Breeds - Nobles Freude - Lora Leigh - E-Book

Breeds - Nobles Freude E-Book

Lora Leigh

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Beschreibung

Die Bibliothekarin Haley McQuire wird Zeugin eines Komplotts gegen die Breeds und gerät daraufhin in Lebensgefahr. Der Jaguar-Breed Noble Chavin ist sofort zur Stelle, um als Haleys persönlicher Bodyguard in Erscheinung zu treten. Trotz der misslichen Lage, in der sich die junge Frau befindet, kann sich Haley nichts Aufregenderes vorstellen, als von Noble beschützt zu werden. Zwischen den beiden brennt das Feuer der Leidenschaft, doch der Jaguar-Breed muss alles tun, um seine Seelengefährtin aus der Schusslinie zu halten ...

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Inhalt

TitelZu diesem BuchWidmungVorwortPrologKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10EpilogDie AutorinLora Leigh bei LYX.digitalImpressum

LORA LEIGH

Breeds

Nobles Freude

Aus dem Amerikanischen übertragen von Michael Krug

Zu diesem Buch

Die Bibliothekarin Haley McQuire wird Zeugin eines Komplotts gegen die Breeds und gerät daraufhin in Lebensgefahr. Der Jaguar-Breed Noble Chavin ist sofort zur Stelle, um als Haleys persönlicher Bodyguard in Erscheinung zu treten. Trotz der misslichen Lage, in der sich die junge Frau befindet, kann sich Haley nichts Aufregenderes vorstellen, als von Noble beschützt zu werden. Zwischen den beiden brennt das Feuer der Leidenschaft, doch der Jaguar-Breed muss alles tun, um seine Seelengefährtin aus der Schusslinie zu halten …

Für meine ersten Leserinnen und Leser – und für euch alle.

Dafür, dass ihr mir ab und zu sagt: »Hey, so funktioniert das einfach nicht.«

Oder: »Oh, mein Gott, das funktioniert super!«

Dafür, dass ihr mir sagt, wann es falsch läuft und wann es richtig läuft.

Jedes Buch ist ein gemeinschaftliches Projekt, eine Schöpfung aus meiner Fantasie, der Fantasie meiner ersten Leserinnen und Leser und all der harten Arbeit, die meine Lektorinnen und Lektoren mit hineinstecken.

Ihr alle tragt dazu bei, und ohne euch könnte ich es nicht schaffen.

Vorwort

Sie wurden nicht geboren, sie wurden erschaffen.

Sie wurden nicht großgezogen, sie wurden ausgebildet.

Man brachte ihnen bei, zu töten, und nun benutzen sie ihre Ausbildung, um sich ihre Freiheit zu sichern.

Sie sind Breeds. Genetisch mit der DNA der Raubtiere der Erde vermischt – der des Wolfs, des Löwen, des Pumas, des Bengalischen Tigers. Die Killer dieser Welt. Sie sollten als Waffe für eine Gruppe von Fanatikern dienen, die sich eine persönliche Armee aufbauen wollte.

Bis die Welt von ihrer Existenz erfuhr. Bis der Council die Kontrolle über seine Schöpfungen verlor und die Schöpfungen begannen, die Welt zu verändern.

Nun waren sie frei. Sie bildeten Rudel, schufen ihre eigenen Gemeinschaften, kümmerten sich um ihre eigene Sicherheit und kämpften darum, das eine Geheimnis zu verbergen, das sie zerstören könnte.

Das Geheimnis der Paarungshitze. Jener chemischen, biologischen und emotionalen Reaktion der Breeds auf Männer oder Frauen, die für immer zu ihnen gehören sollen. Eine Reaktion, die eine physische Bindung entstehen lässt. Eine Reaktion, die den Körper beeinflusst und die Sinnlichkeit steigert. Die Natur hat die Paarungshitze in die Achillesferse der Breeds verwandelt. Es ist ihre Stärke, zugleich jedoch auch ihre Schwäche. Und Mutter Natur ist mit ihren Spielchen noch lange nicht fertig.

