Gaston, der Sohn des Diplomaten - Patricia Vandenberg - E-Book

Gaston, der Sohn des Diplomaten E-Book

Patricia Vandenberg

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Beschreibung

Der Sophienlust Bestseller darf als ein Höhepunkt dieser Erfolgsserie angesehen werden. Denise von Schoenecker ist eine Heldinnenfigur, die in diesen schönen Romanen so richtig zum Leben erwacht. Das Kinderheim Sophienlust erfreut sich einer großen Beliebtheit und weist in den verschiedenen Ausgaben der Serie auf einen langen Erfolgsweg zurück. Denise von Schoenecker verwaltet das Erbe ihres Sohnes Nick, dem später einmal, mit Erreichen seiner Volljährigkeit, das Kinderheim Sophienlust gehören wird.

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Sophienlust Bestseller – 77 –

Gaston, der Sohn des Diplomaten

Patricia Vandenberg

Der betäubende Duft der in verschwenderischer Fülle blühenden Rosen strömte durch das offene Fenster des Schreibzimmers, in dem Irene von Wellentin an ihrem zierlichen Schreibtisch aus Rosenholz saß und den Brief ihrer Jugendfreundin Claudine Arnoud nun schon zum zweiten Mal las. Als sie ihn zusammenfaltete und in das hellblaue Kuvert zurücksteckte, dachte sie an die Zeit mit Claudine in dem Genfer Internat. Was waren das doch für herrliche, unbeschwerte Jahre gewesen! Damals hatten sie noch geglaubt, das Leben bestünde nur aus einer Reihe von glücklichen Tagen. Gemeinsam hatten sie Zukunftspläne geschmiedet, wobei Claudine immer den Wunsch geäußert hatte, die Frau eines Diplomaten zu werden, um an seiner Seite fremde Länder kennenzulernen.

Dieser Wunschtraum hatte sich bei ihr tatsächlich erfüllt, aber ob sie so glücklich geworden war, wie sie erhofft hatte, das schien fraglich zu sein. Nach ihrem Brief zu schließen, verlief ihr Leben recht problematisch.

Vor ungefähr sechs Jahren hatte Irene von Wellentin Claudine zum letzten Mal in Paris getroffen, in der Zeit, als es in ihrer Ehe eine Krise gegeben hatte. Doch damals hatte auch ihre Freundin alles andere als einen ausgeglichenen und zufriedenen Eindruck gemacht.

»Mutti, ich bin da!«, riss eine helle Kinderstimme Irene von Wellentin aus ihren Träumereien. Kati, jetzt zehn Jahre alt, stürmte mit strahlenden Augen ins Zimmer und rief voller Freude: »Mutti, stell dir vor, ich habe den besten Klassenaufsatz geschrieben und eine Eins bekommen. Was sagst du dazu?«

»Das freut mich sehr, mein kleiner Liebling«, lobte Irene von Wellentin die Kleine mit einem weichen mütterlichen Lächeln. Kati bereitete ihr nur Freude, und sie bereute es keine Stunde, das Mädchen adoptiert zu haben. Unendlich dankbar war sie dem Schicksal, dass es ihr dieses Kind zugeführt hatte. Noch heute erschauerte sie, wenn sie daran dachte, welche entsetzliche Angst sie ausgestanden hatte, als Hanna Ebert, Katis leibliche Mutter, eines Tages aufgetaucht war und ihre Rechte auf das Kind geltend gemacht hatte. Glücklicherweise hatte die Gier nach Geld Hanna Eberts Mutterliebe bei Weitem überwogen. Niemals würde sie, Irene, vergessen, was ihr Mann damals für sie getan hatte. Er war Hanna Eberts Forderungen nachgekommen, denn auch ihm war Kati ans Herz gewachsen. Als Kati ihnen dann rechtmäßig zugesprochen wurde, hatte sie Hubert vieles verziehen. So hatten sie nach einer wildbewegten Ehe endlich zu einem harmonischen Familienleben zurückgefunden, dessen Mittelpunkt Kati bildete.

