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Wahre Liebe findet immer einen Weg.
Connor Arrowood trifft am Abend, bevor er sein Elternhaus verlässt, um zum Militär zu gehen, auf eine schöne Unbekannte. Die beiden verbringen eine wunderbare Nacht miteinander. Am nächsten Morgen nehmen sie Abschied - ohne auch nur den Namen des anderen zu kennen.
Als Connor acht Jahre später in seine Heimat zurückkehrt, begegnet er der Frau, die er nie vergessen konnte, wieder. Ellie ist inzwischen allerdings verheiratet und hat eine Tochter. War all sein Hoffen und Sehnen vergeblich? Dann jedoch bemerkt Connor, dass Ellie in einer gewalttätigen Ehe feststeckt. Und nichts kann ihn daran hindern, die Frau, die er liebt, und deren Tochter vor allem Unheil zu bewahren ...
Die dramatische Reihe um die Arrowood-Brüder - warmherzig, romantisch und prickelnd!
Band 1: Come back for me - Weil ich dich nicht vergessen kann
Band 2: Fight for me - Nur noch dieses eine Mal
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Connor Arrowood trifft am Abend, bevor er sein Elternhaus verlässt, um zum Militär zu gehen, auf eine schöne Unbekannte. Die beiden verbringen eine wunderbare Nacht miteinander. Am nächsten Morgen nehmen sie Abschied – ohne auch nur den Namen des anderen zu kennen.
Als Connor acht Jahre später in seine Heimat zurückkehrt, begegnet er der Frau, die er nie vergessen konnte, wieder. Ellie ist inzwischen allerdings verheiratet und hat eine Tochter. War all sein Hoffen und Sehnen vergeblich? Dann jedoch bemerkt Connor, dass Ellie in einer gewalttätigen Ehe feststeckt. Und nichts kann ihn daran hindern, die Frau, die er liebt, und deren Tochter vor allem Unheil zu bewahren …
CORINNE MICHAELS
come
back
for me
W E I L I C H D I C H N I C H TV E R G E S S E N K A N N
Aus dem amerikanischen Englisch vonBarbara Röhl
Für Melissa Saneholtz.Danke für deine unendliche Freundschaft,für Lachen und Liebe.Du darfst das gern alsGrund Nummer 2.099.485 verbuchen.
»Arrowood! Wach auf, verdammt!«
Jemand boxt mir gegen den Arm, und ich schnelle vom Sitz hoch. Mein Blick zuckt unruhig umher, und ich suche nach der Gefahrenquelle, doch ich sehe nur meinen Kumpel Liam, der im Flugzeug neben mir sitzt.
»Mann, du redest aber echt gern im Schlaf.«
Ich reibe mir mit der Hand durchs Gesicht und versuche, einen klaren Kopf zu bekommen. »Keine Ahnung, wovon ich geträumt habe.«
»Von einer Frau.«
Toll. Gott weiß, was ich da erzählt habe.
»Das bezweifle ich.«
»Alter, du hast definitiv im Schlaf geredet.« Er schlägt eine höhere Tonlage an. »Oh, Connor, du bist so sexy. Ja, mach es mir so.« Dann spricht er normal weiter. »Ich sag ja nur, dass es sehr lebhaft war.«
Ich weiß ziemlich genau, wovon ich geträumt habe – von einem Engel. Einer wunderschönen Frau mit dunkelbraunem Haar und den blauesten Augen, die ich je gesehen hatte. Dabei spielt es keine Rolle, dass ich vor acht Jahren nur eine einzige Nacht mit ihr verbracht habe. Ich erinnere mich in allen Einzelheiten an sie.
Wie sie lächelte und mich mit einem Winken aufforderte, ihr zu folgen. Wie meine Beine sich auch ohne Genehmigung meines Hirns in Bewegung setzten. Es war, als wäre sie vom Himmel geschickt worden, um mich zu retten.
Das war ebenfalls der Abend gewesen, an dem mein Vater sich so betrunken hatte, dass er mir unerwartet einen Fausthieb versetzte, als ich mich verabschiedete, um ins Bootcamp einzurücken. Da schwor ich mir, nie wiederzukommen.
Sie war vollkommen, und ich weiß nicht einmal ihren Namen.
Ich versetze Liam einen Stoß mit dem Ellbogen. Den Teufel werde ich ihm davon erzählen. »Glücklicherweise bist du verheiratet. Inzwischen wäre keine Frau mehr so dumm, etwas mit dir anzufangen. Du siehst beschissen aus, und du bist ein Arschloch.«
Er grinst und denkt zweifellos an seine Frau. Manche Kerle haben einfach alles – und Liam Dempsey gehört dazu. Er hat eine schöne Frau, die zu Hause auf ihn wartet, Kinder, Freunde und obendrein noch eine Bilderbuch-Kindheit.
Im Prinzip ist sein Leben das Gegenteil von meinem.
Das einzig Wertvolle, was ich habe, sind meine Brüder.
»Wovon redest du? Es hat durchaus einen Grund, dass die anderen mich Dreamboat und dich Arrow rufen. Ich bin ein verdammter Traum.«
»Geht das schon wieder los? Sie nennen mich wegen meines Namens so, Idiot.«
Lachend zuckt Liam die Schultern. »Kann sein, aber in meinem Fall bezieht es sich auf meine strahlende Persönlichkeit.«
Er ist ein totaler Schwachkopf, doch er wird mir fehlen. Ich werde mein ganzes Team vermissen. Ich hasse den Gedanken, dass dies mein letzter Einsatz war und ich nicht mehr dieser Bruderschaft angehören werde. Ich habe es geliebt, ein Navy-SEAL zu sein.
»Zum Glück bist du so eingebildet, dass ich dein riesiges Ego schon von Weitem erkennen werde, egal, wo ich lande.«
»Irgendeine Idee, wo das sein wird oder was du jetzt vorhast?«, will Liam wissen.
Ich lehne mich auf dem viel zu unbequemen Sitz in der Galaxy-Maschine zurück und stoße einen tiefen Seufzer aus. »Keine Ahnung.«
»Schön zu hören, dass du alles im Griff hast. Du musst die Kurve kriegen. Im Leben wird einem nichts geschenkt.«
Liam war bei den letzten zwei Einsätzen mein Teamleiter und ist wie ein großer Bruder für mich, aber jetzt gerade kann ich keine Predigt gebrauchen. Ich habe drei ältere Brüder, von denen ich bereits genug auf die Ohren bekomme.
Andererseits sind die SEALs wohl auch so etwas … Brüder, meine ich. Brüder, die alles füreinander tun würden, sogar dem anderen durch eine gewaltige Umstellung helfen, wenngleich die sich schon eine Weile angekündigt hat. Vor drei Jahren war ich im Einsatz. Eine Routinekontrolle, doch dann versuchte ein Wagen, die Absperrung zu durchbrechen, und zerquetschte mir das Bein. Ich wurde ein paarmal operiert, alles sah gut aus, aber es ist nicht richtig verheilt. Bei dem letzten Einsatz war ich für leichten Dienst eingeteilt, im Wesentlichen musste ich Verwaltungsaufgaben erledigen. Dabei hasse ich Büroarbeit. Am liebsten wäre ich da draußen gewesen und hätte auf meine Brüder aufgepasst. Schließlich teilte der Doc mir mit, sie würden mich aus medizinischen Gründen entlassen.
Ich bin körperlich nicht mehr geeignet, ein SEAL zu sein.
Und wenn ich das nicht kann, dann will ich gar nichts mehr mit dem Laden zu tun haben.
»Ich habe Pläne.«
»Und was zum Beispiel?«, hakt Liam weiter nach.
»Also erst mal, dich in den Hintern zu treten.«
»Du könntest es versuchen, Kleiner, doch wetten würde ich darauf nicht.«
»Wenn mein Bein hundertprozentig …«
Liam schüttelt den Kopf. »Ich würde dich trotzdem umhauen. Aber Scherz beiseite, du kannst nicht in zwei Wochen deine Entlassungspapiere unterschreiben und keine Ahnung haben, was du vorhast.«
Als ich vor zwei Wochen meinen ältesten Bruder Declan angerufen habe, war er genauso drauf und hat mir deswegen im Nacken gesessen. Dec hat eine große Firma in New York City und meinte, er suche nach einem neuen Leiter für seine Security, aber ich hätte lieber mein schlimmes Bein in eine Häckselmaschine gesteckt, als für ihn zu arbeiten. Er ist ein Hitzkopf, der alles besser weiß und nicht vernünftig zahlt. Davon habe ich gerade acht Jahre hinter mir, und ich hätte wirklich gern ein finanzielles Upgrade.
