Breeds – Creeds Verlockung - Lora Leigh - E-Book

Breeds – Creeds Verlockung E-Book

Lora Leigh

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Beschreibung

Eine neue heiße Novella aus der unwiderstehlichen Breed-Serie

Der Löwen-Breed Creed ist Bodyguard von Kita Engalls, der Tochter eines der größten Feinde der Breeds. Er hat sich undercover eingeschleust, um ein Druckmittel gegen Kitas Vater zu haben. Doch seine Mission gerät in Gefahr, als ihm klar wird, dass Kita seine Gefährtin sein könnte. In der Hitze der Leidenschaft setzen beide alles aufs Spiel ...

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungProlog12345678910EpilogDie AutorinDie Romane von Lora Leigh bei LYXImpressum

LORA LEIGH

Breeds

Creeds Verlockung

Ins Deutsche übertragenvon Silvia Gleißner

Zu diesem Buch

Der Löwen-Breed Creed ist Bodyguard von Kita Engalls, der Tochter eines der größten Feinde seiner Art. Er hat sich undercover eingeschleust, um ein Druckmittel gegen Kitas Vater zu haben. Doch seine Mission gerät in Gefahr, als ihm klar wird, dass Kita seine Gefährtin sein könnte. In der Hitze der Leidenschaft setzen beide alles aufs Spiel …

Sie ziehen uns an.

Sie entfachen unser Blut, lassen uns träumen.

Sie geben uns Trost, wenn es finster wird in der Welt.

Sie wärmen uns, wenn wir frieren.

Sie sind Anfang und Ende unserer Fantasien,

und wenn wir träumen, wenn wir nach der perfekten

Fantasie greifen, sind sie immer da.

Dieses Buch steht für dieses Ideal, diesen Trost, diese

Fantasie und diesen Traum.

Dieses Buch steht für

diesen perfekten Kuss.

Prolog

HEIMATBASIS DER BREEDS

SANCTUARY

BUFFALO GAP, VIRGINIA

Der geschützte Kommunikations- und Verteidigungsbunker lag am Sockel eines Berges, keine Viertelmeile von der Hauptresidenz der Familie entfernt in dem Tal, das inzwischen als Sanctuary bekannt war.

Im Hauptgebäude befand sich die Einsatzleitung, ausgerüstet mit technologisch ausgefeiltester Elektronik, Satellitenverfolgung und Einsatzkommunikation. Zusätzlich war hier die Zugangsebene, in der man verschiedene Arbeitsstationen durchlief, von denen aus Befehle übermittelt und Breed-Missionen auf der ganzen Welt verfolgt wurden.

Sanctuary war die Haupteinsatzleitung, von der aus die Breeds angeheuert und quer über den Globus geschickt wurden, um in von Nicht-Breeds angezettelten Kriegen zu kämpfen. Breeds – die ultimativen Kampfmaschinen, die Balance zwischen Mann und Bestie.

Sie waren Experten in der Befreiung Gefangener, perfekte Spione, Attentäter, Ausbilder, Befehlshaber und dazu die besten Logistikexperten auf der Welt, und sie waren hoch gefragt.

Die Einsatzzentrale stand nie still.

Der zweite Eingang befand sich ein Stück entfernt, an der Seite des Berges, versteckt vom Haupthaus und geschützt durch eine dicht stehende Baumgruppe. Dort trat man in eine ruhige Lobby, die auch den teuersten und exklusivsten Ferienort hätte schmücken können, in Wirklichkeit aber das allerwichtigste und modernste Sicherheitssystem beherbergte, das je geschaffen worden war. Breed-Wachen bemannten den Eingang sowohl innen als auch außen, während hoch entwickelte Überwachungsgeräte alles scannten, identifizierten und dokumentierten – selbst verirrte Insekten, die es durch die Türen aus Metall und Glas schafften.

Die Lobby war in Wahrheit das Tor zu den Laborräumen der Breeds, und daher waren hier die Sicherheitsvorkehrungen sogar noch schärfer als in der Einsatzzentrale. Der Eingang garantierte eine unüberwindliche Verteidigung gegen unautorisiertes Betreten oder Verlassen. Für den Fall, dass irgendein Breed es wagen sollte, die Gemeinschaft, die für die Rettung der Breeds kämpfte, zu verraten, war der Eingang in den letzten sechs Monaten derart schwer gesichert und regelrecht verschweißt und vergraben worden, dass er fast unpassierbar war.

