Collection Baccara Band 377 - Titel 2: Kalte Schulter - heißes Verlangen - Diana Palmer - E-Book

Collection Baccara Band 377 - Titel 2: Kalte Schulter - heißes Verlangen E-Book

Diana Palmer

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Beschreibung

Heiraten?! Bei der Testamentseröffnung hört Jillian entsetzt, welche Bedingung ihr Großvater an das Erbe geknüpft hat: Sie soll den zweiten Ranch-Besitzer, Sheriff Theodore Graves, heiraten! Dabei sind Ted und sie wie Feuer und Eis - und bald wie Mann und Frau?

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Seitenzahl: 187

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Diana Palmer

Kalte Schulter – heißes Verlangen

IMPRESSUM

COLLECTION BACCARA erscheint in der Harlequin Enterprises GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: 040/60 09 09-361 Fax: 040/60 09 09-469 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Christel BorgesGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 2010 by Diana Palmer Originaltitel: „Will of Steel“ erschienen bei: Silhouette Books, Toronto in der Reihe: DESIRE Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe COLLECTION BACCARABand 337 - 2014 by Harlequin Enterprises GmbH, Hamburg Übersetzung: Friederike Debachy

Fotos: Harlequin Books S.A.

Veröffentlicht im ePub Format in 02/2014 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733722746

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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1. KAPITEL

Er war noch nie gerne hierhergekommen, und dieses blöde Kalb folgte ihm zu allem Übel auf Schritt und Tritt. Jeder Versuch, es loszuwerden, war zwecklos. Einmal hatte er dem Tier mit einem Tannenzweig eine gewischt, aber das hatte ein übles Nachspiel gehabt. Jillian, die Besitzerin, hatte ihm einen Vortrag wegen Tierquälerei gehalten. Und das durfte er sich auf keinen Fall nachsagen lassen, denn er war schließlich der Polizeichef der kleinen Stadt in Montana.

Eigentlich gehörte die kleine Ranch nicht zu Medicine Ridge, denn sie lag in Hollister, etwa zwei Meilen außerhalb der Stadt. Zur Ranch gehörten zwei Forellenbäche und ein halber Berg. Lange Zeit hatte sie seinem und Jillians Onkel gemeinsam gehört, die beiden waren eng befreundet gewesen.

Doch vor Kurzem war sein Onkel an einem Herzinfarkt gestorben, und etwa einen Monat später war Jillians Onkel bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Jetzt sollte das Grundstück versteigert werden, und ein Immobilienmakler aus Kalifornien konnte es kaum erwarten, es zu ergattern, um dort ein großes Luxushotel zu errichten.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte er dieses Grundstück überhaupt nicht betreten. Aber die gerissenen alten Männer hatten in ihren Testamenten festgelegt, an wen der Besitz gehen sollte. Ted Graves und Jillian Sanders waren schockiert gewesen, als sie von der Klausel gehört hatten.

Jetzt stand das Mädchen vor ihm und erklärte bestimmt: „Ich heirate dich ganz sicher nicht! Da ziehe ich noch lieber zu Sammy in die Scheune.“

Sammy war das Kalb.

Ted war um einiges größer als sie und betrachtete sie jetzt arrogant von oben herab. „Kein Problem. Du würdest für die Hochzeit auch sicher nicht schulfrei bekommen.“

Jillian rümpfte die Nase. „Du müsstest im Altersheim um Erlaubnis bitten, und die würdest du sicher nicht kriegen!“

Seit eh und je zogen sie sich damit auf. Er war einunddreißig und sie fast einundzwanzig, und sie waren wie Tag und Nacht. Jillian war klein, blond und hatte blaue Augen, Ted war groß, dunkelhaarig und hatte dunkle Augen. Sein Hobby waren Waffen, und er bastelte gern an seinem alten Pick-up rum. Sie backte gern, und er konnte Süßes nicht ausstehen. Jillian wiederum hasste Waffen und Lärm.

„Wenn du mich nicht heiratest, steht Sammy bald auf der Speisekarte des Restaurants, und du musst in einer Höhle im Wald leben“, gab Ted zurück.