Ganz unrecht hat Liam trotzdem nicht. Von meinen schmalen Ersparnissen kann ich nur eine gewisse Zeit leben, und dann muss ich mir einen Job besorgen.
»Ich denke mir schon etwas aus«, erkläre ich ihm.
»Warum gehst du nicht zurück auf die Farm?«
Ich kneife die Augen zusammen und unterdrücke die Wut, die in mir aufsteigt, als er die Farm erwähnt. »Dieses Stück Land betrete ich erst wieder, wenn ich den Mann begraben kann, der dort noch wohnt.«
Wir Arrowood-Brüder haben uns geschworen, aufeinander aufzupassen und einander zu beschützen, und das haben wir alle getan, bis ich fortgehen konnte. Ich habe diese Farm in Pennsylvania zum letzten Mal zwei Wochen nach meinem Schulabschluss aufgesucht. Lieber würde ich auf der Straße leben, als dorthin zurückzukehren.
Er hebt abwehrend die Hände. »Schon gut, Bruder, nicht nötig, so dreinzuschauen, als wolltest du mir den Hals umdrehen. Hab’s ja kapiert. Du gehst nicht nach Hause. Ich mache mir bloß Sorgen. Ich habe so oft erlebt, wie die Jungs nach ihrem Abschied nicht mit der zivilen Welt klargekommen sind. Wir meckern zwar ständig über dieses Leben, aber es ist immerhin ein Teil von uns, oder?«
Er hat recht. Verdammt, das war mir ebenfalls bewusst, doch ich war auch einfach noch nicht bereit, dass es für mich mit der Entlassung enden würde. Zumal ich liebend gern zwanzig Jahre gedient hätte, denn die Navy hat mir das Leben gerettet. Wenn ich mich nicht freiwillig gemeldet hätte, wäre ich im Gefängnis gelandet. Dann, als ich dabei war, wurde ich für die Kampftaucher ausgewählt und wollte nie wieder etwas anderes machen. Aber jetzt habe ich nicht zu entscheiden.
»Ich bin mir gerade nicht sicher, was ich sonst machen soll.«
»Mein Kumpel Jackson hat eine Firma, die abgehalfterte SEALs anheuert. Er hat bestimmt noch Platz für einen Mann.«
Ich strecke Liam den Mittelfinger entgegen. »Ich zeige dir gleich, wer hier abgehalftert ist.«
Bevor wir weiter in Streit geraten können, gehen die Offiziere herum und teilen uns mit, dass wir bald landen und wie sie sich den Ausstieg vorstellen.
Wenn Soldaten nach Hause kommen, herrscht immer ein unbeschreiblicher Aufruhr. Diese Veranstaltungen sind voller Emotionen, Ballons, Trubel, Freudentränen und einer ganzen Menge Aufregung. Die Ehefrauen haben sich schick gemacht, und die Kids sehen perfekt herausgeputzt aus, obwohl jeder von uns weiß, dass ihr Leben in den letzten neun Monaten alles andere als vollkommen war. Die Familien sind so erpicht darauf, einen Blick auf ihren Angehörigen zu erhaschen, dass sie sich fast überschlagen.
Wir empfinden das ein wenig unterschiedlich. Wir wollen zwar nach Hause und die Menschen treffen, die wir lieben. Aber gleichzeitig wissen wir, dass es nicht einfach wird. Es kann nicht leicht sein, einen Mann im Herzen zu tragen, der ständig auf dem Sprung ist, wieder fortzugehen. Deswegen bin ich dankbar dafür, dass Liebe und Ehe nie besonders weit oben auf meiner Prioritätenliste gestanden haben.
Mir gefällt der Gedanke, dass niemand ein Opfer bringen muss, um mich zu lieben.
Der Commander verstummt und wartet, bis er aller Aufmerksamkeit hat. »Patterson und Caldwell gehen als Erste, weil sie Babys bekommen haben, während wir im Einsatz waren. Dann steigen wir in alphabetischer Reihenfolge aus. Sobald ihr euch bei mir abgemeldet habt, schnappt ihr euer Zeug und taucht erst in zwei Wochen wieder auf der Basis auf, verstanden?«
»Jawohl«, antworten wir einstimmig.
Er legt sein Klemmbrett weg und mustert uns alle. »Zwingt mich nicht, meiner Frau zu erklären, dass ich das Haus verlassen muss, um einem von euch Idioten aus der Patsche zu helfen.«
Ein paar von uns lachen, er allerdings nicht, denn beim vorletzten Einsatz ist genau das passiert. Zum Glück nicht mir.
Das Flugzeug setzt auf, und ich schwöre, dass ich die veränderte Energie spüren kann. Da wir nach dem Alphabet aussteigen, wäre ich einer der Ersten. Doch in unserem Team gibt es viele Männer, die Kinder haben. Ich werde warten, bis sie draußen sind, mir bei Commander Hansen den Anschiss abholen und dann fröhlich meiner Wege gehen wie die anderen Singles.
Der Commander ruft meinen Namen, aber ich bleibe sitzen. Noch einmal schreit er: »Arrowood!« Er starrt mich aufgebracht an, doch ich zucke die Schultern. »Herrgott, bei jedem verdammten Einsatz macht ihr Idioten das. Schön, ich habe dich zweimal aufgerufen, und wenn du jetzt nicht aufstehst, kannst du dich wieder hinten anstellen. Ich bin von Idioten umzingelt.«
»Wir sehen uns in ein paar Wochen«, sagt Liam, als er genannt wird.
»Ich komme mich auf jeden Fall verabschieden.«
Er versetzt mir einen Klaps auf die Brust. »Mach das.«
Nachdem alle anderen Namen aufgerufen worden sind, höre ich meinen ein weiteres Mal.
Der Commander wirkt nicht besonders glücklich, aber ich bemerke auch den Hauch von Stolz, den er hinter seiner finsteren Miene verbirgt. »Du bist ein guter Kerl.«
»Diese Kids wollen ihre Väter sehen.«
Er nickt. »Hier sind deine Papiere. Wir treffen uns in vierzehn Tagen.«
Ich nicke, nehme den Papierkram und gehe davon. Die Sonne scheint, und die Luft riecht sauber. Weder Staub noch Dreck kleben an meiner Haut, als ich die Gangway hinuntersteige.
»Hey, du Depp.«
Ich erstarre eine Sekunde lang und wende mich dann meinem Bruder zu – der gar nicht hier sein sollte. »Sean?«
Mit ausgebreiteten Armen und einem strahlenden Lächeln tritt er auf mich zu. »Gut, dass du in einem Stück nach Hause gekommen bist.«
Wir umarmen einander und klopfen uns gegenseitig auf den Rücken.
»Was zur Hölle machst du denn hier?«
»Ich dachte, jemand sollte dich nach deinem letzten Einsatz abholen.«
»Ist jedenfalls schön, dich zu sehen«, erkläre ich lächelnd.
»Ich freue mich auch, kleiner Bruder.«
Ich mag vielleicht der Jüngste sein, doch klein bin ich gewiss nicht. Sean ist der mit der geringsten Körpergröße von uns, aber er hat das größte Herz. Manchmal wünsche ich mir, ich wäre ihm ähnlicher.
»Willst du dich wirklich mit mir anlegen? Du weißt genau, dass ich dich in zehn Sekunden erledige.«
Er klopft mir auf die Schulter. »Heute nicht. Ich bin aus einem anderen Grund hier.«
»Ach ja?«
»Wir müssen uns mit Declan und Jacob treffen …«
Ein Hauch von Besorgnis steigt in mir auf. Wir veranstalten eigentlich keine Familientreffen. Ich glaube, zu viert haben wir uns zuletzt an dem Tag gesehen, als ich das Bootcamp abgeschlossen hatte. Meine Brüder und ich sind jeweils ein Jahr auseinander. Unsere arme Mutter hat vier Kinder in vier Jahren zur Welt gebracht und dann die nächsten sieben Jahre vier Söhne großgezogen, die nicht einfach waren. Wir haben uns zusammengeschlossen und waren die besten Freunde – und haben allen möglichen Unsinn angestellt.
Doch heute sind wir in alle Winde verstreut und sehen uns meist nur eins zu eins.
