kapitel: One Republic – Runaway
2. Kapitel: Imagine Dragons – Demons
3. Kapitel: Justin Jesso – Getting Closer
4. Kapitel: Shawn Mendes – Nervous
5. Kapitel: Alle Farben & James Blunt – Walk Away
6. Kapitel: Birdy & Rhodes – Let It All Got
7. Kapitel: Tom Gregory – Fingertips
8. Kapitel: Ed Sheeran – Castle On The Hill
9. Kapitel: Dermot Kennedy – Kiss Me
10. Kapitel: Kings of Leon – Use Somebody
11. Kapitel: Dermot Kennedy – Power Over Me
12. Kapitel: Jonas Brothers – Sucker
13. Kapitel: Avicii – SOS ft. Aloe Blacc
14. Kapitel: Simon Lewis – All I am
15. Kapitel: James Bay – Us
16. Kapitel: Welshyl Arms – Learn To Let Go
17. Kapitel: Lewis Capaldi – Someone You Loved
18. Kapitel: Harry Styles – Falling
19. Kapitel: The Kid Laroi – Without You
20. Kapitel: James Arthur – Blindside
21. Kapitel: Marshmello ft. Khalid – Silence
22. Kapitel: P!ink – Trustfall
Für alle, die anders sind und sich manchmal
ganz weit weg auf einen fremden Planeten wünschen.
Auch eure Zeit wird kommen – hier, bei uns. ♥
„Seid ihr schon da, Riley?“
Mums Stimme drang aus dem Handy, das ich lauter gestellt hatte, damit meine Schwester mithören konnte. Bevor ich zu einer Antwort kam, brüllte Grace neben mir vom Fahrersitz aus: „Nein, Mum. Wir brauchen noch mindestens eine Dreiviertelstunde!“
„Ist das Antwort genug? Habt ihr sie gehört, Mum? Dad?“
„Wie wäre das auch zu überhören gewesen? Grace hatte schon immer ein lautes Stimmchen“, gab mein Dad, der dicht neben Mum stehen musste, mit einem hörbaren Schmunzeln zurück. Die beiden waren ein eingeschworenes Team, und gemeinsame Telefonate gehörten zu ihrem Standardrepertoire.
Obwohl mich unsere Eltern nicht sehen konnten, rubbelte ich übertrieben mein Ohr. „Was soll ich sagen? Ich sitze direkt neben Grace und bin jetzt taub. Danke auch, Schwesterherz. Ist ja nicht so, als wäre ich nicht bereits ramponiert genug.“
Aus dem Handy ertönte Dads warmes Lachen, gleichzeitig boxte mir Grace gegen den Oberarm. Sie bedeutete mir, schneller zu machen und das Gespräch zu beenden. „Mum, Dad, wir müssen uns wieder auf den Verkehr konzentrieren. Ihr wisst schon, der Sicherheit wegen. Wir melden uns später.“
Mums besorgte Stimme drang an mein Ohr. „Gut, gut. Ihr habt recht. Fahrt vorsichtig und ruft an, sobald ihr da seid.“
„Machen wir“, versicherte ich ihr und verabschiedete mich schnell. Seufzend legte ich das Handy in die Mittelkonsole und wischte über mein Gesicht, um die Müdigkeit zu vertreiben, den Stress und die Anspannung der letzten Wochen wegzufegen. Sie waren großartige Eltern, ich liebte sie abgöttisch. Mir war bewusst, wie gesegnet Grace und ich mit ihnen waren und dass andere Eltern sich eine Scheibe von ihnen abschneiden könnten. Nur manchmal übertrieben sie es eben mit ihrer Liebe und Fürsorge.
Grace und ich waren bereits seit Stunden unterwegs, und die Sonne knallte unbarmherzig auf unseren alten Ford Mustang, bei dem die Klimaanlage vor Monaten den Geist aufgegeben hatte. Der dunkelrote Wagen hatte schon unserem Dad zu seiner Unizeit gehört. Leider hatten wir es vor meinem Auszug nicht mehr geschafft, ihn in die Werkstatt zu bringen. Das war mir jedoch alles egal, denn wir waren auf dem Weg zu unserer neuen Bleibe und der Fahrtwind brachte den frischen Duft der umliegenden Berge herein. Den Highway hatten wir bereits vor längerer Zeit verlassen, und gerade fuhr Grace durch eine Allee aus hohen Ahornbäumen.
Der kühle Luftzug spielte mit meinen dunklen Haaren im Nacken. Das Oberhaar hatte ich zu einem Man Bun hochgenommen, damit mir nicht ständig Strähnen in die Augen flatterten oder ich an einer erstickte. Eine äußerst nervige Angelegenheit. Dennoch würde ich nie im Leben auf die Idee kommen, meine etwas länger als kinnlangen Haare abzuschneiden, egal wie oft sie mich zum Blinzeln oder Husten brachten. Ein Mann hatte schließlich seine Prinzipien.
Vorfreudig lümmelte ich in meinem Sitz und wippte mit den Beinen, die ich überkreuzt auf das Armaturenbrett gelegt hatte, zum Takt der Bee Gees. All Time Classics, wie Dad sie nannte. Das Radio spielte Gute-Laune-Musik, und ich konnte nicht aufhören zu lächeln. Ich war wirklich von zu Hause ausgezogen und startete mit dem nächsten Abschnitt meines Lebens, wenn auch etwas später als geplant. Es roch nach Freiheit. Endlich.
Einen Ellbogen am Fenster abgestützt, trank ich einen Schluck aus der Cola-Dose. Mir entschlüpfte ein Rülpser. „Sorry, der war nicht gewollt“, wandte ich mich an meine Schwester. Diese boxte mir sofort gegen das Knie.
„Das kann jeder behaupten, du Ferkel. Du bist wie jeder andere Typ. Und dabei dachte ich, mit einem homosexuellen Bruder würde ich von Käsefüßen, Rülpsern und verschwitzten Achselhaaren verschont bleiben.“
Ich erkannte ihr freches Grinsen, das die scharfen Worte Lügen strafte. Hätte sie ihre Hände jetzt nicht am Lenkrad, würde ich wetten, dass sie versucht hätte, meine Haare zu zerwühlen. Einfach, um mich zu ärgern. Das taten Geschwister eben. Ständig. Deswegen trank ich einen langen Schluck und rülpste noch lauter. „Der war gewollt, liebste Schwester, für diese grottenschlechten Klischees. Und sorry, ich bin nicht so ein Bruder.“
Grace tätschelte lächelnd meine Brust, während sich das Blätterwerk der Allee über uns verdichtete und wir in Schatten gehüllt wurden. „Ich weiß, Riley. Du bist der beste Bruder. Aber ich bin genauso die beste Schwester. Pass auf.“
Mit einem breiten Grinsen bog Grace von der Straße ab und passierte ein offen stehendes schmiedeeisernes Tor, über dem ich gerade noch einen Blick auf ein Schild erhaschen konnte, auf dem „Campus – Bluewell University“ stand. Vorfreude prickelte durch meinen Körper. Wir waren da. Von wegen noch eine Dreiviertelstunde. Damit hatte sie uns nur etwas Zeit erkauft, bevor wir uns erneut bei unseren Eltern melden mussten.
Über eine gewundene Straße zwischen perfekt angelegtem Rasen und uralten Bäumen näherten wir uns einem mehrstöckigen roten Backsteingebäude. Es ähnelte den Gebäuden, die links und rechts davon zu sehen waren und ebenfalls Studentenwohnheime sein mussten. Direkt vor dem Eingang, der über mehrere Stufen zu erreichen war, säumten links und rechts alte Weiden und Zypressen die Wiesenfläche, wodurch die Szenerie malerisch und zeitlos wirkte. Als wären wir nur eine kleine Randnotiz im Zyklus dieser Bäume. Der Gedanke gefiel mir. Er nahm die Wichtigkeit aus den kleinen Belanglosigkeiten, die man unnötig zu groß bemaß. Hier konnte ich mir meinen Neubeginn vorstellen. Die Entscheidung, woanders und nicht zu Hause zu studieren, war die richtige gewesen. In dieser Stadt kannte mich niemand. Nur meine Schwester und ihre Freundin Emma wussten über mich Bescheid. Oder über das, was mir passiert war. Gut so. Ich wollte nicht auf diese eine Sache reduziert werden.
Mit dem Blick folgte ich den Wegen durch den parkähnlichen Campus und zu den Bergspitzen im Hintergrund. Auf den Gipfeln konnte ich sogar jetzt im September schon weiße Schneetupfer erkennen. Der Wahnsinn. Und hier sollte ich künftig wohnen? Mir blieb die Spucke weg. Meine Schwester hatte nicht übertrieben, wie sie es sonst gerne tat. Die Universität und der Campus waren der Wahnsinn.
