Breeds - Lawes Gerechtigkeit - Lora Leigh - E-Book

Breeds - Lawes Gerechtigkeit E-Book

Lora Leigh

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Beschreibung

Sie sind füreinander bestimmt, doch er muss ihr widerstehen


Der Löwe-Breed Lawe Justice weiß ganz genau, wer seine Seelengefährtin ist - nämlich niemand geringeres als Diane Broen, eine Jägerin, die außer Kontrolle geratenen und gefährlichen Breeds nachstellt. Seit Lawe sie von einer fehlgeschlagenen Mission gerettet hat, tut er alles, um sich von ihr fernzuhalten. Und doch verzehrt er sich nach ihr und schnell wird klar, dass die brennende Anziehung zwischen ihnen kaum aufzuhalten ist ...


"Ganz viele heiße Szenen, großartige Action und eine Liebe, wie wir sie uns alle wünschen." GOODREADS


Band 18 der erfolgreichen BREEDS-Serie von NEW-YORK-TIMES-Bestseller-Autorin Lora Leigh

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MOBI

Seitenzahl: 526

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

Prolog

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

13

14

15

16

17

Epilog

Die Autorin

Die Romane von Lora Leigh bei LYX

Impressum

LORA LEIGH

Breeds

LAWES GERECHTIGKEIT

Roman

Ins Deutsche übertragen von Silvia Gleißner

Zu diesem Buch

Der Löwe-Breed Lawe Justice weiß ganz genau, wer seine Seelengefährtin ist – nämlich niemand geringeres als Diane Broen, eine Jägerin, die außer Kontrolle geratenen und gefährlichen Breeds nachstellt. Seit Lawe sie von einer fehlgeschlagenen Mission gerettet hat, tut er alles, um sich von ihr fernzuhalten. Und doch verzehrt er sich nach ihr und schnell wird klar, dass die brennende Anziehung zwischen ihnen kaum aufzuhalten ist …

Gewidmet von Herzen den Vorableserinnen von Lawe’s Justice, die bis zum Ende durchgehalten haben. Alexis, Gail, Lynn, Monique, Sabrina und Sandra.

Eure Hilfe war enorm, und eure Einsichten in die Breeds als Serie und als Einzelbände sowie in deren Charaktere haben mir einen Blick auf die Tiefe eurer Zuneigung für sie gewährt, der mich nachdenklich macht.

Dafür danke ich euch. Dafür dass ihr sie liebt, und für all die harte Arbeit, Stunden des Lesens und die wunderbaren Einsichten, die ihr für Lawe’s Justice eingebracht habt.

Danke an Sharon, für deinen Rat und all deine Hilfe. Es gibt keine Worte, um zu beschreiben oder auszudrücken, wie viel mir das immer bedeutet hat. Nur weil ich nicht immer auf dich höre:-), heißt das nicht, dass ich dich nicht immer höre.

Und danke an Bret. Du bringst mich zum Nachdenken, wenn ich eigentlich gar nicht will, und du bringst mich zum Lachen, wenn ich lieber weinen möchte. Du bringst mich dazu, stark zu bleiben, wenn ich besiegt niedersinken will, und dazu, mich daran zu erinnern, wie es ist, jung zu sein.

Danke dafür, dass du einfach mein Sohn bist, dass du geduldig bleibst, während ich Fuß fasse, aber noch mehr dafür, dass du ein so selbstständiger und liebevoller junger Mann bist. Danke dafür, dass du du selbst bist.

Habt ihr euch schon einmal etwas gewünscht und euch die Zeit genommen für den Versuch, euren Wunsch wahr zu machen?

Habt ihr versucht, den Sonnenaufgang zu malen und das Geschenk des Lebens darin zu finden?

Habt ihr ein Lied geschrieben, nur weil es Spaß macht?

Oder ein Gedicht, nur um den Schmerz zu fühlen?

Habt ihr einen Grund gefunden, um die kleinen Ungerechtigkeiten zu ignorieren, die spitzen Bemerkungen oder den Neid, die Eifersüchteleien und die Gier, die euren Pfad kreuzten?

Seid ihr heute früh aufgewacht und habt euch vorgenommen: »Heute werde ich alle Gründe finden, um zu lächeln und alle Ausreden zum Stirnrunzeln ignorieren.

Heute wird der Tag sein, an dem ich nichts Böses wispere, nichts Grausames sage. Ich werde freundlich zu meinen Feinden sein, meine Freunde umarmen und für diesen einen Tag die Kränkungen der Vergangenheit vergessen.

Heute wird der Tag sein, an dem ich das Leben genieße, lache, weil es Freude macht, und heute werde ich lieben, egal ob die Liebe erwidert, aufgegeben oder einfach ignoriert wird.«

Und wenn ihr das getan habt, dann hat euer Herz sich all den anderen angeschlossen, die dasselbe getan haben, sich mit ihnen vereint und sie gestärkt, und mit einem einzigen Herzschlag habt ihr eine Welt der Hoffnung geschaffen.

Prolog

Schreie hallten von den Stahlwänden wider.

Sie prallten von den Wänden ab, drangen durch das höhlenartige Gelände und schnitten sich durch die Sinne jener, die gezwungen waren, zuzuhören.

Es gab keinen Ort, wo die Schreie hinkonnten, keine Risse oder Belüftung nach draußen. Keine Möglichkeit, sich einfach aufzulösen. Das Geräusch prallte von einer Wand zur anderen, von der Decke zum Fußboden und wieder zurück, um sich mit den weiteren qualvollen Lauten zu vermischen.

Der Untersuchungs- und Operationsraum im Theaterstil war umgeben von Zellen mit metallenen Gitterwänden. Die Zellen nahmen an einer Seite die gesamte Länge der Stahlwand ein und waren vorn durch Rahmen aus schwarzen Metallstäben miteinander verbunden.

Die verriegelten Türen waren verstärkt, die Schlösser digital und elektronisch kodiert und fast unmöglich zu knacken, es sei denn es gab einen kompletten Stromausfall inklusive Notfallgeneratoren. Nur dann würden die Schlösser aufgehen und die Tiere, die dort gefangen waren, freikommen.

Oder waren sie Menschen?

Es gab Momente, in denen sogar sie unsicher waren, wer oder was sie waren, abgesehen von der Tatsache, dass sie von den Ärzten und Wissenschaftlern erschaffen worden waren, die ihnen nun statt eines höllischen Lebens einen höllischen Tod zufügten.

Erneut hallten die Schreie durch den höhlenartigen Raum, erfüllt von Schmerz, Angst und dem Wissen, dass die Zeit abgelaufen war und es kein Entkommen gab.

Aber sie weinte schon tagelang. Untröstliches Schluchzen, das jene hinter Gittern gegen den ruhelosen Zorn kämpfen ließ, der in ihnen aufstieg. Sogar die Wärter, die geschaffen worden waren, um über sie zu herrschen, schienen davon berührt. Männer, Tiere, in deren Augen keine Gnade stand, doch die einander nun in unbehaglichem Schweigen anzusehen schienen, während die Zeit des Todes näher kam. Während die gefangenen Schöpfungen, die sie bewachten, stiller, leiser und schweigsamer denn je zu werden schienen.

Sie waren ihre Jungen, gewissermaßen.

Die Zeugung hatte in der künstlichen Umgebung eines Labors stattgefunden, bevor die befruchtete Eizelle in ihre Gebärmutter eingesetzt und ausgetragen worden war. Als der Geburtstermin näher rückte, hatte man ihr das grässliche Paralytikum injiziert, das entwickelt worden war, um alles zu lähmen bis auf die Stimmbänder, sodass ihren Opfern nur noch die Fähigkeit zu schreien blieb. Dann hatte man sie festgeschnallt und das Kind aus ihrem Körper geschnitten, während sie in Todesqual schrie.

Bewegungsunfähig.

Unfähig zu kämpfen.

Ohne jede Kontrolle über ihren Körper, ausgenommen der Stimmbänder, die die Wissenschaftler nicht zum Schweigen bringen wollten.

Sie schrie, bis ihre Stimme brach, und danach kam nur noch animalisches Knurren aus ihrer Kehle.

Aber sie war kein Tier. Sie war nicht einmal zur Hälfte ein Tier, wie ihre Jungen es waren. Sie war eine junge Frau, die vergessen hatte, was Sanftmut und Freiheit waren. Sie kannte nur noch Gefangenschaft, Schmerz, die endlosen Schwangerschaften und erzwungenen Geburten.

Und nun würde sie nur noch die Todesqual und Angst eines sinnlosen, bösartigen Todes kennen, den ihre Jungen in gleichgültigem Schweigen mit anzusehen gezwungen waren.

Breed Einhundertsieben saß auf seiner Pritsche in der Ecke der Zelle, den Kopf an die Stahlgitter hinter sich gelehnt, als die angsterfüllten Schreie seiner Mutter einmal mehr durch den Raum hallten.

Er und derjenige, den er Bruder nannte, der, den die anderen Einhundertacht nannten, waren nur ein paar von den Jungen im Labor, die ein Produkt ihrer Gene waren. Nicht nur aus ihrem Körper geboren, sondern auch aus ihrer Eizelle erschaffen, die im Reagenzglas mit dem genetisch veränderten, mit Tier-DNA verunreinigten Sperma befruchtet worden war, mit dem die Breeds gezüchtet wurden.

Und sie waren gezwungen, still zu bleiben, gleichgültig nach außen hin, als wären ihre Schreie ohne Bedeutung. Als würden diese Schreie nicht in ihre Seelen schneiden und ihnen die Eingeweide zerreißen, jedes Mal wenn sie bettelte, jedes Mal wenn sie vor Qualen schrie.