Jillian blickte ihn wütend an. Ihre Eltern waren kurz nach ihrer Geburt gestorben, und ihr Onkel hatte sie bei sich aufgenommen und sie großgezogen. Später kümmerte sie sich dann um ihn, denn er hatte Probleme mit dem Herzen. Doch dann war er nicht aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme gestorben, sondern bei einem Flugzeugabsturz auf dem Weg zu einer Tagung der Rinderzüchter. Zwar hatte er schon lange selbst keine Rinder mehr, aber er traf bei diesen Zusammenkünften alte Freunde wieder und wollte daher teilnehmen.

Jillian vermisste ihn. Ohne ihn war es einsam auf der Ranch. Und jetzt sollte sie auch noch diesen Rambo heiraten.

Böse starrte sie Ted an. „Lieber lebe ich in einer Höhle.“ Mit einem Blick auf seine Waffe, die er in einem Holster am Gürtel trug, fügte sie noch hinzu: „Ich hasse Waffen! Mit der da könntest du ein Loch durch eine Betonwand blasen!“

„Vermutlich“, stimmte er ihr belustigt zu.

„Wieso kannst du nicht eine kleinere tragen wie all deine Kollegen?“

„Ich mache gerne Eindruck auf die Leute“, erwiderte er augenzwinkernd.

Ihr Blick wurde noch zorniger.

„Ich habe noch nichts gegessen“, seufzte Ted.

„In der Stadt ist ein gutes Café.“

„Das bald zumachen wird, weil sie keinen Koch finden. Verdammt, wir leben in einer Stadt, in der jede Frau kochen kann, aber keine will es für andere tun. Dann verhungere ich eben.“ Finster sah Ted sie an. „Wenn ich dich heiraten würde, wäre ich gerettet, denn wenigstens kannst du kochen.“

Mit selbstgefälligem Blick musterte sie ihn. „Ja, das kann ich. Und das Café in der Stadt macht auch nicht zu. Sie haben heute Morgen einen Koch angestellt.“

„Wirklich? Wen?“

„Eine Frau. Ich weiß nicht, wie sie heißt, aber sie ist anscheinend richtig gut. Jetzt musst du also nicht mehr verhungern.“

„Stimmt, aber das löst unser Problem nicht. Ich will nicht heiraten.“

„Ich auch nicht, ich fange gerade erst an, mit Männern auszugehen.“

Argwöhnisch runzelte er die Stirn. „Du bist zwanzig, fast einundzwanzig.“

„Ja, aber mein Onkel war jedem Mann gegenüber misstrauisch, der in meine Nähe kam. Ich durfte nie das Haus verlassen.“

Seine dunklen Augen funkelten. „Stimmt, du bist ja sogar mal abgehauen.“

Jillian wurde rot. Ja, das war sie, mit einem Wirtschaftsprüfer, der bei einer Anwaltskanzlei in der Stadt die die Bücher geprüft hatte. Er war viel älter und erfahrener gewesen als sie und äußerst charmant. Sie hatte ihm vertraut – genau wie einem anderen Mann zwei Jahre zuvor. Der Wirtschaftsprüfer hatte sie mit in sein Motelzimmer genommen unter dem Vorwand, dort etwas vergessen zu haben. Sobald er jedoch die Tür hinter sich zugemacht hatte, war er aufdringlich geworden.

Er konnte ja nicht wissen, dass Jillian schon mal so etwas Ähnliches erlebt hatte. Auch damals hatte sie den Mann eigentlich gemocht und ihm vertraut. Davy Harris arbeitete zu der Zeit auf der Ranch. Ihrem Onkel John kam er nie ganz geheuer vor, daher versuchte er, Jillian einzubläuen, sich von dem Kerl fernzuhalten. Aber die vierzehnjährige Jillian hörte nicht auf ihren Onkel. Später hatte John ein schlechtes Gewissen, weil er es gewesen war, der Harris als Hilfskraft auf der Ranch angestellt hatte.

Als sie dann zwei Jahre später mit ihrem Onkel beim Rechtsanwalt war, traf sie diesen Wirtschaftsprüfer – und war hin und weg, weil er mit ihr flirtete. Er wirkte so völlig anders als der Mann von der Ranch.