Kati war ein aufgewecktes und liebreizendes Mädchen mit seelenvollen, großen Augen, aus denen Dankbarkeit und Liebe sprachen. Das seidenweiche Haar fiel ihr bis auf die Schultern und umrahmte ein gleichmäßiges, ovales Gesicht.

»Mutti, warum schaust du mich so komisch an?«, fragte Kati irritiert.

»Ich habe gerade an etwas denken müssen, mein Herz«, antwortete Irene von Wellentin. »Weißt du, ich will morgen nach Paris fliegen und dich mitnehmen. Du wolltest Paris doch schon immer mal kennenlernen.«

»Wirklich, Mutti?« Katis Wangen überzogen sich mit einer zarten Röte, der Glanz in ihren Augen vertiefte sich vor Seligkeit. »Aber die Schule?«, fragte sie dann erschrocken. »Kann ich denn einfach fehlen?«

»Aber ja, Kati. Ich werde nachher gleich in der Schule anrufen und dich für einige Tage entschuldigen. Zuerst möchte ich aber noch mit Tante Isi sprechen«, erklärte sie und wählte dann die Telefonnummer von Gut Schoeneich, wo sie ihre Schwiegertochter Denise von Schoenecker im Augenblick vermutete. Doch es meldete sich deren Stieftochter Andrea von Schoenecker. Sie berichtete, dass ihre Mutter mit Nick vor ein paar Minuten nach Sophienlust gefahren sei.

»Danke, Andrea«, erwiderte Irene von Wellentin. »Wie geht es deinen anderen Brüdern?«

»Sascha bereitet sich auf das Abitur vor, und der kleine Henrik wird immer niedlicher und auch frecher. Anscheinend sieht er in Nick ein Vorbild«, fügte das Mädchen heiter hinzu. »Omi, soll ich Mutti etwas bestellen?«

»Vielen Dank, Andrea, das ist nicht notwendig, denn ich werde sofort selbst nach Sophienlust fahren.«

»Auf Wiedersehen, Omi.«

Irene von Wellentin legte lächelnd auf. Denise war eine großartige Frau. Sie meisterte das anstrengende Leben, das sie führte, mit einer bewunderungswürdigen, spielerischen Leichtigkeit. Nichts schien ihr jemals zu viel zu werden, und stets zeigte sie ein freundliches Gesicht. Fast unglaublich, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der sie ihre Schwiegertochter abgelehnt hatte, ging es ihr durch den Sinn, wobei sie mit wehmütiger Trauer an ihren einzigen Sohn dachte, der so früh hatte sterben müssen.

»Kati, bitte, sag doch dem Chauffeur Bescheid, dass wir den Wagen brauchen. Wir fahren nach Sophienlust.«

»Fein, Mutti!«, rief Kati lebhaft und beeilte sich, der Bitte ihrer geliebten Mutti nachzukommen.

Zehn Minuten später saßen Irene von Wellentin und ihre Tochter im Fond des komfortablen Wagens.

»Mutti, fliegen wir morgen wirklich nach Paris?«, fragte Kati unsicher, weil ihre Mutti plötzlich so nachdenklich und schweigsam geworden war.

»Ja, mein Kleines, bestimmt. Es sei denn, wir bekommen keine Flugkarten mehr. Dann müssen wird die Abreise um einen Tag verschieben.«

»Mutti, bist du schon oft geflogen?«

»Ja, Kati. Du hast doch keine Angst vor dem Fliegen?«

»Nein, Mutti, wenn du bei mir bist, fürchte ich mich vor nichts«, bekannte die Kleine ernst.

Katis bedingungsloses Vertrauen trieb Irene von Wellentin Tränen der Rührung in die Augen. Und wie schon so oft fragte sie sich, wie eine Hanna Ebert zu einem so liebevollen Kind gekommen sei.