Die Menschen haben versucht, sich an ihrer Schöpfung zu schaffen zu machen. Nun zeigt Mutter Natur der Menschheit, wie man sie verbessern kann.

Killer werden zu Liebenden, Anwälten, Staatsmännern und Helden. Und gleichzeitig halten sie an einer Gefährtin, an einem Herzen fest und begründen damit eine Dynastie.

Prolog

Haley McQuire versteckte sich am Abend der Party vor Thanksgiving in der umfangreichen, wunderschönen Bibliothek des Sanctuary. Mit Partys kam sie nicht gut zurecht. Sie machten ihr keinen Spaß. Jonas Wyatt, Direktor für Breed-Angelegenheiten, hatte ihr die Erlaubnis erteilt, die umfassende Sammlung der Erstausgaben von Klassikern zu nutzen, allerdings hatte er sie auch gewarnt, dass er sie zur Party zurückschleifen ließe, sollte einer seiner Enforcer sie hier erwischen.

Falls sie jemand fände, hoffte sie, es würde nicht Noble Chavin sein. Bei dem Gedanken musste sie ein wenig lächeln. Noble liebte ebenfalls Bücher. Er würde sie verstehen.

Ständig hielt er sich in der Bibliothek auf und entschied sich für Bücher, von denen sie nie erwartet hätte, dass er sie lesen würde. Bücher über Tischlerei, Bücher über Weltgeschichte. Manchmal schien es so, als verschlänge er sie geradezu. Und wenn er sie zurückbrachte, konnte sie ihm ein paar neckische Fragen dazu stellen – er hatte immer die richtigen Antworten parat.

Außerdem redete er mit ihr über die Bücher. Das gefiel ihr – vielleicht zu sehr. Obwohl er wahrscheinlich auch diesmal mit ihr reden würde, bezweifelte sie, dass sie hierbleiben durfte.

Deshalb versteckte sie sich rasch, als sich auf einmal die Tür öffnete. Haley rechnete damit, dass die Breed, die den Raum betrat, sie sofort wittern würde. Immerhin war sie ein Mensch und für eine Breed ziemlich einfach zu erkennen. Haley konnte sich nicht erklären, weshalb es ihr nicht gelang.

Maydene Brock gehörte zu den älteren Breeds und arbeitete als Pflegerin in den Labors. Haley hatte sie durch ihr ergrauendes braunes Haar und ihren stets verkniffenen Gesichtsausdruck nie wirklich als besonders fürsorglich empfunden.

Und vermutlich hätte Maydene Haley auch gewittert, wenn die Männer, die ihr folgten, den Raum nicht mit dem durchdringenden Duft ihres Rasierwassers erfüllt hätten.

Haley rümpfte die Nase bei dem Geruch. Sogar am anderen Ende des Raumes, wo Haley sich hinter einem niedrigen Regal versteckt hielt und zwischen den Büchern hindurchspähte, nahm sie die penetranten Aromen wahr.

»Haben Sie die Zahlung bereit?«, fragte Maydene barsch.

»Wir brauchen den Code«, verlangte Phillip Brackenmore, der Boss von Brackenmore Pharmaceutical Research, in drohendem Tonfall von der Pflegerin. »Kein Code, keine Bezahlung, Breed.«

Maydene schnaubte. »Wir treffen uns mit Ihnen im Hotel und bringen den Code mit. Wir schmuggeln ihn raus, s Dr. Morrey bei der Feier eintrifft. Dann werden alle mit ihr beschäftigt sein«, erklärte sie selbstzufrieden. »Sobald Sie die Zahlung überweisen, händigen wir Ihnen den Code aus. Ich vertraue Ihnen beiden nicht so sehr, wie Sie es gerne hätten.«

»Solange Sie auch wirklich aufkreuzen«, meldete sich Horace Engalls zu Wort, Präsident und CEO von Engalls Pharmaceuticals. »Sparen Sie sich den Versuch, uns zu betrügen. Wir haben unsere Spione, die Sie beobachten, Maydene.«

Als Reaktion darauf knurrte Maydene. »Ich weiß, wer Ihr kleines Miststück ist. Von mir aus kann sie beobachten, bis die Hölle zufriert. Alles, was uns interessiert, ist das Geld.«