»Wo treffen wir sie?«
Sean beißt die Zähne zusammen und stößt einen tiefen Seufzer aus. »In Sugarloaf. Unser Vater ist tot. Zeit, nach Hause zu kommen.«
»Und jetzt ist es vorbei«, erklärt Declan und sieht in das Loch im Boden hinunter, in dem der Sarg steht.
Der Friedhof ist alt, und ein paar Grabsteine sind nach wie vor geborsten, nachdem wir ihn eines Abends abgefackelt hatten, weil wir Idioten waren.
Es ist still, und der Geruch nach Land liegt in der Luft. Es riecht ein wenig nach Dung, ein bisschen nach Rauch und stark nach alter Verbitterung. Ich dachte, wenn mein Vater tot wäre, würde es mir besser gehen, aber ich empfinde nur Zorn.
»Nicht ganz«, ruft Sean uns ins Gedächtnis. »Wir müssen uns noch darauf einigen, was wir mit der Farm und dem Land anfangen.«
»Alles niederbrennen«, sage ich gleichgültig.
Es macht mich nervös, wieder hier zu sein. Obwohl er nicht mehr da ist, habe ich immer noch das Gefühl, als beobachte er uns, verurteile uns und bereite sich aufs Zuschlagen vor. Zur Hölle, es fühlt sich an, als würden die Geheimnisse, die wir seinetwegen gehütet haben, mir den Hals zuschnüren.
»Connor hat nicht unrecht. Ich hätte allerdings ein besseres Gefühl, wenn der Alte noch im Haus wäre, sobald wir es anzünden«, setzt Jacob hinzu.
Ganz meine Meinung. Früher war mein Vater ein guter Mann. Er liebte seine Söhne, seine Frau und seine Farm und widmete sich all dem von ganzem Herzen. Dann starb meine Mutter, und damit verloren wir beide Elternteile.
Der freundliche, lustige und schwer arbeitende Mann, der mich Radfahren und Angeln gelehrt hatte, war verschwunden. Er war nur noch die leere Hülle eines Mannes, ein Säufer, der seinem Zorn mit den Fäusten Ausdruck verlieh.
Und, verdammt, war er zornig.
Auf jeden. Auf alles. Aber größtenteils auf meine Brüder und mich, weil wir ihn an die Frau erinnerten, die er geliebt und die Gott ihm viel zu früh genommen hatte. Als hätten wir nicht ebenfalls um den Verlust der wunderbarsten Mutter auf Erden getrauert.
Dec schüttelt den Kopf. »Der Besitz ist das Einzige, was der Mistkerl uns hinterlassen hat, und das alles hier ist Millionen wert. Außerdem haben wir Moms Asche hier verstreut. Wir werden uns in Geduld üben, so wie immer schon, und das Ganze verkaufen. Außer, einer von euch will die Farm?«
»Zur Hölle, nein.« Ich will verdammt noch mal nichts damit zu tun haben. Ich will diesen Ort aus meinem Leben streichen, um nie wieder nach Sugarloaf zurückkehren zu müssen.
Alle anderen brummen zustimmend.
»Also, wir müssen uns irgendwann diese Woche mit dem Notar treffen, und dann verkaufen wir das verfluchte Ding.«
Ich zweifle nicht daran, dass Dec schon seine Beziehungen hat spielen lassen, damit wir so schnell wie möglich aus diesem Höllenloch verschwinden können. So wie wir alle hat er in dieser Stadt vieles zurückgelassen, dem er aus dem Weg gehen will, was jedoch nicht umsetzbar sein wird, wenn wir uns länger als einen Tag hier aufhalten.
Zu viert quetschen wir uns in Seans Wagen und fahren zum Haus zurück. Sobald wir allerdings die Auffahrt erreichen, hält das Auto an.
Die hölzernen Säulen sind verwittert, aber immer noch unverwüstlich, und zwischen ihnen hängt das Schild, in das unser Familienname eingebrannt ist. Ich versuche, nicht an die Stimme meiner Mutter zu denken, doch die Erinnerung setzt zu stark und zu schnell ein, und ich bin wieder acht Jahre alt.
»Also, was ist eine Wahrheit über einen Pfeil?«
Ich stöhne, als sie die Augenbrauen hochzieht und auf die Antwort wartet.
»Mom, ich habe das neue Nintendo-Spiel zu Hause, und ich will damit anfangen.«
»Dann sage es mir lieber schnell, Connor. Was ist eine Wahrheit über einen Pfeil?«
Ich habe das Geld gespart, das ich zu meinem letzten Geburtstag bekommen hatte, aber es reichte nicht, daher musste ich mir für das Spiel Geld von Jacob leihen. Er ist so gemein, dass er mich gezwungen hat, sechs Monate seine Pflichten im Haushalt zu übernehmen, jetzt jedenfalls habe ich den neuen Super-Mario. Ich will nur spielen. Der Pfeil ist mir egal.
Sie hält das Auto an und verschränkt die Arme.
»Warum müssen wir das jedes Mal aufsagen?«, frage ich.
»Weil es wichtig ist. Familie ist das Wichtigste in diesem Leben, und ohne sie hast du nichts. Wenn wir diese Schwelle überqueren, sind wir wieder zu Hause. Wir sind bei den Menschen, die uns lieben, und du, mein Junge, wirst immer hierhergehören.«
Mama ist der beste Mensch, den ich kenne, und sosehr ich mich auch nach dem Nintendo-Spiel sehne – und ich will es wirklich –, wünsche ich mir noch mehr, sie glücklich zu machen. Ich mache Mama gern glücklich.
»Man kann erst einen Pfeil abschießen, wenn man seinen Bogen zerbricht«, murmle ich und hasse es, dass sie mich ausgerechnet diesen Satz immer wieder aufsagen lässt.
Sie lächelt. »Richtig. Und warum ist das von Bedeutung?«
»Moom«, jammere ich, denn das Spiel ruft nach mir.
»Komm mir nicht mit ›Moom‹.« Tadelnd schnalzt sie mit der Zunge. »Warum ist das von Bedeutung?«
»Wenn man den Bogen nicht zerbricht, kommt man niemals voran, und ein Pfeil ist dazu bestimmt davonzufliegen.«
Sie sieht mich an, und ihr Blick ist voller Liebe und Glück. »Genau, und euch ist Großes bestimmt. So, jetzt wollen wir nachsehen, ob deine Brüder das Haus stehen gelassen haben.«
»Und ich darf mein Spiel spielen.«
Mom lacht. »Ja, das auch – sobald du deine Hausarbeiten erledigt hast.«
»Ich kann das nicht«, gesteht Sean und starrt die unbefestigte Auffahrt an.
Meine Brüder haben diesen Ort verlassen, einer nach dem anderen, und sind dann abwechselnd zurückgekehrt, bis ich alt genug war, um ebenfalls fortzugehen. Sie haben mich auf eine Art beschützt, die ich damals gar nicht zu schätzen wusste. Jacob ist ein Jahr später aufs College gegangen, um sicherzustellen, dass Sean Baseball spielen konnte und ich nicht allzu oft allein mit Dad war. Nachdem Jacob weggezogen war, nahm Sean mich mit ins Stadion und sorgte dafür, dass ich ab und zu aus dem Haus kam. Declan ging zum College, verbrachte aber die Sommer zu Hause auf der Farm, damit er mich so oft wie möglich vor Dads Fäusten schützen konnte.
Declan wirkt am unbehaglichsten, doch er ist auch der willensstärkste von uns allen.
»Was ist eine Wahrheit über einen Pfeil?«, stößt er erstickt hervor, und ich schließe die Augen.
Mom. Was würde sie jetzt von uns halten? Würde sie verstehen, warum wir alle von hier fortgegangen sind? Hat sie gesehen, wie er uns durch die Hölle geschickt hat und was seinetwegen aus uns geworden ist?
Jacob gibt die Antwort. »Wenn man die Hälfte der Federn entfernt, fliegt der Pfeil schief und ändert seine Flugbahn. Deswegen ist Zusammenhalt so wichtig.«
»Mom wäre enttäuscht von uns«, sagt Declan. »Wir haben keine Frauen, keine Kinder, bloß Jobs.«
»Wir haben einander«, melde ich mich zu Wort. »Das war schon immer so, und sie hätte sich das gewünscht.«
Declan starrt aus dem Autofenster. »Sie hätte gewollt, dass wir mehr vom Leben haben …«
»Tja, schwierig, wenn man so aufgewachsen ist wie wir.« Jacobs Stimme klingt leise und tief betrübt. »Wir haben einen Pakt geschlossen. Nicht heiraten, keine Kinder und niemals im Zorn die Hand erheben. Sie hätte Verständnis dafür gehabt. Sie hätte sich gewünscht, dass wir zusammenhalten und nie so werden, wie er am Ende war.«
Vielleicht. Gott weiß, dass wir das hofften. Ich möchte gern glauben, dass sie auf uns heruntergeschaut, alles gesehen und verstanden hat, dass ihre Söhne diese Entscheidung aus gutem Grund getroffen hatten. Ich hatte sie am kürzesten, aber ich denke, sie hätte unseren Wunsch respektiert, andere zu schützen.