„Wir sind daaaa!“, trällerte sie und stellte den Wagen auf dem Parkplatz ab, direkt vor den Stufen, die zur weißen Eingangstür führten. Wir stiegen aus dem Ford, und ich drehte mich im Kreis, um das Gebäude und das Gelände zu bewundern. Zwischen den hohen Bäumen standen Büsche in voller Blüte. Bunte Tupfer aus Rot, Lila und Gelb. Wie sollte ich in dieser Idylle lernen? Ich würde den ganzen Tag auf den Stufen hocken und dieses Bilderbuchpanorama anstarren. Vielleicht ging es mir aber nur so, weil Grace und ich aus Texas kamen. Dort war es jeden Tag heiß und trocken, und es gab nicht so viel Grün wie hier. Dieser Ort schrie nach Erblühen, nach Leben. Genau das, was ich brauchte.
Ich verschränkte die Arme im Nacken und drückte den Rücken durch. Meine Wirbelsäule knackste nach der langen Fahrt protestierend, und mein Unterleib zog unangenehm bei der Bewegung. Eine kleine, unwillkommene Erinnerung daran, warum ich ein ganzes Jahr zu spät meine Zelte an der Uni aufschlug.
„Hey Kleiner, Mund zu. Dir läuft schon der Sabber aus dem Mundwinkel, und ich will doch, dass du einen guten ersten Eindruck machst.“
„Besagter kleiner Bruder ist genau genommen zehn Zentimeter größer als du und nur ein paar Monate jünger, also lass stecken. Außerdem würde ich nicht so sprachlos in die Gegend gucken, wenn du mir ein verdammtes Foto vom Campus, anstatt von den ganzen Partys, gezeigt hättest. Das ist der Wahnsinn, Grace! Ich kann kaum glauben, dass wir hier sind. Das Jahr wird klasse!“, freute ich mich lautstark, ohne etwas dagegen tun zu können.
Andere wären vielleicht nicht so aus dem Häuschen, ab sofort büffeln zu dürfen. Aber zu lange hatte ich dafür gekämpft, ebenfalls an der Bluewell zu studieren, weg von zu Hause, und nicht bei meinen Eltern zu bleiben. Obwohl ich sie liebte, musste ich einfach raus, wieder Luft holen und frei atmen. In den letzten Monaten hatten sie mich nicht aus den Augen gelassen und mich wie ein rohes Ei behütet. Davon brauchte ich eine Pause. Es war keine Option für mich, zu Hause zu studieren und weiterhin unter ihrem Dach zu wohnen. Ich wollte ein normales Leben führen. An einem Ort, an dem man mich nicht aus den Lokalnachrichten kannte. Vielleicht konnte ich hier zum alten, unbeschwerten Riley zurückfinden – zumindest ein bisschen.
Neu motiviert, rieb ich mir die Handflächen und drehte mich zu meiner Schwester um. Grace griff nach meinen Fingern und freute sich mit mir, sodass wir uns wie zwei Grinsekatzen anstrahlten und lachend im Kreis hüpften. Dabei rutschten einige Strähnen aus meinem Bun, die sich prompt in meinen Bartstoppeln verfingen und die ich mir japsend aus dem Gesicht blies, was Grace nur noch mehr zum Lachen brachte. „Du siehst aus wie ein Frosch!“
Nach dieser Unbeschwertheit hatte ich lange Zeit gesucht. Glücklich hauchte ich ein „Danke, für das hier!“, das Grace nickend annahm. Wir verstanden uns oft blind. Grace war nicht nur meine um wenige Monate ältere Schwester, sondern meine beste Freundin.
Sicher, ich hatte auch in der Schule Freunde gehabt, aber wenn etwas wirklich Wichtiges in meinem Leben passiert war, hatte ich es zuerst Grace erzählt. Beim ersten verlorenen Zahn war ich in ihr Bett geschlichen, und sie hatte mit einem High Five und einem „Cool!“ mit mir abgeschlagen. An meinen ersten Schultagen hatte ich ihre Kleiderwahl getragen. Kurz darauf war mir bereits in der Grundschule klar geworden, dass mich Jungs mehr reizten als Mädchen, was ich nie zu einem Geheimnis in meiner Familie gemacht hatte. Grace hatte zuerst von meinem ersten Schwarm, meinem ersten Kuss, meinem ersten Date erfahren. Und Grace hatte mich nach der schmerzhaften Trennung wieder aufgepäppelt. Ihre blauen Augen hatten mich besorgt gemustert, als ich mit einem Verband um den Kopf, mit Schrammen im Gesicht und am Körper, die Lider blinzelnd im Krankenhaus geöffnet hatte. Diese Zeit war vorüber, ich wollte nach vorne schauen, und sie wusste, wie wichtig mir das war. Daher hatte sie nicht lange gezögert und alles in die Wege geleitet, damit ich, sobald ich nach Virginia an die Bluewell University kam, mit ihr in einem Wohnheim leben konnte.
Zuerst war ich nicht begeistert gewesen, schließlich hatte sie mich überzeugt. Immerhin würden wir kein Zimmer teilen, sondern nur das gleiche Studentenheim. Daher setzte ich darauf, mir selbständig ein Unileben und einen Freundeskreis aufzubauen, ohne der jüngere Bruder zu sein. Ansonsten würden mich alle als genau das sehen: der kleine Anhang von Grace. Drauf geschissen. Also hatte ich bei der Sache eingewilligt und in den sauren Apfel gebissen. Wobei dieser mit jeder Minute süßer schmeckte, je länger ich das weitläufige Gelände und die altehrwürdigen Gebäude betrachtete. Jup, hier ließ es sich leben.
Mitten in unserer Freudentirade brachte uns eine kratzig-tiefe, jedoch amüsiert klingende Stimme aus dem Konzept. „Was wird das hier, das nächste Cheerleader-Treffen? Soll ich schnell die Pompons holen? Dann können wir so richtig abfeiern.“
Abrupt drehte ich mich um. Ein Typ in schwarzer Jeans und enganliegendem, dunkelgrauem Shirt, dessen Ärmel um seine Oberarme spannten, sprang von dem Ast einer Eiche. In der Hand hielt er einen Block, einen Bleistift steckte er sich hinter das Ohr unter sandfarbenem Haar. Mir fielen keine anderen Worte ein, als ihn als schön oder umwerfend zu bezeichnen. Vermutlich nicht das, was Männer hören wollten, schon gar nicht, wenn sie hetero waren. Die standen eher auf Beschreibungen wie heiß, muskulös, sexy und vieles mehr, doch schön mit rauen Kanten beschrieb ihn am besten. Mit einem Hauch Verwegenheit durch seinen leichten Dreitagebart und das schiefe Grinsen. In den letzten Monaten hatte ich befürchtet, mein Körper hätte den Männern abgeschworen, doch bei seinem Anblick regte sich etwas in mir und er schaltete wieder auf Vollbetrieb. Plötzlich fühlte sich die Luft wärmer an als noch vor einer Sekunde. Das musste eindeutig an unserem Freudentanz liegen und nicht an dem sexy schrägen Lächeln dieses Typen. Also sah er doch nicht nur gut aus, sondern war genauso sexy. Gut zu wissen.
Trotzdem schrillten in meinem Kopf alle Alarmglocken, und mein Instinkt schrie mich an, dass der Kerl eindeutig nicht auf meiner Welle schwamm. Was eine Schande war. Lässig winkte ich ihm zu – „Hey, Alter, was geht?“ – und beschränkte meine Faszination auf ein reguläres Maß. Nicht jeder Kerl fühlte sich wohl dabei, von einem Typen angeglotzt zu werden.
Grace schien von seinem charmanten Lächeln keineswegs so geblendet wie ich. Stattdessen verspannte sie sich und legte mir eine Hand auf die Schulter. „Halt die Klappe. Das ist mein kleiner Bruder Riley, und du wirst dich von ihm fernhalten, verstanden?“
Scheiße, das hatte sie nicht ernsthaft gesagt. Was sollte das denn? Zuerst „kleiner Bruder“ und „von ihm fernhalten“ – ging es noch schlimmer? Ich fühlte mich wie im falschen Film und konnte den Typen nur anstarren wie ein Reh im Scheinwerferlicht, oder kotzen. Kotzen wäre ebenfalls ein toller erster Eindruck und passte zur Situation.
Bei Grace’ Worten bemerkte ich eine Veränderung in seiner Körperspannung, da ich die Augen nicht von ihm lassen konnte. Während er vorhin noch offen und mit einem Scherz auf den Lippen auf uns zugekommen war, verschloss er sich, genau wie seine Miene, die nun beinahe finster wirkte. Sogar seine cognacfarbenen Augen verloren das amüsierte Funkeln.
Seine Stimme nahm einen scharfen Unterton an. „Keine Angst, Grace. Ich lass den Kleinen schon in Ruhe. Wusste nicht, dass Emma einen Kindergarten eröffnet. Rosige Aussichten.“
„Verschwinde einfach, Jenkins!“, blaffte Grace zurück, und der Typ, Jason, hob beschwichtigend die Arme, während er sich rückwärts dem Haus näherte. „Kein Ding. Ich gehe schon. Mach’s gut, kleiner Riley.“
Na klasse, genau das, was ich gebraucht hatte. Vom schärfsten Typen im Umkreis von zwanzig Meilen als „kleiner Riley“ bezeichnet zu werden. Konnte mich bitte jemand erschießen oder von hier wegbeamen, am besten auf einen anderen Stern, wenn möglich? Dagobah aus Star Wars wäre sicher für mich frei. Ich hatte keine Ahnung, wie ich zwischen diese zwei Fronten geraten war, ohne auch nur ein Wort gesagt zu haben.