»Und alles, was uns interessiert, sind die Informationen, die wir brauchen, um unsere eigene Forschung abzuschließen. Die Praxisversuche an den Breeds, die Sie vorgeschlagen haben, laufen nicht so, wie wir gehofft hatten.«

»Ich habe Sie ja gewarnt.« Maydenes Stimme klang aalglatt. Haley spürte, wie ihr kalte Schauder über den Rücken liefen. »Sogar Morrey reagiert nicht so, wie Sie gehofft hatten, nicht wahr? Ich habe Ihnen gesagt, dass Sie uns brauchen werden.«

»Das tun wir«, räumte Brackenmore gedehnt ein. »Wir treffen uns mit Ihnen im Hotel und überweisen das Geld auf Ihr Konto, aber wir wollen zuerst sehen, wofür wir bezahlen. Verstanden?«

»Durchaus«, gab Maydene abfällig zurück. »Gehen Sie jetzt zurück zur Feier, bevor man Sie noch vermisst.«

Haley spähte über den oberen Rand der Bücher im dem Regal, hinter dem sie sich versteckte. Sie konnte kaum etwas erkennen, und als sich die Tür öffnete, sank sie vorsichtig zurück nach unten, überzeugt davon, Maydene würde sie wahrnehmen, wenn die Breed noch einmal zurückschaute.

Haley wartete. Sie wartete sehr lange. Ihre Muskeln verkrampften sich allmählich, und sie konnte spüren, wie ihr der Schweiß über den Rücken perlte, doch sie konnte immer noch die Gefahr fühlen.

Sie schaute zur Lüftung über ihr auf und atmete langsam ein. Hatte Maydene sie deshalb nicht gewittert? Die Lüftungsöffnung sog die Luft aus der Bibliothek und wälzte sie um, während eine andere Öffnung der Bibliothek trockene Luft zuführte, um die wertvollen Bücher zu schützen. Dieser Umstand und das penetrante Rasierwasser der Männer mussten Haleys Geruch vor der Breed verborgen haben.

Trotzdem hatte Maydene wohl vermutet, dass sich jemand im Raum befand. Als Haley anfing, mit dem Gedanken zu spielen, erneut einen Blick über die Bücher zu riskieren, hörte sie etwas – einen sich drehenden Türknauf, einen gemurmelten Fluch.

Sie ging das Wagnis ein und beobachtete, wie die Breed die Bibliothek verließ.

Nur noch ein paar Minuten, dachte sie bei sich. Wenn Maydene einen Verdacht hegte, würde sie die Tür vielleicht von draußen beobachten. Sie würde vielleicht auf die Person warten, die sie wahrgenommen hatte.

Mein Gott, wovon hatten sie nur geredet? Davon, Breeds mit Drogen vollzupumpen? Davon, Informationen zu verkaufen? Sie musste Noble finden. Der Breed-Enforcer würde wissen, was zu tun wäre. Er würde wissen, wie man mit dieser Situation umging. Sie musste ihn aufspüren, bevor es Maydene und ihren unbekannten Helfern gelang, sich vom Grundstück zu stehlen.

Vorsichtig bewegte sie sich hinter dem Regal hervor, dankbar dafür, dass die kleine, versteckte Lesenische, die ihr Merinus vor ein paar Wochen gezeigt hatte, von irgendjemandem eingerichtet worden war. Gut möglich, dass sie ihr das Leben gerettet hatte.

Nun musste sie sich irgendwie aus der Bibliothek schleichen und zu Noble gelangen.

* * *

Irgendetwas an Bibliothekarin Haley McQuire und ihren biederen, adretten Outfits brachte Enforcer Noble Chavin von den Jaguar-Breeds förmlich um den Verstand.

Er sollte den Ballsaal beobachten und insbesondere die beiden Männer im Auge behalten, von denen bekannt war, dass sie in dieser Nacht versuchen würden, vertrauliche Breed-Informationen von einer Quelle innerhalb des Sanctuary zu erhalten.