Jedes Mal, wenn sie Gott um Gnade anflehte.

Breed Einhundertsieben hielt die Augen geschlossen, seine Atemzüge gleichmäßig und rief sich vierzehn Jahre des Trainings in Erinnerung, um die Beherrschung zu wahren, die nötig war, um seinen Zorn und Schmerz im Zaum zu halten. Wenn nur einer ihrer Jungen unter dem Druck zusammenbrach, wenn nur einer von ihnen eine Reaktion oder eine Emotion zeigte, würden drei von ihnen sterben.

Wie schon so viele gestorben waren. So viele hatten schon die unmenschliche Qual kennengelernt, die sie erwartete, wenn sie auf dem Autopsie-Tisch in der Mitte des Raums fixiert wurden.

Am Tag zuvor hatten die Wissenschaftler auch eins ihrer liebsten Schoßtiere gefoltert. Als könnten sie von ihrem Hunger nach Blut, Schreien und Todesqual, die den Breeds aufgezwungen wurden, gar nicht genug bekommen. Ihr Opfer, Kojotenleutnant Elder, war eine überraschende Gelegenheit für die Gnadenlosigkeit der Wissenschaftler gewesen. Denn seltsamerweise hatte Elder, ganz untypisch für einen Kojoten, versucht, die Frau aus dem Labor zu schmuggeln und die Generatoren abzuschalten, die die Schöpfungen der Wissenschaftler gefangen und unter Kontrolle hielten.

Doch Elder war gescheitert. Er war verraten worden von einem der zwölf, die nun still in den Zellen saßen, während die Stimme ihrer Mutter immer lauter vor Entsetzen wurde.

Breed Einhundertsieben fragte sich, ob dies der Schrecken wäre, der die einzige Frau in ihrer Gruppe endgültig brechen würde. Die junge Geparden-Breed, von der es hieß, sie sei das natürliche Kind der Frau, und die wie schlafend auf der kleinen Pritsche in einer Zelle ganz am Ende lag.

Doch Morningstar wurde nicht lediglich bestraft, das wussten sie alle. Sie alle hatten am Tag zuvor Elders Vivisektion mit angesehen und die geflüsterte Unterhaltung der Wissenschaftler über eine Paarung mitgehört. Daher war es keine Überraschung für Einhundertsieben, als sie die sanft weinende Frau aus dem abgeschlossenen Raum gezerrt hatten, wo sie seit Elders gescheitertem Versuch, sie aus dem Labor zu bringen, eingeschlossen gewesen war.

Ihr langes schwarzes Haar floss schwer um ihren nackten Körper, wirr und zerwühlt von ihrem Kampf mit den Soldaten, die sie von dem bewusstlosen Elder wegzerren mussten, nachdem sie gefasst worden waren.

Jetzt war sie förmlich verrückt vor Zorn über Elders Tod und vor Schmerz durch die Berührung der Soldaten. Sie hatte gegen sie gekämpft, wie er sie noch nie hatte kämpfen sehen.

Sie hatte geflucht, getobt, Obszönitäten geschrien und alle möglichen Verwünschungen über sie ausgestoßen. Ihre sonst dunkelbraunen Augen mit seltsamen blauen Flecken darin waren nun eisblau und brannten wie Feuer in ihren indigenen Zügen.

Sie trat um sich, kämpfte, um ihre Wärter zum Taumeln zu bringen, und schwor Rache.

Doch vergeblich.

»Bastarde!«, kreischte sie. »Sie werden kommen. Mein Vater und sein Vater und die, die zuvor geflohen sind. Sie werden zu euch kommen mitten in der Nacht, und dann wird euer Blut fließen.« Ihre Stimme war heiser und wild, und Einhundertsieben hatte noch nie einen solchen Laut aus der Kehle irgendeines Geschöpfes gehört, nicht einmal von jenen Breeds, die regelmäßig gefoltert wurden.

Seine Nasenflügel bebten, als ihr Duft sie erreichte.

Aus dem Augenwinkel konnte er sie sehen, als man sie auf dem Autopsie-Tisch in der Mitte des Operationssaals fixierte. Sobald sie die Infusion gelegt hatten und das Paralytikum langsam tröpfelnd ihren Organismus erreichte, wäre sie bewegungsunfähig und nicht in der Lage, sich gegen irgendetwas zu wehren, das man ihr antat.

Es dauerte nicht lange, bis die Droge wirkte. Ihr Körper wurde schlaff, und während sie vor Schmerz und Angst weinte, lösten die Labortechniker langsam die Fesseln, die sie auf dem Tisch fixierten.

Breed Einhundertsieben konnte ihre Augen nicht sehen, aber er sah einen Anflug von menschlicher Angst und von Mitgefühl, von stillem Entsetzen und einer Verzweiflung, die nicht zu Morningstar gehörte.

Es war das erste Mal, dass ihr die lähmende Droge nicht injiziert wurde, um ein Kind aus ihrem Körper zu holen. Das erste Mal, dass man sie nicht auf einem Tisch in der Mitte dieses Raumes fixierte, um sie zu befruchten.

Sie sollte sterben, und sie wusste es.

Ihre Kinder wussten es.

Breed Einhundertsieben zwang sich, einmal mehr die Augen zu schließen. Sich auf die Gerüche der Menschen und Kojoten zu konzentrieren, die Teil dieser dämonischen Praktik waren.

Denn eines Tages würde er frei sein, das schwor er sich. Eines Tages würde er sie finden, jeden Einzelnen von ihnen, und dann würde er dafür sorgen, dass sie für die Hölle, die sie in diesem Labor erschaffen hatten, bezahlten.

Bis dahin konnte er nichts tun als die Emotionen niederzuzwingen, die in ihm tobten, brannten und seine Seele zerrissen. Er konnte nichts tun, als sie wegzuschließen und so tief in sich zu verbannen, dass sie keine Chance hatten, je wieder an die Oberfläche zu kommen.

Sein Herz war schwer, als er darum kämpfte, sie im Zaum zu halten. Seine Augen waren feucht. Breeds weinten nicht. Sie fühlten keinen Kummer.

Zumindest hatte man ihnen das eingebläut.

Sie bekamen keinen Namen; sie bekamen keine Umarmung, keine Pflege oder Liebe.

Sie gingen nicht nach draußen zum Spielen als Jungen, noch waren ihnen Pyjamapartys erlaubt, wie menschlichen Kindern.

Denn sie waren keine Menschen.

Sie waren Tiere, die auf zwei Beinen gingen und sich kleideten, sprachen und handelten wie Menschen.

Aber sie waren keine Menschen.

Das Wissen, dass sie keine Menschen, dass sie nicht geboren, sondern gezüchtet waren, war eine ihrer ersten Erinnerungen. Eine der ersten Lektionen, die ihnen erteilt wurde.

»Nichts wird euren Tod verhindern.« Das Klagen ihrer Mutter war voller Tränen. Und Angst. »Nichts kann euch retten!«

Und nichts konnte seine Mutter retten.

Die Wissenschaftler würden nicht bestraft werden. Es gab keine Gesetze, die die Breeds oder die hilflosen Frauen, die entführt worden waren, um sie zu gebären, schützten. Es würde keine Gerechtigkeit geben für die Geschöpfe, die innerhalb dieser Stahlwände zum Leben erweckt worden waren. Noch für jene, die auf dem Tisch dort in den Tod geschickt wurden.

Panik erfüllte Morningstars Schreie, als der kalte Stahl des Skalpells ihre Haut berührte.

Es war ein Laut aus Angst und Hysterie.

Ihr Duft wurde stärker. Er erkannte den einzigartigen frischen Duft, gemischt mit finsterer Angst, und er wusste, dass er sich immer daran erinnern würde, an den Duft des einzigen Lebewesens, das ihm je Freundlichkeit gezeigt hatte.

Doch darin mischte sich noch ein anderer Duft.

Elders Duft war da, und eine Note von etwas Tieferem, Stärkerem. Ein Duft, den er immer mit einer tiefen, namenlosen Emotion verbunden hatte. Einer Emotion, die er nur gewittert hatte, wenn zwei Menschen sie miteinander teilten. Menschen, die eine Verbindung zueinander hatten, die er nie verstanden hatte.

Es war ein Duft, den er nur als zarten Hauch gewittert hatte, als er im letzten Jahr auf Missionen ausgeschickt worden war. Ein Duft, den er mit etwas zu verbinden gelernt hatte, das die Soldaten höhnisch als Liebe bezeichnet hatten. Eine Mischung aus Lust und Sommerwärme, aus Behaglichkeit und Zufriedenheit, überlagert von einem Anflug von Adrenalin und Erregung. Und in der Mischung war es ein Duft, der ihn derart stark traf, dass er nur mit aller Mühe die Fassung bewahren konnte.

Und nun ließ er Reue in ihm aufwallen, während er sich mühte, seinen Zorn zurückzuhalten.

Ihn zurückzudrängen und niederzukämpfen brauchte jedes bisschen Kraft, das er besaß. Sein Bruder, Einhundertacht, empfand denselben Zorn und kämpfte seine eigene rasende Wut nieder.

Keine Reaktion.

Die, die in diesem Labor existierten, hatten viel zu viele Wurfgeschwister sterben sehen, weil sie ihre Wut und ihren Schmerz nicht zurückhalten konnten, die Tatsache, dass sie wussten, was Emotionen waren, und sie nicht verbergen konnten. Die Tatsache, dass sie Ehre kannten und sich weigerten, sie zu ignorieren.