Ich räusperte mich heiser. „Was sollte dieser Scheiß?“ Dann dämmerte es mir schlagartig, und ich blickte zur Eingangstür und anschließend in das Gesicht meiner Schwester. „O mein Gott, du hast mit ihm geschlafen!“
Grace riss die Augen auf. „Was? Spinnst du! Wie kommst du denn darauf?“
Okay, sie stritt es nicht ab. Ich sah mich schon dabei, einen Typen attraktiv zu finden, der etwas mit meiner Schwester gehabt hatte. Was krank war. Oder er hatte meine Schwester verletzt, was noch schlimmer war. Bei uns gab es keinen Bro Code, denn wir Geschwister hielten noch viel stärker zusammen, als irgendwelche Männer es je könnten. Außerdem wollte ich im Moment gar keinen Typen anmachen und erst recht keine Beziehung eingehen. Was ich brauchte, war Zeit, um den Kopf freizubekommen. Doch ich war nicht blind, und dieser Jason war definitiv ein außerordentlicher Augenschmaus – zumindest aus der Ferne betrachtet.
„Weil man die Spannung zwischen euch beiden eindeutig spüren kann. Sie war so intensiv, ich dachte, sie explodiert gleich in einer Supernova. Also, erzähl, ich will alle Einzelheiten hören!“, forderte ich sie auf und wackelte vielsagend mit den Augenbrauen, um ihr zu zeigen, dass es keine große Sache für mich war. Nur weil ich Pech gehabt hatte, wünschte ich mir für andere nicht das gleiche enthaltsame Leben. Ich war neugierig – wobei ich es vielleicht bereuen würde, jede Einzelheit über den Sex mit diesem Typen zu hören. Mir reichte sein Anblick, da musste ich nicht wissen, wie er sich anfühlte. Vor allem nicht, falls er meiner Schwester das Herz gebrochen hatte. Dann wäre mein Zorn schlimmer als jener von Anakin, der bekanntlich zu Darth Vader geworden war.
Mit angewidertem Gesicht schüttelte Grace den Kopf. „Auf keinen Fall. Ich würde diesen Typen nicht einmal mit der Kneifzange anfassen, aus Angst vor irgendwelchen ansteckenden Krankheiten. Nein, ich traue diesem Jason nicht. Geh ihm bitte aus dem Weg.“
„Keine Sorge. Männer – und Frauen, wie du weißt – stehen im kommenden Semester nicht auf meiner Agenda. Genau genommen werde ich sogar das Leben eines Mönchs führen und nur hin und wieder einen Porno gucken, falls dich das beruhigt“, scherzte ich, obwohl ein Hauch bitterer Wahrheit mitschwang.
„Danke, aber zu viel Information. Der Rest ist Mist, und das weißt du. Du sollst dich nur nicht zu schnell auf einen Typen einlassen, aber geh auf Dates und probiere dich aus. Dafür ist diese Zeit da.“
In ihrem ernsten Tonfall lag ein Lächeln, denn sie sprach aus Erfahrung. In der Vergangenheit hatte sie ziemlich schräge Dates gehabt. Dabei war ein Typ, der keine Zeit zum Umziehen gefunden hatte und zu ihrem Date als verkleidete Krabbe aufgetaucht war, nicht einmal das Schlimmste. Grace hatte verstopfte Toiletten in der Wohnung eines Kerls erlebt oder einen getroffen, der gleich vier Bernhardiner zu Hause gehabt hatte. Einmal war sie mit einem Bastelfanatiker ausgegangen. In seinem Zimmer war alles mit Spielzeugflugzeugen und Panzern im halbfertigen Zustand belegt gewesen. Sie hatte nicht einmal genügend Platz gehabt, um sich hinzusetzen. Nein, alles musste ich ihr wirklich nicht nachmachen, obwohl ich sonst zu ihr aufsah. Sie hatte ihr Leben im Griff, so wie ich früher.
„Okay, mein Jedi-Meister, ich werde auf deinen Rat hören. Keine schrägen Typen, dafür Dates mit den netten. Aber ich kann dir nichts versprechen.“
„Ich weiß, mein Padawan, ich weiß.“ Grace grinste und schnappte sich ihre Taschen aus dem Wagen. Ich tat es ihr gleich und dachte, damit wäre das Thema erledigt. Irrtum. Bevor wir auf die Stufen hinauf zum Haus traten, stoppte sie mich, mit einer Hand an meinem Ellbogen, ihre Stimme leise und eindringlich. „Im Ernst, Riley. Jason ist nicht gut für dich, oder für irgendjemanden …“
Zwar hörte ich ungern auf Tratsch, da ich selbst Thema dessen gewesen war. Jetzt packte mich jedoch die Neugierde. „Echt jetzt, du wiederholst dich, Grace. Was ist mit ihm?“
„Emma will nicht, dass darüber geredet wird, und sie hält unnachgiebig zu ihm – warum, ist mir schleierhaft –, aber er ist ein Schläger. Voriges Jahr, als ich angefangen habe, ist er nur wenige Wochen auf der Uni gewesen“, erzählte sie, und ich hing an ihren Lippen, „und ich habe Gerüchte gehört, dass er –“
Plötzlich wurde sie von einem freudigen Jauchzen aus Richtung Tür unterbrochen. Klasse. Aus dem Haus stürmte eine kleine, quirlige Afroamerikanerin mit dunklen Locken. Ohne auf mich zu achten, hüpfte sie die Stufen hinab und warf sich auf Grace. Sprichwörtlich, denn die beiden gingen vor mir rittlings zu Boden und lachten sich schlapp. Erst nach einer Minute japste meine Schwester: „Emma, runter von mir! Ich krieg keine Luft mehr.“
„Das liegt aber nicht an meinem Gewicht, ich habe kein Gramm zugenommen, ich schwör’s. Wenn, bin ich nur muskulöser geworden, damit wir es den anderen Mannschaften diese Saison so richtig zeigen und ihnen den Arsch aufreißen“, versprach die Teamkameradin meiner Schwester. Nett.
Grace stand grinsend auf und streckte den Arm nach Emmas Hand aus, um ihr hochzuhelfen. „Ich erwarte nichts anderes von dir, Emma Harman. Und jetzt lass mich dir meinen Bruder vorstellen. Das hier ist Riley.“
„Hey, schön, dich kennenzulernen, Emma. Danke, dass du für mich ein Zimmer organisiert hast.“ Zur Begrüßung streckte ich ihr meine Hand entgegen. Im nächsten Moment warf sie sich in meine Arme und drückte mich an ihre Brust, als wären wir verlorene Verwandte. Interessant. Ein Lachen rumpelte durch meine Brust. „Du magst also neue Leute.“
„Und wie! Aber ich mag fast alle Leute. Freut mich ebenfalls. Endlich treffe ich Grace’ bessere Hälfte. Schön, dich hier zu haben. Fühl dich wie zu Hause. Wenn du irgendetwas brauchst, nimm es dir einfach. Falls dir das unangenehm ist, frag mich, obwohl ich sowieso zu allem Ja sage. So, und jetzt kommt. Ich muss dich den anderen vorstellen und dir das Haus und dein Zimmer zeigen. Es liegt ganz oben im fünften Stock. Keine Angst, wir haben einen Aufzug.“
Überrumpelt warf ich einen Blick über meine Schulter zu Grace, die mir grinsend zuzwinkerte, wie um zu sagen: „Ich habe dich vor Emma gewarnt.“ Hatte sie, aber Emma stellte sich als noch lebendiger und redseliger als in meiner Vorstellung heraus. Sie vibrierte regelrecht vor Energie, die Hand um meine geschlossen, um mich ins Haus zu zerren. Ein Lächeln zeichnete sich auf meinen Lippen ab, ein echtes. Mit meiner Schwester und Emma war ich mir sicher, ein aufregendes Semester vor mir zu haben.
Was war das für ein beschissenes Willkommenskomitee? Da kam ich nach einem Dreivierteljahr Auszeit zurück an den Campus und wurde sofort von Grace angeblafft. Zumindest Riley schien ein netter Typ zu sein. Er trug einen hippen Man Bun, was nicht jedem stand. Ihm schon, mit seiner hochgewachsenen, sportlichen Figur und dem breiten Lächeln mit Grübchen. Ein Grinsen, das ansteckend war.
Mit einem Mal wurde das kommende Jahr interessanter, dank des neuen Hausbewohners. Obwohl jede Studentenbude für zwei Leute ausgestattet war, konnte ich mir vorstellen, wie Emma uns alle zwang, im Gemeinschaftsraum abzuhängen. Sie hatte dafür gesorgt, dass ihre Freunde zusammen unterkamen. Es hatte eben Vorteile, wenn man zur Gründungsfamilie der Universität gehörte. In einer der größeren Unis wäre das selbst dann unmöglich, doch das Bluewell war klein und bot nur für etwa neunhundert Studierende Platz.