Verräter unter den Breeds waren nicht völlig unbekannt. In den vierzehn Jahren, seit der Anführer der Raubkatzen, Callan Lyons, die Existenz der Breeds in der Welt verkündet hatte, hatte es mehr als einen Verräter gegeben.

Für seinen Entschluss wurde Callan gleichermaßen verflucht wie verehrt. Es gab Tage, an denen er sich fragte, ob er damit einen Fehler begangen hatte, der sie alle am Ende vernichten würde, oder ob die Geschichte ihn dereinst als Visionär betrachten würde, der den einzigen Weg gegangen war, den das Genetics Council ihm gelassen hatte.

Im Augenblick, als er seine Sicherheitskarte durch das Lesegerät zog und dann die Handfläche auf die elektronische Identifikationstafel legte, verfluchte er sich selbst.

Er beugte sich für den Netzhautscan vor und wartete.

»Hallo, Rudelführer Lyons, Ihr Passwort bitte!«

»Lyons, Alpha, neun sechs Komma sieben drei acht.«

»Danke, Alpha Lyons! Ich registriere, Sie haben Gäste. Bitte treten Sie allein ein! Bevor Zutritt zur inneren Lobby gewährt wird, muss jeder Gast die Verifikation passieren.«

Das elektronische Sicherheitssystem ließ sich weder befehlen noch manipulieren oder bestechen. Man konnte es programmieren, aber dabei gab es derart viele verdammte Sicherungsmaßnahmen, dass allein das Einrichten der Passwörter für das heutige Meeting mehr als sechsunddreißig Stunden in Anspruch genommen hatte. Er verzog beinahe das Gesicht, als er an die Unumgänglichkeit des Ganzen dachte.

Als die Türen aufglitten, trat er in die Lobby, blieb im Hintergrund stehen und wartete, während jeder seiner »Gäste« dieselbe Sicherheitsprüfung durchlief. Während Callan in der Lobby stand, konnte er eine ganz schwache Welle von Hitze über seine Haut laufen fühlen. Den meisten Menschen würde sie gar nicht auffallen, aber jeder Breed nahm sie wahr.

Um die Verifikation abzuschließen, verglich der Bioscan seine Blutgruppe, sämtliche für ihn spezifischen Anomalien sowie seinen Gehirnscan mit den Daten in seiner Akte. Dasselbe geschah mit jeder Person, die nach ihm eintrat.

Dieser Weg ins Labor war nicht der schnellste, aber es war der leiseste. Wenn sie durch das Haupthaus kamen, würden Familienangehörige, Breeds, die menschlichen Soldaten, die in Sanctuary stationiert waren, und vor allem sämtliche Breed-Spione, die sich noch auf der Basis befinden mochten, auf sie aufmerksam. Der Weg durch die Einsatzzentrale wäre ähnlich auffällig. Und ein paar der Männer und Frauen, die heute hier zusammenkamen, waren Personen, die die Raubkatzen-, Wolf- und Kojoten-Breeds unter großen Anstrengungen verborgen gehalten hatten.

Sie waren hier, um eine Aufgabe anzugehen und Entscheidungen zu treffen, für die keiner von ihnen wirklich bereit war. Die zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen für dieses Meeting würden die Teilnehmer dazu befähigen, die notwendigen Entscheidungen zu treffen, während sie die vorliegende Situation genau prüften.

Rudelführer Callan Lyons war überzeugt, dass seine heutigen Begleiter ebenso unsicher waren wie er, wie mit der Situation umzugehen sei, die sie gleich erwartete. Der Direktor des Büros für Breed-Angelegenheiten, Jonas Wyatt, der Alpha der Wolf-Breeds, Wolfe Gunnar, und der Alpha der Kojoten-Breeds, Del-Rey Delgado, hatten den Wissenschaftler Jeffrey Amburg bei sich, einen Menschen, den Jonas vor fast zwei Jahren gefangen genommen hatte. Zu anderen, die im Verborgenen bleiben mussten, zählte Amelia Trace, eine menschliche Genetikerin, die für ihre hoch entwickelte Erforschung genetischer Anomalien bekannt war. Neben ihr standen Alexi Chernov und Katya Sobolov, Experten für Genetik und Physiologie von Kojoten. Dahinter Dr. Nikki Armani, menschlich, vom Council ausgebildet und eine führende Expertin für biologische, genetische und physiologische Merkmale der Wolf-Breeds. Einer nach dem anderen traten sie an die Scanner, gaben ihre Passwörter ein und traten ein.