Breeds, die Breeds für Geld verrieten. Aus Gier. Hinzu kamen die Menschen, die fest entschlossen waren, die Breeds zu vernichten. Mehrere Breeds waren am vergangenen Tag getötet worden, und wenn sie nicht verhinderten, dass diese Informationen nach außen drangen, würden noch mehr sterben.

Es musste Wahnsinn sein, entschied er, als Haley aus der Richtung der Damentoiletten, die sich weiter unten im Flur befanden, den Ballsaal betrat. Wahnsinn, denn nichts anderes vermochte seine Reaktion darauf zu beschreiben, wie unfassbar sinnlich sie in dem schlichten schwarzen, langärmligen Abendkleid aussah. Oder darauf, wie sie seine Aufmerksamkeit trotz all seiner Bemühungen fesselte.

Das Kleid strich über den Boden, der Saum umgab die Frau wie ein dunkler, erotischer Traum, während Noble versuchte, den Blick von ihr zu lösen. Er war hier, um für die Sicherheit zu sorgen, nicht, um die kleine Bibliothekarin anzustarren, die sich mehr an der Wand entlangtastete und saß, als dass sie tanzte.

Doch seine Augen schienen einen eigenen Willen zu besitzen. Sein Blick wanderte über den bauschigen Rock des Kleids zu Haleys kurvigen Hüften und ihrer schmalen Taille. Dann musste er unwillkürlich schlucken, als er zu der Stelle gelangte, wo sich das Material an ihre Schultern schmiegte und nur knapp die Ansätze voller, süßer Brüste darunter verhüllte. Vermutlich glaubte sie, es wäre ihr gelungen, diese herrlichen Kurven mit den Falten des Stoffes zu kaschieren, doch Noble hätte ihr versichern können, dass sie in Wahrheit das Gegenteil erreicht hatte.

Er sollte endlich damit aufhören. Verdammt, er hatte kein Recht, sie weiter anzuglotzen. Aber er tat es trotzdem. Er ließ seine Blicke ihre glatte, cremefarbene Haut oberhalb des Stoffes liebkosen, die anmutige Wölbung ihres Halses.

Sie hatte ein eigensinniges Kinn. In ihr steckte Feuer. Weiche Lippen wie Rosenblüten, eine kesse Nase und Augen, die einen in ihren Bann schlugen. Verdammt noch mal, er wusste es wirklich besser, und dennoch konnte er nicht anders, als in jene Augen zu starren, die geradewegs zu ihm zurückzublicken schienen. Taubengrau, umringt mit einem bloßen Hauch von Blau. Dichte, kastanienbraune Wimpern säumten ihre Augen, und Haley starrte ihn an, als könne sie den Blick ebenso wenig von ihm abwenden wie er von ihr.

Flammend rotes Haar umgab ein sanft geschnittenes Gesicht und verlieh den Augen ein gewisses Feuer. Ihr Anblick ließ Noble die Zähne zusammenbeißen, so krampfhaft – und dennoch erfolglos – versuchte er, sich ihrem Zauber zu entziehen.

Wieder war sie auf den Beinen. Wodurch die Spitze eines zierlichen, schwarzen Schuhs unter ihrem Kleid hervorlugte. Das Kleid wallte rings um sie, wogte und bewegte sich wie ein Flüstern, das ihn lockte, ihn dazu verführen wollte, es von ihren Beinen zu streifen, um all die blasse, wunderschöne Haut zu sehen, die sich darunter verbarg.

Verflucht, sie zog seinen Blick an wie eine verborgene Flamme, von der er sicher war, sie würde jeden Moment zu einem Inferno werden.

Schließlich schaute er doch weg, weit weg, betrachtete nicht einmal mehr ihre Füße, sondern ihre schlanken, anmutigen Finger. Sie trug keine Ringe. Keinen sonstigen Schmuck. Als wolle sie der Welt verkünden, sie hätte keine Bande, keine Verpflichtungen, wäre frei wie der Wind, doch von irgendeiner Kraft in ihr gebändigt.

Und sie bewegte sich auf ihn zu.