Die beiden telefonierten häufig, bis er sie schließlich dazu überredete, mit ihm auszugehen. Als Onkel John zu Bett gegangen war, schlich sie sich hinaus, um sich heimlich mit ihm zu treffen.

Dann geriet sie in Teufels Küche. Als der Mann versuchte, ihr die Kleider auszuziehen, schaffte sie es irgendwie, ihr Handy aus der Tasche zu ziehen und den Notruf zu wählen. Was dann passiert war, würde sie nie vergessen.

„Sie haben die Tür doch reparieren können, oder?“, fragte sie verlegen.

„Sie war abgesperrt.“

„Es gibt etwas, das nennt sich Schlüssel.“ Jillians Ton war schnippisch.

„Bis ich den gefunden hätte, wärst du längst …“

Wieder errötete sie. „Ich habe mich ja damals bei dir bedankt.“ Die Situation war ihr entsetzlich unangenehm.

„Und ein blöder Mathematiker hat zu spüren bekommen, was passiert, wenn man versucht, in meiner Stadt ein unschuldiges Mädchen zu verführen.“

Damals hatte Teds schnelle Reaktion sie gerettet. Sie war sechszehn und so verliebt gewesen, dass sie dem Wirtschaftsprüfer ihr wahres Alter nicht verraten hatte – sonst hätte er sie sicher nicht gebeten, mit ihm auszugehen. Nach diesem Ereignis hatte er gekündigt und war nie wieder nach Hollister zurückgekehrt. Und Jillian hatte ein schlechtes Gewissen, denn schließlich war die ganze Sache ihre Schuld.

Aus Erfahrung endlich klug geworden, hatte sie nach diesem zweiten schrecklichen Erlebnis mit einem älteren Mann beschlossen, nicht mehr mit Männern auszugehen.

„Der Richter hat ihn mit einer Verwarnung laufen lassen und ihm geraten, er solle sich in Zukunft nach dem wirklichen Alter eines Mädchens erkundigen. Aber er hätte ins Gefängnis kommen können, und dann wäre ich schuld gewesen.“ Dass Davy Harris, der Typ von der Ranch, der ihr zu Leibe gerückt war, ihretwegen im Gefängnis gelandet war, verschwieg Jillian. Ted wusste nichts von der Geschichte, und das sollte auch so bleiben.

„Schau mich nicht so an. Ich habe sicher kein Mitleid mit ihm. Selbst wenn du alt genug gewesen wärst, er hatte kein Recht, dich zu bedrängen.“ Zögernd fuhr Ted fort: „Aber dein Onkel hätte dich öfter ausgehen lassen sollen.“

„Ich weiß auch nicht, warum er wollte, dass ich immer zu Hause bleibe.“ Immer schon hatte sie das Gefühl gehabt, dass das nicht allein an ihren negativen Erlebnissen lag.

Seine dunklen Augen funkelten. „Das ist doch klar. Er wollte dich für mich aufsparen.“

Wütend blitzte Jillian ihn an.

Ted lachte. „Na ja, er hat es zwar nie gesagt, aber du hast ja in seinem Testament gelesen, dass er schon lange eine gemeinsame Zukunft für uns geplant hat.“

Jill fiel es wie Schuppen von den Augen. Das konnte doch nicht wahr sein! Ausnahmsweise war sie sprachlos.

„Ganz sorgfältig hat er dich für mich herangezogen wie eine Orchidee in einem Glashaus“, zog Ted sie auf.

„Dein Onkel hat das mit dir aber offensichtlich nicht so gemacht.“

„Na ja, einer von uns musste ja lernen, wie es geht, wenn es so weit ist“, erwiderte er belustigt.