Unten im Labor wartete die Expertin für die Genetik der Raubkatzen-Breeds, Elyianna Morris, zusammen mit dem neuesten Gefangenen von Jonas Wyatt: der Geißel der Breeds.

Die Ankunft der anderen Alphas und der Wissenschaftler war ein streng gehütetes Geheimnis. Der Helijet, der sie eingeflogen hatte, lieferte laut Frachtliste medizinische Vorräte und war auf dem gesicherten Gelände außerhalb der Laborräume gelandet, um die angeblichen medizinischen Vorräte auszuladen.

Jede nur mögliche Vorsichtsmaßnahme war getroffen worden, doch Callan hatte keine Zweifel, dass bereits Gerüchte über das Treffen herumgingen. Sosehr sie sich auch bemühten, es war noch immer, als würde das Sanctuary von zu vielen Augen und Ohren heimgesucht, die entweder an das Council berichteten, das sich alle Mühe gab, sie zu vernichten, an die Puristenvereinigungen, die sie wegsperren wollten, oder einfach an einen Haufen anderer Feinde, die der Ansicht waren, die Breeds wären ein Vorbote für die Vernichtung der Menschheit.

Die Tatsache, dass es immer noch Breeds gab, die ihresgleichen verrieten, fraß wie Säure an seiner Seele. Die Grausamkeit, die die Breeds in den Laboren erlitten hatten, war für einige anscheinend nicht genug gewesen. Getrieben von unsäglicher Gier, würden diese Breed-Verräter ihre Spezies zurück in die Labore schleifen und deren Vernichtung mit ansehen.

Sobald das letzte Mitglied der Gruppe den Eingang passiert hatte, führte Callan alle zum großen Aufzug der Lobby und trat als Erster ein. Er blieb hinten in der Kabine stehen, musterte jeden einzelnen der Wissenschaftler mit schmalen Augen und betete. Gott, und wie er betete, dass trotz des Schreckens, dem sie sich unten gegenübersehen würden, doch Hoffnung für die Breeds daraus hervorginge.

Er hob den Blick, als die Lichter des Aufzugs dunkler wurden und ein blaues Licht um jede einzelne Person herumschwebte. Anders als der Bioscan beim Eingang war der DNA-Scan unverhohlen und offen. Dieser letzte Scan würde die Mitglieder der Gruppe noch einmal identifizieren und sicherstellen, dass jede Person mit den Kriterien und der Identität übereinstimmte, die sich im Computer befand.

Während der automatischen Überprüfung beobachtete gleichzeitig ein Breed-Enforcer von jedem Rudel sowie einer von den Raubkatzen die Monitore und verglich die Identitäten mit den bekannten Individuen, bevor der Aufzug zehn Stockwerke unter dem Sockel des Berges stehen blieb.

»Willkommen im Labor von Sanctuary, Alpha Lyons«, grüßte der diensthabende Wolf-Breed sie über die Sprechanlage. »Alle Identitäten wurden bestätigt, Zutritt gewährt.«

Die Aufzugtüren glitten lautlos auf und offenbarten einen ruhigen, mit Stahl ausgekleideten Flur.

Einst war das Sanctuary ein namenloses Labor unter der Kontrolle des Genetics Council gewesen. Die unterirdischen Laborräume hatten zahllose Geburten, Folterungen und Tode von Breeds gesehen. Nun beherbergten sie die mit Hoffnung erfüllten Forschungen, die sie vielleicht alle retten konnten.