Als Noble ihr wieder ins Gesicht sah, zerfurchten Falten seine Stirn, denn beim Anblick ihrer Züge brach das Kribbeln einer unheilvolle Ahnung in seinem Nacken aus.

Vielleicht hätte er mehr auf ihre Miene achten sollen. Aus jenen eigenartigen grauen, von Blau umringten Augen und aus der verkniffenen Linie, die ihre Lippen bildeten, sprach nämlich unterdrückte Angst. Ihr Gesicht war blass, aber das erhobene Kinn zeugte von Entschlossenheit und Zielstrebigkeit.

Noble ließ den Blick durch den Saal wandern. Die Bibliothekarin war nur Minuten, nachdem Phillip Brackenmore und Horace Engalls, die beiden Magnaten der Pharmaindustrie und Medikamentenforschung, eingetreten waren, aus dem Flur in den Festsaal gekommen.

»Noble.« Sie flüsterte seinen Namen beinah, und im selben Moment, als er aus dem Augenwinkel den Eingang des Ballsaals erfasste, hörte er aus dem Klang ihrer Stimme jenen Hauch von Verlangen heraus, von dem er sich fragte, ob sie überhaupt wusste, dass es darin mitschwang.

Jäh packte er sie am Arm und beförderte sie mit einem Ruck hinter sich. Auf ihren leisen, kleinen Aufschrei achtete er nicht, da plötzlich Befehle in der Funkverbindung in seinem Ohr ertönten.

»Du bleibst hier!« Noble scheuchte sie in die Ecke und schob sie in die kleine, von den Wedeln mehrerer Topfpflanzen gebildete Nische. Er drückte sie auf den Boden und zeigte mit den Fingern auf ihr blasses Gesicht. »Du bleibst, bis ich dich holen komme. Verstanden?«

Rasch nickte sie, doch Noble wandte sich bereits ab, um anderen Gästen barsch Befehle zu erteilen und sie schnell weg von der Konfrontation, die sich am Eingang des Ballsaals zusammenbraute, und in den Buffetraum zu treiben.

Warum er die kleine Miss Haley McQuire nicht ebenfalls in den sichereren Raum gescheucht hatte, vermochte er nicht zu erklären. Es hatte etwas mit ihren Augen zu tun, mit jener Angst darin, und vor allem mit dem Umstand, dass sie kurz nach Brackenmore und Engalls hereingekommen war.

Oder es könnte auch an jenem nagenden Wahnsinn gelegen haben, den Noble seit Monaten zu ignorieren versuchte.

»Bibliothekarin Haley McQuire ist in der gegenüberliegenden Ecke des Ballsaals gesichert, lasst sie dort«, sprach er in das kleine, gekrümmt seinen Hals entlang verlaufende Mikrofon, während er dabei half, den Raum unter Kontrolle zu bringen.

»Im Ballsaal ist sie ein Risiko«, wurde ihm von Rules kalter Stimme mitgeteilt. »Schaff sie zu den anderen.«

»Negativ«, verweigerte Noble den Befehl. »Irgendetwas daran kommt mir nicht richtig vor, Rule. Ich will sie zu ihrer eigenen Sicherheit von den anderen getrennt haben.«

Er konnte die über die Leitung knisternde Anspannung förmlich hören. »Vorläufig«, gab Rule letztlich unwirsch nach.

Wenige Augenblicke später geschahen mehrere Dinge gleichzeitig. Ein weiblicher Breed-Enforcer lenkte Dr. Ely Morrey ab, und Jonas entledigte Ely mit einer jähen Bewegung ihrer Pistol.

»Geh gegen Brackenmore und Engalls vor«, befahl Rule über die Kommunikationsleitung. »Halt sie fest und mach dich bereit, sie rauszuschaffen.«

Noble steuerte auf die beiden zu, starrte sie voll kalter, brutaler Entschlossenheit an. Was immer hier vor sich ging, sie hatten die Finger dabei im Spiel. Sie waren an dem Versuch beteiligt, Breeds zu kontrollieren und zu töten. Die Mistkerle mussten sofort sterben, nicht erst später.

