Corinna, die Frau seiner Träume - Patricia Vandenberg - E-Book

Corinna, die Frau seiner Träume E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Für Dr. Norden ist kein Mensch nur ein 'Fall', er sieht immer den ganzen Menschen in seinem Patienten. Er gibt nicht auf, wenn er auf schwierige Fälle stößt, bei denen kein sichtbarer Erfolg der Heilung zu erkennen ist. Immer an seiner Seite ist seine Frau Fee, selbst eine großartige Ärztin, die ihn mit feinem, häufig detektivischem Spürsinn unterstützt. Dr. Norden ist die erfolgreichste Arztromanserie Deutschlands, und das schon seit Jahrzehnten. Mehr als 1.000 Romane wurden bereits geschrieben. Die Serie von Patricia Vandenberg befindet sich inzwischen in der zweiten Autoren- und auch Arztgeneration. Dr. Norden war zu Martin Kersten gerufen worden. Er wußte, daß dieses geplagte Leben nun zu Ende gehen würde, und dieser Tod würde nicht nur für den Patienten Erlösung bedeuten, sondern auch für dessen Tochter Carina. Freilich hätte Dr. Norden solche Gedanken diesem jungen Mädchen gegenüber, das ihm die Tür öffnete, niemals geäußert. Carina Kersten hatte ihren gelähmten Vater mit selbstloser Hingabe gepflegt. »Er hat mir schon Adieu gesagt«, flüsterte sie mit erstickter Stimme, und dann sah sie Dr. Norden aus leergeweinten Augen an. Dr. Norden hatte diese Carina oft bewundert. Sie hatte nie geklagt, wenn sie auch noch so oft schlaflose Nächte am Krankenbett des Vaters verbracht hatte. Aber der Arzt hatte auch mit Besorgnis gesehen, daß sie immer schmaler, blasser und stiller wurde, daß ihre schönen Augen den Glanz verloren, daß ihre Resignation auch ihre eigene Widerstandskraft schwächte. Dr. Norden dachte zurück an die junge, lebensfrohe, energische Carina, die eine so faszinierende Ausstrahlung hatte und so voller beruflicher Pläne war. Architektur hatte sie studiert, und damals hatte sie die Kraft gehabt, dem Wunsch des Vaters zu widersprechen, der es lieber gesehen hätte, wenn sie als Juristin in seine Anwaltskanzlei eingetreten wäre. Und da hätte er auch die Bindung an einen Mann gebilligt, denn Dr. Horst Helmbrecht war als Sozius in seine Kanzlei eingetreten. Er hätte auch als Schwiegersohn Gnade vor Martin Kerstens Augen gefunden. Aber Carina und Horst waren sich sehr schnell einig geworden, daß sie zwar gute Freunde sein konnten, aber nicht mehr. Das wußte Daniel Norden allerdings nur, weil Martin Kersten

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Dr. Norden Bestseller – 263–

Corinna, die Frau seiner Träume

Patricia Vandenberg

Dr. Norden war zu Martin Kersten gerufen worden. Er wußte, daß dieses geplagte Leben nun zu Ende gehen würde, und dieser Tod würde nicht nur für den Patienten Erlösung bedeuten, sondern auch für dessen Tochter Carina.

Freilich hätte Dr. Norden solche Gedanken diesem jungen Mädchen gegenüber, das ihm die Tür öffnete, niemals geäußert. Carina Kersten hatte ihren gelähmten Vater mit selbstloser Hingabe gepflegt.

»Er hat mir schon Adieu gesagt«, flüsterte sie mit erstickter Stimme, und dann sah sie Dr. Norden aus leergeweinten Augen an.

Dr. Norden hatte diese Carina oft bewundert. Sie hatte nie geklagt, wenn sie auch noch so oft schlaflose Nächte am Krankenbett des Vaters verbracht hatte. Aber der Arzt hatte auch mit Besorgnis gesehen, daß sie immer schmaler, blasser und stiller wurde, daß ihre schönen Augen den Glanz verloren, daß ihre Resignation auch ihre eigene Widerstandskraft schwächte.