Das zumindest war ihre Hoffnung gewesen, als sie die Basis übernahmen, nachdem sie erfolgreich argumentiert hatten, dass das Genetics Council ihnen das schuldig war. Eine kleine anteilige Entschädigung für die Schrecken, die sie erlitten hatten. Noch immer gingen Spendenzahlungen auf die Konten der Breeds ein, von Ländern und Finanzimperien, denen man einen Beitrag zur Arbeit des Genetics Council hatte nachweisen können.

Doch wen konnten sie nun zur Rechenschaft ziehen für die Schrecken, unter denen sie noch immer litten, und für die Vorurteile, die sich um sie verbreiteten?

»Wie geht es Ely, Callan?«, fragte Jonas leise, als sie durch den Korridor gingen, vorbei an leise summenden Scannern, die ein letztes Mal nach Waffen, Waffenteilen oder irgendeiner anderen denkbaren Form von Bedrohung für die Einrichtung suchten.

»Es geht ihr besser«, antwortete Callan. »Das letzte Jahr war hart für sie, aber langsam kommt sie darüber hinweg.«

Sie war benutzt worden, als Waffe gegen die Breeds, die darauf vertraut hatten, dass Ely für ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden sorgte. Eine Droge zur Bewusstseinskontrolle war ihr heimlich verabreicht worden, die sie in Abhängigkeit getrieben und unfähig gemacht hatte, sich den Befehlen derer zu verweigern, die ihren empfindsamen Verstand manipuliert hatten.

Ely war fast daran gestorben. Und fast hätte sie Jonas und einen ihrer besten Enforcer mit in den Tod gerissen. Callan wusste, dass sie noch immer unter Schuldgefühlen litt, die sie vielleicht den Rest ihres Lebens quälen würden.

»Das letzte Jahr war für uns alle sehr hart«, seufzte Jonas.

Der vergangene Monat war ganz besonders schwer für Jonas und seine Gefährtin Rachel gewesen, als sie die Veränderungen in ihrem Kind mit ansehen mussten, das von einem Monster besessen war.

Callan spürte, wie sein Herz schwer wurde, und er fühlte die immer präsente Wut, die direkt unter der Oberfläche brodelte, und die animalischen Gene, die vor Zorn aufbrüllten.

Amber Broen Wyatt, dem Kind, das Jonas nach seiner Paarung mit dessen Mutter adoptiert hatte, war ein Serum injiziert worden, das augenblicklich das Monster in ihm zerstörte, das versucht hatte, Amber gegen Jonas zu benutzen.

Ebendieses Serum zerfraß nun Phillip Brandenmores Gehirn, zerstörte es Zelle für Zelle, während es seinen Körper, seine Organe und überhaupt seine ganze Zellstruktur zwang, sich zu verändern.

Das Monster Phillip Brandenmore. Jahrzehntelang hatte er sich mit dem Council verschworen. Er hatte Breeds zerstört, ihr Blut vergossen und ihnen solche Qualen zugefügt, dass sie um den Tod gebettelt hatten und ausgeblutet waren, noch während sie sich danach verzehrten, aus dieser Hölle zu fliehen.

Dasselbe Monster, um dessen Rettung die Breeds nun kämpften. Für das sie ihre eigenen Geheimnisse aufs Spiel setzten, in dem Versuch, seinen Qualen ein Ende zu setzen, während es nie auch nur einen Augenblick lang Mitleid für die von ihm Gequälten verspürte.

»Kommt sie damit klar?« Nikki Armani warf ihnen einen Blick zu, und ihre langen schwarzen Zöpfe flogen. Ihre dunklen, schokoladenbraunen Augen blickten besorgt. »Brandenmore ist ihr ganz persönlicher Albtraum.«

»Sie ist dabei, damit klarzukommen.« Callans Miene blieb ruhig und sein Blick, wenn schon nicht gelassen, dann doch zumindest gefasst.

Was konnte er sonst auch sagen? Ely redete nicht mehr mit ihm so wie früher. Verdammt, derzeit redete sie überhaupt mit niemandem mehr über irgendetwas außer die banalsten Dinge. Sie war zurückhaltender denn je, noch mehr auf ihre Forschung konzentriert und, wie es schien, noch entschlossener, zu jedem auf Distanz zu gehen, der sich um sie kümmerte.

Als sie sich dem Ende des Korridors näherten, gingen die Türen dort mit einem leisen Klicken auf, und die stoischen Gesichter der Breeds hinter der schweren, durchsichtigen Abschirmung neben den Türen musterten sie eingehend.