Bei seiner Bemerkung stieg Jillian die Röte ins Gesicht. „Ich heirate dich nicht!“

Er zuckte die Schultern. „Wie du meinst. Wenn du in deiner Höhle im Wald Vorhänge aufhängst und ein paar Teppiche ausbreitest, wird es dort bestimmt auch ganz wohnlich aussehen.“ Aus dem Fenster blickend, fuhr Ted fort: „Aber was den armen Sammy betrifft, seine Zukunft sieht nicht so rosig aus.“

„Ein für alle Mal, Sammy ist kein Bulle, sondern eine Kuh. Sie ist eine Kuh.“

„Sammy ist aber ein Bullenname.“

„Sie sah aus wie ein Sammy“, entgegnete Jillian stur. „Aber wenn sie groß ist, wird sie Milch geben.“

„Nur wenn sie kalbt.“

„Was weißt denn du schon?“, fuhr sie Ted an.

„Ich gehöre einer Vereinigung für Rinderzüchter an. Da lernt man solche Sachen.“

„Der gehöre ich auch an. Aber so was lernt man, wenn man selbst Rinder züchtet!“

Ungeduldig winkte Ted ab und zog sich seinen Hut tiefer in die Stirn. „Schon gut, schon gut. Ich gehe.“

„Schieß auf niemanden.“

„Ich habe noch nie auf jemanden geschossen.“

„Ha!“, platzte Jillian heraus. „Und was ist mit dem Bankräuber?“

„Der hat zuerst auf mich geschossen.“

„Das war dumm von ihm.“

Ted grinste. „Das hat er auch gesagt, als ich ihn im Krankenhaus besucht habe. Er hat sein Ziel verfehlt, ich nicht. Und dann wurde er verurteilt wegen versuchter Körperverletzung und Bankraub.“

Jillian runzelte die Stirn. „Was ist, wenn er rauskommt? Er hat geschworen, dass er sich an dir rächen wird.“

„Der kommt erst in zehn bis zwanzig Jahren raus, und er hatte schon Vorstrafen. Bis dahin bin ich im Altersheim.“

Finster blickte sie zu ihm auf. „So Typen kommen immer wegen guter Führung früher raus. Er braucht nur einen guten Anwalt.“

„Den kann er sich nicht leisten.“

„Dann wird ihm vom Staat ein Pflichtverteidiger gestellt, das ist so, wenn sich Leute keinen Anwalt leisten können.“

„Ach, wirklich? Das habe ich gar nicht gewusst“, entgegnete Ted ironisch.

„Wieso gehst du nicht endlich arbeiten?“

„Das versuche ich ja schon die ganze Zeit, aber du hörst ja nicht auf, mit mir zu flirten.“

Verächtlich stieß Jillian die Luft aus. „Ich flirte nicht mit dir!“

Er grinste. „Doch, das tust du.“ Er trat einen Schritt näher. „Wir könnten ja ein Experiment machen, um zu sehen, ob wir chemisch zueinanderpassen.“

Verwirrt blickte sie ihn an, bis sie verstand, was er ihr zu sagen versuchte. Wieder stieg ihr die Röte ins Gesicht, und verlegen trat sie zwei Schritte zurück. „Ich will mit dir überhaupt kein Experiment machen.“

„Na gut, aber das wird eine einsame Ehe werden, wenn du deine Meinung nicht änderst, Jake.“

„Nenn mich nicht Jake! Ich heiße Jillian.“

„Du bist für mich wie ein Jake“, erwiderte Ted achselzuckend.

Sie trug zerfetzte Jeans, ein viel zu großes graues Sweatshirt und ausgelatschte Stiefel. Ihre langen blonden Haare hatte sie zu einem Knoten hochgebunden, und sie trug keinerlei Make-up.

„Wie ein Junge“, fügte er vorwurfsvoll hinzu, nachdem er sie von oben bis unten gemustert hatte.

Jillian senkte den Blick. Sie hatte ihre Gründe, wieso sie ihre weiblichen Reize nicht betonte, aber sie wollte nicht mit ihm über die Vergangenheit reden. Sie sprach nicht gern darüber, denn Onkel John kam dann immer schlecht weg, und der war jetzt tot. Jahrelang hatte er sich Vorwürfe darüber gemacht, dass er Davy Harris als Hilfskraft angestellt hatte. Aber da war es schon zu spät gewesen.

Ted spürte, dass sie ihm etwas verheimlichte, aber er wusste nicht, was es war. Sein Blick wurde ernst. Auf einmal war er wieder ganz und gar Polizist.