Es war ihnen nicht gestattet, so zu tun, als seien sie Menschen. Nur Menschen hatten Emotionen, und sie waren Tiere. Jene, die die Überheblichkeit besaßen, zu glauben, sie könnten auch Menschen sein, wurden umgehend getötet.

Emotionen, Ehre, Loyalität für irgendetwas oder irgendwen außer ihren Schöpfern waren Breeds nicht erlaubt, und todsicher war es ihnen nicht erlaubt, irgendeine Bindung zueinander oder zu ihrer Mutter aufzubauen. Eine solche Bindung, jede Bindung, war ein Grund für den sofortigen Tod.

»Bitte, Gott, töte mich …!«

Inzwischen bettelte sie.

Seine Mutter. Ihr Name war Morningstar, und sie war die Tochter eines Medizinmannes der Navajo.

Auf seiner letzten Mission, vorige Woche, hatte Einhundertsieben ihrem Vater Fotos gemailt, dazu eine Karte, einen Brief mit der Bitte um Hilfe und der Bitte, dass er kommen und die Frau retten solle, die er als seine Tochter gekannt hatte.

Niemand war gekommen.

Und nun würde Morningstar sterben.

Er zuckte mit keiner Wimper, als ihr Weinen schriller wurde, erfüllt von entsetzlicher Todesqual, und der Duft ihres Blutes und ihres Schreckens den Raum zu füllen begann.

Sein Blick suchte den seines Bruders, Einhundertacht.

Seines Zwillings.

Sie teilten eine weitere Bindung, die sie bisher weder den Soldaten und Wissenschaftlern noch anderen Breeds, mit denen sie die Zellen teilten, offenbart hatten. Eine Bindung und ein Wissen umeinander, für das sie getötet werden konnten, sollte es je entdeckt werden. Dieselbe Bindung teilten sie mit ihrer Mutter, und er wusste, dass Einhundertacht auch ihre Qual empfand.

Breed Einhundertsieben kannte seinen Bruder besser als jeden anderen. Es war eine Verbundenheit, die ihnen gestattete, die Emotionen des jeweils anderen zu fühlen und einen Blick in sein Herz zu werfen.

Er musste langsam und tief Luft holen, als der Duft ihres Blutes stärker und ihre Schreie qualvoller wurden mit der entsetzlichen Gewissheit, was ihr da angetan wurde.

Eine Vivisektion. Das Sezieren eines lebendigen Körpers.

Und er musste es ignorieren. Er musste äußerlich ungerührt bleiben.

Er musste so tun, als sei ihm gleichgültig, dass seine Mutter grausam gefoltert wurde wegen des Duftes, den Elder an ihr hinterlassen hatte. In ihr. Der Duft, den er auf einem instinktiven Level als einen erkannte, der sie als zu Elder gehörend markierte. Es war ein Duft, den er noch nie zuvor gekannt und gewittert hatte.

Die animalischen Sinne, die so sehr ein Teil von ihm waren, erkannten ihn auf instinktiver Ebene. Dieses Wissen wurde dem Mann übermittelt, und obwohl es ihn verwirrte, erkannte er es doch als das, was es war – ein Mal der Zugehörigkeit, das bis in die Seele reichte und sich nicht leugnen ließ. Und an diesem Ort, in dem Schrecken des Lebens, in das sie geboren waren, war es ein Todesurteil.

Bedeutete dieser Schmerz es, ein Breed zu sein? Der furchtbare Albtraum einer Vivisektion, weil sich in ihrem Körper etwas verändert hatte? Einer Veränderung, die jeden Breed wissen ließe, dass sie als zu einem Breed gehörend markiert war, wenn sie denn die Chance hätte, zu leben? Ein Duft, der sie als nur zu Elder gehörend markierte.

So war Elder gefasst worden. Deshalb hatte er es nicht geschafft, die Frau zu retten, an die er sich gebunden hatte, weil ein anderer Breed das Mal bemerkt und gemeldet hatte. Weil einer von Morningstars »Nachkommen« den Stärksten von ihnen allen verraten hatte.

Elder.

Einhundertsieben hätte es verstanden, wenn es ein anderer Kojote gewesen wäre, der den Anführer der Kojoten und diesen Duft an seine Meister verraten hätte. Er hätte verstehen können, wenn es ein Mensch gewesen wäre.

Aber es war keins von beiden gewesen. Sondern ein Breed. Es war einer der Breed-Welpen gewesen, die in ihrem Körper geschützt und genährt worden waren, bis die Wissenschaftler ihn herausgeschnitten hatten.

Es war ein Breed, der sterben würde, schwor sich Einhundertsieben. Er würde den Bastard umbringen, und er würde dafür sorgen, dass der Breed litt.

Dieser Verräter würde bis in die tiefsten Untiefen der Hölle leiden, genauso wie Morningstar Martinez nun litt. Genauso wie ihr Gefährte, der Kojote Elder, gelitten hatte in seinem Versuch, sie zu retten. Sie und die Breeds, die sie geboren hatte.

Der Eid prägte seine Seele, als die Schreie noch qualvoller wurden, sich wie ein Messer in seine Seele schnitten und seine Beherrschung beinahe zusammenbrechen ließen.

Er spannte sich innerlich an und verdrängte alle Emotionen. Es war die einzige Möglichkeit, sie zu verbergen. Die einzige Möglichkeit, die Wut zu verbergen.

Die Muskeln seiner Oberschenkel waren stahlhart, und seine Rückenmuskeln spannten sich immer wieder schmerzvoll an. Er konnte niemandem die Qual, die in ihm tobte, zeigen. Eine Qual, die sich mit der seiner Mutter nicht vergleichen ließ. Seine Schreie konnten niemals die Schmerzen, Qual und Niederlage ihrer Schreie erreichen.

Und die einzige Möglichkeit, seinen Bruder zu retten und sicherzustellen, dass Einhundertacht nicht für seinen Fehler, Zorn zu zeigen, leiden musste, war, diesen zu verdrängen. Den Zorn so tief in seiner Seele zu begraben, dass er nicht mehr existierte, sodass er inmitten all dem noch funktionieren konnte.

Diese letzte Ader aus Kummer und Loyalität wegzuwischen und das Bedürfnis, irgendeine Emotion sein Eigen zu nennen, zu fühlen und vor Wut zu heulen, vernichten.

Alles, was nun blieb, war der Drang nach Freiheit, ein Drang, Freiheit zu kosten, zu berühren und festzuhalten. Gerechtigkeit kennenzulernen und die Gesetze, denen er folgte, zu verstehen.

Das Bedürfnis, einen Namen zu haben.

Er saß reglos und schweigend da und zeigte weder etwas von der Wut und der Qual noch von dem langsamen Begraben der Hungergefühle, die im vergangenen Jahr immer mehr zu seinem Antrieb geworden waren.

Alles, was blieb, war dieser Drang nach Freiheit, dieser Hunger nach Gerechtigkeit und der überwältigende, wütende Hunger nach Rache.

Er wollte Regeln, ein Gesetz, dem er folgen konnte, und in diesem Augenblick wurde ihm klar, dass es nichts und niemanden gab, dem er folgen konnte, außer sich selbst.

Er brauchte Gerechtigkeit, doch wenn er sich die nicht selbst nahm, würde er sie nie kennenlernen, sie nie kosten oder fühlen.

Er würde sein eigenes Gesetz werden.

Er würde seine eigene Gerechtigkeit werden.

Und in diesem Augenblick fand Einhundertsieben einen Namen für sich.

In diesem Augenblick wurde er sein eigenes Gesetz und seine eigene Gerechtigkeit.

Lawe Justice.

1

Jonas Wyatt starrte auf die Unterlagen, die auf seinem Schreibtisch ausgebreitet lagen. Fotos, medizinische Diagnosen und Forschungsberichte starrten ihn schwarz auf weiß finster an, und er fuhr sich müde übers Gesicht.

Die Informationen aus den Daten, die über die letzten Monate gesammelt und nun endlich entschlüsselt worden waren, waren entsetzlich. Storme Montague, Tochter eines leitenden Wissenschaftlers in dem in den Anden gelegenen abgeschiedenen Labor Omega zur Genforschung an Breeds, hatte am Ende die Informationen preisgegeben, die sie viel zu viele Jahre gehütet hatte.

Der Tod von Phillip Brandenmore und dazu die Unterlagen, die seine Nichte preisgegeben hatte, hatten ihnen Informationen über die Fortsetzung der Projekte geliefert, die in Labor Omega begonnen hatten.

Fortsetzungen, die die Macht hatten, sogar Jonas mit Entsetzen zu erfüllen. Und er hatte geglaubt, dass weder das Genetics Council noch Phillip Brandenmore und dessen Forscher ihn noch weiter schockieren konnten.

So viele Experimente an unschuldigen Männern und Frauen, Menschen wie Breeds, gepaart und nicht gepaart, manche behutsam getestet, andere endlos gefoltert – es war mehr, als er auf einmal verkraften konnte.

Die Wahrheit über die Grausamkeit, die Menschen zufügen konnten, wog schwer auf seiner Seele. Die Wahrheit über das reine Böse des toten Phillip Brandenmore schnürte sein Herz mit einem Band aus Grauen ein.

Er hatte geglaubt, er hätte das Schlimmste gesehen, was Menschen ihren Mitmenschen, Tieren oder den Breeds, die dazwischen existierten, antun konnten. Vielleicht hatte er das ja auch, doch was er in den Unterlagen vor sich sah, war ebenso schrecklich – in mancher Hinsicht vielleicht noch furchtbarer, denn die Taten waren nicht im Namen der Forschung begangen worden oder um die perfekte Spezies zu schaffen oder um diese so zu verbessern, wie das Genetics Council sie sich vorgestellt hatte.

