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Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Der letzte Schein der untergehenden Sonne tauchte die hellen Möbel des Kinderzimmers in ein rosiges Licht. In der Ecke zwischen Ofen und Wand kauerte Malu. Sie drückte ihr Gesicht gegen das schwarzgraue Fell des Wolfsspitzes, den sie mit den Armen fest umschlungen hielt. »Ach, Benny, ich fürchte mich so. Gut, dass du wenigstens bei mir bist. Warum muss Mutter immer mit Vati streiten? Er ist doch so lieb und so gut.« Malu zuckte zusammen, als jetzt eine Tür mit lautem Knall ins Schloss fiel. Die Stille, die der vorangegangenen lauten Auseinandersetzung folgte, war fast noch bedrohlicher als der Streit. Benny versuchte aus Malus Umklammerung herauszukommen. Er fiepte leise vor sich hin. »Ob sie jetzt weggegangen ist, Benny?«, flüsterte Malu. »Gehst du mit mir nachsehen?« Sie ließ den Hund frei und erhob sich. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür und öffnete sie einen Spalt. Kein Laut war zu hören. Malu lief, gefolgt von Benny, zum Wohnzimmer. Leise drückte sie die Klinke nieder. Sie atmete auf, als sie sah, dass ihr Vater allein war.
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Der letzte Schein der untergehenden Sonne tauchte die hellen Möbel des Kinderzimmers in ein rosiges Licht. In der Ecke zwischen Ofen und Wand kauerte Malu. Sie drückte ihr Gesicht gegen das schwarzgraue Fell des Wolfsspitzes, den sie mit den Armen fest umschlungen hielt.
»Ach, Benny, ich fürchte mich so. Gut, dass du wenigstens bei mir bist. Warum muss Mutter immer mit Vati streiten? Er ist doch so lieb und so gut.«
Malu zuckte zusammen, als jetzt eine Tür mit lautem Knall ins Schloss fiel. Die Stille, die der vorangegangenen lauten Auseinandersetzung folgte, war fast noch bedrohlicher als der Streit.
Benny versuchte aus Malus Umklammerung herauszukommen. Er fiepte leise vor sich hin.
»Ob sie jetzt weggegangen ist, Benny?«, flüsterte Malu. »Gehst du mit mir nachsehen?«
Sie ließ den Hund frei und erhob sich. Auf Zehenspitzen schlich sie zur Tür und öffnete sie einen Spalt.
Kein Laut war zu hören. Malu lief, gefolgt von Benny, zum Wohnzimmer. Leise drückte sie die Klinke nieder. Sie atmete auf, als sie sah, dass ihr Vater allein war.
Daniel Kollberg stand am Fenster. Sein Gesicht zeigte einen Ausdruck tiefen Kummers. Er drehte sich um, als er nun Malus Stimme hinter sich hörte und versuchte den Ernst mit einem Lächeln wegzuscheuchen.
»Vati, ist sie weg?«, fragte Malu. »Wir haben uns sehr gefürchtet, Benny und ich.«
Daniel Kollberg trat rasch auf seine Tochter zu. Er legte den Arm um die Schulter des Mädchens.
»Ja, wir sind allein, Malu. Es wird sich alles ändern.«
»Mutter ist für immer gegangen?« Malus Stimme zitterte leicht. Wenn sie auch von ihrer Mutter wenig Liebe erfahren hatte, so traf es sie doch, dass diese weggegangen war, ohne ihr Lebewohl zu sagen.
»Ja, Malu. Ich glaube, dass es so am besten ist. Sie hat sich doch immer von uns fortgesehnt. Ich will jetzt versuchen, dir Vater und Mutter zugleich zu sein.«
Malu schluckte. Dann lächelte sie tapfer. »Mit dir ist es am schönsten, Vati. Und vielleicht finden wir eine neue Mutti. Weißt du, so eine, die dich und mich richtig lieb hat, und Benny auch. Eine Mutti, die will, dass man sie lieb hat, und die nie, nie weggehen würde.«
Daniel Kollbergs Griff um Malus Schulter wurde fester. Das Kind war alles, was ihm geblieben war von der großen Liebe, von dem heißen Wunsch, dass seine Ehe gut und unzerbrechlich sein möge. Doch das Schicksal hatte es anders gewollt. Seine Frau war einfach gegangen. Zu dem anderen Mann, der ihr mehr bieten konnte, und mit dem sie schon bald ins Ausland reisen würde. Bis zuletzt hatte er um Malus willen versucht, seine Ehe aufrechtzuhalten. Doch dann hatte er schließlich einsehen müssen, dass der ständige Streit für das Kind schlimmer war, als wenn es künftig keine Mutter mehr hatte.