Wolf, Löwe und Kojote – die Breed-Enforcer arbeiteten hier zusammen wie nirgendwo sonst, ausgenommen vielleicht in den Laborräumen von Haven, der Basis der Wolf-Breeds in Colorado. Die Enforcer, die für den Schutz der Laborräume, der Forschung und ihrer Zukunft verantwortlich waren, waren handverlesen und wurden streng getestet, bevor sie in die sensibelsten Bereiche der Breed-Festungen hineingelassen wurden.

Callan und seine Gruppe passierten noch einen weiteren Sensor, bevor sie in einen kürzeren Korridor einbogen, zu dem Beobachtungsraum, in dem Ely sie erwartete.

Es war eine Reise, die ein Leben lang zu dauern schien. Mit jedem Schritt war Callan sich deutlich der Tatsache bewusst, dass das, was sie hier taten, ein Schlag ins Gesicht eines jeden lebenden oder toten Breed war. Denn der Auftrag für die Wissenschaftler, die nun vor ihm hergingen, lautete, das Leben eines Mannes zu retten, der so viele Leben von Breeds auf dem Gewissen hatte.

Ein weiterer Enforcer trat aus seinem Posten im Flur und öffnete die Türen zum Beobachtungsraum. Callan nickte ihm zu. Dieser Enforcer war ein Mensch – der einzige Mensch, der hier zugelassen worden war, und das auch nur auf Jonas’ Beharren hin.

Jackal war Teil einer speziell trainierten Eliteeinheit gewesen, als die Breeds sich zum ersten Mal zu erkennen gegeben hatten. Seine Loyalität zu den Breeds rührte von seinem Befehlshaber her, Callans Schwager Kane Tyler, dem Mann, der Jackal und seiner Schwester das Leben gerettet hatte.

Er war Elys persönlicher Leibwächter, ob ihr das gefiel oder nicht. Und die Tatsache, dass es ihr nicht gefiel, hatte sie schon des Öfteren kundgetan.

Callan betrat den Konferenzraum, ging bis zum Ende durch und blieb am Kopfende des langen Konferenztisches stehen. Um den Tisch standen Stühle, doch niemand nahm zunächst Platz. Stattdessen drehten sich alle um und starrten durch das Fenster, durch das die gepolsterte Zelle zu sehen war, in der Phillip Brandenmore seit über einem Monat einsaß.

Was sie sahen, war schockierend und erschreckend.

Der Mann war fünfundsiebzig Jahre alt, doch inzwischen war seine äußere Erscheinung die eines Mannes in den Fünfzigern. Sein Haar war nachgewachsen, und seine Haut hatte jenes ausgetrocknete, pergamentartige Aussehen verloren. Die dunklen Altersflecken, die einst sein Gesicht bedeckt hatten, waren beinahe verschwunden, und er war nicht mehr so altersgebeugt wie in der Nacht, als man ihn nach Jonas’ Angriff auf seiner Berghütte gefangen genommen hatte.

Er saß an die Wand gelehnt, den Kopf im Nacken, und starrte mit höhnischem Grinsen im Gesicht auf den falschen Spiegel.

Ihm war klar, dass der Spiegel mehr war als nur eine einfache Reflexion und dass ihn von der anderen Seite jemand beobachtete. Irgendwer beobachtete ihn immer, sowohl von diesem Raum als auch von dem Raum aus, in dem sich Videokameras befanden.

»Mein Gott, er sieht zehn Jahre jünger aus, seit ich ihn das letzte Mal gesehen habe«, stellte Dr. Armani atemlos fest.

Daraufhin trat Ely aus einer dunklen Ecke des Raumes vor. »Weil er tatsächlich körperlich fast dreizehn Jahre jünger ist als in der Nacht, in der Jonas ihn herbrachte«, teilte sie mit. »Und die metabolischen und zellulären Veränderungen gehen weiter. So wie der Zerfall seines Gehirns. Während seine Jugend wiederkehrt, können wir regelrecht zusehen, wie Teile seines Gehirns absterben und jeglicher Sinn für Moral oder Recht und Unrecht verfällt. Gleichzeitig scheint sein Sinn für Gerissenheit und Selbsterhaltung stärker zu werden.«

Dr. Chernov und Dr. Sobolov traten näher ans Fenster. Still und wortlos musterten sie den täuschend schlicht wirkenden Mann, der voll Hass und dämonischer Wut zurückstarrte.