»Bitte kommen Sie mit, Mr Brackenmore, Mr Engalls«, verlangte er und achtete darauf, seiner Stimme einen unverbindlichen, emotionslosen Klang zu verleihen. Eigentlich wollte er die beiden lieber töten, als sich höflich zu verhalten.

Diese verdammten animalischen Erbanlagen. Er konnte das Blut förmlich spüren, das er vergießen musste, um der Bedrohung zu begegnen, die diese Männer für die Breeds verkörperten.

»Was zum Teufel ist hier los?«, plusterte sich Brackenmore auf, als Noble seinen Arm packte und begann, ihn, seine Frau und Engalls zum Eingang zu führen, während er auf die endgültige Freigabe von Rule wartete, um sie vom Grundstück zu eskortieren.

»Ich bin sicher, Direktor Wyatt wird das bald mit Ihnen besprechen.« Noble ließ seine Eckzähne mit einem verkniffenen, harten Lächeln aufblitzen, während er beobachtete, wie die anderen Breeds den Saal füllten und sorgsam eine Barriere zwischen den Gästen und der Bereinigung der soeben entstandenen Situation bildeten.

Nicht nur Katzenartige waren anwesend. Noble beobachtete, wie Wolf Gunnar, der Rudelführer der Wölfe, mit Del-Rey beratschlagte, dem Rudelführer der Kojoten, um ihre Sicherheitskräfte mit jenen der Katzenartigen abzustimmen.

Die Party vor Thanksgiving, die das Sanctuary jedes Jahr veranstaltete, war noch nie so aufregend gewesen. Nun müssten sie nur noch sicherstellen können, dass sie sich die verfluchten Journalisten vom Leib hielten.

»Noble, übergib Brackenmore und die anderen an Mordecai. Ich will, dass du dich um deine Bibliothekarin kümmerst und sie abschottest«, sagte Jonas wenige Sekunden später in die Sprechverbindung. »Wir haben von der Überwachung einen Sicherheitsbericht, demzufolge sie vorher im Flur in der Nähe eines Treffens zwischen Brackenmore, Engalls und einer der Laborassistentinnen gewesen sein könnte.«

Nobles Kopf zuckte in ihre Richtung. Er konnte den äußersten Rand ihres Rocks sehen, der aus der Nische hervorlugte, in die er sie verfrachtet hatte.

Der Kojoten-Breed Mordecai mit seinem zernarbten Gesicht und den eisblauen Augen, aus denen der Tod sprach, übernahm Brackenmore und die anderen, und Noble durchquerte rasch den Ballsaal.

Haley kauerte noch dort und starrte ihn mit geweiteten Augen an. Aus ihren Zügen sprachen zu gleichen Teilen Mut und Beklommenheit. Er streckte ihr die Hand entgegen und beobachtete, wie sie die ihre hob. Ihre Finger zitterten, als er sie ergriff.

»Sie sind Monster«, flüsterte sie, und obwohl ihre Augen trocken waren, lag Besorgnis in ihrem Blick. »Noble, sie sind Monster.«

Die feinen Härchen an seinem Körper richteten sich warnend auf, aber schlimmer noch, die Flecken an seinen Schultern begannen, mit einer dunklen Vorahnung zu kribbeln. Die Bibliothekarin wusste etwas. In jenem Moment wurde ihm klar, dass sie etwas gesehen oder gehört hatte, für das sie womöglich getötet werden könnte.

KAPITEL 1

Drei Wochen später

7. Dezember

»Der winterliche Sturm, der zu den Bergen von Virginia unterwegs ist, dürfte für reichlich Schnee sorgen. Wir rechnen bis zum Beginn der Nacht mit bis zu fünfundzwanzig Zentimetern und in den nächsten zwei Tagen mit weiteren fünfundzwanzig bis vierzig Zentimetern. Die Feuchtigkeitswerte …«

Haley schaltete den Fernseher aus und betrachtete zufrieden den schwarzen Bildschirm, während sie sich zwang, beim Gedanken an den Schnee nicht schelmisch zu lächeln.

Stattdessen zupfte sie an den eng anliegenden Bündchen ihrer fröhlich roten Baumwollbluse und drehte sich ihrer Assistentin Patricia zu.