Dr. Norden dachte zurück an die junge, lebensfrohe, energische Carina, die eine so faszinierende Ausstrahlung hatte und so voller beruflicher Pläne war. Architektur hatte sie studiert, und damals hatte sie die Kraft gehabt, dem Wunsch des Vaters zu widersprechen, der es lieber gesehen hätte, wenn sie als Juristin in seine Anwaltskanzlei eingetreten wäre. Und da hätte er auch die Bindung an einen Mann gebilligt, denn Dr. Horst Helmbrecht war als Sozius in seine Kanzlei eingetreten. Er hätte auch als Schwiegersohn Gnade vor Martin Kerstens Augen gefunden. Aber Carina und Horst waren sich sehr schnell einig geworden, daß sie zwar gute Freunde sein konnten, aber nicht mehr.

Das wußte Daniel Norden allerdings nur, weil Martin Kersten bedauernd geklagt hatte, daß er ruhiger sterben würde, wenn er Carina als Frau eines anständigen Mannes gut versorgt wüßte.

Aber auch das hatte er Carina gegenüber nicht erwähnt. Über sich selbst und ihre eigenen Gedanken und Wünsche sprach sie nämlich nie.

Martin Kersten atmete nur noch schwach, aber sein Gesicht zeigte noch nicht die Ruhe und Entspannung, die ein friedlicher Tod zeigen sollte. Er war kein geduldiger Patient gewesen. Er hatte mit seinem Schicksal gehadert, und das war verständlich, denn er war durch einen unverschuldeten Unfall gelähmt worden. Ein Betrunkener war in seinen Wagen hineingerast, und es wurde als Wunder bezeichnet, daß Martin Kersten überlebt hatte.

Zuerst hatte er gesagt, daß es wohl besser gewesen wäre, er hätte gleich sterben können, aber dann hatte er gehofft, und immer wieder gehofft, daß er doch wieder würde gehen können. Er hatte seine Arbeit in der Kanzlei vom Rollstuhl aus erledigt. Carina hatte noch studiert, aber als sie das Studium mit bestem Erfolg abgeschlossen hatte, ließ Martin Kerstens Widerstandskraft schlagartig nach. Sehr viel später war Dr. Norden auf den Gedanken gekommen, daß Kersten Carina ans Haus fesseln wollte, denn zu jener Zeit hatte sie doch noch einen Freundeskreis gehabt, mit dem sie sich öfter traf. Aber eine Heirat mit Horst Helmbrecht hatte sie kategorisch abgelehnt. Sie selbst dachte erst jetzt darüber nach, daß dieses Nein ihren Vater dazu getrieben hatte, mehr und mehr ihre Nachgiebigkeit auszunutzen. Das hätte sie freilich auch nicht ausgesprochen. Aber ihre Gedanken wanderten, während sie den Sterbenden betrachtete, über dessen Lippen jetzt der Hauch eines Seufzers kam.

Dr. Norden richtete sich auf und ergriff Carinas Hände, die fast so kalt waren wie die des Toten, der soeben den letzten Atemzug getan hatte.

»Er hat Frieden gefunden, Carina«, sagte Dr. Norden leise.

Ihre Schultern zuckten, und leise sagte sie: »Sind Sie sicher, Dr. Norden? Ich kann es nur hoffen. Er ist in sich selbst nicht zur Ruhe gekommen.« Ihr Blick irrte ab. »Und ich bin nun ganz allein.«

»Sie sind jung, Carina. Das Leben liegt vor Ihnen«, sagte Dr. Norden aufmunternd.

»Ich weiß nicht mehr, ob ich jemals richtig jung war«, erwiderte sie.

Das klang keineswegs nach Selbstmitleid, das war eine gedankenvolle Feststellung, die Dr. Norden erschütterte. Es war ja oft so, daß traurige Jahre doppelt zählten. Carina war zwanzig gewesen, als ihre Mutter starb. Es war ein plötzlicher Tod gewesen, denn niemand hatte geahnt, daß Anita Kersten todkrank war, sah man es ihr doch nicht an. Sie ging zum Zahnarzt, und danach kam sie zu Dr. Norden, erregt, ja, empört. Der Zahnarzt hätte ihr gesagt, daß er eine langwierige Behandlung nicht vornehmen könne, bevor sie sich nicht hätte gründlich untersuchen lassen.