»Ich glaube, mein Schätzchen, das ist gar nicht so einfach. Ich denke, es wird besser sein, wenn wir beide für uns bleiben. Ich komme abends immer ganz bald vom Büro nach Hause, und dann haben wir Zeit füreinander.«
»Ja, Väterchen, und ich kann immer alles aufräumen. Und Spiegeleier und Bratkartoffeln kann ich ja auch machen. Vielleicht lerne ich noch was dazu.«
Daniel musste trotz seines Kummers lächeln, als er Malus ernsthaftes Gesicht sah.
»Du glaubst nicht, dass ich es lernen kann?«, fragte Malu. Sie war ein bisschen beleidigt, weil sie ihren guten Willen so verkannt sah. »Ich bin ja nicht mehr so klein. Schließlich bin ich schon zwölf Jahre alt.«
»Ich bin davon überzeugt, dass du es lernen würdest, Schätzchen. Du bist aber trotz deiner zwölf Jahre noch ein kleines Mädchen. Du sollst spielen, und fröhlich sein, wenn du deine Schulaufgaben gemacht hast. Ernsthafte Pflichten kommen noch früh genug auf dich zu. Wir werden genau überlegen, wie wir alles einteilen. Hast du mit Benny schon den Abendspaziergang gemacht?«
Malu schüttelte den Kopf. »Noch nicht. Ich habe mich ja nicht aus meinem Zimmer herausgetraut. Kommst du mit uns? Das wäre fein.«
Benny raste bellend zur Tür, als er sah, dass sein kleines Frauchen den Wintermantel anzog.
»Pst, Benny. Mach doch nicht so’n Krach«, belehrte ihn Malu ernsthaft. »Du weißt doch, Vati bekommt so leicht Kopfweh. Und dein Gebell ist ja wirklich nicht das allerschönste.«
Benny verstummte sofort. Doch er legte den Kopf schief und warf Malu einen anklagenden Blick zu. Seine buschige Rute wedelte aufgeregt.
»Siehst du, du glaubst es mir ja nie. Aber Benny versteht wirklich alles, was ich zu ihm sage. Da hast du jetzt den besten Beweis.«
»Ich habe nie daran gezweifelt, dass Benny der allerklügste Hund ist, den es gibt. Komm jetzt, wir wollen ihn nicht länger warten lassen.«
Sie verließen die Wohnung und stiegen die vielen ausgetretenen Stufen hinab. Draußen war es nasskalt. Ein unfreundlicher Wind wehte.
Es schnitt Daniel Kollberg ins Herz, dass er auch in diesem Winter nicht genügend Geld gehabt hatte, um Malu den längst benötigten neuen Wintermantel zu kaufen. Er wünschte sich sehnlichst, dass er wenigstens einmal Glück im Lotto haben möge. Es müsste ja nicht gleich eine halbe Million sein. Nur gerade so viel, dass er Malu mal ein bisschen verwöhnen könnte. Ein paar tausend Euro vielleicht. Seine Frau hatte ihm so oft vorgehalten, dass er ein Versager sei, dass er allmählich selbst daran glaubte. Er würde ewig der kleine Buchhalter bleiben. Der wirtschaftliche Aufschwung war an ihm vorbeigegangen, es war für ihn nur ein Wort.
Der stechende Schmerz im Rücken, den Daniel Kollberg in der letzten Zeit schon öfter gespürt hatte, zwang ihn jetzt dazu stehen zu bleiben. Malu, die mit Benny ein Stück voraus war, wandte sich um.