Die Frau mochte auf die Fünfzig zugehen, doch sie wirkte agil wie eine fünfzehn Jahre jüngere Frau. Im Augenblick sah Patricia alles andere als erfreut über die Wettervorhersage aus. Sie trug eine dunkelbraune, gut geschnittene Hose und einen dazu passenden Sweater. Normalerweise hellte immer Patricias Lächeln die eher dunklen Farbtöne auf, die sie für ihre Kleidung bevorzugte.

»Wenn so viel liegen bleibt, komme ich nie und nimmer aus der verfluchten Straße raus, die sich der Bezirk standhaft weigert zu asphaltieren«, klagte Patricia mit Besorgnis in den braunen Augen. »Ich hasse es, zu Hause festzusitzen.«

Haley runzelte die Stirn. Patricias kleine Limousine würde nie mit derart starkem Schneefall zurechtkommen – das Auto besaß nicht dieselbe Traktionskontrolle und dieselben Reifen wie Haleys allradbetriebener Wagen.

Da Haley im Ort lebte, bereiteten ihr höchstens die kleineren Unbequemlichkeiten Kopfzerbrechen, die der Schnee verhieß. Seit Jahren hatten sie nicht mehr so einen Sturm gehabt, und bei der Aussicht auf die fluffige weiße Pracht hätte sie sich beinahe vor Freude die Hände gerieben.

Aber sie kannte Patricia und wusste, dass ihre Freundin sowohl den Schnee an sich als auch den Umstand hasste, dass er sie in ihrem kleinen Haus außerhalb von Buffalo Gap einsperren würde.

»Nimm meinen Wagen.« Haley trat an die Theke, hinter der Patricia und sie arbeiteten, und hob ihre Handtasche vom Boden auf. Sie holte die Autoschlüssel daraus hervor und warf sie ihrer Freundin zu.

»Ist das dein Ernst?« Überrascht blickte Patricia sie an.

»Hier im Ort werden sie vor Mittag die Straßen geräumt haben, und das Sanctuary wird dafür sorgen, dass die Hauptstraße sogar noch früher schneefrei ist. Du brauchst nur irgendwie aus dem kleinen Loch zu kommen, in dem du wohnst.«

Beinah hätte sie geschaudert. Patricia lebte in einem der kleinsten Talkessel, die sich durch das gebirgige Terrain zogen. Der knapp zwei Kilometer lange Weg zwischen ihrem Haus und der Hauptstraße war immer beschwerlich. Voll Schnee würde Patricia ihn mit ihrem kleinen Fahrzeug unmöglich bewältigen können.

»Also nimmst du mein Auto?«, fragte Patricia besorgt. »Ich würde es ungern auf dem Parkplatz stehen lassen.« Sie umklammerte Haleys Schüssel wie einen Rettungsring.

»Für mich reicht der Wagen, bis sie den Schnee zu deinem Haus geräumt haben.« Haley zuckte mit den Schultern, dann sah sie Patricia ihrerseits besorgt an. »Aber bitte sei vorsichtig. Ich habe das Schmuckstück gerade erst gekauft, und es hat noch keinen einzigen Kratzer.«

Der makellose, kirschrote Pick-up war ihr Traumauto gewesen, mit großen Reifen und Standardschaltung – die topmoderne Elektronik war ihr ganzer Stolz.

»Keine Sorge, ich werde gut auf dein Baby aufpassen.« Patricia wirkte beinah so erfreut darüber, den Pick-up fahren zu dürfen, wie Haley über den bevorstehenden Schnee.

Haley sah sich in der verwaisten Bibliothek um. Das zweigeschossige Gebäude aus Glas und Metall war schier unglaublich schön. Das durch ein gemeinschaftliches Unterfangen des Sanctuary und mehreren Förderunternehmen der Einrichtung gestiftete Gebäude vermittelte den Eindruck von erlesenem Holz, ohne die damit verbundenen Kosten. Sogar die Stahlregale muteten wie altes Holz an, und sie beherbergten auf elegante Weise Tausende Taschenbücher und gebundene Ausgaben.