„Gibt es etwas, worüber du mit mir reden willst, Jake?“, fragte er mit sanfter Stimme.

Sie wich seinem Blick aus. „Das würde sowieso nichts nützen.“

„Vielleicht schon.“

Jillian verzog das Gesicht zu einer Grimasse. „Ich kenne dich nicht gut genug, um gewisse Dinge mit dir zu besprechen.“

„Wenn du mich heiratest, dann schon.“

„Darüber haben wir bereits gesprochen“, bemerkte sie gereizt.

„Armer Sammy.“

„Hör auf damit! Ich finde schon ein Heim für sie. Ich kann immer noch John Callister fragen, ob er und seine Frau sie bei sich aufnehmen.“

„Das glaube ich kaum. Auf deren Ranch sind doch nur reinrassige Rinder.“

„Sammy stammt von reinrassigen Rindern ab“, murmelte Jillian. „Ihre Mutter war eine reinrassige Hereford-Kuh und ihr Vater ein reinrassiger Angus-Bulle.“

„Aber deshalb ist Sammy nicht reinrassig.“

„Wieso bist du überhaupt Kleinstadtpolizist geworden, wenn du so viel über Rinderzucht weißt?“

„Weil man als Polizist schießen darf.“

„Ich hasse Waffen.“

„Das hast du bereits gesagt.“

„Und das meine ich auch ernst“, fügte sie mit dramatischer Stimme hinzu. „Du könntest aus Versehen jemanden erschießen. Hat nicht neulich erst ein Polizist seine Waffe aus Versehen fallen lassen, und sie ist losgegangen?“

Ted blickte finster drein. „Ja. Er war außer Dienst und trug seine kleine 32er in der Hosentasche. Er suchte nach Wechselgeld, die Waffe fiel raus und ging los. Diesen Fehler wird der Kollege sicher nicht mehr machen.“

„Das kann dir ja nicht passieren mit diesem noblen Holster.“ Einn ironisches Lächeln umspielte Jillians Lippen. Das Holster war aus braunem Leder, hatte silberne Nieten und war mit Fransen gesäumt.

„Meine Cousine hat es für mich gemacht.“

„Tanika?“ Sie kannte seine Cousine, eine Cheyenne-Indianerin, die in Hardin lebte.

„Genau die. Sie ist der Meinung, dass praktische Dinge auch schön sein müssen.“

„Sie ist talentiert.“ Jillian lächelte. „Sie macht auch wunderschöne Taschen aus Rohleder, mit Perlen und Fransen.“

„Ja, all meine Vorfahren sind Cheyenne, wir sind gut in solchen Sachen.“

„Ich glaube, ich hatte einen Vorfahren, der war Sioux.“

„So siehst du auch aus“, rief er und warf einen vielsagenden Blick auf ihre langen blonden Haare.

„Mein Cousin Rabby ist Halb-Sioux und ist auch blond und hat graue Augen“, erwiderte Jillian.

„Na gut.“ Ted sah auf die Uhr. „Ich muss ins Gericht, ich geh lieber.“

„Ich backe einen Marmorkuchen.“

„Ist das eine Einladung?“, fragte Ted zögernd.

„Du hast doch gesagt, dass du fast verhungerst.“

„Ja, aber von Kuchen kann man nicht leben.“

„Dann brate ich dir eben noch ein Steak und mach ein paar Kartoffeln dazu.“

Seine Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. „Das klingt gut, wann soll ich wiederkommen?“

„Gegen sechs? Natürlich nur, wenn keine Banküberfälle oder Aufstände dazwischenkommen.“

„Da bin ich mir sicher, dass so was heute nicht passiert.“ Er dachte kurz nach. „Die Callisters haben mir eine Flöte aus Mexiko mitgebracht, vielleicht sollte ich die mitbringen und dir damit ein Ständchen vorspielen.“

Jillian trat von einem Fuß auf den anderen. Bei den Ureinwohnern Amerikas spielte man ein Ständchen auf der Flöte, wenn man jemandem den Hof machte. „Das wäre schön.“

„Wirklich?“ Ted lächelte sie an.