Wenn wir von einem solchen Mann abstammten, steckte das bestimmt auch in uns.
Declan sieht Sean an, den Bruder, der ihr bei Weitem am nächsten stand. Er hat sich die Nacht, in der sie starb, nie verziehen. »Fahr, Bruder. Zeit, dass wir weiterkommen.«
Sean knallt die Hand aufs Steuer, legt dann den Gang ein und fährt langsam den Pfad zur Hölle entlang.
Niemand von uns spricht. Ich weiß, dass ich keinen Gedanken lange genug fassen kann, um ein Wort zu sagen. Überall sind Erinnerungen.
Der Zaun, der die Auffahrt säumt. Dort pflegten meine Brüder zu sitzen, den Kühen zuzusehen und davon zu träumen, von hier wegzulaufen. Ich entdecke den Baum auf der linken Seite des Grundstücks, wo wir uns aus Holzresten eine Leiter gebaut hatten, damit wir in die Äste klettern und so tun konnten, als wären wir in unserem Versteck sicher.
Dort oben konnte Dad uns nichts anhaben.
Er war immer zu betrunken, um mehr als zwei Sprossen hochzusteigen.
Rechts liegt der Schießstand, wo meine Brüder und ich mit Pfeil und Bogen trainiert und uns stundenlang vorgestellt haben, wir wären Robin Hood oder andere große Männer, die Gutes taten.
Ich höre noch, wie wir vier diskutieren, wer der beste Schütze war, obwohl wir die ganze Zeit wussten, dass Sean der beste war. Der Mistkerl hatte immer die perfekte Haltung und traf am genauesten.
Und dann kommt das, was einmal mein Zuhause war, in Sicht.
»Das ist wie eine verdammte Zeitschleife«, sagt Dec. »Nichts hat sich verändert.«
Er hat recht. Das Haus sieht genauso aus wie damals, als ich gegangen bin. Es hat zwei Stockwerke und eine große Veranda mit einer Schaukel, die um das ganze Gebäude herum verläuft. Die weiße Farbe ist verblasst und blättert ab. An einem der Fenster fehlen die schwarzen Läden, und an einem anderen hängen sie schief. Seine Struktur ist vielleicht dieselbe, aber es ist nicht das Zuhause, an das wir vier uns erinnern.
Ich räuspere mich. »Nur, dass es jetzt eine verfluchte Ruine ist.«
»Ich glaube, der Alte hat keinen verdammten Finger mehr gerührt, seit wir fortgegangen sind«, sagt einer meiner Brüder hinter mir.
Unmöglich, dieses Haus zu dem Preis loszuschlagen, den es wert ist. Obwohl das Haus nie das Wichtigste war, sondern das Land. Über hundertzwanzig Hektar bestes Weideland in Pennsylvania. Ein Bach schlängelt sich hindurch, es gibt saftiges Gras für die Kühe, und es ist malerisch schön.
»Wie denn auch?« Declan schnaubt verächtlich. »Er hatte keine Arbeitssklaven mehr, die sich um alles gekümmert haben, während er sich das Hirn weggesoffen hat.«
Ich nicke und spüre eine neue Art Zorn auf ihn. Er hätte sich wenigstens um die Farm kümmern können.
»Was ist mit den Tieren?«, fragt Sean.
»Wir müssen eine komplette Bestandsaufnahme anstellen, damit wir wissen, womit zum Teufel wir es zu tun haben«, sage ich.
Meine Brüder sind meiner Meinung, daher teilen wir uns die Aufgaben auf. Zeit, festzustellen, was er sonst noch zerstört hat.
Die Farm ist ein Chaos, rede ich mir immer wieder ein. Ein Albtraum. Er hat absolut alles verkommen lassen bis auf die Melkanlage, die er in Betrieb halten musste, um genug Geld für seinen Schnaps zu verdienen.
Trotzdem ist es unglaublich, wie er das Land heruntergewirtschaftet hat. Ein Erbe, das über zehn Millionen hätte einbringen können, ist höchstens noch die Hälfte wert. Es wird verdammt viel Arbeit kosten, die Farm auch nur annähernd so herzurichten, dass sie den Kaufpreis einbringt, den wir uns vorstellen.
Ich gehe durch das Feld, das links vom Bach liegt, zu der Stelle, an der ich mich immer verborgen gehalten habe. Ich war zehn, als mein Vater sich zum ersten Mal in einen Wutrausch trank, und Declan hat die Prügel eingesteckt, sich vor uns gestellt und uns befohlen, wegzulaufen und uns zu verstecken.
Damals habe ich nicht wirklich begriffen, was los war; nur, dass mein Bruder, den ich liebte, auf mich einschrie, ich solle weglaufen.
Also tat ich es.
Ich rannte. Ich rannte so schnell, dass ich nicht wusste, ob ich je wieder stehen bleiben könnte. Ich rannte, bis ich keine Luft mehr bekam. Ich hielt erst an, als ich mir sicher war, dass mich hier niemand finden könnte. Denn in Declans Augen hatte etwas gestanden, was ich noch nie darin gesehen hatte – Angst.
Jetzt stehe ich am Bachufer und sehe zu der Plattform hinauf, die ich in den Baum gebaut hatte und wo ich viele Tage und Nächte verbracht habe, um der Hölle in meinem Haus zu entrinnen.
Was für eine verdammte Sauerei.
Dies ist der letzte Ort, an dem ich sein will. Andererseits brauche ich mich vor nichts mehr zu verstecken. Ich bin nicht länger der verängstigte kleine Junge, und im Haus lauern keine Ungeheuer mehr. Trotzdem kann ich mich eines hohlen Gefühls im Bauch nicht erwehren.
Die Stille ist beinahe hörbar, als ich jetzt hier stehe und dem Plätschern des Bachs lausche, das mich in den Schlaf zu wiegen pflegte. Das Farmland ist wunderschön. Ich kann nicht anders, als das üppige Grün und am Himmel die dunklen Rosatöne des Sonnenuntergangs zu bewundern, der die Wolken anstrahlt und sie wie Zuckerwatte aussehen lässt.
Ich schließe die Augen, wende mein Gesicht dem Himmel zu und höre meinen eigenen Atem.
Und dann vernehme ich von oben ein dumpfes Geräusch, und abrupt schalten sich all meine Sinne ein.
Ich blicke mich um, um festzustellen, was das war.
Dann ein Schniefen.
»Hallo?«, rufe ich und drehe mich zu dem Baum und der Plattform um, die hoch in seinen Ästen sitzt.
Ein Schleifen – Füße, die über das Holz schlurfen. Dort oben ist jemand. Es muss ein Kind sein, denn ein Erwachsener könnte sich nicht auf dieser Plattform verstecken. Doch der unbekannte Jemand gibt keine Antwort.
»Hallo? Ich weiß, dass du da oben bist«, sage ich sanfter und versuche, weniger bedrohlich zu klingen. »Du brauchst keine Angst zu haben.«
Noch eine Bewegung und dann etwas, das eindeutig ein Schmerzensschrei ist.
Ich warte nicht ab, sondern steige in den Baum. Beim Bau der hölzernen Leiter haben meine Brüder mir geholfen, damit ich mich hier immer verstecken konnte.
»Ich komme rauf. Hab keine Angst«, sage ich, denn ich will nicht, dass die Person, die da oben ist, von der kleinen Holzplanke hinunterfällt.
Als ich die Plattform erreiche, kauert ein kleines Mädchen in der Ecke. Furcht steht in ihren weit aufgerissenen Augen. Sie scheint nicht viel älter zu sein, als ich es gewesen bin, als ich zum ersten Mal hier Zuflucht gesucht hatte. Aber ich habe nicht viel mit Kindern zu tun, daher habe ich keine Ahnung, wie alt sie wirklich ist. Was ich wiedererkenne, sind die Angst und die Tränen, die ihr übers Gesicht laufen. Ich muss genauso ausgesehen haben, wenn ich hier saß.
