Briefe von Seneca - Niclas Lahmer - E-Book

Briefe von Seneca E-Book

Niclas Lahmer

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Beschreibung

Seneca – römischer Staatsmann – ist der wohl bekannteste aller Philosophen unter den Stoikern. Seine Briefe zählen zu den meistgelesenen Werken der stoischen Philosophie. Als einer der mächtigsten und reichsten Männer der Antike wurde er dennoch nicht für seine frivolen Eskapaden bekannt, sondern für seine fesselnden Reden, seine praktische Philosophie und seine Schriften. Er war vor über 2000 Jahren nicht nur irgendein Milliardär, sondern einer der berühmtesten Redner und Denker seiner Zeit. Seneca wurde für seinen Charakter gepriesen, nicht nur für seinen Erfolg. Womöglich wurde er überhaupt erst so erfolgreich, da er seine Prinzipien, die Philosophie der Stoa, in sein Leben integrierte, nach ihnen lebte und sogar nach ihrem Leitbild starb. In diesem Buch überträgt Niclas Lahmer die Lehren Senecas in die moderne Zeit und transferiert seine Philosophie in 33 moderne Briefe an den Leser. Darin enthalten sind die gesammelten Weisheiten und das Wissen des stoischen Philosophen. Weisheiten, die dabei helfen können erfolgreich, wohlhabend, gesund und glücklich zu werden.

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Seitenzahl: 189

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NICLAS LAHMER

BRIEFE VON SENECA

33 MODERNE BRIEFE, DIE DEIN LEBEN VERÄNDERN WERDEN

NICLAS LAHMER

BRIEFE VON SENECA

33 MODERNE BRIEFE, DIE DEIN LEBEN VERÄNDERN WERDEN

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie. Detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Für Fragen und Anregungen:

[email protected]

Originalausgabe, 1. Auflage 2023

© 2023 by FinanzBuch Verlag, ein Imprint der Münchner Verlagsgruppe GmbH

Türkenstraße 89

80799 München

Tel.: 089 651285-0

Fax: 089 652096

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.

Redaktion: Anne Büntig

Korrektorat: Manuela Kahle

Umschlaggestaltung: Marc-Torben Fischer

Umschlagabbildung: Chris de Billot/shutterstock.com

Satz: Satzwerk Huber, Germering

eBook: ePUBoo.com

ISBN Print 978-3-95972-712-9

ISBN E-Book (PDF) 978-3-98609-373-0

ISBN E-Book (EPUB, Mobi) 978-3-98609-374-7

Weitere Informationen zum Verlag finden Sie unter:

www.finanzbuchverlag.de

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Für Leah

Eines Tages wirst du es verstehen

Inhalt

Einleitung

Brief 1: Über das gute Leben

Brief 2: Über Fehlschläge

Brief 3: Über die Achtsamkeit

Brief 4: Über die Freundschaft

Brief 5: Über die Liebe

Brief 6: Über die Partnerschaft

Brief 7: Über die Veränderung

Brief 8: Über die Tugend

Brief 9: Über die Mäßigung

Brief 10: Über Mut und Stärke

Brief 11: Über die Weisheit

Brief 12: Über redliche Arbeiten

Brief 13: Über den Besitz

Brief 14: Über Wünsche

Brief 15: Über Abhängigkeiten

Brief 16: Über Leidenschaften

Brief 17: Über Reichtum und Geld

Brief 18: Über die Kontrolle

Brief 19: Über das Schicksal

Brief 20: Über die Dankbarkeit

Brief 21: Über die Bildung

Brief 22: Über das Ego

Brief 23: Über die Familie

Brief 24: Über die Mitmenschen

Brief 25: Über Feinde

Brief 26: Über den Zorn

Brief 27: Über die Angst

Brief 28: Über das Glück

Brief 29: Über die Zeit

Brief 30: Über den Tod

Brief 31: Über die Trauer

Brief 32: Über das Altern

Brief 33: Über die Stille

Danksagung

Quellen

Einleitung

»Die Zeit wird kommen, wo unsere Nachkommen sich wundern, da wir so offenbare Dinge nicht gewusst haben.«