„Ich dachte, du wolltest jetzt gehen“, erwiderte Jillian unsicher.

„Okay. Also dann bis um sechs.“ Als er schon an der Tür angelangt war, hielt Ted inne. „Soll ich meinen Smoking anziehen?“

„Es gibt nur Steak.“

„Was, wir tanzen danach nicht?“, fragte er mit gespielter Enttäuschung.

„Nein, es sei denn, du willst draußen ein Lagerfeuer machen und drum herum tanzen.“

„Ich will aber Walzer und Tango tanzen mit dir, das geht nicht ums Feuer herum.“

„Du kannst tanzen?“ Jetzt war Jillian sichtlich beeindruckt.

„Natürlich. Ein Freund hat es mir beigebracht.“

Amüsiert blickte sie ihn an. „Das hat sicher nett ausgesehen.“

„Er hat nicht mit mir getanzt, sondern mit einem Mädchen“, stellte Ted klar. „Ich gehe jetzt.“

„Das hast du schon mal gesagt.“

„Dieses Mal gehe ich wirklich.“

„Bis um sechs!“, rief Jillian ihm hinterher.

Ohne zurückzublicken, hob er die Hand.

Jillian schloss die Tür, lehnte sich dagegen und versuchte, die wirren Gedanken in ihrem Kopf zu ordnen. Sie kannte Ted Graves besser als irgendeinen anderen Mann, und trotz ihrer Streitereien verstanden sie sich gut. Aber war das ein Grund zu heiraten?

Die Alternative dazu war, dass irgendein Konzern hier in Hollister ein Luxushotel bauen würde, und das wäre eine absolute Katastrophe für die Landwirtschaft in der Gegend. Tankstellen und andere Geschäfte würden hinzukommen. Vielleicht käme es sogar zu einem Wirtschaftsboom, aber seinen ländlichen Charme würde Hollister verlieren. Dieser Gedanke gefiel Jillian ganz und gar nicht, und sie war sich sicher, dass es anderen Leuten genauso erging.

Sie liebte die Tannenwälder und die hellen, klaren Bäche, in denen sie gern Forellen angelte. Manchmal kam sogar Ted mit. Sie angelten dann gemeinsam, bereiteten den Fisch zu und brieten ihn. Allein bei dem Gedanken lief Jillian das Wasser im Mund zusammen.

Eine Freundin ihres Onkels hatte ihr das Kochen beigebracht, und es hatte ihr sofort Spaß gemacht. Sie war zwar ansonsten eher jungenhaft, aber sie liebte es, zu kochen und zu backen. Für heute Abend würde sie Brot backen. Das dauerte zwar länger, würde sich aber auf jeden Fall lohnen. Ted liebte frisches Brot.

Kurz bevor Ted kam, zog sie sich eine frische Jeans und eine rosa Bluse an, die Haare band sie mit einer rosa Schleife zu einem Zopf zusammen. Sie war nicht elegant oder schön, aber sie konnte aussehen wie eine Frau, wenn sie sich etwas bemühte.

Ted bemerkte das sofort, als er zur Tür hereintrat. Er legte den Kopf zur Seite und betrachtete sie amüsiert von oben bis unten.

„Du bist wirklich ein Mädchen“, sagte er in belustigtem Ton.

„Ich bin eine Frau!“ Wütend blitzte sie ihn an.

„Noch nicht.“

Seine Worte verletzten sie. Verärgert und mit hochrotem Kopf suchte sie nach einer Retourkutsche, aber ihr fiel keine passende Bemerkung ein.

Als Ted ihre Reaktion bemerkte, wurde er sofort ernst. „Tut mir leid“, sagte er mit liebevoller Stimme. „Das war nicht fair. Ganz besonders nicht, wo du dir so viel Mühe gegeben und Brot für mich gebacken hast.“

„Woher weißt du das?“

Ted hob den Kopf und schnupperte. Dann deutete er auf seine Nase. „Ich habe einen außergewöhnlichen Geruchssinn. Hab ich dir schon erzählt, dass ich mal allein mit meinem Geruchssinn einen Mörder aufgespürt habe? Er hatte so ein billiges Rasierwasser, und ich bin einfach meiner Nase gefolgt. Irgendwann stand ich dann mit gezogener Waffe vor ihm. Mein Anblick hat ihn so überrascht, dass er sich widerstandslos ergeben hat.“

„Hast du ihm gesagt, dass sein Rasierwasser ihn verraten hat?“, wollte Jillian lachend wissen.