Ja, auch an diesen Tag erinnerte sich Dr. Norden, als er am Abend mit seiner Frau Fee über Carina sprach.

Er hatte Anita Kersten eigentlich nur gekannt, weil er Carina ärztlich betreute, die damals öfter unter Nebenhöhlengeschichten litt und auch unter Heuschnupfen. Anita Kersten hatte immer einen gesunden, lebhaften Eindruck auf ihn gemacht, wenngleich sie auch eine zarte Frau war. Aber sie hatte ihn nie konsultiert, und sie war nur voller Empörung zu ihm gekommen, um sich über den Zahnarzt zu beklagen.

Diesen aber kannte Dr. Norden als einen äußerst gewissenhaften Zahnarzt. Er rief ihn an, bevor er noch das Ergebnis von der Blutuntersuchung hatte, in die Anita Kersten eingewilligt hatte, allerdings nur deshalb,

wie sie gesagt hatte, um diesem »Schwarzmaler« unter die Augen zu halten, daß ihr nichts fehle, außer eben Zahnschmerzen.

Was Dr. Norden aus dessen Mund jedoch hörte, ließ ihn erschrecken, denn der Zahnarzt äußerte den Verdacht auf Leukämie. Die Blutuntersuchung bestätigte diesen Verdacht. Schon acht Monate später starb Anita Kersten nach einem sehr schnellen Verfall. Davon hatte Carina nicht allzuviel mitbekommen, und sie erfuhr auch in der Zwischenzeit nicht die traurige Wahrheit. Sie studierte in Hamburg und lebte bei ihrer Großmutter mütterlicherseits, der man die Wahrheit auch verschwiegen hatte.

So war Anitas Tod ein gewaltiger Schock für Carina und auch für ihre Großmutter, die herzkrank war und sich von diesem Schicksalsschlag nicht mehr erholte. Sie starb sechs Monate später. Carina bekam einen Studienplatz in München, und ihre temperamentvolle Schulfreundin Iris Lindner sorgte dafür, daß sie unter Menschen kam. Und zu jener Zeit gönnte Martin Kersten seiner Tochter, die er abgöttisch liebte, noch jede Abwechslung.

Dr. Norden gebrauchte den Ausdruck »abgöttisch« nicht gern, aber in diesem Fall war er zutreffend, denn für Martin Kersten war Carina engelgleich. Allerdings hatte sie ihn auch niemals Sorgen bereitet. Sie war ein sonniges Kind gewesen, ein zielstrebiger Teenager geworden, apart und charakterstark, geradlinig und fern aller Jugendeseleien. Sie hatte keine Flirts oder gar Liebeleien. Von ihren Schulfreunden und Kommilitonen wurde sie als ein guter Kumpel geschätzt. Aber das Unglück brach wieder über sie herein. Dr. Martin Kersten kam von einer Gerichtsverhandlung, als sich der folgenschwere Unfall zutrug. Wochenlang schwebte er zwischen Leben und Tod, um dann schließlich an den Rollstuhl gefesselt zu sein.

*

Nicht nur Dr. Norden dachte darüber nach, auch Carinas Gedanken wanderten in die Vergangenheit, nachdem sie die wichtigsten Formalitäten erledigt hatte. Dr. Horst Helmbrecht hatte ihr dabei geholfen. Eine echte Freundschaft verband sie, und keiner von beiden erwartete mehr. Horsts Liebe gehörte schon seit Jahren einer anderen, die jedoch verheiratet war.

Er war als Sozius in die Kanzlei eingetreten, als Martin Kersten die Arbeit nicht mehr allein bewältigen konnte. Horst war ein guter Anwalt und so ganz nach dem Geschmack des Älteren. Er war auch sehr sympathisch, wenn auch nicht ein Typ, nach dem sich die Frauen umdrehten. Jedenfalls wußte Carina die Kanzlei in den besten Händen, und sie wußte auch, daß sie sich in finanzieller Hinsicht keine allzu großen Sorgen machen mußte, obwohl sie sich nie um die Finanzlage ihres Vaters gekümmert hatte. Sie hatte das Haus in einer sehr guten Wohnlage, es war schuldenfrei, und sie behielt ihr Zuhause. Zudem hatte sie in Horst einen zuverlässigen juristischen Berater. Er war sofort gekommen, als sie ihn angerufen hatte, und er hatte es übernommen, alles für die Beerdigung zu regeln.