Lucius Annaeus Seneca

Stellen Sie sich vor, dass Sie einen entfernten Onkel hätten, der für seine Weisheit, seinen Erfolg und seinen großartigen Charakter auf dem gesamten Kontinent berühmt wäre. Nun stellen Sie sich vor, dass dieser Onkel Ihnen regelmäßig Briefe schreibt, in denen er Ihnen seine Prinzipien für ein erfolgreiches, glückliches, gesundes und gutes Leben mitteilt. Der römische Staatsmann und Philosoph Lucius Annaeus Seneca war genau so ein Mann. Seneca wurde ein Jahr nach Christus in Córdoba, einer Stadt im heutigen Spanien, geboren. Er war einer der mächtigsten und reichsten Männer seiner Zeit. Bekannt wurde Seneca aber nicht nur für seine wirtschaftlichen und politischen Erfolge, sondern für seine Reden, seine Philosophie und seine Schriften. Tatsächlich war Seneca einer der berühmtesten Redner und Denker der Antike. Womöglich wurde Seneca überhaupt erst so erfolgreich, weil er seine Prinzipien, die Philosophie der Stoa, in sein Leben integrierte, nach ihnen lebte und sogar nach ihrem Leitbild starb.

Das Leben des Stoikers war zwar von Erfolg, Ruhm und Weisheit geprägt, doch war es gewiss kein leichtes Leben. Seneca litt unter Asthma und chronischer Bronchitis, weshalb er viele Jahre in Ägypten leben musste, wo ein für seine Gesundheit zuträglicheres Klima herrschte. Nachdem Seneca nach Rom zurückgekehrt war, wurde er an den Hof des Kaisers bestellt. Seneca sollte mit der Aufgabe betraut werden, den jungen Lucius zu unterrichten. Es war im antiken Rom üblich, dass Mitglieder der Oberschicht Philosophen als Privatlehrer für Ihre Nachkommen verpflichteten. So bat Agrippina, die die Chancen für das Amt des Kaisers für ihren unbändigen Sohn Lucius sah, Seneca, den Jungen als Lehrer und Mentor zu unterweisen. Wie wir heute wissen, hatte Seneca keinen großen Erfolg bei Lucius, welcher später als der drakonische Kaiser Nero bekannt wurde. Neros Herrschaft sollte blutrünstig und chaotisch verlaufen. Seneca vermochte es nicht, den zukünftigen Kaiser zu bändigen oder zu erziehen. Neros wahnhaftes und krankes Verhalten hatte den Tod vieler zur Folge. Selbst Seneca konnte die kommenden Gräueltaten Neros nicht vereiteln.

Weder Ruhm noch Ehre, Reichtum, Verlust, Trauer oder sein Besitz übermannten Senecas Charakter.

Im Laufe seines Lebens wurde Seneca aus Rom verbannt, in Intrigen am römischen Kaiserhof verwickelt und zuletzt von Kaiser Nero zum Tode verurteilt. Er verlor noch vor der Verbannung seine erste Ehefrau und einen Sohn, und durch die Verbannung seine Titel, seine Ämter, seine Besitztümer und sein Ansehen, auch wenn er diese einige Jahre später wieder zurückerlangte. Das Großartige an Seneca war jedoch, dass weder Ruhm noch Ehre, Reichtum, Verlust, Trauer oder sein Besitz seinen Charakter übermannten, ihn abhängig werden ließen oder ihn zu Höhenflügen verführten. All diese Dinge vermochten es nicht, sein Ego zu überflügeln und ihn zu korrumpieren. Obwohl Seneca all diese schrecklichen Dinge passierten und er gewiss ein Mann mit Fehlern war, so lebte er doch ein außergewöhnliches Leben, dessen Prinzipien noch heute, gut 2000 Jahre nach ihm, die Menschen inspirieren und begeistern. Trotz all der Niederlagen und dem Leid, dem er begegnen musste, lebte Seneca ein gutes und erfolgreiches Leben.

Seinem Freund Lucilius schrieb Seneca Dutzende Briefe, in denen er seine Weisheit und die Philosophie der Stoa mit ihm teilte. Auch Marcia, der Tochter des Historikers Cremutius Cordus, schrieb Seneca, nachdem diese ihren Sohn verloren hatte. Seine Trostschriften an Marcia wurden weltberühmt und bieten noch heute aktuellen Rat für den Umgang mit Tod und Trauer. Stell dir nun also vor, dass eine moderne Version Senecas, ein entfernter Onkel, regelmäßig Briefe an dich schreibt, in denen er all sein Wissen und seine Weisheiten mit dir teilt. Weisheiten, die dir dabei helfen können, erfolgreich, wohlhabend, gesund und glücklich zu werden. Dieses Buch ist eine Sammlung von 33 solcher Briefe. Moderne Briefe von Seneca für dich.