»Ich tue dir nichts. Geht’s dir gut? Ich habe dich weinen gehört.«
Sie nickt schnell.
»Okay, bist du verletzt?«
Eine Träne läuft ihr über die Wange, und sie nickt noch einmal und hält sich den Arm.
»Ist es dein Arm?«, frage ich und weiß, dass es so ist. Als sie immer noch nichts sagt, versuche ich mich daran zu erinnern, wie es sich angefühlt hat, sich verletzt und allein auf einem Baum zu verstecken. »Ich bin Connor und habe früher hier gewohnt. Das war mein liebster Platz auf der ganzen Farm. Wie heißt du?«
Ihre Unterlippe zittert, und sie scheint mit der Entscheidung zu ringen, ob sie mir antworten darf. Schließlich beobachtet sie mich aus ihren grünen Augen wie ein Habicht und presst die Lippen zusammen, um mir zu bedeuten, dass sie auf keinen Fall mit mir reden will.
Ich steige noch eine Sprosse höher und stütze mich auf die Plattform. »Ist schon gut, du brauchst es mir nicht zu sagen.«
Ich werde so lange hier oben bleiben, wie es dauert, sie herunterzulocken.
Sie setzt sich auf, sodass ihr braunes Haar um ihr Gesicht fällt, schnieft und schiebt es zurück. »Du bist ein Fremder«, erklärt das kleine Mädchen.
»Ja. Und es ist richtig, nicht mit Fremden zu reden. Würde es dir helfen, wenn ich dir sage, dass ich bei der Navy so etwas wie ein Polizist war?«
Sie kneift die Augen zusammen und mustert mich. »Polizisten haben Uniformen.«
Kluges Kind. Ich grinse. »Stimmt. Ich hatte eine, aber jetzt arbeite ich nicht, sondern bin auf der Farm. Kannst du mir erzählen, wie du dir am Arm wehgetan hast?«
»Ich bin gefallen.«
»Wieso bist du hier hochgeklettert?«
Sie rutscht ein wenig herum. »Ich wollte, dass mich niemand findet.«
Mein Magen zieht sich zusammen, als eine Million Erklärungen dafür in mir aufsteigen, weshalb dieses kleine Mädchen sich mit Schmerzen im Arm hier oben versteckt, statt nach Hause zu laufen, um Hilfe zu suchen. Ich muss mich beherrschen und mir ins Gedächtnis rufen, dass nicht jeder ein so mieses Familienleben hat wie ich. Sie könnte alle möglichen Gründe haben.
»Warum nicht?«
Sie beißt sich auf die Unterlippe. »Daddy hat gesagt, ich darf das Haus nicht verlassen, und ich wollte nicht, dass er böse wird.« Dann wischt sie sich die Nase mit dem Arm ab, und noch eine Träne läuft. »Ich wollte hier warten, bis Mommy heimkommt.«
Ich nicke ihr verständnisvoll zu. »Also, ich bin mir sicher, dass dein Daddy sich Sorgen um dich macht. Wir sollten dich nach Hause bringen, damit sich jemand deinen Arm ansieht.«
»Er wird so böse sein.« Ihre Lippen zittern.
Das arme Ding hat panische Angst. Keine Ahnung, ob vor ihrem Vater oder weil sie ungehorsam war. Ich weiß nicht, wer sie oder ihr Vater sind, aber ich kann sie nicht verletzt und verängstigt hier sitzen lassen, sonst fällt sie noch herunter.
»Und wenn ich ihm nicht sage, wo ich dich gefunden habe, solange er nicht fragt?«
Neugierig mustert sie mich. »Lügen, meinst du?«
»Nein. Ich finde nur, dass Freunde Geheimnisse haben dürfen. Und wir sind doch jetzt Freunde, oder?«
»Schätze ja.«
»Also, meine Freundin, du weißt, dass ich Connor heiße, aber ich kenne deinen Namen immer noch nicht.«
Sie schürzt die Lippen. »Ich bin Hadley.«
»Nett, dich kennenzulernen, Hadley. Darf ich dir herunterhelfen, da dein Arm verletzt ist?«
Eifrig nickt Hadley.
Ich weise sie an, zu mir herüberzurutschen, und dann schlingt sie einen Arm um meinen Hals und hält sich fest, während ich mit ihr hinuntersteige, ohne sie allzu sehr durchzuschütteln. Als wir den Boden erreichen, setze ich sie ab und gehe in die Hocke.
Wir befinden uns auf Augenhöhe, und etwas daran, wie sie mich ansieht – als wäre ich ihr Retter –, zieht mir das Herz zusammen.
»Was macht dein Arm?«
»Er tut weh.« Sie klingt verzagt, und ihre Stimme zittert ein wenig vor Schmerz. Sie nimmt den Arm vor den Körper und hält ihn fest.
»Darf ich ihn ansehen?«
Hadley ist ein winzig kleines Ding. Ich habe allerdings keinen Vergleich und keine Ahnung, wie alt sie sein könnte, ob das eine normale Größe für ein Kind ist oder ob ich ein Idiot bin.
»Okay.«
Ich werfe einen Blick darauf, und der Arm wirkt, als hätte sie ihn sich geprellt. Er ist angeschwollen, doch nicht offensichtlich gebrochen.
»Tja, sehr schlimm sieht er nicht aus, aber ich finde, wir sollten dich nach Hause bringen, damit deine Eltern sich vergewissern können, dass er nicht gebrochen ist. Wo wohnst du?«
Sie zeigt über den Bach zur Walcott-Farm.
»Heißt du mit Nachnamen Walcott?«
»Jepp.«
Ich lächle. Gut zu wissen, dass die Farm nicht verkauft worden ist. Die Walcotts waren gute Leute. Meine Mutter und Mrs Walcott waren eng befreundet. Nach Moms Tod pflegte Jeanie uns Essen zu bringen und dafür zu sorgen, dass wir ab und zu Kuchen bekamen. Ich mochte sie gern und war traurig, als sie starb. Tim ist ungefähr einen Monat nach ihr verstorben, an gebrochenem Herzen, wie mein Vater immer sagte. Ich wünschte, mein Vater hätte meine Mutter genug geliebt, um mit ihr zu sterben. Aber das Glück hatte ich nicht.
Ich wusste nicht, ob jemand die Farm gekauft hatte oder der Besitz vererbt worden war. Die Walcotts hatten keine eigenen Kinder, doch anscheinend ist die Farm noch im Familienbesitz.
»Ich bringe dich nach Hause und passe auf, dass du dir nicht wieder wehtust. Möchtest du querfeldein laufen, oder soll ich dich lieber fahren?«
Ich sehe, dass sie das beunruhigt, aber dieses Mädchen ist verletzt, und ich lasse sie auf keinen Fall allein gehen.
»Wir können laufen.«
»Gut.« Ich stehe auf, strecke ihr die Hand entgegen und lächle, als sie sie nimmt, denn anscheinend vertraut sie mir inzwischen ein wenig.
Wir reden nicht viel, während wir zu ihr nach Hause gehen. Aber dann spüre ich, wie sie zu zittern beginnt. Ich kann mich nur zu gut daran erinnern, wie ich nicht zurückwollte, weil meine Eltern böse auf mich sein würden. Ich bekam es ständig mit dem Holzlöffel zu tun, weil meine Mutter mir befohlen hatte, vor dem Dunkelwerden daheim zu sein. Doch ich war davongestromert und hatte mich auf dem riesigen Besitz verlaufen, wo überall alles gleich aussah, und einer meiner Brüder musste mich holen kommen.
»Wie lange wohnst du schon hier?«, frage ich, um sie davon abzulenken, dass ihr eine Strafe bevorsteht.
»Ich bin hier groß geworden.«
»Und wie alt bist du?«
»Sieben.«
Ihre Familie muss, kurz nachdem ich fortgegangen bin, hergezogen sein.
»Du wohnst mit deinen Eltern hier?«
»Mein Daddy arbeitet auf der Farm, zusammen mit meiner Mommy. Sie ist auch Lehrerin.«
»Klingt, als wären sie nette Leute.«
Hadley wendet den Blick ab, und wieder habe ich dieses nagende Gefühl. Mein ganzes Leben lang habe ich auf meinen Instinkt vertraut. Beim Militär heißt es, töten oder getötet werden. Ich konnte mich nur auf mich selbst verlassen, um zu erkennen, ob etwas bedrohlich war. Etwas an ihrem Verhalten lässt bei mir tausend Warnlampen angehen.