Sean, einer meiner besten Freunde, war ihr Cousin, und wir hätten uns ein Zimmer teilen sollen, aber er hatte kurzfristig beschlossen, dieses Studienjahr eine Auszeit zu nehmen und zu reisen. Dennoch hatte Emma darauf bestanden, dass ich im Cleveland House blieb, obwohl wir nur wegen Sean befreundet waren. Vermutlich wollte sie verhindern, dass ich mich komplett abkapselte. Die meisten Leute gingen mir auf den Sack, besonders jene, die Tratsch weitererzählten. Ich wollte gar nicht wissen, welche verfluchten Gerüchte über mich an der Uni kursierten. Vermutlich hatte es mit einem Aufenthalt im Knast oder Ähnlichem zu tun. Grace hatte sogar ihren Bruder vor mir gewarnt, mit mir abzuhängen. Sicherlich hatte sie noch keine Ahnung, mit wem ihr süßer, unschuldiger Bruder sein Zimmer teilte. Das würde ein Spaß. Einer, der so willkommen war wie ein Schlag in die Rippen.
Missmutig verzog ich die Lippen. Verdammt, das neue Semester fing ja klasse an. Ohne einen Blick zurück, durchquerte ich die Wohnraumküche der Studentenwohnung und stürmte in mein Zimmer. Dort verbarrikadierte ich mich und griff zur Beruhigung nach meinem Block und einem schwarzen Stift. Die Welt draußen konnte mir gestohlen bleiben, während ich schnell Striche auf den weißen Untergrund zeichnete.
In diesem Moment klingelte mein Handy. Das hätte ich normalerweise in meiner derzeitigen Stimmung ignoriert, würde ich mir keine Sorgen machen, erneut einen speziellen Anruf zu bekommen. Grandpas Name erschien auf dem Display. Automatisch beschleunigte sich mein Herzschlag, so wie es mir jedes Mal seit dem vergangenen Jahr erging, wenn er anrief. Irgendwie erwartete ich ständig einen Notruf. Oder von jemand anderem zu hören, dass ihm etwas passiert war. Echt ätzend. Ich unterdrückte ein Schaudern und hob ab.
„Hey, Grandpa. Alles klar? Geht es dir gut?“, fragte ich, bevor ich es mir verkneifen konnte. Er lachte kurz auf, wobei ich im Geiste sein wettergegerbtes Gesicht vor mir sah, das von weißen Haaren umrahmt war, die meist unter einer alten Mütze hervorblitzten. Er behauptete, dass er sie trug, weil so was jetzt trendy sei, aber ich ahnte, dass er damit sein schütter werdendes Haar verstecken wollte. Mein fünfundsechzigjähriger Grandpa war ein wenig eitel. Besonders, da er bei Frauen immer gut angekommen war.
Seine Stimme drang an mein Ohr. „Junge, warum fragst du mich das immer, wenn ich mich melde? Natürlich geht es mir gut. Ich will wissen, wie es dir geht und ob du gut angekommen bist.“
„Nur so. Und ja, ich bin vor einer Stunde in mein neues Zimmer gekommen. Passt gut.“
„Wie ist dein Mitbewohner, habt ihr euch schon kennengelernt?“
„Ja, kurz. Scheint ein netter Typ zu sein.“
„Wahnsinn, Junge. Du sprudelst heute wieder über vor Informationen. Bitte, nicht so viele Details auf einmal.“
Bei seinem Scherz musste ich schließlich doch grinsen. „Schon gut. Es ist großartig, ich werde klarkommen und nicht wieder Ärger machen. Du musst dir deswegen keine Sorgen machen. Pass auf dich auf und gib Bescheid, wenn du was brauchst, dann komme ich vorbei, egal was ist.“
Grandpa wohnte drei Stunden entfernt, und ich würde mein Versprechen sofort wahr machen. Egal welche Vorlesung ich hatte oder welches Problem anstand.
„Na, na, na. Ich bin zwar alt, aber ich kann noch gut für mich selbst sorgen, danke.“
„So habe ich das nicht gemeint. Ich weiß, dass du das kannst. Du bist zäh wie ein Bär. Wie so ein alter Grizzly, der nicht zu bändigen ist und vor dem sich alle fürchten.“
Erneut lachte Grandpa. „So klingt das schon viel besser. Recht hast du“, pflichtete er mir amüsiert bei. „Gut, gut. Noch etwas. Melde dich, wenn du etwas brauchst. Das mit Sunny und dem Studienplatz ist alles geklärt. Aber wenn es Probleme gibt, sag Bescheid, verstanden, Junge? Ich bin genauso immer für dich da. Ach, und melde dich bei deinem Bruder. Gib ihm Bescheid, dass du angekommen bist.“
Mein Herz wurde mir schwer. „Das mache ich, und ja, weiß ich. Danke, Grandpa.“
Und wie ich das wusste. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er neben meinem Bruder Mike der Einzige war, der immer für mich da war, der mich richtig kannte. Umso schlimmer war die Angst, dass unsere gemeinsamen Augenblicke schneller verstrichen, als ich es wahrhaben wollte. Als lebte er nur noch auf geborgter Zeit, und bald würde der Mann, der mich statt meiner Eltern großgezogen hatte, zu einem farblosen Schatten verblassen. Sollte das passieren, wäre ich für ihn da. Zuvor musste ich jedoch mein Studium beenden, und zwar so schnell wie möglich. Zwar hatte ich viele Credit Points von meiner Ausbildung für mein Studium anrechnen lassen können, da ich dank Grandpa spezielle Förderprogramme für Tiermedizin besucht hatte. Dennoch dauerte es seine Zeit, bis ich mein Studium tatsächlich abschließen und Geld verdienen würde.
Seufzend warf ich das Handy auf den Block, der auf dem Schreibtisch lag, und schnappte mir stattdessen ein Lehrbuch über Kleintieranatomie. Mit dem dicken Schätzchen hatte ich vor, die nächsten Stunden zu verbringen. Erneut hatte mein Handy einen anderen Plan. Dieses Mal war es Emma, die mich bat, auf einen Sprung nach unten zu kommen. Verflucht. Seufzend erhob ich mich und ergab mich meinem Schicksal.
Das Wohnheim war so großzügig gebaut, wie es von außen vermuten ließ. Vom großen Eingangsbereich führte rechts eine Treppe nach oben zu den anderen Stockwerken. Links befand sich ein kleiner Aufzug für zwei Personen. Die Böden waren mit altem, dunklem Parkett ausgestattet, die Wände cremeweiß gestrichen, und ein großer, offener Aufenthaltsraum auf der linken Seite lud zum Verweilen ein. Hohe Regale voller Bücher säumten eine Wand. Neben der Bibliothek standen diverse Musikinstrumente, eine schwarze Ledercouch und zwei bequeme Sessel mit passendem Couchtisch aus dunklem Glas. Dazwischen lagen mehrere farbige Sandsäcke auf einem dunkelgrauen Teppich. An den Decken waren gut sichtbar drei Kameras platziert, die jeden abschrecken würden, der auf die Idee kam, etwas zu klauen.
„Nett“, murmelte ich mit einem anerkennenden Pfiff. Ich hatte noch nicht einmal mein Zimmer gesehen, schon liebte ich dieses Haus. Ich würde sogar im Eingangsbereich schlafen oder unter der Treppe hausen, nur um hierzubleiben.
„Du bist im fünften Stock untergebracht, Grace und ich wohnen im zweiten. Das Erdgeschoss sowie Stockwerk eins und zwei sind für die Mädchen. In drei, vier und fünf sind die Jungs untergebracht. Wir haben nicht viele Regeln, aber Jungs und Mädchen müssen getrennt wohnen. Totaler Humbug, oder?“
Zustimmend nickte ich, obwohl mir ziemlich schnuppe war, wer mit wem ein Zimmer teilte. Generell kam ich mit allen ganz gut zurecht, egal welchen Geschlechts. „Danke, dass ich hier pennen darf. Es ist echt unglaublich.“
„Papperlapapp, du bist Grace’ Bruder, und damit gehörst du zur Familie“, beschwichtigte mich Emma.
Nach nur wenigen Minuten blieben wir auf unserer Tour durch das Untergeschoss im Gemeinschaftsraum hängen. Dort trafen wir auf einige von Grace’ und Emmas Freunden vom Fußball oder aus der Band. Die Uni hatte einen Naturwissenschafts-, Sport- und Kunstschwerpunkt. Was ich wirklich cool fand, wenngleich ich in keine dieser Schubladen passte. Ich machte keine Musik, ich gehörte nicht zu den Sportlern – nicht mehr. Im Moment war ich sozusagen schubladenlos, bis auf meine sexuelle Orientierung. Und auf diese wollte ich mich nicht reduzieren lassen.