Die Kunst des Briefeschreibens scheint in den Jahren des digitalen Fortschritts verloren gegangen zu sein. Wann hast du den letzten persönlichen Brief auf Papier erhalten? Ich meine damit einen Brief, dessen Worte klug und für dich gewählt wurden und die dein Herz bewegen sollten, statt nur von deinen Augen gelesen zu werden. In unserer tweetenden, twitternden und tindernden Welt versuche ich mich dennoch regelmäßig darin, nicht nur eine bloße Kurznachricht zu versenden, sondern stattdessen einen echten Brief zu formulieren.

Das Wundervolle an Briefen ist die Kürze und Intensität.

Wenn ich selbst gelegentlich einmal einen solchen Brief erhalte, erfreue ich mich mehr an ihm, als an einer weiteren kurzen Nachricht auf dem Mobiltelefon. Geht es dir nicht genauso?

Das Wundervolle an Briefen ist die Kürze und Intensität. Bereits auf einigen wenigen Seiten kannst du zu einem bestimmten Thema oder Gedanken Wesentliches festhalten und teilen. So tat es auch der historische Seneca und so soll es auch dein moderner Seneca für dich tun.

In diesen Briefen bekommst du Antworten auf deine Fragen zu den Themen Wohlstand, Liebe, Verlust, Trauer, Tod und Freundschaft. Auf der einen Seite wirst du mit praktischen und direkt nutzbaren Weisheiten ausgestattet, auf der anderen Seite musst du dafür nicht unzählige dicke Wälzer antiker Philosophen studieren. Du kannst die Briefe Senecas linear lesen, bei dem ersten Brief beginnen und mit dem letzten enden. Du kannst jedoch auch jeweils den Brief heraussuchen, der für deine jeweilige Lebenslage gerade am geeignetsten erscheint. Nutze die Briefe Senecas so, wie es dir am besten erscheint.

Obwohl die Briefe in diesem Buch auf den Weisheiten und Schriften einer realen Person beruhen, sind sie doch einem fiktiven Seneca entsprungen. Als Schriftsteller erlaube ich mir, diesen Seneca auch Menschen der Neuzeit zitieren zu lassen oder Stoiker, die vor oder nach ihm gelebt haben. Beispielsweise möchte ich dir die großartigen Worte von Marcus Aurelius, dem Philosophenkönig, einem der erfolgreichsten Stoiker der jemals lebte, nicht vorenthalten. Marcus Aurelius, der im Jahre 121 nach Christus geboren wurde, bewunderte vor allem die Schriften des Stoikers Epiktet, dessen Weisheiten hier ebenfalls ihren Platz finden werden. Seneca war zu Zeiten der Regentschaft von Marcus Aurelius jedoch in Wirklichkeit bereits lange zu Asche zerfallen. Als moderner Schriftsteller sage ich dazu: »Na und?« Mögen sich doch die gelehrten Philosophen über meine historische Großzügigkeit echauffieren.

Senecas Originaltexte umfassen fast 700 Seiten. Ihre Lektüre ist sehr empfehlenswert, aber auch anspruchsvoll. Im vorliegenden Buch möchte ich dir die antiken Weisheiten in moderner Form präsentieren, sodass du sie als Mensch der heutigen Zeit für deinen persönlichen und beruflichen Erfolg direkt nutzen kannst. Du wirst merken, dass Senecas Philosophie aktueller kaum sein könnte und dir dabei helfen kann, ein wirklich gutes Leben zu führen.