Die Unterlagen hier repräsentierten das Böse in seiner reinsten Form. Wissenschaftler, die das Schlimmste getan hatten, was sie tun konnten, im Namen der Wissenschaft, der Neugier und dann im Namen der Unsterblichkeit.

Er senkte die Hände und starrte wieder auf die Dossiers, bevor er eins von unten im Stapel nahm.

Brandenmores Angaben in dieser Akte waren sehr detailliert in ihrer Beschreibung der Schreie des Opfers, unmenschlich und qualvoll. Laute des Grauens von einem Breed, medizinisch gelähmt durch ein spezifisches Paralytikum, entwickelt vom Genetics Council, das einem nur die Fähigkeit zu schreien ließ. Aus irgendeinem Grund hatten die Wissenschaftler nur selten ihren Opfern die Fähigkeit genommen, ihr Grauen, ihr Flehen und ihre Todesqualen hörbar zu machen. Und für dieses Opfer hatte es fast unendlich gedauert.

Ein männlicher Tiger-Breed, dessen animalische DNA stark genug war, um als »erstklassig« gekennzeichnet zu werden – ein »Primärobjekt«. Mindestens zwei Jahre lang hatte man ihm nicht nur das Serum verabreicht, das Brandenmore entwickelt hatte, um den Alterungsprozess zu unterdrücken und den Krebs zu heilen, den er in seinem eigenen Körper beseitigen wollte, sondern auch die Droge zur Bewusstseinskontrolle, die er ebenfalls entwickelt hatte. Eine Droge, die sich bereits als katastrophal bei einer anderen Breed erwiesen hatte, Dr. Elyiana Morrey, bei der sie eingesetzt worden war, um ihr einzureden, dass einer ihrer Enforcer und Codeknacker, Mercury Warrant, eine Gefahr für die Breeds darstelle.

»Er wurde mit dem vom Council entwickelten Paralytikum betäubt und dreimal bis an den Punkt des Todes viviseziert.« Lawe Justice auf dem Stuhl ihm gegenüber sprach es aus. Seine Miene und seine Stimme waren emotionslos und eisig in völliger Abwesenheit von Gefühlen.

Doch die Gefühle tobten unter der Oberfläche. Jonas konnte sie erahnen wie einen Vulkan kurz vor dem Ausbruch.

»Er konnte fliehen, als Wissenschaftler und Soldaten das Labor vorbereiteten, um ihn und zwei andere Subjekte zu eliminieren. Zehn Jahre später wurde er wieder eingefangen. Damals begannen die Vivisektionen. Das letzte Mal entkam er kurz nach Phillip Brandenmores Tod«, stellte Jonas fest, als er die Akte aufschlug und in das Gesicht des Breeds blickte, der zwei Jahre bösartiger, grausiger Tests überlebt hatte.

Hellgrüne Augen blickten ihm entgegen in einem harten bronzefarbenen Gesicht, das durch einen Streifen zweigeteilt war. Vom linken Auge über die Nase und die rechte Wange hatte seine Haut einen lebhaften Farbton von dunklem Gold in Form eines Tigerstreifens.

Er hatte die Zähne zusammengebissen und die Lippen zu einem wütenden Knurren zurückgezogen. Scharfe Reißzähne waren zu sehen, weiß glitzernd und tödlich.

Das Foto darunter zeigte große, breite Hände, die an eine Trage geschnallt waren, während ein Soldat einen der kräftigen Finger in der Hand hielt. Der Nagel war leicht gerundet, und durch den Druck des Soldaten gegen die Fingerkuppe war die »Kralle« aus dem Nagelbett gezwungen worden. Obwohl sie als weniger tödlich beschrieben war, war sie dennoch härter als ein normaler menschlicher Nagel, und ihre Struktur und fast knochenartige Härte machten sie zu einer eindrucksvollen Waffe.

»Ihm haben sie einen Namen gegeben.« Damit spielte Lawe auf die Gewohnheit der Councilforscher an, den Breeds Nummern statt Namen zu geben.

»Sie haben gelernt, welche Macht ein Name hat.« Jonas seufzte. »Aber ich glaube, diesem hier haben sie den falschen Namen gegeben. Falls sie vorhatten, seine Unterwerfung zu stärken, hätten sie einen weit weniger mächtigen Namen wählen sollen als Gideon.«

Er sah zu, als Lawe seine Aufmerksamkeit wieder auf die identische Mappe in seinen Händen richtete. Jonas konnte sich die Gedanken und Qualen, die ihm durch den Kopf gingen, vorstellen.

Die Erinnerungen.

Erinnerungen an die Frau, die er Mutter genannt hatte, und daran, wie er sich zwingen musste, still zu bleiben mit aller zur Schau gestellten Gleichgültigkeit, als sie bei einer Vivisektion unter einem Skalpell starb.

»Drei Mal«, stellte Lawe fest. »Drei Mal haben sie ihn aufgeschnitten.« Er schüttelte kurz den Kopf und hob das Dossier wieder. »Und wir wollen ihn dafür bestrafen, dass er den Bastarden, die er zur Strecke bringt, dasselbe antut?«

In Lawes Stimme lag ein Unterton von Zorn, von Missbilligung, mit der Jonas im Stillen übereinstimmen mochte – doch er hatte nicht die Macht, zuzulassen, dass es so weiterging.

»Und sobald die Nachrichtenagenturen Wind davon bekommen, dass es ein Breed ist, der diese Verbrechen begeht, und kein Serienkiller?«, stellte Jonas Lawes Missbilligung infrage. »Bisher konnten wir es vertuschen, Lawe, aber das wird nicht mehr lange gehen. Sobald die Wahrheit herauskommt, werden wir gezwungen sein, ihn zu eliminieren oder an die Gerichte zu übergeben und dann heißt es deren Form von Gerechtigkeit gegen unsere. Ich würde es deutlich vorziehen, ihn zu fassen, herauszufinden, ob der Schaden an seinem Verstand behoben werden kann, und ihn zu retten. Das ist das mindeste, was er verdient.«

»Und einmal mehr sind Breeds gezwungen, sich vor ihren Schöpfern zu beugen«, kam Lawes verdammendes Urteil.

Trotz des Hohns in seinem Tonfall wusste Jonas, welche Absicht dahintersteckte. Es war dieselbe Absicht, die er hatte, wenn er ähnliche Bemerkungen von sich gab. Die Ungerechtigkeit darin, so viele Male die andere Wange hinzuhalten zu müssen, führte langsam zu einer wachsenden Abneigung gegen die Realität ihrer Situation. Und gegen Menschen im Allgemeinen.

Breeds hatten keine Wahl, als das Wohlwollen der Gesellschaft und jener zu gewinnen, die unbefleckt von den animalischen Genen waren, die Breeds in sich trugen. Es gab so viele mehr von ihnen und so wenige Breeds, dass sie verloren wären, sollte sich die öffentliche Meinung gegen sie wenden.

»Gideons Suche nach der kleinen Roberts wird intensiver«, meinte Lawe, während er weiterlas. »Drei Wissenschaftler, die an den Tests beteiligt waren, bei denen sie vor zwanzig Jahren dabei war, sind tot, ebenso zwei Soldaten. Die einzige Überlebende, eine Labortechnikerin, berichtete, dass ein Mann in ihr Schlafzimmer geschlichen sei, sie gefesselt und ausgiebig befragt habe über die Flucht des jungen Tigers und der zweiten menschlichen Frau sowie über jegliche Freundschaft, die sich zwischen ihnen und der kleinen Roberts entwickelt haben könnte, während sie dort war.« Er blickte wieder auf. »Sie war verängstigt, aber blieb am Leben. Sie war die Einzige, die er am Leben ließ.«

»Und seltsamerweise hat sie weder die Polizei noch ihren Arbeitgeber alarmiert«, sinnierte Jonas. »Stattdessen hat sie mich angerufen.«

»Hat sie gesagt warum?« Lawes Augen wurden schmal, als er Jonas ansah.

»Sollte öffentlich werden, dass sie Teil der Experimente und Folterungen war, nicht nur von Breeds, sondern auch von Menschen, könnte das zu Klagen gegen sie führen und zu einem Urteil, das sie für sechs bis zehn Jahre ins Gefängnis bringen könnte.« Jonas zuckte mit den Schultern. »Sie hoffte, ich wäre nachsichtiger im Austausch für die Informationen über Gideon und dem, wonach er sucht.«

Damit hatte sie eine Art Versicherung gehabt, und Jonas war zu Verhandlungen bereit gewesen, wie sie angenommen hatte. Immerhin war die Injektion, die Phillip Brandenmore seiner Tochter verabreicht hatte, inzwischen öffentlich bekannt, aufgrund von Unterlagen, die Brandenmore versteckt hatte, bis es Jonas gelungen war, ihn zu kidnappen. Einige dieser Unterlagen waren von den Behörden entdeckt worden, bevor Jonas sie in die Hände bekommen konnte.

»Hat sie sich noch an mehr erinnert als an das, was sie in ihrem ersten Bericht über seinen Besuch erzählt hat?«, fragte Lawe, während er einen Blick auf die nächste Seite warf und sich daraufhin langsam versteifte.