„Nein, der sollte das ja im Gefängnis niemandem erzählen. So was brauchen Kriminelle nicht zu wissen“, meinte Ted und musterte Jillian erneut von oben bis unten. „Hast du eigentlich kein Kleid?“

„Doch, es ist in meinem Schrank. Ich habe es zum Schulabschluss getragen.“

„Verstehe.“

„Vielleicht sollte ich mir mal ein neues kaufen.“

„Auf jeden Fall. Denn wenn wir schon turteln, solltest du wenigstens ein Kleid tragen.“

„Wieso?“

„Naja, willst du etwa in Jeans heiraten?“, fragte Ted und sah sie dabei belustigt an.

„Ein für alle Mal, ich werde dich nicht heiraten.“

Ted nahm seinen breitkrempigen Hut ab und legte ihn auf den Tisch im Flur. „Darüber können wir uns später streiten. Jetzt müssen wir erst mal etwas von dem frisch gebackenen Brot essen, ehe es kalt wird und die Butter darauf nicht mehr schmilzt.“

Jillian musste unwillkürlich lachen. „Da sollten wir unbedingt tun.“

2. KAPITEL

Das Brot schmeckte köstlich, und Ted schloss genießerisch die Augen.

„Du könntest bestimmt auch kochen, wenn du es probieren würdest“, meinte Jillian.

„Nein, das glaube ich nicht.“

„Ich könnte es dir beibringen.“

„Wieso sollte ich kochen lernen, wenn du es so gut kannst?“

„Du wohnst allein.“

„Nicht mehr lange.“

„Zum zehnten Mal …“, begann Jillian.

Ted unterbrach sie ungeduldig. „Der Typ aus Kalifornien war heute in der Stadt. Er kam bei mir im Büro vorbei.“

„Wieso denn das?“ Jillian klang besorgt.

„Er war schon bei mehreren Bauunternehmern und hat Angebote eingeholt für den Bau der Hotelanlage.“

„Oje.“

Ted durchbohrte sie jetzt mit seinem Blick. „Ich hab ihm von der Testamentsklausel erzählt.“

„Was hat er dazu gesagt?“

„Dass er gehört habe, du würdest mich nicht heiraten.“

Genervt verzog Jillian das Gesicht.

„Er ist in der Stadt rumstolziert, als gehöre ihm das Grundstück bereits.“ Ted schluckte den letzten Bissen Brot hinunter und nahm dann einen Schluck Kaffee. „Oh, dein Kaffee ist fantastisch, Jake!“, rief er genüsslich aus. „Bei den meisten Leuten ist es eine wässrige Brühe, aber bei deinem Kaffee bleibt der Löffel stehen.“

„Ich mag ihn auch gerne stark“, stimmte Jillian ihm zu. Sie betrachtete seine harten kantigen Gesichtszüge. „Du trinkst vermutlich viel davon, wenn du nachts arbeiten musst. Und diesen Monat hattest du ja schon alle Hände voll zu tun.“

Ted nickte. „Es kommen alle möglichen Leute aus dem ganzen Land zu unserem Winterfestival. Und da sind immer auch Gauner dabei, die es auf das Geld der anderen abgesehen haben.“

„Ich habe gehört, dass es bei den Jagdmeisterschaften sogar vorkommt, dass Diebe den Jägern folgen und sich die Autokennzeichen von denen notieren, die teure Waffen haben.“

„Ja, das stimmt.“

„Wieso würden manche Leute fünfstellige Beträge für eine Waffe bezahlen?“ Jillian konnte das einfach nicht verstehen.

„Du schießt nicht bei Wettkämpfen“, lachte Ted. „Deshalb hat es wenig Sinn, dir das zu erklären.“