Freilich wurde ein Kind auch durch seine Umgebung geprägt, aber die guten Anlagen mussten in Kati dennoch vorhanden gewesen sein. Einmal hatte Denise ihr erklärt, dass in jedem Menschen gute und auch böse Anlagen steckten.

Ein Kind, das in einer Welt mit viel Licht und Sonne aufwachse, entfalte sich wie ein zartes Pflänzchen im Sonnenschein, aber ein Kind, das im Schatten darbe und Liebe entbehren müsse, verkümmere an Leib und Seele. Unvorstellbar, dass ihre kleine Kati vielleicht hart und böse geworden und seelisch zugrunde gegangen wäre, wenn sie nicht zu ihr gekommen wäre.

Seit die Straße von Sophienlust und Schoeneich gebaut worden war, war die Fahrt zwischen den beiden Gütern nur noch ein Katzensprung. Aber auch Irene von Wellentin hatte damit einen kürzeren Weg nach Sophienlust.

Als der Wagen in den Gutshof einbog, kam Dominik von Wellentin-Schoenecker angelaufen, gefolgt von einem blonden Mädchen und einem fröhlich bellenden Wolfsspitz.

»Schau, Mutti, dort sind Nick, Malu und Benny«, freute sich Kati beim Anblick der beiden Kinder und des Hundes. »Hallo!«, rief sie dann und stieg schon aus dem Wagen, während Irene von Wellentin sich beim Aussteigen vom Chauffeur helfen ließ.

»Fein, dass ihr da seid«, sagte Dominik und lächelte Kati zu.

Auch Malu begrüßte das kleine Mädchen, und dann sprang Benny laut bellend an Kati hoch.

»Er kennt mich schon«, lachte das Kind und strich dem Hund über das schwarzgraue Fell.

»Ja, Kati, Benny ist ein sehr kluger Hund. Er hat seine Sympathien und Antipathien. Wen er nicht mag, den schaut er mit keinem Blick an. Aber dich mag er gut leiden.«

Kati lächelte Malu an. Obwohl Malu, die eigentlich Marie-Luise hieß, etwas älter war als sie, wäre sie zu gern mit ihr befreundet gewesen. Aber sie traute sich nicht, ihr das zu sagen.

Inzwischen hatte Dominik seine Großmutter begrüßt. »Omi, du willst bestimmt mit Mutti sprechen. Sie ist im Augenblick bei Frau Rennert im Büro. Möchtest du dir inzwischen unseren neuen Wellensittich anschauen? Oder Habakuk begrüßen?«

»Lieber nicht«, lachte Irene von Wellentin und fuhr ihrem Enkel liebevoll über den dunklen Haarschopf. »Habakuk sagt oft Dinge, die einen in Verlegenheit bringen.«

»Ist ja auch kein Wunder. Habakuk ist ein sehr gelehriger Papagei. Er schnappt alles auf, was wir sagen.«

»Eben deshalb. Bitte, sage doch deiner Mutti Bescheid, dass ich da bin. Ich genieße inzwischen das herrliche Wetter.«

»Ja, Omi.« Dominik lief ins Haus.

Wenige Minuten später erschien Denise von Schoenecker. Sie sah in dem einfachen blauen Leinenkleid wie ein blutjunges Mädchen aus. Das Sonnenlicht verfing sich in ihrem leuchtenden Haar, und die Augen strahlten vor Lebensfreude, als sie ihre Schwiegermutter begrüßte.

»Denise, ich muss mit dir sprechen. Ich will morgen mit Kati nach Paris fliegen.«

Dominik, der sich zu Kati und Malu gesellt hatte, spitzte die Ohren. Nach Paris fliegen, dachte er und sah Kati an. »Ist das wahr?«, fragte er und spürte so etwas wie Neid in sich aufsteigen.

»Was, Nick?«, fragte Kati, die sich noch immer mit Benny beschäftigte.

»Dass du mit Omi nach Paris

fliegst«, fuhr er sie ungeduldig an.