Letztendlich ist mein Ziel, mit diesen Zeilen etwas zu bewegen, Senecas Weisheiten etwas moderner zu präsentieren, zu zeigen, dass seine Worte und Philosophie aktueller kaum sein könnten und dir dabei helfen werden, ein wirklich gutes Leben zu leben, das du eines Tages mit den Worten beenden kannst: »Das war eine endgeile Zeit. Danke.« In unserer heutigen Zeit suchen wir meist Rat bei Freunden, der Familie oder auch bei der entsprechenden modernen Literatur, zu der ich selbst bereits mehrfach beigetragen habe. Ratgeber sind in Mode, keine Frage. Nicht nur weil Sie mit dem Trend der Zeit gehen, sondern weil die Menschen auch heute noch ein gutes Leben führen möchten. Aller digitaler, technologischer und wirtschaftlicher Vorsprung, den wir erlebt haben, hat doch nichts daran geändert, dass wir vor allem eines wollen: Leben! So leben, dass wir eines Tages von uns behaupten können, dass wir ein glückliches und gutes Leben gelebt haben. Vor 2000 Jahren war dies nicht anders. Nur die Art und Weise, wie wir nach diesem ominösen Glück suchen, hat sich verändert. In der Antike gab es einen Studiengang des guten Lebens – wenn man ihn so nennen will. Das mag heute seltsam klingen, aber damals studierten viele Menschen Philosophie.

Mit diesem Studiengang assoziieren wir heute Leute in Korksandalen, die von einer bunten Utopie schwärmen und statt echter Arbeit eher wilden Fantasien nachjagen. Die Vorstellung, Philosophie zu studieren, erscheint den meisten eher abwegig. Tatsächlich brauchen wir gar kein Hochschulstudium, um uns der Philosophie zuzuwenden. Das können wir neben unserer schulischen Laufbahn, dem Studium, der Ausbildung oder unserem Beruf tun. Das soll jedoch nicht bedeuten, dass ein akademisches Studium der Philosophie Mumpitz wäre. Die Philosophie ist in erster Linie ein Leitfaden, um mit den Widrigkeiten des Lebens gut umzugehen. Das Wort »gut« klingt jedoch sehr allgemein und wenig glanzvoll. Was also meinten die Philosophen der Antike damit, wenn Sie vom guten Leben sprachen? Die Philosophie des guten Lebens hat Zenon von Kition etwa 300 vor Christus ins Leben gerufen. Zenon war ein Kaufmann im antiken Griechenland, der mit seinem Schiff auf einer Geschäftsreise teure Waren transportierte, als sein Schiff sank und all seine Fracht verloren ging. Es gibt verschiedene Quellen, die diesen Hergang in verschiedener Weise darstellen. Die einen schreiben von einem Sturm, die anderen davon, dass Zenon nur vom Untergang seines Schiffes erfuhr, als er selbst bereits in Athen war. Unabhängig von der Anzahl verschiedener Quellen und Geschichten landete Zenon nach dem Verlust all seiner Güter und Waren lebendig in Athen, wo er sich der Philosophie zuwendete. Wahrscheinlich vom Verlust seines Glücks und seines Vermögens geplagt, suchte Zenon nach Antworten auf die Frage nach einem guten Leben.

Es heißt, dass Zenon bereits vor seiner letzten Fahrt mit seinem Schiff das Orakel um Weisheit bat und fragte, wie er ein gutes Leben führen könne. Das Orakel von Delfi soll ihm geantwortet haben: »Um das bestmögliche Leben zu leben, solltest du dich mit den Toten unterhalten.« Zenon suchte daraufhin nach den Weisheiten der Toten in Büchern. Auf diesem Weg erfuhr er von Sokrates und dessen Philosophie. Überrascht und überaus begeistert lief Zenon in eine Buchhandlung und fragte den dortigen Verkäufer nach noch lebenden Männern, die so inspirierend und weise seien wie Sokrates selbst. Der Buchhändler verwies Zenon an Krates von Theben. Durch ihn lernte Zenon verschiedene philosophische Grundideen und Gedanken kennen. Jahre vergingen, bis Zenon seine eigenen Gedanken über das gute Leben in der Stoa Poikile, einer bemalten Säulenhalle, verkündete. Seine Schüler nannten sich nicht Zenoniker, sondern Stoiker – aufgrund der Säulenhalle Stoa.

Der Stoizismus war somit in Athen begründet und wurde in den darauffolgenden 300 Jahren zu einer der wichtigsten und dominantesten philosophischen Schulen der Antike. Doch erst im antiken Rom fand sie ihren Höhepunkt. Es waren Philosophen wie Musonius Rufus, Epiktet (auch bekannt als Epiktetus), der Kaiser Marcus Aurelius höchstpersönlich und auch Lucius Annaeus Seneca, die den Stoizismus in seine Blütezeit führten. Der Stoizismus war jahrhundertelang eine Philosophie, die sich in allen Schichten der Bevölkerung größter Beliebtheit erfreute. Dies lag vor allem daran, dass jeder Mensch sie anwenden konnte, denn die Ideen der Stoa waren kein lebensfernes, theoretisches Konstrukt.