»Meine Eltern sind wahrscheinlich nicht zu Hause. Bestimmt triffst du sie gar nicht an.«
Ich nicke, als hätte ich sie nicht durchschaut. Ich bin damit groß geworden, Ausreden dafür zu finden, warum meine Freunde nicht vorbeikommen oder die Lehrer nicht anrufen sollten. Mein Vater schlief. Er war nicht daheim. Er war mit dem Traktor unterwegs, oder er war gerade nicht in der Stadt. Alles, was mir einfiel, um zu verhindern, dass jemand etwas mitbekam. Damit niemand einen Grund hatte, Fragen zu stellen. Ich habe nicht nur mich selbst versteckt, sondern alles um mich herum.
»Tja, wenn nicht, dann weiß ich wenigstens, dass du sicher nach Hause gekommen bist.«
»Meinst du, ich könnte manchmal hinüberkommen und auf deinen Baum klettern? Deiner hat eine Leiter, meiner nicht.«
Ich lächle ihr zu. »Jederzeit, Kleine. Mein Baum gehört dir. Und wenn du in den nächsten paar Tagen vorbeikommst, kann ich dir noch zwei andere Verstecke zeigen, die ich mit meinen Brüdern gebaut habe.«
»Wirklich? Cool!« Hadleys Miene hellt sich auf.
»Ja, wirklich.«
Wir gehen auf die Einfahrt zu, und jemand steht am Wagen. Das dunkelbraune Haar der Frau fällt ihr in Wellen über den Rücken. Sie hebt eine Papiertüte aus dem Kofferraum. Als sie sich umdreht, treffen sich unsere Blicke, und mein Herz setzt beinah aus.
Sie öffnet den Mund, und ihre Einkäufe fallen vergessen zu Boden, während ich vor der Frau stehe, die mir in meinen Träumen erscheint.
Mein Engel ist zurück, nur dass sie nicht mein ist.
Das kann nicht sein.
Das passiert nicht wirklich.
Jene Nacht liegt acht Jahre zurück. Acht Jahre, in denen ich getan habe, als wäre alles ein Traum gewesen, weil es nicht anders sein durfte.
Ich habe ihn nie wiedergesehen. Ganz gleich, wie viele Tage und Nächte ich den Blick über Menschenmengen schweifen ließ oder jeden Autofahrer ansah – er war nie dabei.
Zum Teil war ich dankbar dafür, denn diese Nacht war eine der herzzerreißendsten und unglaublichsten meines Lebens gewesen. Ich hätte mich ihm nie hingeben dürfen, aber ich war mir so unsicher über mein Leben und wusste nicht, ob es das Richtige war, Kevin zu heiraten. Ich wusste nur, dass ich das Bedürfnis hatte, geliebt und wertgeschätzt zu werden, auch wenn es nur für eine Nacht war. Ich wollte so in den Armen gehalten werden wie von diesem Mann, als wir getanzt hatten.
Der andere Teil war die Qual, weil ich am nächsten Tag heiraten würde, und Gott helfe mir, aber ich betete darum, ihn nie wiederzusehen, damit ich einen Weg finden konnte, mir meine Sünden zu vergeben.
Ich hätte wissen müssen, dass ich meine Sünden niemals büßen kann. Und dass er hier vor mir steht, ist der Beweis dafür.
»Mommy!«
Hadley kommt angerannt. Angesichts der Einkäufe, die auf dem Boden liegen, steht schreckliche Angst in ihren Augen.
Mist. Ich habe sie fallen gelassen. Ich hasse es, dass sie sich so große Sorgen macht.
»Ist schon gut, Baby. Ich hebe sie auf.«
Als Hadley sieht, dass ich den Mann anschaue, dreht sie sich zu ihm um. »Connor, das ist meine Mom.«
Connor. Ich hatte ihm so viele Namen gegeben, aber Connor passt zu ihm. Es ist ein starker Name, so wie er selbst.
Die Zeit hat ihm nichts von seiner Anziehungskraft genommen. Seine Augen sind von einem tiefen Smaragdgrün und geben mir das Gefühl zu schweben. Sein Haar ist auf dem Oberkopf länger und zur Seite gekämmt, was ihn ein wenig jungenhaft aussehen lässt, doch das macht ihn nur noch attraktiver. Und dann sein Körper. Gott, sein Körper ist sündhaft. Sein Shirt spannt sich um seine Arme, und die Muskeln darunter sind unverkennbar.
Sein Brustkorb ist breiter als in meiner Erinnerung.
Und ich erinnere mich an alles.
Seine Berührung, seinen Duft und den Klang seiner Stimme, als er mich auf eine Art liebte, von der ich nicht gewusst hatte, dass sie existiert.
Ich habe ihn und die Erinnerung an jene Nacht mehr gebraucht, als er ahnen kann. Ich habe sie so oft an mir vorbeiziehen lassen und mich an diese Empfindungen geklammert, nach denen ich mich so verzweifelt sehnte. Ich fand es wundervoll, wie meine Welt in leuchtenden Farben zum Leben erwachte, wenn ich mit ihm zusammen war. Er war wie ein Komet, der den Himmel in Flammen gesetzt hatte, und für mich ist das Feuer dieses Kometen nie verblasst.
Aber dass er jetzt hier ist? Das bringt alles in Gefahr – sogar das Leben des kleinen Mädchens, neben dem er steht.
Ich sehe beide an, während ich mich hinknie, um aufzuheben, was ich fallen gelassen habe. »Und woher kennt ihr zwei euch?«
Er kommt ebenfalls herüber und bückt sich, um das aufzusammeln, was außerhalb meiner Reichweite liegt. »Ich habe Hadley auf einem Baum entdeckt, und ich glaube, sie hat sich den Arm schlimm gestoßen. Ich wollte sichergehen, dass sie gut nach Hause gelangt.«
Sofort konzentriere ich mich auf sie. Keine Ahnung, ob sie sich verletzt hat oder ob jemand ihr das angetan hat. »Geht’s dir gut? Was ist passiert?«
Sie sieht ihn an und dann wieder mich. »Ich bin gefallen.«
Ich schließe die Augen und wünsche mir ganz fest, dass das wahr ist. Kevin schlägt mich, aber er hat noch nie die Hand gegen Hadley erhoben.
»Lass mal sehen.« Sie zieht den Ärmel hinauf, und ich berühre den hässlichen blauen Fleck und bin entsetzt, weil er angeschwollen scheint. »Ich muss mit ihr zum Arzt.«
Connor hebt die Einkaufstüte hoch und reicht sie mir. »Kann ich irgendwie behilflich sein?«
Rasch schüttle ich den Kopf. »Nein, nein. Ich habe alles im Griff. Mein Mann arbeitet auf der Farm. Ich bringe das hier nach drinnen, und dann fahre ich mit ihr. Danke.«
Kevin darf ihn nicht sehen. Sonst wird er eine Million Fragen stellen und wissen wollen, wer er ist, woher ich ihn kenne, warum Hadley nicht im Haus geblieben ist, wie sie sollte, und was mit ihrem Arm passiert ist. Momentan bin ich innerlich so aufgewühlt, dass ich mit alldem nicht umgehen kann.
»Sicher?«
»Absolut.«
Connor schmunzelt betrübt und streicht Hadley dann über den Kopf. »Sei vorsichtig, ja?«
Hadley lächelt zu ihm auf. »Du auch.«
Er lacht. »Ich bin aber nicht verletzt.«
»Aufpassen solltest du trotzdem. Du bist schließlich Soldat.«
Deswegen habe ich ihn also nie wiedergesehen. Er war fort. Doch jetzt ist er offensichtlich zurück. Ich habe nur keine Ahnung, was das heißt oder ob es überhaupt etwas zu bedeuten hat. Ich weiß nicht einmal, warum ich mir Gedanken darüber mache. Ich habe hier mein Leben mit Kevin und Hadley.
Wir können ihn nicht verlassen, selbst wenn wir wollten. Dafür hat Kevin gesorgt, als er mit mir hierhergezogen ist, wo ich niemanden kenne.
Trotzdem öffne ich den Mund. »Du bist beim Militär?«, höre ich mich fragen.
»Nur noch ein paar Wochen. Dann bin ich raus.«
Ich nicke und bin dankbar dafür, dass er wieder fortgehen wird.