Während Emma mir einige Leute vorstellte, eilte Jason die Treppe nach unten. Ich versuchte nicht in seine Richtung zu blinzeln und mich stattdessen auf Emmas Erzählung zu konzentrieren, aber es fiel mir schwer. Schlechtes Gewissen und Neugierde kämpften um die Oberhand. Bei uns angelangt, schlug Jason mit der Faust gegen die eines Kollegen, die anderen begrüßte er mit einem Nicken. Kurz darauf lümmelte er auf einem breiten Sessel, die Beine lässig über eine Lehne gelegt, und kritzelte in einem Block herum.
„Das ist Jason“, sagte Emma. Bei der Erwähnung seines Namens nickte er gelangweilt, als wäre es ihm schnurzpiepegal, wer hier zukünftig ein- und ausging. Auch gut, dann wurde ich eben ignoriert. Ich musste mich nicht mit jedem verstehen, obwohl es das Zusammenleben leichter gemacht hätte.
Ich hoffte, dass ich mir ein Zimmer mit einem der Sportler teilte. Die wirkten gesprächiger als Jason, und Gespräche waren mir definitiv lieber als starres Schweigen. Lange genug hatte in meinem Kopf Schwärze und Stille geherrscht. Ich wollte Trubel, Ablenkung und das aufregende Gefühl des Neuanfangs. Genau wie es die vielen Studenten hervorriefen, die bei der Haustür hin- und herliefen, um ihren Krempel hereinzuschleppen. Ich war gespannt, was mein Leben hier für mich bereithalten, welche Freunde ich finden würde, aber zuerst musste ich mich in meinem Zimmer einrichten. Die stundenlange Fahrt, bei der wir uns hinterm Steuer abgewechselt hatten, forderte seinen Tribut. Ich konnte das Gähnen beim besten Jedi-Willen nicht mehr zurückhalten, was Grace natürlich bemerkte.
„Na los, ich zeig dir mal dein Zimmer, wir packen aus und gönnen uns eine Pause. In wenigen Tagen ist dein erster Tag an der Bluewell, das ist aufregend.“
Wir verabschiedeten uns von den anderen und betraten mit unseren Taschen bewaffnet den Aufzug, in den wir mit unserem Zeug gerade so reinpassten. Zuerst hielten wir im zweiten Stockwerk, wo ich meine beiden Taschen und einen Karton im Flur abstellte, um Grace’ Gepäck aus ihren Fingern zu befreien.
Protestierend schnaubte sie. „Du musst meine Sachen nicht tragen, ich bin eine selbstständige Frau.“
„Was hat das eine mit dem anderen zu tun? Mir ist schon klar, dass du deine Taschen selbst tragen kannst, genauso kann ich dir aber helfen, weil ich kein Arschloch, sondern dein Bruder bin. Außerdem habe ich nur eine auf den Kopf bekommen und nicht mein Rückgrat oder meine Muckis verloren“, scherzte ich, um ihre Anspannung zu lösen. Ich schulterte die Taschen und bedeutete ihr, mir den Weg zu zeigen. „Na los, wo ist dein Zimmer?“
Unzufrieden seufzte sie, ging jedoch voran. Grace war schon immer eine beschützende große Schwester gewesen, was sich verschlimmert hatte, als ich mich in der Highschool geoutet hatte. Doch seit dem Unfall im Frühling meines Abschlussjahres ähnelte sie beinahe einer Löwenmutter. Ein Verhalten, das irgendwie süß und gleichzeitig furchtbar nervig war.
Ein breiter Gang mit dunklem Holzboden führte zu den einzelnen Zimmern. Grace’ und Emmas Zimmer trug die Nummer 2A und lag auf der linken Seite. Sobald sie aufgesperrt hatte, traten wir ein, und ich stellte ihre Taschen auf den Küchentresen. Grace stand neben mir und ließ den Blick schweifen, bevor sie sich mir zuwandte. „So, da wären wir. Das ist mein Reich! Geh jetzt in Ruhe auspacken, du hast 5C. Wir sehen uns später. Einverstanden?“
„Danke, ich weiß. Steht auf dem Schlüsselanhänger“, antwortete ich und trat auf den Flur hinaus. „Wir können uns hier treffen und gemeinsam zu Abend essen. Ich pack nur schnell aus. Und ich werde Mum Bescheid geben, dass wir hier sind.“
So schön die gewonnene Freiheit war, ich hatte ein schlechtes Gewissen, sie warten zu lassen. Grace stöhnte an den Türrahmen gelehnt: „O ja, bitte. Mach du das, ich habe jetzt keine Nerven dafür. Danke, ich schulde dir was.“
„Wie immer.“ Grinsend drehte ich mich um und marschierte zum Aufzug.
Bevor sich dessen Türen öffneten, rief mir meine Schwester hinterher: „Ach, und Riley: Häng im Zimmer ja nicht diese Dinger auf.“
Nachdenklich zog ich die Augenbrauen zusammen und stellte mich unwissend. „Keine Ahnung, wovon du redest.“
Sie taxierte mich mit einem strengen Blick, der etwas Schelmisches hatte. „Unverbesserlich. Tu, was du nicht lassen kannst.“
Zustimmend hob ich den Daumen. „Und ob ich das werde. Du kennst mich ja“, meinte ich, um ihr zu verstehen zu geben, dass ich in meinem Zimmer machen würde, was ich wollte. Mein Reich, meine Regeln. Sie grinste breiter.
Immerhin war es ein Schritt zum alten Riley. Dem Riley mit unzerstörbarem Selbstvertrauen und dem es vollkommen egal war, was andere Leute über ihn dachten. Leben und leben lassen, das war meine Devise gewesen. Solange, bis jemand ein Problem mit meiner Lebensweise gehabt und es eindrucksvoll gezeigt hatte. Angewidert biss ich mir auf die Lippen, bis ich Blut schmeckte, um die Schatten zu vertreiben, die auf mich zukrochen und mich verschlingen wollten. Aber davon hatte ich genug.
Kopfschüttelnd ging ich weiter und fuhr nach oben in mein Zimmer. Wie das restliche Heim, waren unser Wohnbereich und mein Einzelzimmer mit dunklem Holz ausgestattet und die Wände hellgrau gestrichen. Hellgrüne Vorhänge hingen an den Fenstern, und ein blaues, großes Sofa stand in der Wohnraumküche gegenüber der Eingangstür, an deren linken Seite sich die Küche öffnete. Beim Fenster, wo das Sofa stand, war bereits ein Fernseher. Ich stellte meinen Karton daneben, um später die Playstation anzuschließen. Zwar hatte ich nicht vor, allzu viel zu zocken, aber ohne meine Konsole wäre ich auf keinen Fall ausgezogen. Wenn schon kein echtes Fußballspielen mehr möglich war, dann zumindest virtuelles. Das würde ich mir nicht nehmen lassen.
Anschließend schleppte ich die vollgestopften Taschen in mein Zimmer. Ich wusste nur, dass das andere schon belegt war, weil mein zukünftiger Mitbewohner eine altmodische Krawatte an der Türklinke befestigt hatte. Komisch, tat man das nicht, wenn man nicht gestört werden wollte, weil man Sport in der Horizontalen ausübte? Amüsiert drehte ich mich um und verstaute meine Sachen im Kühlschrank, um anschließend mein Zimmer in Beschlag zu nehmen. Es war klein, aber fein. Ein Fenster, unter dem ein Schreibtisch mit Leselampe und Stuhl stand. Rechts neben der Tür ein Einzelbett und links ein Kleiderschrank. Außerdem stand an der rechten Wand, zwischen Bett und Schreibtisch, eine Kommode. Mehr als ausreichend Platz, um alles unterzubekommen.
Zuerst zog ich die Vorhänge beiseite und öffnete das Fenster. Beim Ausblick blieb mir die Spucke weg. Von hier aus konnte ich einen großen Teil des Campus, die anderen Wohnheime und die Universitätsgebäude überblicken. Am beeindruckendsten waren die alten, ehrwürdigen Gemäuer, die rund um den parkähnlichen Campus angeordnet lagen. Hohe Bäume warfen Schatten auf die grüne Rasenfläche und die gepflasterten Gehwege darunter. In weiterer Entfernung konnte ich sogar die Sporthallen, den Fußball- und den Footballplatz erkennen.
Nach meinem Rundblick räumte ich meine Taschen aus: die Klamotten in den Kleiderschrank, Lehrbücher gestapelt links auf den Tisch mit dem Plan der Uni und den Schreibsachen. DVDs und die Star-Wars-Bücher auf der rechten Seite des Tisches, um vom Bett aus schnelleren Zugang zu ihnen zu haben. Vermutlich hätte ich mir nicht so viele Romane mitnehmen sollen, da die Kurse in Chemie und Physik genügend Zeit fressen würden, aber ich hatte beim Packen nicht widerstehen können. Immerhin fühlte ich mich dadurch wohler. Womit wir zu den nächsten Dingen kamen, die ich aus den Taschen fischte. Ich entrollte die zwei Han-Solo-Poster. Das erste Bild hängte ich auf den linken Flügel des Kleiderschranks, das Han Solo in Karbonit von vorne zeigte. Seine eingefrorene Hinterseite befestigte ich am rechten Flügel. Die Bilder rangen mir immer ein Lächeln ab.