»Was hast du, Vati? Ist dir nicht gut?«
Sie kam zurück und fasste nach der Hand des Vaters. Angst stand in ihren schönen grünen Augen, die so durchsichtig und klar schimmerten wie ein Bergwasser.
Daniel zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist nichts weiter, Schätzchen. Mein Rücken tut mir mal wieder weh.«
»Komm, wir gehen nach Hause. Benny hat seine Geschäfte erledigt. Du legst dich ins Bett, und ich mache dir eine Wärmflasche. Vielleicht wäre auch Kamillentee gut.«
Daniel spürte den Schmerz so stark, dass er am liebsten aufgeschrien hätte. Doch er wollte Malu nicht noch mehr beunruhigen.
*
»Aber das ist doch auf die Dauer kein Zustand, Daniel?«
Malu wollte nicht lauschen. Doch Tante Helmas schrille, laute Stimme drang bis in den letzten Winkel der kleinen Wohnung.
»Möchtest du mir sagen, was ich daran ändern soll, Helma?«
Daniel Kollberg sah seine Schwester fragend an. Er hatte sich noch nie sonderlich gut mit ihr verstanden. Seit sie damals eine sogenannte gute Partie gemacht hatte, fühlte sie sich über ihre beiden Geschwister erhaben. Ihr Mann, der ein hoher Beamter gewesen war, war vor wenigen Jahren verstorben und hatte seiner Witwe und seinem Sohn eine stattliche Pension hinterlassen. Dazu kam noch ein beträchtliches Vermögen von der Familie ihres Mannes. Doch sie hatte ein kaltes Herz und dachte nur an sich.
»Du siehst aus, als seist du schwer krank«, stellte Helma herzlos fest. »Wenn du auch noch Hausmann spielst, wirst du eines Tages zusammenklappen. Du musst Marie-Luise fortgeben.«
»Fortgeben?« Daniel sah seine Schwester ungläubig an.
»Ja! Mach doch nicht gleich so ein Gesicht, als würde deshalb die Welt untergehen. Eines Tages musst du dich sowieso von ihr trennen. Sie wird heiraten oder so was. Da kommt es doch nicht darauf an, ob sie schon jetzt in einem Heim oder so lebt.«
»In einem Heim oder so«, wiederholte Daniel. »Du kannst doch gleich sagen, was du meinst: Waisenhaus! Denn woher sollte ich wohl das Geld nehmen für ein Internat oder so was. Es ist ja reizend von dir, dass du dir den Kopf über unser Wohlergehen zerbrichst. Doch was ich tue, das musst du schon mir überlassen.«
»Jetzt bist du schon wieder beleidigt. Dabei habe ich es doch nur gut gemeint.«
»Ich weiß. Du meinst immer alles nur gut. Du hast doch auch ein Kind. Würdest du dich von ihm trennen?«
»Ich bitte dich. Bei uns ist das doch etwas anderes. Hans ist sehr sensibel, und schließlich war sein Vater ein ordentlicher, charaktervoller Mensch. Wer weiß, ob Marie-Luise nicht genauso wird wie ihre …«
»Jetzt ist es genug, Helma«, unterbrach Daniel seine Schwester barsch. »Du musst mich jetzt entschuldigen. Ich habe Malu versprochen, einen Spaziergang mit ihr zu machen.«
»Bitte, wenn du meine Sorge nicht anerkennst«, meinte Helma spitz. »Das hat man davon, wenn man sich um andere Leute Gedanken macht.« Sie pflückte mit spitzen Fingern ein Hundehaar von ihrem Kleid. »Und dieser grässliche Köter! Dass du das erlaubst, dass er überall herumspringt? Hunde sind Krankheitsträger, und es ist bodenlos leichtfertig, einem Kind zu erlauben, so ein Tier herumzutragen und womöglich noch mit ins Bett zu nehmen.«
Daniel war zur Tür gegangen und öffnete sie.
»Wiedersehen, Helma.«
»Ich gehe schon«, rief sie empört. »Du brauchst mich nicht erst hinauszuwerfen.«
Daniel atmete erleichtert auf, als die Korridortür hinter ihr zufiel. Was sich Helma so dachte.