»Jedenfalls danke dafür, dass du Hadley nach Hause gebracht hast.«
Er tritt einen Schritt auf mich zu, sodass mein Puls rast. Ich brauche alle Kraft, die ich habe, um die Stellung zu halten.
»Gern geschehen …«
Ich kämpfe mit mir, ob ich ihm meinen Namen nennen soll. Ich will nicht lügen, doch wenn ich ihm das erzähle, kann ich mir nicht länger etwas vormachen. Aber ich bin ihm etwas schuldig. Ich schulde ihm so viel, daher ringe ich nicht weiter mit mir, sondern sage ihm die Wahrheit. »Ich bin Ellie.«
Connor tritt noch einen Schritt heran, und seine tiefe Stimme streicht über mich hinweg, als er meinen Namen zärtlicher ausspricht, als ich das je gehört habe. »Ellie. Das habe ich doch gern getan, und es war nett, Sie kennenzulernen.«
Vorsichtig lächle ich. »Ebenfalls, Connor.«
Seinen Namen auszusprechen fühlt sich an, als finde ein Puzzlestück an seinen Platz.
Hadley nimmt die Hand, die ich ihr entgegenstrecke, und wir gehen die Stufen zu dem heruntergekommenen Haus hinauf, das wir unser Zuhause nennen, und lassen ihn dort stehen. Er sieht uns nach, und ich frage mich, ob er gesehen hat, was ich seit sieben Jahren ignoriere – dass Hadley seine Augen hat.
»Der Arm ist nicht gebrochen, aber verstaucht«, erklärt Dr. Langford, während er Hadley untersucht. »Die zweite Verstauchung in zwei Monaten.«
»Ja, sie ist … sie ist so lebhaft und rennt und klettert so gern. Ich kann sie einfach nicht dazu bringen, auf dem Boden zu bleiben.«
Dr. Langford nickt. »Ich hatte auch so einen Wildfang. Immer mit blauen Flecken und Kratzern übersät. Kommt teilweise vom Leben auf einer Farm. Das erklärt wahrscheinlich, warum Sie in letzter Zeit öfters Pech hatten, was?«
Ich nicke.
Ich hasse diese Lügen. Ich hasse das alles, doch ich habe solche Angst.
Ich weiß, dass ich fortgehen muss. Dass Hadley ein wildes Kind ist und ständig klettert, ist durchaus ein Teil der Wahrheit. Aber ich bin nicht immer zu Hause, und ich traue Kevin nicht. Sie schwört, dass sie gefallen ist, und ich habe noch nie gesehen, dass er sie körperlich misshandelt hat. Nur kann ich wirklich darauf zählen, dass ein Mann, der bereit ist, seine Wut an seiner Frau auszulassen, einem Kind so etwas nicht antut?
Wenn ich wüsste, wohin ich gehen soll, würde ich sofort flüchten. Doch ich kann nirgendwohin. Meine Eltern sind eine Woche vor der Hochzeit mit Kevin gestorben, und ich habe kein Geld, keine Unterstützung und auch keine Familie, die uns aufnehmen würde. Wenn ich ihn verlasse, muss das gut geplant sein.
Deswegen war es nötig, den Job als Vertretungslehrerin anzunehmen.
»Jetzt musst du aber besser aufpassen und darfst erst wieder klettern, wenn dein Arm gesund ist.«
Hadley lächelt. »Ja. Ich habe einen neuen Freund.«
»Ach ja?«
»Er heißt Connor. Ihm gehört die Farm neben unserer.«
Die Augen des Arztes weiten sich. »Connor Arrowood?«
»Er sagt, er war bei der Navy und so etwas wie ein Polizist. Er hat mich auf einem Arm getragen.«
»Ich kenne die Arrowood-Brüder schon lange. Gute Jungs. Hatten nach dem Tod ihrer Mutter eine schwere Zeit.«
Natürlich ist er ein Arrowood. Es war mir gar nicht klar, dass es so sein musste, wenn er auf der Farm nebenan lebte. Ich wohne seit acht Jahren hier, und ich habe nur einmal von den Brüdern gehört, als jemand erwähnte, sie hätten seit fast zehn Jahren keinen Fuß mehr in die Stadt gesetzt.
»Wie lange ist das her?«, erkundige ich mich.
Dr. Langford blickt auf und scheint zu überlegen. »Das muss gewesen sein, als Connor ungefähr acht war. Ein Jammer, ihre Mutter hatte Krebs, und alles ging furchtbar schnell. Sie müssen zurückgekommen sein, da ihr Vater verstorben ist.«
»Sehr gut möglich, ich hatte ja schon ein schlechtes Gewissen, weil ich nicht zur Beerdigung gegangen bin.«
Er nickt. »Ich war auch nicht da, aber ich war nie ein großer Fan von ihm. Nach dem Tod seiner Frau hat er sich verändert. Jedenfalls ergibt es Sinn, dass die Brüder hergekommen sind, um ihn zu begraben und die Farm zu verkaufen.«
»Verkaufen?«, frage ich.
Er zuckt die Schultern und beginnt, Hadley eine Armschlinge anzulegen. »Bestimmt bleiben sie nicht lange, obwohl ihr Vater tot ist.« Er wirft mir einen Blick zu, der mir verrät, dass sie nach dem Tod ihrer Mutter nicht nur wegen ihrer Trauer eine »schwere Zeit« hatten. »Aber du hast einen guten Freund gefunden, Hadley«, fährt er dann fort. »Ich mochte Connor schon immer.«
Sie grinst und teilt offensichtlich die Einschätzung des Arztes. Ein Teil meiner Angst lässt nach. Wenn er nicht hier sein wird, muss ich mir keine Sorgen machen. Er wird die Farm verkaufen, dahin zurückkehren, wo er normalerweise lebt, und ich brauche keine … Störung bei meinem Plan, von hier zu fliehen, zu fürchten.
Aber jetzt kenne ich seinen Namen und kann alles in Ordnung bringen, sobald ich weit weg von hier bin. Mich vergewissern, ob Hadley sein Kind ist.
»Schön, Kleines. Du bist fertig. Denk daran, was ich gesagt habe: nicht klettern, und lass es ruhig angehen, bis du ganz gesund bist. Tob nicht so viel herum.«
»Versprochen«, verkündet Hadley, doch ich weiß, dass sie nicht die Wahrheit sagt.
Dieses Kind kann einfach nicht still sitzen.
»Gut, lässt du jetzt deine Mama und mich ein paar Minuten allein, damit wir uns unterhalten können? Ich glaube, Mrs Mueller an der Rezeption hat Lollis für dich.«
Mehr braucht er nicht zu sagen, und sie ist verschwunden.
»Wie geht es Ihnen?«, fragt er in väterlichem Tonfall.
»Mir geht’s gut.«
»Ich will ja nicht neugierig sein, Ellie, aber Sie haben da eine ziemlich üble Prellung am Arm.«
Sofort ziehe ich den Ärmel herunter und ärgere mich, dass er so weit hochgerutscht war, dass er die Male sehen konnte. »Ich habe mich an der Wand gestoßen, als ich Arbeitsmaterial für das Klassenzimmer zusammengesucht habe. Ich habe immer schon leicht blaue Flecken bekommen.«
Und ich verstehe mich inzwischen richtig gut darauf, keine ärztliche Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Als Kevin mich das letzte Mal am Handgelenk gepackt und es mir ausgerenkt hat, da habe ich es selbst wieder eingerenkt und geschient. Dann, als er mir ein Bein gestellt hat, sodass ich mir den Knöchel verstauchte, habe ich einen Monat lang eine Bandage getragen und versucht, die Schmerzen zu ignorieren. Ich konnte unmöglich in die Notaufnahme fahren, also habe ich Mittel und Wege gefunden, Verletzungen zu verstecken.
Aber wenn der Arzt meine Rippen sehen würde, würde er mir niemals abnehmen, dass Hadleys Sturz, von dem ich mir nicht einmal sicher bin, dass er einer gewesen ist, nur ein Unfall war, und dann würde ich sie nie wiedersehen. Ich kann nicht zulassen, dass man sie mir wegnimmt. Ich werde besser auf sie aufpassen. Ich werde tun, was ich tun muss, um dafür zu sorgen, dass wir innerhalb der nächsten zwei Monate fortgehen. Ich brauche Zeit und muss meine Vorkehrungen treffen.