Carina ging durch das stille Haus. Kein ungeduldiger Vater rief mehr nach ihr, und nun vermißte sie das, obwohl sie sich so manches Mal nach ein wenig mehr Ruhe gesehnt hatte.

Einige Monate hatten sie eine Pflegerin gehabt, eine nette Frau, mit der Carina sich gut verstand, die ihr Vater aber als einen gefühllosen Trampel bezeichnet hatte. Ja, mit den Monaten war er immer aggressiver geworden. Er wollte keine Fremden um sich haben, er duldete nur Horst, und er ließ Carina überhaupt keinen Freiraum mehr.

Sie hatte alle Kontakte abgebrochen. Ihre Freundin Iris hatte sie sowieso schon Jahre nicht mehr gesehen. Iris hatte den Architekten Jonas Hatten geheiratet, der Carinas Vorbild gewesen war in seiner außergewöhnlichen Kreativität. Nur ein Vorbild?

Sie legte den Kopf in den Nacken. Sie wollte nicht mehr zurückdenken. Sie wollte endlich wieder einmal schlafen, nur eine lange Nacht durchschlafen und nichts denken, nichts träumen, auch noch nichts planen. Sie betrachtete sich nur kurz im Spiegel, nachdem sie geduscht hatte, und sie kam sich fremd vor, jetzt erst recht, obgleich der gehetzte Ausdruck aus ihren Augen schon geschwunden war. Es rief ja niemand mehr nach ihr. Sie legte sich nieder und schlief sofort ein, und so, wie sie, es sich gewünscht hatte, konnte sie viele Stunden ungestört schlafen. Als sie erwachte, war es ihr, als hätte sie Wochen geschlafen, aber dann kam es ihr doch in den Sinn, daß sie noch keinen Schlußstrich unter dieses Kapitel ihres Lebens ziehen konnte. Es gab noch viel zu erledigen, aber so ein bißchen dachte sie nun doch schon daran, daß sie wieder in ihrem Beruf arbeiten konnte. Die letzten Jahre war es ja nicht möglich gewesen. Und wie oft hatte sie von ihrem Vater zu hören bekommen, wie gut es doch wäre, wenn sie Jura studiert hätte, dann könnte er alles mit ihr besprechen. Und dabei war er gar nicht mehr fähig gewesen, einen Fall richtig zu beurteilen. Er war nicht mehr fähig gewesen, objektiv zu denken.

An diesem Morgen betrachtete sich Carina eingehender im Spiegel, sehr kritisch und nachdenklich. Wie lange war sie eigentlich nicht mehr beim Friseur gewesen? Sie wußte es schon gar nicht mehr. Das Haar war so lang, daß sie es als Pferdeschwanz gebunden oder zum Knoten geschlungen hatte. Wie lange hatte sie sich schon keine neue Kleidung mehr gekauft? Jetzt mußte sie es tun, schon der Pietät wegen. Man würde es von ihr erwarten. Ihr wäre eine Beerdigung in aller Stille zwar lieber gewesen, aber Horst hatte ihr erklärt, daß es die Mitarbeiter nicht verstehen würden.

Er hatte auch in ihrem Namen Anzeigen in den großen Tageszeitungen veröffentlichen lassen. Carina schenkte den Zeitungen jedoch keine Beachtung, als sie das Haus verließ, um die notwendigen Besorgungen zu machen.

*

Iris Hatten ließ es sich nie entgehen, die Todesanzeigen zu lesen. Jonas Hatten war schon im Gehen begriffen, als sie laut rief, er solle noch warten.

»Warum?« fragte er unwillig.

»Es wird dich wohl auch interessieren, daß Dr. Kersten gestorben ist«, sagte sie spitz.

»Dr. Kersten?« fragte er rauh.