Die Leitideen der Stoiker können uns noch heute dabei helfen, ein hervorragendes Leben zu führen.

Epiktet, der den Stoizismus als Sklave kennen lernte, später freigesprochen wurde und eine stoische Schule gründete, ist ein vortreffliches Beispiel für einen großen Mann, der aus der untersten Schicht der römischen Bevölkerung kam. Marcus Aurelius, Kaiser Roms, mächtigster und reichster Mann der damaligen bekannten Welt hingegen ist das Paradebeispiel für einen Mann der Oberschicht, der den Stoizismus als seine persönliche Philosophie betrachtete und durch ihre Anwendung zu Ruhm, Reichtum und Erfolg kam. Es ist die praktische und noch heute höchst relevante Art des Stoizismus, sich mit den Fragen des Lebens auseinanderzusetzen und Antworten darauf zu finden, uns zu lehren, was ein gutes Leben ist und wie wir es führen können. Ob ein Leben zu hundert Prozent gemäß den Ideen des Stoizismus gelebt werden kann, ist fraglich. Klar jedoch ist, dass die Leitideen und Prinzipien der Stoiker uns heute noch dabei helfen können, ein hervorragendes Leben zu führen. Für den Stoiker ist ein gutes Leben konträr zur heutigen Lebensweise zu sehen. In unserer modernen Welt haben wir das Maximum zum Erstrebenswerten deklariert. Geprägt von der hellenistischen Philosophie des Hedonismus ist das Ziel des modernen Menschen möglichst viel Komfort, Konsum, Spaß, Liebe, Sex, Geld und Luxus. Schon von klein auf werden wir dazu gedrillt, gute Noten zu bekommen, eine gute Schule zu besuchen, einen guten Abschluss zu machen, zu studieren oder eine gute Ausbildung zu machen, um einen guten Job zu bekommen, mit dem man gutes Geld verdient, um daraufhin gut in das Rentenalter zu kommen.

Für den Stoizismus ist diese Definition von »gut« irrelevant und völlig unsinnig. Obgleich diese Dinge den Stoikern bereits vor 2000 Jahren präsent waren, erschienen sie ihnen dennoch überflüssig für ein gutes Leben. Epiktet etwa meinte, dass alles, was wir für ein gutes Leben brauchen, von uns ausgehe. Schließlich sind es unsere Handlungen, die unser Leben und unsere Ergebnisse bestimmen. So banal es auch klingen mag, aber für die Taten und Handlungen anderer Menschen können wir nichts. Sie liegen außerhalb unserer Kontrolle. Epiktet sprach von der sogenannten Dichotomie der Kontrolle. Demnach liegen alle Dinge dieser Welt entweder außerhalb oder innerhalb unserer Kontrolle. Legen wir unseren Fokus auf all die Dinge, die außerhalb unserer Kontrolle liegen, lenkt uns das ab und lässt uns unglücklich, frustriert und depressiv zurück. Der Philosoph lehrte seine Schüler, sich nur auf die Dinge im Leben zu konzentrieren, die innerhalb ihrer Kontrolle lägen. Dazu gehörten vorrangig ihre Handlungen, Aktionen, Reaktionen, Meinungen, Gefühle, Wünsche und Begierden. Warum sollten wir uns auch über die Taten oder Worte anderer ärgern und aufregen, wenn wir diese doch sowieso nicht ändern oder kontrollieren können?

Viele Menschen jammern, schimpfen und beklagen sich über andere Menschen, die Politik, den Aktienmarkt und die zu spät einfahrende Bahn, obwohl sie nichts davon kontrollieren können. Meist geraten sie dann in eine Abwärtsspirale negativer Gedanken und geben sich ihr hin. Macht man sie darauf aufmerksam, bekommt man häufig Sätze zu hören wie: »Soll ich stattdessen permanent das Lied von Glückseligkeit und Don´t worry be happy singen?« Auch das wäre töricht, nicht zuletzt weil jene Menschen, die ständig dem Glück nachjagen, es niemals finden. Das unablässige Gebet der positiven Gedanken und Visualisierung lähmt die Menschen und negiert alles, was nicht eitel Sonnenschein ist.