»Er kam mehrere Male in die Labore von Chernov«, flüsterte Katya Sobolov. Ihr Blick war düster und umschattet. »Oft mussten wir unsere Mädchen dort wochenlang verstecken, um sicherzugehen, dass er sie nicht entdeckte. Das Council hätte ihm auf seine Forderung hin alles und jeden für seine Forschung gegeben.«

Weibliche Kojoten, eine der seltensten Breed-Spezies. Sie waren unglaublich selten und wurden, wenn man eine aufspürte, für gewöhnlich umgebracht.

Breeds. Phillip Brandenmore hatte Breeds erforscht.

»Der Mann war vom wahrhaft Bösen erfüllt, schon lange bevor er irgendein Serum nahm, das er aus den Paaren schuf, die er vernichtet hatte«, sagte Chernov darauf. »Es wäre besser, ihn sterben zu lassen und zu studieren, so wie er diejenigen studierte, die er gefoltert und getötet hat. Ich würde sagen, es ist nicht mehr, vielleicht viel weniger, als er getan hätte.«

»Aber wir sind keine Monster, und wir sind nicht böse.« Ely trat näher. Ihr Blick war gequält und ihre großen braunen Augen so traurig, dass sie Callan das Herz brechen konnten. »Und Jonas’ Tochter Amber ist auch kein Monster. Wenn wir nicht herausfinden, was das hier verursacht und wie wir es umkehren können, bevor er stirbt, dann könnte Amber möglicherweise dieselbe Hölle durchleiden, die Phillip Brandenmore im Augenblick durchmacht.«

Nur Callan sah die Veränderung in Jonas’ Miene, die Qual, die in seinen eisigen silbergrauen Augen zum Vorschein kam. Das Kleinkind war Jonas’ wunder Punkt. Überaus geliebt, geschätzt und derzeit einer schleichenden Veränderung seines eigenen Zellaufbaus ausgesetzt.

»Was brauchen Sie von uns, Dr. Morrey?« Es war Dr. Sobolov, die schließlich fragte. Ihr hübsches Gesicht spannte sich dabei an, wurde kühl und beherrscht, als die Wissenschaftlerin in ihr übernahm, voll Hingabe und Entschlossenheit, um die Antworten zu finden, die sie brauchte.

Alexi Chernov neben ihr nickte knapp. Seine Miene war weniger entschlossen, doch sein Blick wurde härter, als auch er in die Haut des Wissenschaftlers zu schlüpfen begann.

»Wahrscheinlich nur ein paar Wochen.« Ely seufzte und drehte sich um zu Phillip Brandenmore, der sie höhnisch angrinste. »Wenn wir bis dahin nicht den Rest des Puzzles haben, bedeutet das nicht nur, dass wir Amber verlieren, sondern auch die Chance verpassen, die Antworten zu finden, die wir brauchen, um die Paarungshitze weiter geheim zu halten. Wir sind der Ansicht, dass die Informationen bisher unter Kontrolle sind. Es ist besser, die Wahrheit so lange wie möglich zurückzuhalten.« Um dafür zu sorgen, dass die Meinung der Welt und deren Vorurteile sich nicht gegen sie wandten. Ihre Position und ihre Sicherheit waren noch immer prekär, soweit es um unstete menschliche Ängste ging.

»Und sein Komplize?«, fragte Chernov. »Dieser Horace Engalls, von dem in der Presse die Rede war? Welche Informationen könnte er haben?«

»Engalls konnte sich uns bisher entziehen«, antwortete Jonas gedehnt, und der Ausdruck auf seinem Gesicht veranlasste Callan, sich eine Notiz im Hinterkopf zu machen, bei Jonas nachzuhaken, welche Pläne er bezüglich Engalls haben mochte. Callans Gefühl sagte ihm, dass das eine dieser Geschichten werden würde, die bei ihm einen ganz schlechten Geschmack im Mund hinterließen.