Anschließend starrte ich unschlüssig auf die beiden Schwerter. Sollte ich sie aufhängen oder lieber in einer Schublade verstecken? Nein, ich wollte mich nicht verstecken, sondern sein, wer ich nun mal war.
Demonstrativ stellte ich meinen Darth-Vader-Helm auf die Kommode. Gut sichtbar. Sofort fühlte ich mich besser und drängte die Schatten der Vergangenheit zurück. Fehlten nur noch zwei Dinge. Ich schnappte mir die beiden Laserschwerter und erweckte mit einem Knopfdruck eines von ihnen surrend und rot leuchtend zum Leben. Den Blick auf das Licht geheftet, folgte ich den Bewegungen, die ich schnell ausführte, während ich so tat, als hätte ich Ahnung davon. Egal wie ich damit aussah, ich fühlte mich gut dabei. Die Bewegungen gaben mir die Sicherheit und den Glauben, die wichtigen Dinge selbst in der Hand zu haben.
Schließlich schaltete ich das Laserschwert aus und hängte beide an die Wand über dem Bett. Es würde sowieso niemand außer Grace in mein Zimmer kommen. Mit dem Handy hockte ich mich auf das Bett und wählte die Nummer unserer Eltern.
Nachdem ich ausgepackt hatte, traf ich mich mit Grace und Emma, um eine Kleinigkeit zu essen. Wir holten uns Sandwiches von einem Bistro am Campus, die wir im Gemeinschaftsraum des Wohnheimes verdrückten. Während wir dort rumhingen, gesellten sich vereinzelt andere zu uns, bis der Abend damit endete, dass die Band an den Instrumenten stand und gemeinsam jammte. Andere saßen rund um das Sofa auf den Sitzpolstern und unterhielten sich angeregt. Nach der Session machten es sich Emma und Grace auf der Couch bequem und tauschten sich über den Sommer aus. Die Stimmung war gut, trotzdem fühlte ich mich fehl am Platz. Das hier waren Leute, die bereits im zweiten oder dritten Jahr gemeinsam studierten. Die sich kannten und eine Clique waren. Sie waren cool, keine Frage. Aber sie waren nun einmal nicht meine Freunde. Ich wollte neue Bekannte, neue Freunde kennenlernen, nicht von Grace’ Gruppe adoptiert werden. Mit diesem Gedanken verabschiedete ich mich, ohne zu wissen, wie ich das anstellen sollte.
Trotz meines Vorhabens verliefen auch die nächsten zwei Abende ähnlich. Ich war zwar Teil der Gruppe, aber gehörte nicht richtig dazu. Egal, ob es mein erster Tag war oder ich inzwischen drei Tage am Campus verbracht hatte, um mich auf das Studium vorzubereiten und Lehrbücher durchzugehen. Eine innere Unruhe hielt mich davon ab, mich wirklich zu öffnen, mich auf die anderen einzulassen oder auf neue Leute zuzugehen. Anscheinend war bei mir mehr kaputtgegangen als nur mein Kopf. In den letzten Nächten hatte ich wie so oft schlecht geschlafen, und meinen neuen Zimmerkollegen hatte ich nach wie vor nicht angetroffen. Entweder schlief er gar nicht in unserer Wohneinheit oder er kam und ging, wenn ich pennte. Er blieb ein Rätsel für mich.
Um für meinen ersten Unitag morgen fit zu sein, hatte ich mich heute früher ins Bett fallen lassen. Leider hatten mein Körper und mein Geist andere Pläne, und ich lag Stunden später noch immer hellwach im Bett. Vor einer Stunde hatte ich gehört, wie mein Mitbewohner heimgekommen war, aber gesehen hatte ich ihn erneut nicht. Klasse. Ein unsozialer Zimmerkollege und nun eine schlaflose Nacht. Ein toller Start in mein neues Leben. Wobei das nicht ungewöhnlich war. Bereits seit einigen Monaten schlief ich schwer ein oder wachte nachts auf. Manchmal schweißnass und mit rasendem Herzen. Ich hatte gehofft, der Tapetenwechsel würde mir bei meinem Schlafproblem helfen. Anscheinend hatte ich mich geirrt.
„So eine beschissene Kacke, Mist“, murmelte ich mürrisch. Mein Blick auf die Uhr des Handys bestätigte es – zehn nach zwölf. Na ausgezeichnet.
Eine gefühlte halbe Stunde wälzte ich mich hin und her, dann gab ich frustriert auf, da ich ohne Hilfe sowieso nicht einschlafen würde. Leise ächzend erhob ich mich und schlich barfuß in die Küche. Meine Therapeutin zu Hause hatte mir diesen Tipp unter Vorbehalt gegeben, nachdem ich mich vehement geweigert hatte, mir Tabletten gegen Schlafstörungen verschreiben zu lassen. Ich war davon überzeugt gewesen, mein Schlafproblem auf natürliche Weise zu lösen. Das war Monate her, und langsam beschlichen mich Zweifel.
Ich schüttelte die Gedanken ab und strich meine Haare zurück. Entschlossen öffnete ich den Kühlschrank, auf der Suche nach dem gewünschten Objekt.
„Kannst auch nicht schlafen, was?“, fragte mich plötzlich eine kratzige, tiefe Stimme aus der Dunkelheit. Erschrocken wirbelte ich herum, kniff die Augen zusammen und spähte in die Schatten. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, das Licht einzuschalten, was ich bereute. Mein Herz klopfte so heftig gegen meine Brust, dass ich beinahe das Blut durch meinen Körper pulsieren spürte, bis sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und ich Jason auf der Couch erkannte. Tja, damit hätte sich das Rätsel um meinen Mitbewohner gelöst. Fast hätte ich gelacht. So wenig, wie er sich in der Wohnung blicken ließ, musste sich Grace keine Sorgen machen.
Ein Glas Milch stand vor ihm auf dem Couchtisch. Auch wenn ich ihm aus dem Weg gehen sollte, entkrampfte sich mein Körper bei seinem Anblick etwas. Und sei es nur deshalb, weil ich nun wusste, woher die Stimme gekommen war und mit wem ich mir die Unterkunft teilte. Ein anderes Interesse hatte ich nicht an ihm. Nicht, wenn mir meine Knochen lieb waren.
Wie so oft hielt sich mein Körper an andere Regeln als mein Kopf. Denn obwohl Jason am anderen Ende des Zimmers hockte und voll bekleidet war, fühlte ich mich allein durch seine Anwesenheit, seine tiefe, raue Stimme, aufgekratzt. Ich musste mich regelrecht dazu zwingen, mich nicht zu bewegen. Außerdem betete ich im Stillen, meinen Schwanz ebenfalls in Schach zu halten, da er sich manchmal in den unpassendsten Momenten regte. Einer davon hatte mich fast zwei Monate ins Koma befördert. Jetzt eine verräterische Beule unter den engen Boxershorts zu bekommen, würde sicherlich keinen guten Eindruck machen.
Schnell dachte ich an unerotische Sachen, wie Autounfälle oder herumtollende Babykatzen, die mich wiederum an die miauenden Katzenbilder von Professor Umbridge aus Harry Potter erinnerten. Die war echt gruselig. Besonders ihr rosa Büro. Dieser Gedanke ließ mich erschauern und lenkte mich vollends von Jason und meinem Schwanzproblem ab.
Verdammt, ich hatte ihn wirklich nicht erschrecken wollen, aber was hätte ich sonst sagen sollen? „Hallo“ oder „Schönen Abend“ wäre nicht viel besser gewesen, wenn man sich mitten in der Nacht in einem dunklen Raum über den Weg lief. Anscheinend hatten wir beide den anderen nicht wecken wollen, indem wir das Licht einschalteten.
Als Zimmerkollegen hatten wir uns noch nicht offiziell vorgestellt, da ich die letzten Tage ständig arbeiten gewesen war und Schichten von anderen übernommen hatte, um mein Geldpolster aufzubessern. Sobald die harte Unizeit und die ersten Prüfungswochen anstanden, würde ich kürzertreten müssen. Die restliche Zeit hatte ich mit meinem besten Kumpel Denver verbracht. Eine Nacht war ich auf seiner Couch eingepennt, die andere hatte ich bei Sunny geschlafen, weil ich zu müde gewesen war, um hierherzukommen. Die Uni hatte noch nicht einmal angefangen, und ich fühlte mich bereits verausgabt. Vielleicht, weil ich mir nie eine Pause gönnte, nie die Sorgen von mir wegschieben konnte.
Nun wartete das nächste Problem auf mich, in dem Wohnheim, in dem ich zur Ruhe kommen und mich erholen sollte. Warum auch nicht? Seine Schwester hin oder her, ich biss die Zähne zusammen und ging mit meinem Glas und der Milchpackung rüber zur Küchenzeile, wo ich mich auf einen Barhocker fallen ließ.