»Carinas Vater, und stell dir vor, sie ist immer noch nicht verheiratet. Eine Schönheit war sie ja freilich nicht, aber doch ganz ansehnlich, und Helmbrecht ist noch immer in der Kanzlei. Mit dem war sie doch sehr intim.«

»Du sagtest es«, erwiderte er anzüglich.

»Und du hast es nicht gern gehört«, konterte sie.

Seine Augenbrauen schoben sich zusammen. »Es ist sieben Jahre her«, sagte er heiser.

Sie lächelte frivol. »Du hast ein gutes Gedächtnis. Und wir kommen bald in das verflixte siebente Jahr, wie mir scheint.«

»Mir scheint, daß wir schon einige Zeit aneinander vorbeireden«, erklärte er kühl. »Ich gehe jetzt. Ich habe einen wichtigen Termin.«

»Papi, Papi, bleib doch bei mir«, ertönte da ein klägliches Kinderstimmchen. »Mein Kopf tut so weh.«

»Das ist ihre Tour«, sagte Iris schnippisch. »Aber du läßt dich ja tyrannisieren.«

»Ich werde einen Arzt rufen«, sagte er. Und dann ging er rasch zu der Kleinen, die an der Tür lehnte. Er hob sie empor und trug sie die Treppe hinauf. »Mein Schätzchen, ich kann leider nicht bleiben«, sagte er weich. »Aber ich beeile mich und bleibe dann bei dir.«

»Ich habe aber Angst«, wisperte das Kind.

»Wovor hast du Angst?« fragte er bestürzt.

»Vor dem Mond, er guckt so böse.«

»Aber jetzt ist doch Tag und gar kein Mond mehr da«, sagte er tröstend.

»Aber abends kommt er wieder, und dann ist Mama auch wieder nicht da, und ich fürchte mich erst recht.«

Noch keine fünf Jahre war Trixi, aber sie konnte sich schon sehr gut ausdrücken. Jonas staunte manches Mal, wie fehlerlos sie manche Sätze bildete.

»Ich rufe jetzt Frau Dr. Fink an, Trixi«, sagte er zärtlich.

»Warum?«

»Du hast doch Kopfschmerzen.«

»Wenn du bei mir bist, habe ich keine Kopfschmerzen«, sagte sie schluchzend und schmiegte sich in seine Arme.

»Ich muß doch arbeiten, Schätzchen, das siehst du doch ein«, sagte er gepreßt.

»Wenn ich doch bloß schon groß wäre und bei dir arbeiten könnte«, flüsterte sie. »Mama braucht nicht arbeiten, aber mit mir spielt sie auch nicht. Laß mich doch in den Kindergarten gehen, Papi.«

Er streichelte ihr Haar. »Ich werde mit Frau Dr. Fink sprechen, Trixi. Sie meint, daß du zu anfällig bist für Krankheiten.«

»Sie sagt, was Mama ihr einsagt«, erklärte Trixi trotzig. »Da kann Mama so besorgt tun. Zu mir sagt sie bloß, daß ich mir nichts einreden soll.«

Jonas mußte sich sehr zusammennehmen, um seinen Zorn zu unterdrücken. Er war wütend auf Iris. Wenn es um Trixi ging, war er nicht gleichgültig. Aber er war wütend auf sich, denn schließlich hatte er Iris geheiratet, und das Kind konnte nichts dafür, daß es solche Mutter hatte.

»Jetzt spiel schön brav, Trixi, ich bin schon spät dran.«

»Aber du kommst bald wieder. Du versprichst es.«

»Ich verspreche es«, nickte er.

Und er konnte sein Versprechen halten. Er wollte es halten, weil ihm das Kind wichtiger war als dieser Auftrag. Aber den bekam er trotzdem, und das bedeutete, daß wieder viel Arbeit damit verbunden sein würde. Als er heimwärts fuhr, faßte er den Entschluß, nun ernsthaft etwas zu unternehmen, damit Trixis kindliche Seele keinen bleibenden Schaden nehmen sollte. Bis vor drei Monaten hatten sie ein sehr nettes Kindermädchen gehabt, aber sie hatte geheiratet, und einen Ersatz hatte er noch immer nicht gefunden, obgleich er mehrmals annonciert hatte. Drei Bewerberinnen hatten sich ganz annehmbar gezeigt, bis sie dann mit Iris konfrontiert wurden. Mit ihrer Arroganz vergraulte sie selbst die Putzfrauen. Jonas Hatten fragte sich wie schon oft, wie es eigentlich dazu gekommen war, daß er sich mit Iris eingelassen hatte, und dabei mußte er dann auch an Carina denken.