Wir müssen aufhören, uns auf all das zu konzentrieren, was außerhalb unserer Macht liegt.

Was sollen wir also gemäß Epiktet tun, um gut zu leben? Wir müssen aufhören, uns auf all das zu konzentrieren, was außerhalb unserer Macht liegt. Stattdessen sollten wir uns zu jedem Zeitpunkt des Moments bewusst sein und uns fragen: »Liegt das innerhalb oder außerhalb meiner Kontrolle?« Wenn wir dann merken, dass etwas, das uns beschäftigt und unsere Emotionen in Wallung bringt, uns erzürnt, uns traurig werden lässt oder uns unglücklich macht, außerhalb unserer Kontrolle liegt, so müssen wir unseren Fokus wieder auf das richten, was innerhalb unserer Macht liegt. In den folgenden Briefen wirst du auch hierzu Rat erhalten, um zu lernen, wie dir dies gelingen kann. Hast du es erst einmal gelernt, wirst du bemerken, dass die Taten, Meinungen und Worte anderer Menschen dich kaum bis gar nicht mehr treffen. Eine innere Ruhe wird dich überkommen, die dich durch den ganzen Tag begleitet. Wenn du die Dichotomie der Kontrolle aktiv dein Leben gestalten lässt, wirst du nicht nur innere Ruhe und Gelassenheit erlangen, sondern du wirst auch stärker und weniger anfällig für Externalitäten. Was außerhalb deiner Kontrolle liegt, wird dich nicht mehr so schnell aus dem Gleichgewicht bringen können. Dabei wirst keine »Ist mir doch alles scheißegal«-Einstellung kultivieren, sondern die meisten der Worte, Taten und Meinungen anderer Menschen als irrelevant für deine Glückseligkeit einstufen.

Die Qualität des eigenen Lebens maßen die Stoiker an ihrer Tugendhaftigkeit.

Für den Stoiker waren alle Menschen miteinander und mit allem anderen verbunden, jeder ist ein Teil des großen Ganzen innerhalb dieses Universums und möglicherweise auch der nächsten Universen. Daher war es für den Stoiker zwar irrelevant, was außerhalb seiner Kontrolle lag, jedoch war es umso wichtiger, was von ihm oder ihr ausging. Innerhalb deiner Kontrolle liegen deine Taten, Handlungen, Meinungen, Wünsche, Begierden, Aktionen und Reaktionen. Das, was von dir ausgeht, muss – gemäß der Philosophie der Stoa – tugendhaft sein. Diese Tugendhaftigkeit stand über allem. Dieses Prinzip nannten die Philosophen der Stoa das Streben nach der Arete. Diesen altgriechischen Begriff können wir mit dem Streben nach einem exzellenten und tugendhaften Charakter übersetzen. Die Stoiker maßen ihr Leben nicht an ihrem Erfolg, ihrem Wohlstand, ihrem Besitz oder der Anerkennung, die ihnen zuteilwurde. Seneca, Marcus Aurelius und auch der ältere Epiktet waren überaus wohlhabende Menschen, sie hatten Macht, Einfluss und Prestige im gesamten römischen Reich. All diese irdischen Annehmlichkeiten waren für den Stoiker jedoch irrelevant. Die Qualität des eigenen Lebens maßen die Stoiker an ihrer Tugendhaftigkeit. Ihr Ziel war es, so tugendhaft wir irgend möglich zu sein. Sie strebten die sogenannte Eudämonie an, auch wenn der stoische Weise – gewissermaßen der perfekte Stoiker – unerreicht blieb. Cato dem Jüngeren sagte man jedoch nach, dem Leitbild des stoischen Weisen am nächsten gekommen zu sein. Was hat es nun mit diesen Tugenden auf sich? Wenn wir heutzutage von Tugendhaftigkeit sprechen, fallen den meisten Menschen nur einige mittelalterliche Ritterfilme und fromme Prinzessinnen am Hofe der Renaissance ein. Tugendhaftigkeit liegt in unserer hedonistisch geprägten Welt nicht im Trend. In der Antike war dies anders. Vor allem für die praktizierenden Stoiker war Tugendhaftigkeit nicht nur eine Übung oder eine nette Anekdote. Im Vordergrund standen die vier Kardinaltugenden: Weisheit, Mut, Gerechtigkeit und Mäßigung. Ein Stoiker will sein Leben diesen Prinzipien unterordnen, statt seine Handlungen lediglich auf seine Emotionen abzustimmen. Der moderne Mensch würde sagen: »Heute fühle ich mich nicht danach, laufen zu gehen. Lass uns lieber auf der Couch sitzen und Chips essen.« Der moderne Mensch hat gelernt, sich nach seinen Emotionen zu richten und diese als Leitlinie anzuerkennen. Für den Stoiker waren die Emotionen lediglich ein Bestandteil seiner menschlichen Natur. Der moderne Stoiker würde heute wohl eher sagen: »Heute fühle ich mich zwar nicht danach, laufen zu gehen, doch es ist das Richtige und wird meinem Körper langfristig guttun. Wo sind die Laufschuhe?« Tugenden wie Disziplin, Mut, Gerechtigkeit, Beharrlichkeit, Ehrlichkeit und Rechtschaffenheit sind die Leitlinie für sein Leben. Lebt ein Mensch gemäß diesen Tugenden, so ist es ihm möglich, ein gutes Leben zu führen.