Kati mochte Dominik recht gut leiden, aber manchmal lagen sie sich wegen irgendwelcher Kleinigkeiten in den Haaren.

»Ja, Nick, wir fliegen morgen nach Paris«, bestätigte sie.

»Du fliegst nach Paris!«, rief er so laut, dass Irene von Wellentin und Denise aufmerksam wurden und sich den Kindern zuwandten.

»Was schreist du denn so?«, fragte Denise ihren Sohn kopfschüttelnd.

»Manchmal ist das Leben schrecklich ungerecht«, stieß er verärgert hervor.

»Warum denn?«, amüsierte sich Denise heimlich über ihren Sohn. Seine plötzlichen Zornesausbrüche kannte sie zur Genüge. Aber sie verflogen stets genauso schnell, wie sie kamen.

»Weil Kati nach Paris fliegt, Mutti.«

»Ja, und?«

»Weil …, weil ich auch nach Paris fliegen möchte.«

»Später wirst du mal dorthin fliegen«, beruhigte Denise ihren aufgebrachten Sohn.

»Dabei bin ich viel reicher als Kati. Mir gehört Sophienlust, und von Omi Wellentin erbe ich auch die Hälfte des Vermögens und …« Dominik kannte sich kaum mehr vor Enttäuschung und Ärger.

»Bitte, Nick.« Malu hatte dem Ausbruch ihres kleinen Freundes mit steigender Sorge zugehört. Was er da sagte, gefiel ihr gar nicht.

Auch Denise kränkte sich über die hässlichen Worte. »Dominik«, sagte sie streng. »Nie wieder will ich derartige Worte von dir hören. Es ist sehr hässlich, wenn ein kleiner Junge immer in die Welt hinausposaunt, dass er viel Geld hat. Noch hast du das Geld nicht, mein Junge. Deine Urgroßmutter hat in ihrem Testament bestimmt, dass du erst mit der Volljährigkeit Sophienlust und auch das Vermögen erhältst. Dann kannst du damit machen, was du willst. Dann kannst du angeben und dich überall unbeliebt machen.«

Dominik presste die Lippen zusammen, aber nicht aus Trotz, sondern weil er befürchtete, jeden Augenblick in Tränen auszubrechen. Er atmete schneller und brachte endlich über die Lippen: »Mutti, sei nicht böse, aber manchmal kann ich nichts dafür. Es kommt einfach so über mich. Dann sage ich Dinge, die ich gar nicht sagen wollte.«

Verflixt, nun quollen die Tränen doch aus seinen Augen. Nach einem verzweifelten Blick auf seine Mutter und seine Großmutter floh er in den Park hinein.

»Komm, Kati«, forderte die weichherzige Malu das Mädchen auf. »Nick braucht uns jetzt.«

Irene von Wellentin und Denise blickten den beiden kleinen Mädchen und dem laut bellenden Wolfsspitz nach.

»Verzeih, Mama«, entschuldigte sich Denise für ihren Sohn.

»Lass nur, Denise«, gab Irene von Wellentin zur Antwort. »Ich wünschte, dass mein Sohn Dietmar, dein erster Mann, so wie Nick gewesen wäre. Vieles wäre dann alles anders gekommen.«

»Bitte, Mama, rühren wir nicht mehr an die Vergangenheit. Wir müssen dem Schicksal dankbar sein, dass es uns doch noch zusammengeführt hat.«

»Heute kommt es mir wie ein böser Traum vor, dabei denke ich oft an die Zeit, als unsere Familie dich ablehnte.«

»Das ist alles längst vergessen und vergeben, Mama«, entgegnete Denise gütig, denn sie sprach nicht gern von diesen für sie so unerfreulichen Jahren. Deshalb lenkte sie rasch ab. »Mama, du wolltest mit mir sprechen.«

»Ja, Denise, über Claudine Arnoud.«

»Ach ja, sie ist eine Jugendfreundin von dir, wenn ich mich recht erinnere. Weißt du was, setzen wir uns doch in den Gartenpavillon, dort ist es bei dieser Hitze am kühlsten.«