Sie war ganz anders gewesen als Iris, aber sie hatten auch die gleichen beruflichen Interessen, und darüber sprachen sie meistens. Er hatte Carina sehr gemocht, doch sie war immer reserviert geblieben. Immer? Zwiespältige Gefühle bewegten ihn jetzt, weil er sich eingestehen mußte, daß seine Ehe von Anfang an auf einem hohlen Sockel gestanden hatte.

Doch an diesem Tag kam ihm Iris mit ihrem liebenswürdigsten Lächeln entgegen. Er aber vermißte Trixi, die stets zur Stelle war, um ihn zuerst zu begrüßen.

»Reg dich nicht auf, Jon«, sagte Iris, »Frau Dr. Fink war da. Trixi hat eine Grippe. Diesmal hat sie nicht simuliert.«

»Sie simuliert nie«, sagte er scharf. »Kummer kann auch krank machen.«

»Wieso denn Kummer? Bekommt sie nicht alles?« fragte Iris mit klirrender Stimme.

»Wahrscheinlich fehlt es an Mutterliebe«, erwiderte er.

Ihre Augen wurden schmal. »Ich bin nicht dafür, Kinder zu sehr zu verwöhnen.«

»Liebe können sie gar nicht genug bekommen, aber du weißt ja nicht mal, was Liebe ist«, entfuhr es ihm

Sie warf ihm einen flammenden Blick zu und zitterte vor zorniger Erregung. »Und warum hast du mich geheiratet?« fragte sie heftig.

»Das frage ich mich allerdings auch«, erwiderte er dumpf. »Aber der Anstand hat es ja erfordert. Du hast es ja darauf angelegt.« Er ärgerte sich, daß er sich zu dieser Bemerkung hinreißen ließ, denn nun kam einer von ihren Zornausbrüchen, die besonders abstoßend auf ihn wirkten. Da ging sie nicht wählerisch mit ihren Worten um. Er ließ sie stehen und eilte zum Kinderzimmer. Er war erleichtert, daß Trixi schlief. Zärtlich streichelte er ihre fieberheißen Wangen. Da blinzelte sie ein bißchen und murmelte: »Ich bin doch krank, Papi«, aber sie schlief auch gleich wieder ein. Er blieb lange an ihrem Bett sitzen, und was ihm da alles durch den Sinn ging, versetzte ihn in eine melancholische Stimmung. Er faßte den Entschluß, ganz ernsthaft mit Iris über ihre Ehe zu reden und ihr den Vorschlag zu machen, ob es nicht besser wäre, wenn sie sich trennen würden. Aber als er herunterkam, war sie wie umgewechselt.

»Entschuldige, Jonas, daß ich mich gehenließ, aber dein Benehmen mir gegenüber empört mich. Ich sehe ja ein, daß du überarbeitet bist, aber wir sollten doch einmal vernünftig reden.«

Irgendwie war er erleichtert, denn er nahm an, daß sie zu den gleichen Überlegungen gekommen war, wie er auch. Aber er hatte sich getäuscht und kam aus dem Staunen dann nicht mehr heraus.

»Ich wollte mit dir über Carina reden«, begann sie. »Ich werde zur Beerdigung gehen und unsere alte Freundschaft aufleben lassen.«

»Und warum?« fragte er.

»Weil sie mir leid tut. Sie hat keine Eltern mehr, sie ist bestimmt sehr einsam.«

Es gelang ihr sogar, ihrer Stimme einen mitfühlenden Klang zu verleihen.

Jonas war verblüfft, aber so ganz wollte er ihr doch nicht alle Gefühle absprechen, und schließlich war sie sehr lange mit Carina befreundet gewesen.

»Sie ist doch auch ganz aus ihrem Beruf herausgerissen«, fuhr Iris fort.

»Wieso bist du so gut informiert?« fragte er.