Als ob er sich von Malu trennen würde. Sie allein gab seinem Leben Inhalt und Freude.
»Malu«, rief er. »Malu, komm doch. Wir wollen gehen.«
Von Malu kam keine Antwort, und Daniel ging in ihr Zimmer hinüber.
Malu lag auf dem Bett. Ihre schmalen Schultern bebten vor Schluchzen, und Benny saß neben ihr und stieß sie immer wieder mit der Schnauze an.
»Warum weinst du, Schätzchen?« Daniel hob ihr tränenüberströmtes Gesicht zu sich empor.
Malu schluckte. »Ich hasse sie! Sie ist böse. Wie kann sie nur deine Schwester sein, Vati? Wirst du tun, was sie gesagt hat? Muss ich von dir weggehn? Und Benny …«
Wieder begann sie zu schluchzen.
»Glaubst du wirklich, dass ich mich von dir trennen würde, Malu? Und was Benny für dich ist, das weiß ich doch auch. Tante Helma hat doch nicht über uns zu bestimmen. Sie bildet sich nur ein, dass sie sich in alle Dinge einmischen könnte. Komm, putz dir die Nase, und weine nicht mehr.«
Er hatte ein Taschentuch genommen und wollte es Malu reichen. Doch dann besann er sich eines andern. Er tupfte ihr behutsam die Tränen von Augen und Wangen und hielt ihr das Tuch dann vor die Nase, so, wie er es früher gemacht hatte, als sie noch ein kleines Kind war.
»Na also. Jetzt hast du wieder blanke Augen, Schätzchen. Und nun wirst du ganz schnell das dumme Gerede von Tante Helma vergessen.«
»Ich wollte, ich hätt’s nicht gehört. Aber sie schreit so laut, dass man alles mitkriegt, auch wenn man nicht lauschen will.«
Daniel nickte. »Ich weiß, Malu. Doch sobald wird sie sicher nicht wiederkommen. Hast du noch Lust auf unsern Spaziergang?«
Malu sah zum Fenster. Es schneite in dichten Flocken.
»Vielleicht wär’s auch ganz schön, wenn wir Halma spielten oder Dame. Dein Rücken tut dir doch immer weh, wenn du spazieren gehst. Und ich möchte nicht, dass du Schmerzen hast.«
»Also gut, dann bleiben wir hier. Ich stelle uns Äpfel in die Bratröhre, die lassen wir brutzeln und bestreuen sie nachher mit Zucker und Zimt. Das magst du doch.«
Einträchtig saßen sie danach beisammen.
Daniel bereitete es sichtlich Vergnügen zu sehen, mit welchem Feuereifer Malu bei der Sache war.
*
Der nächste Tag war ein Samstag. Daniel hatte keinen Dienst, und Malu musste nicht in die Schule.
Das Kind war schon zeitig aufgestanden. Leise wie ein Mäuschen schlich sich Malu in die Küche und bereitete das Frühstück zu. Heute wollte sie Vatilein einmal verwöhnen. Wenn sie in die Schule ging, dann stand er immer als Erster auf.
Sie deckte den Tisch im Wohnzimmer und stellte den Kaffee unter die Haube. Dann weckte sie den Vater.
»Du hast das wirklich gut gemacht«, lobte Daniel sie, als sie sich das Frühstück schmecken ließen. »Einen so guten Kaffee koche ich nicht einmal.«
Dabei dachte er bekümmert daran, dass Malu die doppelte Portion Kaffeepulver verbraucht hatte. Bis zum Gehaltsempfang waren noch einige Tage, und er besaß doch nur noch ein paar Euro.
Später räumten sie gemeinsam die kleine Wohnung auf. Es war kurz vor dem Mittagessen, als es klingelte.
Malu machte die Tür auf und flog mit einem Jubelruf Tante Irene um den Hals. Dann begrüßte sie ihre Kusine Hilde, die schon eine hübsche junge Dame war.