Als Irene von Wellentin ihrer Schwiegertochter folgte, blickte sie sich erfreut in dem gepflegten Park um. »Wie schön und friedlich es hier ist«, stellte sie fest. »Sophienlust ist ein wahres Paradies.«

»Ja, Mama, das soll es auch sein. Die Kinder sollen sich hier so wohlfühlen, dass böse Erinnerungen ihnen nichts anhaben können.«

Die beiden Damen betraten den Pavillon und setzten sich auf die Fensterbank. Die Fenster standen offen, sodass ein leichter Luftzug den Raum durchspülte, wodurch es angenehm kühl war. Ein Eichhörnchen sprang von einem Ast der dickstämmigen Buche auf eine Fensterbank und lugte neugierig herein.

»Wie niedlich«, freute sich Irene von Wellentin. Dann sagte sie: »Claudine Arnoud hat mir geschrieben. In ihrem Brief deutete sie an, dass sie Sorgen habe, die sie mir aber nur persönlich mitteilen könne. Darum habe ich mich entschlossen, nach Paris zu fliegen. Vielleicht klappt es nicht mehr mit ihrer Ehe. Bei den häufigen Trennungen der beiden ist es leicht möglich, dass sie sich auseinandergelebt haben. Oder sie hat Sorgen mit ihrer Tochter Simone. Leider kenne ich weder ihren Mann noch ihre Tochter. Wenn ich Claudine besuchte, war er stets fort. Das letzte Mal, vor sechs Jahren, befand er sich gerade in einem afrikanischen Staat, in dem Unruhen herrschten, deshalb ließ er damals seine Familie auch nicht nachkommen. Auch Simone war niemals da. Bei meinem letzten Besuch hielt sie sich in Antibes an der Riviera auf, wo die Arnouds einen Ferienbungalow haben. Irgendetwas muss damals gewesen sein. Claudine war entsetzlich zerfahren und so nervös, dass es ermüdend war.«

»Vielleicht hat deine Freundin tatsächlich Kummer mit ihrer Tochter«, meinte Denise nachdenklich.

»Das ist durchaus möglich, Denise. Nicht wahr, du hältst es auch für angebracht, dass ich sogleich nach Paris fliege? Ich möchte aber Kati mitnehmen. Sie kann ruhig ein paar Tage in der Schule fehlen, weil sie eine sehr gute Schülerin ist.«

»Ich glaube schon, dass du das verantworten kannst, Mama. Aber dein Mann wird nicht sehr begeistert darüber sein, dass er allein hierbleiben muss. Ohne euch kommt er sich immer ganz verlassen vor.«

»Hubert hat sich erstaunlich gewandelt, Denise«, stellte Irene von Wellentin beglückt fest. »Wenn ich an die Zeit zurückdenke, in der er mich kaum mehr beachtete, erscheint sie mir fast unwirklich. Damals war ich sehr unglücklich.«

»Das weiß ich, Mama. Ich glaube, jeder Mensch hat seine Sturm- und Drangzeit.«

»Auch du?«, fragte die Ältere lächelnd.

»Ja, Mama, auch ich«, gab Denise offen zu.

»Auch Alexander?«

»Ich glaube, auch er. Aber ich bin ganz sicher, dass sie nicht unsere Ehe gefährden wird.«

»Mit meinem Sohn wärst du nicht so glücklich geworden, Denise.«

Denise blieb ihrer Schwiegermutter darauf die Antwort schuldig, weil sie sie nicht kränken wollte. Wäre Dominik nicht der Beweis ihrer Ehe mit Dietmar von Wellentin, käme ihr diese erste Ehe heute wie ein kurzer Traum vor. Aber Dominik erinnerte sie immer wieder an ihren ersten Mann, der in ihren Augen ein Schwächling gewesen war. Als ihr das bewusst geworden war, hatte sie sich vorgenommen, aus ihrem Sohn einen ganzen Mann zu machen. Bisher hatte Dominik sie auch noch in keiner Weise enttäuscht.