Jonas nickte mit wissendem Blick, ignorierte Lawes Reaktion auf das, was er gelesen hatte und sprach es stattdessen offen aus. »Diane Broen und ihr Team werden heute Nacht mit ihrem Bericht zurückerwartet. Sie haben die Technikerin befragt und ihre Nachforschungen zum Verschwinden der kleinen Roberts vor zwölf Jahren abgeschlossen – kurz nachdem die anderen beiden ihrer Tötung entkommen waren. Es besteht kein Zweifel, dass sie vom Haus ihrer Eltern aus geflohen ist. Wir sind schlicht unsicher, warum, wohin sie gegangen sein mag, oder wie sie so leicht verschwinden konnte. Laut Brandenmores Unterlagen und basierend auf ihrer Freundschaft im Labor vermutet Gideon, dass die drei irgendwo zusammen waren. Er weiß nur nicht, wo. Diane hat die letzten drei Monate lang ihre möglichen Aufenthaltsorte ausgeforscht. Ich glaube, sie weiß, wo die drei sich aufhalten und hält die Information aus irgendeinem Grund zurück, bis sie hier ankommt.«

Lawe hob langsam den Kopf, als Jonas zugab, dass er Diane Broen und ihr Team in die Schusslinie geschickt hatte. Jahrelang hatten die Breeds und ihre Feinde die Söldnerin nur als Diana gekannt. Die Jägerin. Es war ein Deckname, den sogar ihre Schwester weiterhin genutzt hatte, wenn nötig. Mit einer Truppe von vier menschlichen Männern und abwechselnd einem von zwei Breeds unter ihrem Kommando hatte sie abtrünnige Kojoten-Breeds gejagt, ebenso wie Soldaten, Ausbilder, Wissenschaftler und Unterstützer des Councils.

In Wahrheit war ihr Name Diane Broen, und sie war Lawes Gefährtin. Die Frau, die Jonas auf die Suche geschickt hatte nach dem, was immer mehr zu einem der gefährlichsten abtrünnigen Breeds wurde, und den drei Forschungsopfern, die die volle Wut des noch übrigen Councils über Dianes Haupt bringen konnten.

Jonas hatte mit einer Reaktion von Lawe gerechnet, aber der Anblick des Zorns, der in den normalerweise eisig blauen, fast violetten Augen aufblitzte, war überraschend.

Es kam extrem selten vor, dass man Lawe sauer sah. Und noch seltener sah man ihn sauer wegen einer Frau.

Natürlich ignorierte Lawe völlig die Tatsache, dass Jonas glaubte, Diane könnte die Informationen haben, die sie brauchten. In diesem Moment war nichts und niemand wichtiger als seine Gefährtin. Egal, ob er die Paarung vollendet hatte oder nicht.

»Sie zu schicken war die falsche Entscheidung«, stellte Lawe fest, und in seiner Stimme lag ein harter Unterton.

Die Herausforderung in diesem Tonfall ließ Jonas die Stirn runzeln, und er spannte sich an, als er die bewusste Infragestellung seiner Entscheidung hörte.

Er wollte sich nicht zu einer Reaktion hinreißen lassen, zumindest vorerst. Für Lawe. Er zwang sich, sich in Zurückhaltung zu üben statt in sofortiger Vergeltung, wie er es bei jedem anderen Breed getan hätte.

Lawe wurde dafür ausgebildet, den Posten des stellvertretenden Direktors zu übernehmen, was ihm mehr als anderen gestattete, seine Meinung kundzutun. Es gewährte ihm Privilegien, die Jonas einem anderen Enforcer oder Alpha nie zugestanden hätte, egal ob Breed oder Mensch.

Jonas hatte keinen Bedarf an einem Jasager, aber er wollte verdammt sein, wenn er insbesondere diese Entscheidung noch viel länger infrage stellen ließ. Oder irgendeine Entscheidung in Bezug auf die Suche nach den drei Forschungsopfern. Opfern, die dabei helfen konnten, Antworten auf die Veränderungen zu finden, die seine kleine Tochter durchmachte. Veränderungen, die keinen Sinn ergaben und sich bisher weder rückgängig machen noch erklären ließen.

Vor allem angesichts der Tatsache, dass er wegen der Frau infrage gestellt wurde, die diese Suche unternommen hatte. Die Frau, auf die Lawe keinen Anspruch erheben wollte. Die Gefährtin, die er nicht markieren und nicht nehmen wollte, die er in einen Käfig sperren und bändigen wollte, wie man es mit einem Haustier tun würde. Es war eine Entscheidung, mit der Jonas absolut nicht einverstanden war und die er bei jeder sich bietenden Gelegenheit blockieren würde.

»Und warum ist das so?«, fragte er, während er die Akte schloss, und widerstand dem Drang, warnend seine Krallen zu zeigen.

Lawe antwortete ihm ohne Zögern.

»Die Mission war zu gefährlich. Dadurch dass sie mit den verschiedenen Kräften fertigwerden muss, die ebenfalls nach dem Mädchen suchen, ist das Ganze zu einem unvermeidlichen Blutbad mit Ansage geworden. Ich will sie da nicht mittendrin haben, und wenn man bedenkt, dass sie die Schwester deiner Gefährtin ist, solltest du das auch nicht wollen.«

»Paare dich mit ihr, mach es offiziell und bring es hinter dich, dann kannst du dich auch selbst um die Situation kümmern«, knurrte Jonas und spürte das Prickeln der »Krallen«, die sich auszustrecken drohten. »Andernfalls, so lange sie ihre Männer zur Verfügung stellt, um für die Enforcer einzuspringen, die wir derzeit auf Missionen ausgesandt haben, habe ich vor, sie einzusetzen.«

Und Lawe konnte keinerlei Wünsche in Bezug auf Diane durchsetzen, bis er sich vollständig mit ihr gepaart, sie markiert und die Bindung einer Paarung zwischen ihnen aufgebaut hatte.

Wichtiger noch, so lange sie die Paarung nicht offiziell akzeptierte, hatte Lawe keine Rechte, soweit es sie oder ihre Sicherheit betraf. Es war eine Ergänzung des Breed Laws gewesen, die einstimmig angenommen worden war. Auslöser war die Entscheidung einer Gefährtin gewesen, den Breed, der sie markiert hatte, aufgrund seiner Unehrlichkeit und der Art, wie er sie behandelt hatte, abzuweisen.

Lawe sah Jonas lange an, und die animalischen Gene, die er in sich trug, drängten ihn dazu, den Direktor des Büros herauszufordern.

Und dazu die erdrückende Gewissheit, dass er kein Recht auf diese Herausforderung hatte.

Er hätte wissen müssen, dass Jonas bewusst war, dass zwischen ihm und Diane der Paarungsrausch brodelte. Wären Bluttests gemacht worden, hätten sie das Potenzial dafür sofort offenbart. Doch noch mehr hätte Jonas wahrgenommen, dass sie Lawes Duft trug, in dem Moment, in dem er ihr begegnete.

Ein Duft, den ihr Körper nicht mehr verloren hatte seit der Nacht vor sechzehn Monaten, als er bei ihrer Rettung aus einer Gefängniszelle in Syrien geholfen hatte.

Er hatte sich geweigert, den letzten Schritt zu machen, der den Paarungsrausch über das einleitende Stadium hinausheben würde, in dem er sich derzeit befand. Noch ein Schritt weiter, und sie würden füreinander brennen. Im Augenblick war der Rausch lediglich ein Ärgernis und ein Wissen um das, was er sich selbst versagte.

Es war irritierend genug, um viel zu lange in die andere Richtung vor der Frau wegzulaufen.

Die Drüsen unter seiner Zunge waren nur leicht geschwollen, und das Hormon darin war noch nicht in seinen Organismus gesickert. Der Ständer, den das Verlangen verursachte, kam und ging mit frustrierender Regelmäßigkeit, aber der Drang machte sich noch nicht mit unaushaltbarem Druck bemerkbar.

Er fühlte sich lediglich unbehaglich.

Es war noch keine biologische Notwendigkeit, aber es würde nur wenig brauchen, um eine überwältigende Begierde auszulösen, die die Beherrschung, die er bisher bewahren konnte, auflösen würde.

Seiner Begierde ihren Willen zu lassen war ein Schritt, den er noch zulassen musste.

Sie zu küssen oder in irgendeiner Weise zu berühren, würde den Paarungsrausch außer Kontrolle geraten lassen. Es war etwas, das er sich zu tun weigerte.

Eine Geliebte an die bösartigen Kräfte zu verlieren, die die Breeds vernichten wollten, war eine Sache. Aber eine Gefährtin zu verlieren, die eine Frau, die seine Seele lindern und die bitteren, klaffenden Wunden, die ein Breed in sich trug, heilen konnte – das war etwas ganz anderes.

Eine Sekunde lang blitzte in seinem Kopf die Erinnerung an seine Mutter auf, so zart und zerbrechlich unter dem Skalpell, das sie aufschnitt. Er hörte ihre Schreie, ihr Flehen, den Augenblick, als ihre Stimme brach, und er erinnerte sich an den Duft ihres schrecklichen Todes.

Die Gefahr, dass so etwas einem Breed und dessen Gefährtin zustieß, war weit höher, als irgendein Breed sich eingestehen wollte, vor allem jene, die sich gepaart hatten.

Gefährtinnen wurden geschützt, gehütet hinter den Mauern von Sanctuary, der Wolf-Breed-Basis Haven oder der neu benannten Kojoten-Basis über Haven mit dem passenden Namen Citadel. Jeder ungepaarte Breed gelobte, die gepaarten Gefährtinnen und alle Kinder aus einer Paarung mit seinem Leben zu schützen. Sie waren zu wichtig. Sie waren entscheidend für das Überleben der Breeds, mit denen sie gepaart waren und für das künftige Überleben der Breeds als Ganzes. Man durfte kein Risiko eingehen, dass sie verletzt wurden.