„Hey, was geht? Sorry, dass wir uns erst jetzt richtig treffen. Habe die letzten Nächte bei Freunden geschlafen. Tja, sieht aus, als wären wir Mitbewohner. Überraschung.“
„Jep, sieht so aus. Meine Schwester wird einen Freudentanz vollführen. Falls sie zu Besuch kommt, räume ich vorsorglich alle Messer weg.“
Ich konnte nicht anders, als zu grinsen. Er sah das anscheinend entspannter als Grace. Prüfend musterte ich ihn, ob er die Sache tatsächlich so locker nahm. Dabei sah ich im Moment mehr als nötig, wurde fast geblendet. Zum einen wegen des grellen Lichts aus dem Kühlschrank, nachdem ich eine Stunde im Dunklen gehockt hatte, und zum anderen von Riley, der mit kinnlangen schwarzen Haaren und einem lockeren, langen Achselshirt davorstand. Er trug enge Boxershorts. Der Stoff spannte um seinen festen Arsch. Der kleine Riley war definitiv alles andere als klein oder unscheinbar gebaut. Stattdessen war er groß und hatte sehnige Muskeln unter khakifarbener Haut. Unverwechselbar waren die, im Gegensatz zu seiner dunklen Erscheinung, tiefblauen Augen, die beinahe hypnotisch wirkten. Riley hatte etwas Anziehendes an sich und … verflucht, eigentlich sollte ich wegschauen, anstatt seine Anatomie zu zerlegen. Außerdem war er zu jung und unschuldig, egal wie gut er aussah.
Irritiert runzelte ich die Stirn. Scheiße. Woher kamen diese Gedanken? Ein Kerl sollte einen anderen nicht so genau mustern. Hitze kroch mir den Nacken hoch, und ich kam mir sofort verdammt schäbig vor. Außerdem würde mir Grace die Augen auskratzen, wenn sie wüsste, dass ich einen Blick in die Richtung ihres geheiligten Bruders riskierte. Vermutlich hatte er zu Hause eine süße kleine blonde Freundin. Er sah zumindest so aus, als würden Blondinen zu ihm passen. Ich stand auf Blondinen, genauso wie auf Schwarz-, Braun- oder Rothaarige – ich war da nicht wählerisch. Wie sagte man so schön: offen für alles oder für jeden Spaß zu haben. Zumindest war ich das früher gewesen. Wie es mir vorkam, in einem anderen Leben.
Ich sollte endlich aufhören zu gaffen und etwas sagen.
Meine Stimme klang selbst in meinen Ohren rau. „Wenn du die Milch suchst, die steht hier bei mir.“ Da ich meine wenigen Manieren wiedergefunden hatte, machte ich damit gleich weiter. „Willst du ein Glas? Wir haben auch Honig da“, bot ich an, schob alles über den Tresen in seine Richtung und schaltete das Licht an, damit er es sehen konnte und wir nicht länger im Dunkeln hockten.
Blinzelnd blickte er zum Deckenlicht empor, dann rieb er sich die Augen und über das Gesicht, als würde er nicht verstehen, was er hier mitten in der Nacht wollte. Lustiger Kerl. Ich unterdrückte ein Kichern, immerhin war ich ja der böse Typ in dieser Szenerie, von dem er sich laut seiner Schwester fernhalten sollte. In der Zwischenzeit schien ihm eingefallen zu sein, was er in der Küche gewollt hatte. Suchend drehte er sich nach den Oberschränken um. Vermutlich ein Glas.
„Erste Tür links. Oberes Fach.“
„Danke.“ Sofort öffnete er den richtigen Schrank und griff nach oben. Dabei rutschte sein Shirt höher und gab den Blick auf seinen Hintern frei. Und ich hatte natürlich nichts Besseres zu tun und schaute erneut darauf. Es war wie bei einem beschissenen Autounfall. Man sollte eigentlich nicht hinsehen, konnte aber nicht damit aufhören. Feste Muskeln formten seinen Arsch, über dem sich dünner Stoff spannte, der aus – Moment mal. Auf den Shorts prangten Star-Wars-Bilder im Manga-Stil. Das war mal neu. Ich verkniff mir ein Lachen. Wer bitte trug Star-Wars-Unterwäsche?
„Wie bitte?“, fragte er, und ich stellte fest, dass ich die Frage vor Verblüffung laut gestellt hatte. Überrumpelt ließ ich mich auf dem Barhocker nach hinten sinken. Dabei bemerkte ich ein Buch, das auf dem Küchenblock lag und definitiv nicht mir gehörte.
„Du bist also Star-Wars-Fan?“, wiederholte ich mich und deutete zu meiner Rettung schnell auf das Buch. Nachdenklich schoss sein Blick auf seine nackten Beine, dann hoch zum Küchentresen, als überlegte er zweifelnd, ob ich ihm auf den Hintern gestarrt oder was das zu bedeuten hatte. Mann, da waren wir schon zwei.
„Nur weil ich ein Buch lese, heißt das noch lange nicht, dass ich ein Fan bin.“ Herausfordernd reckte Riley das Kinn, auf dem sich ein dunkler Bartschatten zeigte.
Erneut beäugte ich demonstrativ das Buch, anstatt an seine Shorts zu denken. Scheiße, zu spät. Ich räusperte mich. „Das ist aber der sechzehnte Band. Was bedeutet, dass du die Vorgänger wahrscheinlich gelesen hast. Man muss eine Geschichte schon verdammt mögen, um so viele Teile zu lesen. Immerhin sind diese Bücher ziemlich dick, wenn du mich fragst. Die Filme sind okay, aber lesen würde ich das alles nicht. So viel Zeit investieren die wenigsten.“
Verblüfft öffnete er den Mund und schloss ihn wieder, ohne ein Wort zu sagen. Es sah lustig aus, in etwa wie ein Fisch auf dem Trockenen.
Um das Thema zu wechseln, deutete ich auf die Milchpackung. „Willst du jetzt was von der Milch abhaben?“
„Nein, danke. Ich bin wegen etwas anderem rausgekommen.“
Riley öffnete erneut den Kühlschrank und holte eine Flasche Weißwein heraus. Wie bitte, was? Ich musste blinzeln, um mich zu vergewissern, dass ich richtig gesehen hatte. Ja, eine beschissene Flasche Weißwein.
Ich räusperte mich, bevor er einen Schluck aus der Flasche nehmen oder sich ein Glas einschenken konnte. „Ähm, sollte ich mir Sorgen machen? Ich will dir nichts unterstellen, aber könnte es irgendwann mal vorkommen, dass ich dich in deinem Erbrochenen neben der Kloschüssel wiederfinde?“
Bei dieser Erinnerung aus meinen Kindheitstagen kehrte die wohlbekannte Übelkeit zurück. Nicht das beste Gefühl, wenn man an seinen Dad dachte. Da ich auf alle Fälle verhindern wollte, dass Riley oder sonst jemand nach Rauschmitteln griff, hatte ich vermutlich strenger geklungen, als nötig gewesen wäre.
Demonstrativ hob Riley die Flasche an den Mund und nahm einen großzügigen Schluck. Damit hatte er seinen Standpunkt klargemacht: seine Sache, die mich nichts anging. Dabei hasste ich es selbst, wenn sich jemand in meine verdammten Angelegenheiten einmischte.
„Nein. Keine Angst. Ich werde nicht besoffen im Zimmer oder im WC herumliegen. Ich bin kein Alkoholiker und trinke nicht heimlich. Ich kann nur manchmal nicht schlafen, und die Sache mit den zwei Schlucken Wein hat mir meine Th– ähm, eine Bekannte vorgeschlagen, um einschlafen zu können. Der Alkohol soll in geringen Mengen ein Schlafhormon begünstigen und somit besser helfen als Milch mit Honig.“
Klang irgendwie logisch, trotzdem kannte ich die andere Seite dieses Teufelszeugs und wusste, wie schnell Alkohol abhängig machte. Es konnte so viel Mist anrichten, Leben zerstören und alles kaputtmachen. Damit sollte man nicht so leichtfertig umgehen. Genau das sagte ich ihm und fügte hinzu: „Wie alt bist du, darfst du denn überhaupt schon trinken?“
Meine Worte brachten Riley dazu, seinen Körper zu seiner kompletten Größe wie ein Kampfhahn in Angriffslaune aufzurichten. Warum hielt ich nicht einfach die Klappe?
„Alt genug, um zu wissen, was ich tue. Ich bin hier in der Küche, niemand sieht mich. Ist ja nicht so, als würde ich draußen im Park hocken und öffentlich Unruhe stiften.“
„Ich bin also ein Niemand?“, antwortete ich trocken.
„So habe ich das nicht gemeint.“ Er schüttelte den Kopf, wobei ihm schwarze Strähnen in die Augen fielen, die er sofort zurückstrich. Diese langen Haare hätten mich schon längst irregemacht.
Um mich von diesem Gedanken abzulenken, blieb ich beim heikleren Thema. „Du kannst also nicht schlafen, und das ist dein Trick dagegen?“
„Ja, sozusagen. Hast du wirklich so ein Problem damit?“Daran, wie er seinen Oberkörper anspannte, erkannte ich, wie er sich gegen ein Vorurteil wappnete. Er hatte recht, mir sollte es egal sein, was er tat, solange er nicht die Bude vollkotzte. Dennoch konnte ich nichts gegen meinen inneren Drang tun, ihn von diesem verdammten Suchtmittel fernzuhalten. Ich würde alles tun, um anderen das zu ersparen, was ich deswegen durchlebt hatte.