»Das ist fein, dass ihr kommt. Vatilein, Tante Irene und Hilde sind da!«
Irene Walters war Daniels älteste Schwester. Sie war das genaue Gegenteil von Helma. Doch leider durfte sie das nur zeigen, wenn ihr Mann nicht dabei war. Kurt Walters war ein Tyrann, vor dem Irene und Hilde zitterten. Seiner Wesensart nach hätte er viel besser zu Helma gepasst. Aber Irene liebte ihn, und so ordnete sie sich willig unter.
»Hilde, pack doch bitte die Tasche aus. Vielleicht kann Malu dir dabei helfen. Da ist ja auch Benny.«
Sie beugte sich hinab und tätschelte den Hund, der dann Hilde begrüßte.
»Ich habe euch ein paar Konserven und noch einiges mitgebracht«, sagte Irene zu Daniel, als sie mit ihm im Wohnzimmer war.
»Danke, Irene. Was sagt denn Kurt dazu?«
»Der braucht ja nicht alles zu wissen«, tat Irene seine Frage ab. »Ich weiß doch, dass du es gebrauchen kannst. Hast du denn die Scheidung nun bald hinter dir?«
Daniel nickte. »Ich denke, dass sie in der nächsten Woche ausgesprochen wird. Du weißt ja, dass sie es sehr eilig hatte. Ich hätte mich nicht so lange dagegen sträuben sollen.«
Irene sah den Bruder mitleidig an. Sein Gesicht war eingefallen, und unter seinen Augen lagen tiefe Schatten.
»Das sagst du jetzt. Aber man hofft doch immer, dass sich wie durch ein Wunder alles ändert. Wie findet sich Malu in alles? Weiß sie eigentlich, dass die Trennung endgültig ist?«
»Ich spreche nicht mit ihr darüber. Doch sie ist ja nicht mehr so klein. Und außerdem hat ihre Mutter alles getan, um Malus kindliche Liebe in Abwehr zu verwandeln. Wenn du so willst, dann sind wir beide jetzt glücklich und zufrieden.«
Irene zweifelte daran, dass Daniel glücklich war. Doch er würde sich damit abfinden, dass man nichts erzwingen konnte. So wie sie sich damit abgefunden hatte, dass sie Kurt nicht ändern konnte.
»Hm, das sind leckere Sachen«, meinte Malu, als sie die Aufschriften auf den einzelnen Dosen sah. »Lieb von Tante Irene, dass sie uns so was schenkt. Du riechst fein, Hilde.«
»Das ist Kölnisch Wasser, Malu. Ich würde ja lieber mal ein richtiges Parfüm benutzen, doch das erlaubt Vater nicht.«
»Aber du bist doch schon erwachsen! Du gehst doch nicht mehr in die Schule, sondern arbeitest«, meinte Malu verwundert. »Ich wollte, ich wäre auch schon groß. Dann könnte ich Vati viel mehr helfen und auch Geld verdienen, damit wir ein bisschen mehr hätten. Dass man überhaupt so viel Geld braucht. Es wäre doch viel besser, wenn alle Leute gleich viel hätten.«
»Besser wär’s schon, Malu. Aber leider ist es nun mal nicht so.«
Tante Irene und Hilde blieben zum Mittagessen. Daniel hatte einen großen Topf Erbsensuppe gekocht, der eigentlich für den nächsten Tag hatte reichen sollen. Doch dank Irenes Güte hatte er ja jetzt wieder einen kleinen Vorrat.
*
Malu war gerade aus der Schule gekommen. Benny begrüßte sie mit freudigem Gebell und rannte dann zu seiner Futterschüssel. Er fraß immer erst, wenn Malu zu Hause war.
Malu erschrak, als es läutete. Bevor sie die Tür öffnete, legte sie erst die Sicherheitskette vor. Ihr Vater hatte ihr das eingeschärft.
»Mach auf, Kind. Deinem Vater ist schlecht geworden. Ich habe ihn nach Hause gebracht.«
Malus Knie schlotterten, als sie hinter dem großen Mann ihren Vater sah. Er war ganz bleich und sah so aus, als würde er jeden Augenblick umfallen. Malu beeilte sich, die Kette wegzunehmen, und öffnete die Tür weit. Dann lief sie zum Schlafzimmer und riss auch hier die Tür auf. Sie schlug die Bettdecke zurück.