Es gab welche, die ihren Gefährtinnen zugestanden, mit ihnen zu reisen und an ihrer Seite zu kämpfen, aber das waren nur wenige. Und obwohl diese Breeds gezwungen waren, ihren Frauen diese Freiheit um deren Zufriedenheit willen zuzugestehen, konnte Lawe sich nicht vorstellen, ein solches Risiko zuzulassen.

»Du wirst sie verlieren«, sagte Jonas leise in die Stille, als seien ihm die Gedanken, die Lawe quälten, bewusst. »So wie Dawn beinahe Seth verloren hätte, als sie sich von ihm trennte. Ignoriere es weiter, Lawe, und dein Duft wird verschwinden und dich dem Risiko aussetzen, sie zu verlieren.«

Lawe erwiderte seinen Blick, und eine ungezähmte Wut drohte sich durch seine Seele zu brennen.

»Ich hatte sie nie.«

Die Lippen des Direktors verzogen sich mit einem Anflug wissenden Spotts, als er sich zurücklehnte, entspannt und lässig trotz der Tatsache, dass Lawe seine Anspannung und den Drang, dem Direktor wegen Dianes Position innerhalb des Büros zu trotzen, nicht unterdrücken konnte.

Sie war ein Enforcer, einer der gut ausgebildeten, bewaffneten und häufig verdeckt agierenden Agenten, die darum kämpften, jede Bedrohung für das Überleben der Breeds auszumerzen.

»Sie soll ihre Ankunft mitteilen, wenn ihr Flieger heute Nacht landet«, erklärte Jonas und ignorierte die Herausforderung, die Lawe wortlos an ihn richtete. »Schick Rule zu ihr in das Hotel, das wir nutzen, damit er die Informationen entgegennimmt, die sie beschafft hat. Ich weiß, dass sie etwas gefunden hat, aber sie schien zu zögern, darüber elektronisch oder über ihr Satellitenhandy zu sprechen. Rachel sagt, etwas habe ihre Schwester beunruhigt, und ich nehme an, dass das der Grund dafür ist, dass sie die Informationen zurückhält.«

Lawe erwiderte Jonas’ Blick nachdenklich. Seine Augen wurden schmal, und die plötzliche Erkenntnis ließ seine Nasenflügel beben. Er kannte Diane. Wenn etwas sie beunruhigte, dann das Gefühl, dass sie verfolgt oder irgendwie beobachtet wurde.

Diane war kein paranoider Mensch. Und sie war zu gut ausgebildet, um einen so entscheidenden Fehler zu machen.

Lawe ballte die Fäuste und zwang sich, die plötzliche namenlose Gefahr zu ignorieren, die das Tier in ihm tobend konfrontieren wollte.

»Und Gideon?«, fragte Lawe. »Was denkst du, wie nahe ist er dran, die kleine Roberts oder die anderen zu finden?«

Auf die Frage hin seufzte Jonas und zog langsam und spöttisch über Lawes Zurückhaltung eine Augenbraue hoch. »Er ist näher dran als wir, glaube ich. Ich werde es erst sicher wissen, wenn Diane ankommt und ihren Bericht fertigstellt. Hoffentlich hat sie die Informationen, die wir brauchen und ist bereit, sie zu übergeben.«

»Und wenn er sie vor uns findet?«, fragte Lawe.

Darauf presste Jonas die Lippen aufeinander. »Wenn er zur Gefahr wird und wir ihn nicht fassen können, werden wir ihn neutralisieren. Rufe Dog, Loki, Mutt und Mongrel herein und bereite sie darauf vor, auszurücken, falls Gideon gefunden wird. Ich will kein Risiko eingehen.«

Lawe starrte Jonas überrascht an, als er die vier Namen hörte. Diese Breeds waren die am besten ausgebildeten Tracker und Attentäter, die aus den Schöpfungen des Genetics Councils hervorgegangen waren. Sie alle mit hineinzuziehen war ein Beweis von Jonas’ Befürchtung, zu welcher Gefahr Gideon werden konnte.

Und dass Jonas die Tatsache offenbarte, dass diese vier Agenten des Büros waren, war ein Zug, den Lawe nicht von ihm erwartet hatte. Vor allem Dog, dessen Deckung noch immer die eines vom Council kontrollierten Kojoten war, obwohl bekannt war, dass er gelegentlich auf eigene Rechnung arbeitete, wenn es um Interessen des Councils ging.

»Sorge dafür, dass Rule mir ebenfalls noch heute Nacht nach seinem Treffen mit Diane Bericht erstattet«, befahl Jonas.

Jonas drängte auf diese Konfrontation. Lawe knirschte mit den Zähne, zögerte aber, das Thema, oder Jonas, weiter anzutreiben. Das Tier in ihm verlangte tobend, alles, was eine mögliche Gefahr für diese Paarung darstellen könnte, zu vernichten.

Die menschliche Seite, die eiskalte Logik, die ihn beherrschte, erkannte jedoch, welch ein Fehler das wäre. Ob Jonas oder seine animalischen Gene es nun zugeben wollten oder nicht – Jonas würde Diane nie absichtlich in Gefahr bringen. Sie war die Schwester seiner Gefährtin, und er würde sie so weit wie möglich schützen. Trotzdem: Die Tatsache, dass sie sich irgendeiner Gefahr gegenübersah, versetzte Lawe reflexartig in Anspannung.

Lawe stand auf. »Ich werde mich mit ihr treffen.« Er konnte weder das Knurren in seiner Antwort noch den Befehlston in seiner Stimme unterdrücken.

Er wollte verdammt sein, wenn er seinem Bruder, einem Breed mit Genen, die seinen so ähnlich waren, gestattete, sich derzeit in Dianes Nähe aufzuhalten. Die stille Furcht, dass Rule sich am Ende mit ihr paaren könnte, war ein zu großes Risiko. Die Furcht konnte lediglich Besitzanspruch sein, statt ein echtes Risiko. Dennoch war es ein Risiko, das er nicht ignorieren konnte.

Sollte das passieren, wusste Lawe, dass er die Wut auf seinen Bruder, die dann in ihm ausbrechen würde, nie kontrollieren könnte. Auf einen Bruder, der unzählige Male sein Leben riskiert hatte, um ihn zu retten.

Lawe ging zur Tür, und seine innere Anspannung war kaum zu kontrollieren oder zu verbergen, als er Jonas’ Büro verließ und zu seinem eigenen marschierte.

Der abtrünnige Breed, der eine Schneise aus Blut durch die Forscher schlug, die an der Entwicklung der Breeds beteiligt waren, war ein Problem. Die junge Frau, nach der der Breed suchte, und die Gefahr, die er für sie und die beiden Forschungsopfer darstellte, mit denen sie sich versteckt hielt, war zutiefst beunruhigend.

Aber es war nicht an seiner Gefährtin, damit umzugehen oder eine der fehlenden Parteien zu finden. Es war an ihr, in Sicherheit zu bleiben. Er mochte sich noch nicht mit ihr gepaart haben, aber sie war dennoch seine Gefährtin.

Es würde ihn vernichten, wenn sie verletzt oder gar getötet würde.

Gott helfe jedem, der ihr auch nur einen Kratzer verpasste, denn dann würde er den Verstand und den Durchblick verlieren und selbst eine Schneise aus Blut schlagen, die die Breeds durchaus für immer vernichten konnte.

Sie war so unentbehrlich für ihn wie die Luft, die er atmete.

Doch so lange er sich nicht mit ihr paarte, sondern auf Distanz blieb und seine Beherrschung behielt, blieb ihm vielleicht, nur vielleicht, eine Chance …

Eine Chance, zu überleben, die Kontrolle zu behalten und seine geistige Gesundheit, sollte das Schlimmste passieren.

Es war die einzige Chance, die er hatte, um die reine brennende Wut zurückzuhalten, die er in sich fühlte, bereit, aufzulodern. Die Wut über zu viele verlorene Breed-Leben, zu viele gefolterte Gefährten, und viel zu viele Albträume, die ihn verfolgten …

Die Erkenntnis sank in seine Seele: Nun verstand er, warum ein Kojote wie Elder, ein Geschöpf, das für Gnadenlosigkeit und Blutdurst geboren war, sein Leben für eine einzige zarte, zerbrechliche und hilflose Zuchtmutter gegeben hatte.

Er würde sein Leben geben – er würde seine Seele geben – für Diane.

2

Arlington, Virginia

Manche würden ihn als geisteskrank bezeichnen, und vielleicht hätten sie damit auch recht gehabt.

Er war geisteskrank.

Gideon blickte auf den hilflosen, verängstigten Forschungstechniker vor sich und akzeptierte diese Tatsache mit einem Gefühl schmerzhafter, bitterer Reue.

Seine geistige Gesundheit war ihm geraubt worden, mit jedem Tag, mit jeder Injektion, jedem Schnitt des Skalpells in seine Haut, als Phillip Brandenmores Monster ihre Experimente an ihm durchführten.

So viele Jahre. So viele gebrochene Knochen, so viele dämonische Experimente.

So viele Male hatte er um den Tod gebetet, doch der Tod war nicht gekommen. Stattdessen war der Wahnsinn gekommen. Wahnsinn und der überwältigende Durst nach Blut. Zuerst nach dem seiner Feinde, dann nach dem Blut jener, die ihn verraten hatten, wenn sie ihm doch hätten erlauben sollen, zu sterben.