Ich musste mir schleunigst etwas einfallen lassen. Mein Hirn ratterte, auf der Suche nach einer Lösung, als mir eine Idee kam. Zwar eine blöde, aber immerhin irgendeine. „Nein, mach ruhig. Ich frag mich nur, warum du nicht zur – sprichwörtlich – erstbesten Lösung greifst, um Anspannung abzubauen. Das ist alles.“
Kurz sah ich seiner Miene an, wie er meine Worte in Gedanken sortierte, bis ihn die Erkenntnis traf. Seine Augen blitzten auf. „Du meinst, ich soll mir zum Einschlafen einen runterholen?“
„Bingo. Kling nicht so schockiert. Geht schnell, entspannt und kostet nichts.“
Er beäugte mich kritisch von oben bis unten. Obwohl ich komplett bekleidet in schwarzer Jeans und dunkelgrauem T-Shirt war, fühlte ich mich plötzlich nackt, als könnte er durch meine Fassade blicken. Seine Stimme klang eine Spur tiefer. „Ist es das, was du ständig tust? Kommen davon deine ganzen Muckis?“
Eigentlich sollte ich auf diese Worte hin beleidigt sein, aber in seinen Augen lauerte der Schalk. Aus diesem Grund zuckte ich die Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust. „Nicht nötig. Ich schlafe immer gut ein. Trotzdem vernachlässige ich mein bestes Teil nicht.“
„Tja, schön für dich, Mann“, murmelte Riley langgezogen, wobei er sich die Haare nach hinten strich. Bei der Bewegung wölbte sich sein Bizeps. Ohne den Grund zu kennen, verfolgte ich das Muskelspiel.
Abgelenkt stellte ich die nächste Frage: „Und, wirst du es ausprobieren?“
„Stellst du mir wirklich die Frage, ob ich jetzt in mein Zimmer gehe und mir einen runterhole, während du genau weißt, was ich da drinnen tue? Nope, das wäre selbst mir zu schräg.“
Mit seinen Worten klang das tatsächlich etwas eigenartig. Lachend schüttelte ich den Kopf. „Stimmt womöglich.“
Grinsend sahen wir uns an, und für einen Moment kam es mir so vor, als würden wir uns schon ewig kennen, anstatt uns gerade zum ersten Mal richtig unterhalten zu haben. Anderseits, Gespräche über Alkohol und Sex schweißten eben zusammen. Dieser Gedanke brachte mich auf eine abwegige, aber auch witzige Idee. Vielleicht war die Sorge wegen des Alkohols oder meine Übermüdung schuld, was mich aber nicht stoppte.
Zielstrebig marschierte ich zur Couch. Dort ließ ich mich auf eine Seite fallen und schaltete den Fernseher an, um durch die Programme zu zappen. Um diese Zeit würde ich bestimmt fündig. Im Augenwinkel bemerkte ich, wie Riley erneut die Flasche anhob, statt mir zu folgen. Vermutlich um einen weiteren unschuldigen Schluck Alkohol zu nehmen. Aber Alkohol war nie unschuldig, und egal was er sich vormachte, diese kleinen Schlucke zum Einschlafen konnten zu einer richtigen Abhängigkeit führen. Dad war das perfekte abschreckende Beispiel.
Deswegen stoppte ich ihn mitten in der Bewegung und rief ihm zu: „Warte. Lass den Scheiß! Ernsthaft, stell die verdammte Flasche weg und komm her.“
Ein widerstrebendes Seufzen erklang, gefolgt von dem tapsenden Geräusch nackter Füße auf Parkett, nachdem er die Flasche im Kühlschrank verstaut hatte. „Alter, danke. Aber ich glaube nicht, dass mir Fernsehen beim Einschlafen hilft. Habe ich schon probiert. Genauso wie Lesen.“
„Halt einfach die Klappe. Wir schauen nicht irgendwas.“
Missmutig plumpste er auf die rechte Seite der Couch, und ich grinste ihn an, um meine Erleichterung über die zurückgestellte Flasche zu verbergen. „Bist wohl keine Nachteule?“
„Dafür aber ein Morgenmuffel“, erwiderte er trocken, bevor er ein schiefes Grinsen zeigte.
Glucksend zappte ich weiter, bis ich etwas Interessantes fand. Dann legte ich die Fernbedienung weg. Im Fernsehen knieten zwei spärlich bekleidete Männer über einer nackten Frau. Einer bearbeitete ihre Brüste, der andere leckte sie zwischen den Beinen, wobei sie gekonnt stöhnte und sich hin und her wand. Auf einem Tisch lag eine ungeöffnete Pizzaschachtel. Neben der Couch, auf der die Action stattfand, lagen verstreut Klamotten, die eindeutig darauf hinwiesen, dass es sich bei den beiden Typen um Pizzalieferanten handelte. Anstelle der Pizza wurde von den beiden vielmehr die Frau verschlungen. Bei einem Porno durfte man nicht zu viel von der Handlung erwarten. Wo in diesem Fall aber die Logik blieb und warum zwei Typen einen einzelnen Pizzakarton brachten, erschloss sich mir nicht. Diese Frage stellte ich geistesabwesend Riley, während ich beobachtete, wie sich die Männer gerade die Shorts abstreiften.
„Ist die Frage ernst gemeint?“
„Sicher. Wieso?“
„Wow, Alter. Weil ich gerade erst dabei bin zu verarbeiten, dass du jetzt ernsthaft gemeinsam einen Porno schauen willst. Du kennst mich gar nicht. Über die fehlende Logik des Films zu reden, macht es noch skurriler.“
„Hast du noch nie mit einem Kumpel einen Porno geguckt? Oder bist du prüde?“, hakte ich nach, da er stocksteif neben mir saß, während die Action im Fernsehen interessanter wurde.
„Bin ich nicht. Aber wir kennen uns ja nicht einmal.“
Irgendetwas in seiner Stimme ließ mich daran zweifeln, dass es wirklich nur daran lag. Als verheimlichte er eine Sache. Oder bildete ich mir das nur ein? Sein Einwand war nicht ganz unberechtigt, es war ein schräger Abend, eine schräge Unterhaltung, und ich selbst fühlte mich auch nicht wie ich selbst. Eigenartig. Aufgekratzt.
Gerade als ich diese ganze Aktion abbrechen wollte, warf Riley ein: „Also schön, ich mach mit. Das ist die Uni, dafür ist sie da. Schräge Dinge tun und so, richtig?“
Mein Lächeln kehrte zurück, als ich seines sah. „Klar, für nichts anderes. Außer nebenbei ein bisschen lernen.“
Wir kicherten beide, die Stimmung nun viel gelöster als vor wenigen Sekunden. Also folgte ich der inneren, unbekannten Neugierde, die mich zu dem hier anstachelte, und machte weiter. Zwar hatte es damit angefangen, ihn von der Flasche wegzulocken, aber nun stellte ich fest, dass es Spaß machte, mit ihm zu scherzen. Ich mich in seiner Nähe wohlfühlte, da er einen ruhigen, gelassenen Vibe ausstrahlte.
„Wir sind für das kommende Jahr Mitbewohner und teilen uns ein Badezimmer. Wir werden uns bald ganz gut kennenlernen, glaub mir. Außerdem sind wir Männer und alle gleich. Also keine falsche Scham, mach dich locker.“
„Jup, ich bin locker. Alles easy.“
Wir wandten unsere Aufmerksamkeit wieder dem Fernseher zu, wo jetzt alle drei Akteure nackt waren und die Männer sich im Stehen vorne und hinten an die Frau pressten. Es sah aus wie eine enge Umarmung. Dabei strichen die starken Finger der Männer genauso über den festen Hintern und die Hüften des jeweils anderen Typen, während die Frau zwischen ihnen zappelte, um sich an ihren Schwänzen zu reiben. Mein bereits steifer Schwanz zuckte ebenfalls und drückte gegen den Jeansstoff. Wenn ich nicht bald was unternahm, würde ich noch platzen. Ich veränderte meine Sitzposition, wobei ich die Hose richtete und meinen eingesperrten Schwanz streifte. Ohne es verhindern zu können, stieß ich die Luft aus und zischte ein: „Scheiße.“
„Alles klar dort drüben, oder tut’s wo weh?“, fragte Riley, der amüsiert klang, obwohl es ihm nicht besser ging als mir, wie die Beule unter seinen Shorts bewies. Was mich zum Lachen brachte.
„Mann, wir sitzen leidend wie zwei Idioten mit einem Steifen da und rühren uns kein Stück. Wie bescheuert ist das denn?“
Riley stimmte in mein Lachen ein, und mit einem Mal schien alle Anspannung von ihm zu fallen, was auch mich noch lockerer machte. „Hey, das war deine beschissene Idee. Schon vergessen? Ich bin unschuldig an dem ganzen Schlamassel.“