Daniel Kollberg atmete schwer, doch er bemühte sich, Malu beruhigend zuzulächeln.
»Nur ein kleiner Schwächeanfall, Schätzchen. Der wird bald vorübergehen.«
»Vergiss nicht, den Arzt zu bestellen, Kollberg«, sagte sein Kollege. »Wenn du mir die Adresse gibst, dann fahre ich eben vorbei.«
»Ich gebe Ihnen die Adresse«, sagte Malu. Sie dachte an den netten Doktor, der gleich um die Ecke wohnte und der ihr mal den Hals ausgepinselt hatte, als sie so schlimm erkältet gewesen war. »Soll ich Ihnen eine Tasse Kaffee machen?«, fragte sie, weil sie auch schon gehört hatte, wenn jemand zu Besuch gewesen war.
»Nein, lass nur, kleines Fräulein. Ich muss gleich wieder weg. Schreib mir die Adresse bitte auf.«
Malu tat das und brachte den Kollegen des Vaters zur Tür.
»Vielen Dank auch, dass Sie sich so lieb um Vati gekümmert haben«, sagte sie wohlerzogen.
Als sie die Tür hinter ihm geschlossen hatte, lief sie gleich zu ihm.
»Bleib noch einen Augenblick draußen, Malu. Ich will mich ausziehen. Ich rufe dich dann.«
Malu ging niedergeschlagen in die Küche.
»Was mag Vatilein denn nur fehlen, Benny? Sicher hat er zu viel gearbeitet. Meinst du, dass er bald wieder gesund wird?«
Benny wedelte mit dem Schwanz.
»Ich bete für Väterchen. Und wenn ich morgen in die Schule gehe, dann bringe ich dem heiligen Antonius eine Kerze. Er wird sicher helfen.«
»Wau«, machte Benny, und Malu war überzeugt, dass er derselben Ansicht war wie sie.
»Ich komme, Vati«, rief sie, als sie des Vaters Stimme hörte.
Daniel Kollberg hatte sich einen frischen Schlafanzug genommen. Obwohl er bis zum Hals zugedeckt war, fror er.
»Ich mache dir einen heißen Tee, Väterchen. Dann wird dir auch wärmer. Und ich lasse die Türen auf, dann kommt Wärme aus der Küche. Wie geht es dir denn jetzt?«
»Schon wieder viel besser, Schätzchen. Ich glaube, das ist eine Grippe. Du solltest besser nicht so nahe an mich herankommen, sonst stecke ich dich auch an.«
»Nein, nein, ich werde nicht krank. Was sollte wohl aus Benny werden, wenn wir beide im Bett liegen müssten? Der Doktor kommt sicher ganz bald und macht dich wieder gesund.«
»Bestimmt, Schätzchen.«
Malu setzte Wasser für Tee auf. Dann kam der Arzt.
Dr. Kramer tätschelte ihre Wangen, rief Benny ein freundliches Wort zu und verschwand dann im Schlafzimmer, dessen Tür er fest hinter sich zuzog.
»Welche Beschwerden haben Sie, Herr Kollberg?«
»Es muss so eine Art Schwächeanfall gewesen sein, Herr Doktor. Ich hatte in der letzten Zeit privat sehr viel Aufregung. Möglich, dass sich das so niedergeschlagen hat.«
»Hm. Kann sein. Muss aber nicht. Schmerzen haben Sie keine?«
»Hin und wieder Stiche im Rücken. Doch die gehen dann wieder vorüber.«
Dr. Kramer hatte seine Tasche geöffnet und nahm das Stethoskop heraus. Er horchte Daniel ab und untersuchte ihn gründlich.
»Sie müssen ein paar Tage liegen bleiben, Herr Kollberg. Und dann kommen Sie zu mir in die Praxis. Ich kann Sie hier nicht so untersuchen, wie es erforderlich ist.«
»Was fehlt mir denn? Ist es etwas Ernstes? Ich war doch immer gesund! Ich kann es mir einfach nicht erlauben, krank zu sein. Wer sollte sich um Malu kümmern?«