Er kauerte sich auf den Boden, wo er sein Opfer mit gespreizten Gliedern fixiert hatte, legte den Kopf schief und studierte die Panik in den weit aufgerissenen braunen Augen des Technikers.

Gideon hatte ihm die gleiche Droge injiziert, mit der die Opfer in den Laboren des Councils und Brandenmores paralysiert worden waren.

Die gleiche Droge, die an ihm angewandt worden war.

Scott Connelly war ein besonders sadistischer Bastard gegenüber den Forschungssubjekten gewesen, denen er zugeteilt worden war. Das Böse in ihm hatte seine Freude daran gehabt, dafür zu sorgen, dass seine Schützlinge so viele Schmerzen wie möglich erlitten.

Und Schmerzen hatten sie gehabt. Qualvolle, schreckliche Schmerzen, die man nie vergessen konnte.

Alle bis auf eine Ausnahme. Nur ein einziges dieser unschuldigen Opfer war von seiner Grausamkeit und seinem Wahnsinn verschont geblieben. Das eine Opfer, das Gideon als seine ultimative Beute betrachtete.

Rache für die Nacht, in der der Tod bereit gewesen war, ihn in seine sanften, tröstenden Arme zu schließen, nur damit er ihnen dann entrissen wurde. Damit er Blut erhielt, das sein eigenes verunreinigt und ein Fieber in ihm ausgelöst hatte, das er nicht ertragen konnte. Eine animalische Wut, in der er nicht existieren konnte.

Gideon versteifte sich bei der Erinnerung, noch immer so deutlich und lebhaft, an die Qual so vieler Jahre, die durch seine Sinne schnitt und ein unfreiwilliges Knurren über seine Lippen dringen ließ.

Seine Muskeln wölbten sich, als würden sie sich auf das Töten vorbereiten, und er spürte, wie ihm der Mund wässrig wurde nach dem Geschmack von Blut.

Dem Blut eines Feindes.

Ein animalisches Knurren vibrierte in seiner Brust und kratzte über seine Kehle, als er seine scharfen Reißzähne entblößte.

Seine Belohnung war ein Wimmern aus Schrecken und Panik. Der Duft der Angst hing in der Luft um ihn herum, doch sie konnte den animalischen Drang nach Gewalt, der in ihm tobte, nicht lindern.

Die Beherrschung zu bewahren war schwer. Es gelang ihm, weil es nun an ihm war, Schmerzen zuzufügen. Sein Opfer erwartete ihn. Der Duft seines Entsetzens wehte durch den Raum. Es war ein süchtig machendes Aroma, tat aber nur wenig, um den wachsenden Zorn in ihm zu besänftigen.

Gideon drehte das Skalpell zwischen den Fingern. Seine Arme ruhten auf den Oberschenkeln, die Handgelenke über den Knien, während er den ehemaligen Forschungstechniker musterte. Er spürte kaum das Reiben seiner Jeans an den Unterseiten seiner Arme, wo er die Ärmel seines weißen Hemdes hochgekrempelt hatte. Normalerweise vertrug sich die Reibung durch Kleidung nicht gut mit den dünnen weißen Narben dort auf der Haut. Doch dieses Mal spürte er es kaum.

Blut würde spritzen, dachte er, als er nachdenklich sein Opfer betrachtete. Es würde das Hemd und die Jeans versauen, aber es wäre kein Problem, sich neue Kleidung zu stehlen.

»Gideon, bitte«, keuchte Scott auf dem Boden liegend, flach auf dem Rücken, nackt der Kälte der Klimaanlage ausgesetzt, die Gideon komplett runtergedreht hatte.

Jede Berührung der Haut oder der Organe wurde durch die Droge verstärkt wahrgenommen. Reaktionen auf jede Wahrnehmung fielen reiner und stärker aus und ermöglichten es den Wissenschaftlern, besser vorherzusagen, wie sich jede Wunde auf den Körper auswirkte.

Der Bastard konnte nicht einmal zittern, obwohl hin und wieder seine Zähne klapperten. Das Geräusch war ein weiteres Zeichen von Erfolg, von hart erarbeiteter Rache, und half, das Tier im Zaum zu halten, das unter seiner Haut lauerte.

»Bitte was?«, fragte Gideon heiser.

Das Geräusch seiner eigenen Stimme machte ihn jedes Mal wütend.

Wie viele Male hatte sie unter seinen Schmerzensschreien versagt?

Wie viele Male hatte er weinend und flehend um Gnade gebettelt?

Er war ein Anführer, ein männlicher Alpha-Breed. Sein Stolz war so intensiv wie seine natürliche Kraft und seine angeborenen animalischen Fähigkeiten. Dass er durch solche Qualen, durch so schreckliche Folter dazu getrieben wurde zu betteln, Tränen zu vergießen und um den Tod zu flehen, hatte diesen Stolz bis ins Mark gebrochen und fast zerstört.

Selbst in dem Labor, in dem er erschaffen worden war, hatte es keine Schmerzen gegeben, die derart schrecklich waren, dass sie die Breeds zum Betteln brachten, bis die Wissenschaftler beschlossen hatten, dass der Tod das letzte Ergebnis des Experiments sein sollte.

Die Forscher, die die Breeds im Labor Denali in Alaska gezüchtet hatten, waren stolz auf die Kraft und die Leistung ihrer Geschöpfe gewesen. Sie hatten nicht den Wunsch gehabt, ihre Breeds zu brechen, indem sie sie derart beschädigten.

Die Wissenschaftler, Forschungsassistenten und Techniker dagegen, die Soldaten und sogar die Hauswarten in den unteren Tiefen von Brandenmore Research, hatten großes Vergnügen daran gefunden, genau das zu tun. Daran, ihre Breed-Opfer in wimmernde Tiere zu verwandeln, die um Gnade bettelten.

Und Scott hatte noch mehr Vergnügen als die meisten darin gefunden, die zwei Breeds zu foltern in dem, was für Gideon die Gruben der Hölle waren.

»Bettle«, flüsterte Gideon dem Forschungsassistenten zu. »Vergieße Tränen, Scott, und flehe um Gnade vor dem Monster, das du mit erschaffen hast.«

Das Entsetzen in den Augen des Mannes wurde noch größer, und seine Lippen zitterten in dem Wissen, was kommen würde. Sein Blick fiel auf das Skalpell, und Gideon musste lächeln.

»Soll ich dir sagen, wie es sich anfühlt?«, fragte er und senkte die Stimme, bis sie sanft und beruhigend klang. Für sein Opfer war sie nichts weniger als furchtbar.

Denn er erinnerte sich. Lieber Gott, er erinnerte sich an die Todesqual, jeden Tag, jede Sekunde seines Lebens.

Seine Bauchmuskeln spannten sich bei der Erinnerung an das brennende Gefühl des Skalpells an, das sich in ihn schnitt.

Er knurrte wütend, und Connelly schrie angstvoll auf. Seine Augen wurden groß, und in seinem Blick blitzte die Gewissheit des Todes auf.

»Bitte, Gideon …« Scott erstickte an seinen eigenen Tränen und würgte einen Moment, während er um Luft rang. »Bitte tu das nicht. Töte mich einfach. Töte mich einfach gleich.«

Gideon wusste, was Scott in diesem Moment fühlte. Die Art, wie seine Bauchmuskeln sich krampfhaft zusammenzogen, als er sich Mühe gab, nicht zu kotzen. Der Kampf, nicht zu betteln, denn Betteln half nicht.

Doch jenseits eines gewissen Punktes hatte der Schrecken einen eigenen Willen, und die Worte kamen doch über seine Lippen.

»Es fühlt sich an, als sei die Hölle über deine Eingeweide gekommen«, erklärte Gideon genüsslich. »Die Qual beginnt mit dem ersten Schnitt, und du glaubst, sie kann nicht noch schlimmer werden.« Er beugte sich nahe hin und streckte die Hand mit dem Skalpell aus, um mit der Spitze über die grau werdenden krausen Härchen auf der Brust seines Opfers zu streichen. »Aber es kann schlimmer werden, Scott. Viel schlimmer. Und wenn die kalte Luft auf die Wärme deiner Innereien trifft, dann schwörst du, dass sich einhundert Skalpelle in deine Organe schneiden, sie mit scharfem Stahl auseinanderreißen und dir dabei den Verstand mit herausschneiden.«

»Bitte, Gideon!« Scott schrie heiser und die Tränen begannen zu fließen, als die Angst in ihm wuchs, mit einem ranzigen Geruch, den Gideon mit berauschter Zufriedenheit inhalierte.

Der Duft wurde zunehmend zu einer Sucht. Wie eine Droge, der er nicht widerstehen konnte. Nun wusste er es – er wusste, warum Kojoten nach Blut dürsteten. Nach dem kupferartig süßen Duft und dem Gefühl, wenn es wie nasse Seide über die Hände lief.

»Bitte«, wiederholte Gideon das Flehen. »Bitte, Scott. Schrei für mich in blindem Schmerz. Bitte fühle, was ich gefühlt habe. Bitte bettle, wie ich gebettelt habe. Gott, bitte lass mich dir beim Sterben zusehen, so wie du mir zugesehen hast, jedes Mal wenn du mein Herz zum Stillstand gebracht hast.«

Dann lachte Gideon leise und blickte hinab auf den nassen Strom, der aus dem schlaffen Glied des Mannes floss.

Scott pisste sich ein.

Armer kleiner Feigling.

Es war etwas, das Gideon während der Experimente nicht getan hatte, bis die Kälte der Luft tatsächlich auf seine Eingeweide getroffen war. Bis der Schmerz schlimmer gewesen war als die Hölle auf Erden, und sein Körper darum gekämpft hatte, darin zu sterben.