Er mustert mich aufmerksam, und ich sehe, dass er mir das nicht abkauft. »Ich maße mir kein Urteil an, ich will nur helfen.«
Wie denn? Die Farm, das Auto und das Bankkonto gehören Kevin, und ich habe nichts. Kevin muss immer alles unter Kontrolle haben, und wenn es nicht so läuft, wie er will, verliert er die Beherrschung. Wenn wir fortgehen, dann so weit, dass er uns nicht finden kann, ganz gleich, wie sehr er sucht. Und suchen wird er nach uns.
Er wird seine Tochter wollen, und mich wird er nie gehen lassen.
Ich versuche, dem Arzt mein herzlichstes Lächeln zu schenken. »Alles in Ordnung, Dr. Langford. Ich schwöre.«
Er seufzt und kommt zu dem Schluss, dass er mir nichts weiter entlocken kann.
Niemand kann etwas tun, um uns zu helfen.
»Schön, bis bald also. Passen Sie auf sich auf, und zögern Sie nicht, sich zu melden, wenn Sie etwas brauchen.«
»Ja. Versprochen.«
Er geht, und dann rennt Hadley, die Tasche voller Lollis, zurück in den Raum. Sie steuert direkt auf mich zu und schlingt die Arme um meine Taille, sodass ich zusammenzucke.
»Tut mir leid, Mommy! Ich hatte vergessen, dass du einen blauen Fleck hast.«
Ich habe immer Prellungen. »Schon gut, Baby.«
»Ist Daddy wieder wütend geworden?« Sorge steht in Hadleys Augen. »Er sollte dir nicht so wehtun.«
Gott, es kann nicht sein, dass ich ihr das vorlebe.
»Es war nur ein Unfall«, lüge ich. »Mir geht’s gut.«
Sie schüttelt den Kopf. »Ich mag nicht, dass du schon wieder blaue Flecken hast.«
Ich auch nicht, und deswegen muss ich das tun. Um ihretwillen werde ich sie aus seinem Haus herausholen und sie beschützen. Ich habe einen Mann geheiratet, der Hadley und mich irgendwann zerstören wird, wenn ich nicht vorher flüchten kann. Und genau das habe ich vor.
»Wenn wir die Farm verkaufen wollen, haben wir eine Menge Arbeit vor uns«, erkläre ich und greife nach dem Bier, das Declan mit zum Tisch gebracht hat.
»Was du nicht sagst.« Declan schüttelt den Kopf. »Wenigstens ist das Land gut. Das ist der Teil, der richtig Heu einbringen wird.«
»Wortspiel beabsichtigt.« Sean grinst und prostet uns mit seinem Bier zu.
Idioten.
Immerhin sind meine Brüder und ich uns einig. Keiner von uns will diese Farm, und wir können es alle nicht abwarten, aus Dodge City zu verschwinden.
Dann denke ich an die Frau von nebenan, von der ich acht verdammte Jahre lang geträumt habe und die jetzt verheiratet ist und ein Kind hat.
Ich darf nicht in dieser Gegend bleiben. Sonst werde ich sie wiedersehen wollen, um herauszufinden, ob alles, was ich mir in meiner Fantasie ausgemalt habe, wahr ist.
Jacob lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und zeigt mit der Bierflasche auf mich. Für seine neue Rolle hat er sich den Kopf kahl rasiert. »Du bist der Einzige, der keine Verpflichtungen hat, Connor.«
»Ich?«
Jacob steht mir altersmäßig am nächsten. Wir sind uns auch optisch am ähnlichsten. Wir sind beide eins neunundachtzig groß und haben dunkelbraunes Haar und grüne Augen.
»Ja. Ich mein’s nicht böse, Kleiner, aber du hast nichts, was auf dich warten würde.«
Ich hasse es wirklich, dass sie in mir immer noch den kleinen Bruder sehen, der so naiv ist und diese drei Mistkerle braucht, die ihn beschützen. Sie kapieren nicht, dass ich ein verdammter Navy-SEAL bin oder dass ich im Krieg gekämpft habe, beschossen worden bin und auf andere gefeuert habe und dass ich sie alle erledigen könnte, wenn ich nur wollte.
»Ich habe jede Menge Aussichten.«
Sean zuckt die Schultern. »Du wirst aus der Navy entlassen und hast keine Wohnung und keinen Job. Ich meine, vielleicht solltest du die Farm übernehmen, bis du dich berappelt hast.«
»Keine schlechte Idee«, sagt Declan.
Verräter.
»Nein, verdammt!«
Das würde meinen Plan, diese verfluchte Stadt hinter mir zu lassen, vollkommen torpedieren. Seit ich zurück bin, haben sich schon zu viele hässliche Erinnerungen gemeldet, die zu vergessen ich mir so große Mühe gegeben habe.
»Wir meinen ja nur, dass du vielleicht einige Zeit etwas zu tun hättest. Wir wissen ja, dass du von uns allen am praktischsten veranlagt bist«, versucht Jacob zu erklären. »Wir sind uns alle einig darüber, dass hier massenweise zu tun ist, da liegt das nahe. Aber was ist eigentlich mit seinem Bein?«
Ich schnaube verächtlich und kippe mein Bier hinunter, bevor ich antworte. Wut und Abscheu brodeln in mir, weil sie vorschlagen, dass ich in diesem Haus wohnen soll. Jedes Mal, wenn einer meiner Brüder fortging, um sein eigenes Leben zu führen, wurde es schlimmer mit meinem Vater. Er trank mehr und schlug fester zu, und ich hasste alles an dieser Stadt ein wenig mehr.
Gute Zeiten hatte ich praktisch nie. Die einzige Erinnerung, die ich hüte wie einen Schatz, ist die Nacht mit meinem Engel.
Aber wie alle Engel gehört sie ebenso wenig hierher wie ich. Sie hat Besseres verdient und ganz bestimmt keinen abgehalfterten Ex-SEAL, der von einer verheirateten Frau geträumt hat. Sie hatte mir erzählt, sie wolle fliegen. Deswegen haben wir einander unsere Namen nicht verraten.
Weit ist sie allerdings nicht gekommen. Sie hat sogar innerhalb von knapp einem Jahr nach unserer gemeinsamen Nacht geheiratet und ein Kind bekommen. Offensichtlich habe ich mich stärker an diese Erinnerung geklammert als sie.
»Seinem Bein geht’s gut. Es ist verheilt, er ist bloß nicht mehr diensttauglich«, entgegnet Declan.
Nein, ich bin nicht diensttauglich, aber ich bleibe definitiv nicht hier.
»Hey, hörst du überhaupt zu?« Sean stößt mich in die Rippen.
»Nein, euch Idioten höre ich nicht zu.«
Er seufzt tief und wendet den Blick ab. »Jacob hat nicht unrecht. Auf der Farm wartet jede Menge Arbeit, du brauchst ein Leben, und wir alle haben viel zu tun.«
»Ach, und ich bin derjenige, der nichts Besseres vorhat?«
»So ziemlich«, gibt Declan zurück.
Jetzt weiß ich wieder, warum ich es hasse, mit den dreien zusammen zu sein.
»Ich werde nicht in dieser Stadt bleiben.«
Declan stellt sein Bier hin und wendet sich mir zu. »Wieso? Er ist tot und kann dir nichts mehr anhaben.«
Nein, aber etwas anderes könnte das – die Aussicht, sie wiederzusehen.
»Warum willst du dann nicht hierbleiben?«, frage ich herausfordernd. »Wir wissen beide, warum, und es hat nichts mit unserem Vater zu tun.«
Sondern mit einer wunderschönen Blondine, die am Grab meines Vaters gestanden hat und dann gegangen ist, bevor er sie ansprechen konnte.
»Scher dich zum Teufel, Connor.«
»Fahr zur Hölle, Dec. Du willst, dass ich hierbleibe und mich mit alldem auseinandersetze, obwohl du nicht bereit bist, das Gleiche zu tun?«
»Sobald die Farm verkauft ist, braucht keiner von uns je wieder herzukommen«, versucht Sean zu vermitteln. »Ist doch logisch, Connor. Wenn du bleibst, kannst du daran arbeiten, die Farm in Ordnung zu bringen. Du hast keine Pläne, aber Jacob muss zurück nach Hollywood, Declan nach New York, und ich bin mitten im Frühjahrstraining und muss nach Tampa zu meinem Team.«
Wenn ich nicht so wütend darüber wäre, dass sie recht haben, würde ich mich weiter wehren. Doch es leuchtet mir ein. Sobald ich meine Entlassungspapiere unterschrieben habe, gibt es nichts, was dringend auf mich wartet.