Irene von Wellentin lächelte vor sich hin. Sie ahnte Denises Gedanken und war ihr deshalb nicht gram. Vermutlich wäre die Ehe zwischen dieser energievollen Frau und ihrem labilen Sohn zu einer Katastrophe ausgeartet. Der Herrgott im Himmel wusste schon, wie er seine Fäden spinnen musste, dachte sie und atmete tief auf.

»Denise, ich muss nachher gleich mit meinem Mann sprechen, und der Flug nach Paris muss auch gebucht werden.«

»Mama, mach dir bitte deshalb keine Sorgen. Ich werde gleich in dem Reisebüro anrufen.«

»Das wäre fein, Denise. Ich bewundere dich. Trotz deiner vielen Arbeit hast du noch immer Zeit für unvorhergesehene Dinge.«

Denise lächelte nur und kehrte dann mit ihrer Schwiegermutter ins Haus zurück.

Es klappte alles vortrefflich. Zwei Plätze waren für die morgige Vormittagsmaschine nach Paris gebucht, und ein Telegramm an Claudine Arnoud war auch aufgegeben.

»Vielen Dank, Denise«, sagte Irene von Wellentin. »Wo mag nur Kati stecken? Ich möchte sofort zu meinem Mann in die Fabrik fahren, um ihn seelisch auf die Abreise vorzubereiten.«

»Kati ist gewiss mit den Kindern zusammen.«

»Sie ist ein so liebes Kind und dankbar für alles. Niemals wird sie vergessen, dass sie einmal bei dir in Sophienlust eine so herzliche Aufnahme gefunden hat. Sie erzählt oft, dass sie sich damals wie eine Prinzessin vorgekommen sei, als sie nach dem Schock, den der Tod ihres Großvaters hervorgerufen hatte, in Sophienlust aufgewacht war.«

»Ich freue mich sehr für das Kind, dass es ein richtiges Elternhaus gefunden hat. Weißt du, Mama, manche Kinder sind keine Heimkinder. Sie sehnen sich nach familiärer Abgeschlossenheit und nach richtigen Eltern. Kati gehört zu dieser Sorte.«

»Ich weiß, darum hatte ich das Kind auch sofort in mein damals so leeres Herz geschlossen.«

*

Kati saß währenddessen mit Malu und Dominik auf dem ausladenden Zweig einer uralten Eiche. Unter ihnen plätscherte lustig ein Bächlein. Benny lief schnuppernd am Ufer ­entlang, blieb aber immer wieder stehen, um zu den Kindern zurückzublicken.

Dominik fiel es nicht leicht, klein beizugeben. Aber wenn es angebracht war, überwand er sich.

»Weißt du, Kati«, sagte er nach einem langen Schweigen. »Ich gönn dir ja den Flug nach Paris. Nur fiel mir gerade ein, dass ich ja noch nie in Paris war. Und dann …«

»Aber du bist doch schon oft mit deinen Eltern fortgefahren!«, warf Malu ein.

»Das schon. Aber ich war noch nie im Ausland. Und nun fliegt Kati nach Paris …«

»Nick, schau doch!«, rief Kati plötzlich. »Dort steht eine Forelle. Eine ganz große.« Sie deutete aufgeregt zum Bach hinunter.

»O ja, ich sehe sie auch. Ich kann Forellen mit der Hand fangen«, prahlte Dominik.

»Wirklich?«, fragte Malu skeptisch. »Wie machst du das, Nick?«

»Ganz einfach! Weißt du, da pirscht man sich heran und legt sich auf den Bauch. Ganz vorsichtig rutscht man an den Uferrand und …«

»Zeig es uns doch«, bat Kati begeistert.

»Nein, Nick, bitte nicht!«, rief Malu. »Der arme Fisch soll nicht sterben.«