Und es gab nichts, was er in diesem Moment mehr wollte, als das Monster aufzuschneiden und dieselbe Qual spüren zu lassen. Zuzusehen, wie das Blut aus dem aufreißenden Fleisch quoll. Es in blutroten Rinnsalen über seine Brust und seinen Bauch laufen zu sehen, bis es sich in dem cremefarbenen Teppich unter ihm sammelte.

Doch zuerst – zuerst – brauchte er Informationen. Er brauchte Informationen, und zwar dringender, als er es brauchte, den Tod seines Opfers zu wittern.

Zumindest für den Moment.

Er konnte darauf warten, ihn zu töten. Er konnte warten, bis Scott die Wahrheiten preisgab, die er hütete, wie Gideon wusste. Die der Mann bisher vor seinen Freunden, Kollegen und seinem Priester verborgen hatte. Die Wahrheit über den Aufenthaltsort der einen Person, der Scott in diesem Labor eine gewisse Freundlichkeit gezeigt hatte. Aber lange würde er nicht warten können.

»Anders als du und deine Herren und Meister Wissenschaftler kann ich gnädig sein. Ich will es nicht sein, aber ich kann. Wenn du kooperierst.«

Scotts Lippen bebten, als er schluchzte, und Rotz tropfte aus seiner Nase und lief über seine Wange.

»Alles, Gideon«, bettelte er verzweifelt. »Alles, was du willst. Ich schwöre.«

Gideon warf einen Blick zu dem Safe, den er zuvor gefunden hatte. In die Wand gegenüber eingebaut und nicht sehr einfallsreich versteckt hinter einem gerahmten Bild von Scott, seiner Frau und seinen zwei Söhnen.

Die Söhne wirkten nicht so armselig und schwächlich wie Scott. Überraschenderweise ähnelten sie mehr ihrer Mutter mit ihren stark nordischen Gesichtszügen und blauen Augen.

Wie hatte Scott Connelly es geschafft, eine Frau von solcher Stärke zu finden, obwohl er eine derart schwächliche und armselige Entschuldigung von einem Mann war? Wie hatte er zwei Söhne zeugen können, in deren Duft sich der Schweiß harter Arbeit mischte und deren Handflächen die Spuren davon trugen? Männer, die in ihrer kleinen Gemeinde einen so bekannten Ruf von Ehrbarkeit und harter Arbeit hatten, dass Eltern diese Söhne ihren eigenen Kindern oft als Beispiele vorhielten?

Vielleicht waren sie ja gar nicht seine Söhne, sinnierte Gideon, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder auf Scott richtete. Leider konnte Gideon nicht sicher sein. Familienlinien waren keine Duftnoten, für die er besonders sensibel war. Seine animalischen Stärken erstreckten sich auf andere Gebiete.

»Die Kombination für den Safe«, verlangte Gideon, weiter mit leiser Stimme. »Die will ich.«

Die Kombination sprudelte über Scotts Lippen, während seine Zähne vor einer Kälte klapperten, die Gideon zu ignorieren geschaffen war.

Als er fertig war, nickte Gideon und lächelte dann wieder. Er wusste, welches Bild er bot.

Mit dem Tigerstreifen quer über seinem Gesicht, den scharfen, kräftigen Reißzähnen und der eisigen Gnadenlosigkeit seiner kalten hellgrünen Augen erschien er ganz und gar wie das Tier, als das er erschaffen wurde. Dieses Bild und die eisige Kälte in seinen Augen versicherten dem Forscher, dass Gideon jede Absicht hatte, ihn auf jede nur mögliche Weise leiden zu lassen.

Seltsamerweise war der Streifen über seinem Gesicht etwas Neues für ihn. Er war erst vor zwei Jahren erschienen, nach der ersten Vivisektion und der Transfusion von viralem Blut. Mit jedem schrecklichen Experiment, das er zu ertragen gezwungen war, war er noch dunkler geworden. Mit jeder Transfusion des einzigen Blutes, das sie gefunden hatten, das sein Organismus nach dem Raubtierfieber, das ihn vor zwölf Jahren überwältigt hatte, akzeptierte.

Ihr Blut.

Nur ihr Blut war kompatibel. Nur ihr Blut konnte sein Leben retten, und mit jeder Transfusion schien der Wahnsinn ihn fester zu packen.

Gideon stand auf, ging zum Safe, folgte den Anweisungen und brummte zufrieden, als die Stahltür aufschwang.

Bargeld, Schmuck, Pfandbriefe und verschiedene falsche Ausweise lagen darin, zusammen mit einer lasergesteuerten Dienstwaffe.

Es waren die typischen Dinge, die jeder bereithielt, der für das Genetics Council arbeitete, seit der Offenbarung der Breeds und der schrecklichen Experimente, die das Genetics Council durchgeführt hatte.

Niemand, der mit den Monstern arbeitete, die für die Schöpfung der Breeds verantwortlich waren, wollte, dass jemand von ihrer Verbindung zu ihnen erfuhr. Derzeit neigte sich die Stimmung zugunsten der Breeds, nicht des Councils.

Es passierte nicht selten, dass Breeds mit der vollen Wucht der Wut von Jahren voller Folter, Blut und Tod über solche, die mit den Council zusammengearbeitet hatten, herfielen. Ganz diskret natürlich.

»Sehr gut, Scott«, brummte Gideon anerkennend, während er seinen sehr profitablen Fund in einer Tasche verstaute.

Es war seine bisher beste Beute. Scott Connelly war mit den Einkünften für seine Teilnahme an der Breed-Forschung bei Brandenmore Research etwas bescheidener umgegangen als andere.

Wie schade. Heute Nacht würde er sein kleines Vermögen verlieren. Andererseits hatten Tote keine Verwendung für Reichtum, und wenn Gideon korrekt recherchiert hatte, würde die Familie der Ehefrau sie und ihre Kinder vor Mittellosigkeit bewahren.

Gideon ließ die Tasche auf einen Stuhl neben seinem Opfer fallen, ging erneut neben ihm in die Hocke und hob das Skalpell wieder auf.

»Du hast es versprochen«, schluchzte Scott plötzlich. »Du hast versprochen, mir nicht wehzutun.«

»Nein, ich sagte, ich würde gnädig sein«, erinnerte Gideon ihn geduldig. »Aber wir sind noch nicht fertig. Es gibt noch ein paar andere Dinge, die ich brauche, bevor ich mich wieder auf den Weg machen kann.«

Scott würde sterben, daran bestand kein Zweifel. Keine Chance, dass Gideons Gewissen ihm gestatten würde, den Bastard am Leben zu lassen, ungestraft für die Verbrechen, die er gegen jedes Gesetz der Natur begangen hatte.

»Honor Christine Roberts.« Er sprach den Namen langsam und deutlich aus und fixierte dabei den Blick auf Scott. »Wie kann ich sie finden?«

Scott war ihr hauptsächlicher Betreuer gewesen, während sie im Forschungszentrum gewesen war. Er hatte die Effekte des Serums, das in ihren Körper gepumpt wurde, erfasst. Er hatte, nachdem sie an ihren Vater, einen General der US-Army mit Verbindungen zum Council, zurückgegeben wurde, über sie gewacht. Und Scott war es auch gewesen, der die Suche nach ihr geleitet hatte, nachdem sie vor zwölf Jahren geflohen war.

Sie war nicht sein liebstes Subjekt gewesen, aber sein wichtigstes. Das einzige, von dem er wusste, dass das Council es nie riskieren würde zu töten.

Scotts Blick flackerte, und der Duft von Angst wurde stärker. Aber da war noch mehr als Angst. Seltsam, aber da war auch der Duft von – Zuneigung? Scott Connelly hatte etwas für jemanden empfunden? Etwas, das er offenbar niemandem erzählt hatte, wenn er dem Duft glauben durfte. Aber noch mehr: Er wusste etwas. Davon war Gideon inzwischen überzeugt.

Er grinste. »Was weißt du, Scott? Sag es mir, mein Freund, damit ich so leise gehen kann, wie ich gekommen bin.«

Gideon strich mit dem Skalpell über den Bauch des Mannes und betrachtete die dünne Blutspur, die aus dem tiefen Schnitt quoll und einen schmerzerfüllten Schrei seines Opfers auslöste. »Gib dir keine Mühe, mich zu belügen. Ich kann es wittern. Und es würde mich nur noch mehr verärgern, wenn ich dich noch einmal fragen muss.«

Er drückte die Spitze des Skalpells tiefer in die verletzliche weiche Haut am Unterleib des Mannes. Ein Tropfen Blut quoll heraus und lief dann langsam die Innenseite seines Oberschenkels hinab.

»Niemand weiß, wo sie ist«, sprudelte Scott mitleiderregend hervor, und seine Stimme klang hoch und angstvoll. »Alles, was die Kojoten, die mit Brandenmore arbeiten, herausfinden konnten, war, dass sie vielleicht Kontakt mit einem der anderen beiden Kinder hatte, die mit ihr im Labor waren, kurz bevor sie geflohen ist.«

Gideon hätte beinahe laut geflucht. Fuck, das hatte er nicht erwartet. Er hatte die Gerüchte nicht mitbekommen, dass das Council oder Brandenmore den Verdacht hatten, dass die beiden anderen am Leben waren. Er hatte vermutet, dass Scott es wusste, aber Scott war der Einzige, und er hatte nicht geglaubt, dass Scott dieses Wissen je einer anderen lebenden Seele offenbaren würde.