Doch diese Tugendhaftigkeit hat ihren Preis. Es ist nicht immer leicht, den langen Weg zu gehen, den einfachen Weg zu verneinen und stattdessen das Richtige zu tun. Oft waren die Versuchungen auch für den Stoiker enorm – die Versuchungen des Wohlstands, schöner Liebespartner und -partnerinnen, der Macht oder der Anerkennung anderer Menschen. Es ist leicht, seine Prinzipien für diese Annehmlichkeiten zu opfern. Deshalb war Mäßigung eine der vier größten und wichtigsten Tugenden für den Stoiker.

Die Philosophie vermag es, uns in den guten Zeiten auf die schlechten Tage vorzubereiten.

Stell dir eine moderne Welt mit mehr Mäßigung vor. Würden wir Menschen uns weiterhin überfressen, Übergewicht und zu wenig Sport tolerieren? Würden wir Kindern den Zugang zu pornografischen Beiträgen gestatten? Würden wir weiterhin Menschen mit anderen Religionen und Kulturen vorschreiben, wie sie zu leben haben? Würden wir die Hybris unserer Moderne weiterhin befeuern? Wäre die Mäßigung eine gelebte Tugend, so würden mehr Menschen damit beginnen, ein besseres Leben zu führen. Würden mehr Menschen sich den Tugenden der Stoiker verschreiben, so würden wir offener mit den Schwierigkeiten auf unserem Lebensweg umgehen und diesen erfolgreicher gehen. Die Philosophie der Stoa vermag es nicht, unser Leben einfach werden zu lassen. Sie vermag es aber, uns zu zeigen, wie wir erfolgreicher, gelassener, ruhiger, glücklicher und stärker durch die Zeiten kommen, die uns peinigen. Die Philosophie vermag es, uns in den guten Zeiten auf die schlechten Tage vorzubereiten, die guten zu maximieren und die schmerzhaften Zeiten tugendhaft und resilient als Gewinner zu überstehen. Der Stoizismus ist eine Lebensphilosophie, welche sich nicht auf die hedonistischen Maximen konzentriert, sondern das Formen eines exzellenten Charakters in den Vordergrund stellt.

Das Streben nach einem exzellenten Charakter war jedoch nicht nur den Stoikern vorbehalten. Fern des antiken Griechenlands verfolgte gut 1500 Jahre später ein Mann im feudalen Japan scheinbar die gleichen Prinzipien. Sein Name war Miyamoto Musashi. Er lebte, als die Familie Ashikaga ein neues Shogunat in Japan übernahm und die Muromachi-Zeit einleitete. Musashi war Samurai und hatte sein Leben den Prinzipien dieser legendären Krieger unterworfen. Sein Buch der fünf Ringe bietet auch heute noch wertvolle Lebensweisheiten und Ratschläge für ein gutes Leben. Viele Prinzipien der Stoa sind deckungsgleich mit den Lehren der Samurai. Das japanische Prinzip Ikigai beispielsweise ist mit der stoischen Eudämonie vergleichbar, ebenso wie die japanische Weisheit Shikita ga nai mit dem stoischen Gebot Amor Fati. Die beiden Philosophien haben viele Überlappungen und sind in vielerlei Hinsicht kongruent oder ähnlich. Doch woran liegt dies?