Dan Oakland Story 19: Der Geheimbund - U.H. Wilken - E-Book

Dan Oakland Story 19: Der Geheimbund E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Das Camp am BärenflussDas Wettrennen zwischen der Union Pacific und der Central Pacific ist in vollem Gang. Niemand nimmt Rücksicht auf die Indianer, deren Land der Schienenstrang zerschneidet.Dan Oakland und sein Sohn Sky werden Zeuge, als mehrere Arapaho-Indianer in eine Falle gelockt und getötet werden. Wer steckt hinter dem Massaker?Geheimbund der HundemännerLieutenant Mark Jason tötet einen Cheyenne-Krieger. Er weiß nicht, dass der Ermordete Mitglied der Hundemänner ist. Die schwören Rache und greifen Fort McDonald an.Die Spirale der Gewalt dreht sich schneller. Und dann geschieht etwas Unglaubliches.

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Dan Oakland Story

In dieser Reihe bisher erschienen

4301 U. H. Wilken Lockruf der Wildnis

4302 U. H. Wilken Teufelsbrigade

4303 U. H. Wilken Die Feuertaufe

4304 U. H. Wilken Der weiße Büffel

4305 U. H. Wilken Das Aufgebot des Bösen

4306 U. H. Wilken Grausame Grenze

4307 U. H. Wilken Omaha-Marter

4308 U. H. Wilken Blutige Säbel

4309 U. H. Wilken Der Unbezwingbare

4310 U. H. Wilken California-Trail

4311 U. H. Wilken Berg der zornigen Götter

4312 U. H. Wilken Die Teuflischen

4313 U. H. Wilken In Todesgefahr

4314 U. H. Wilken Schwarzer Horizont

4315 U. H. Wilken Der Raubadler

4316 U. H. Wilken Trail aus Blut und Eisen

4317 U. H. Wilken Der Wolfskiller

4318 U. H. Wilken Nachtfalken

4319 U. H. Wilken Der Geheimbund

4320 U. H. Wilken Tödliche Tomahawks

U. H. Wilken

Der Geheimbund

Der Text wurde anhand der Originalmanuskripte des Autors sorgfältig überarbeitetet und um bisher unveröffentlichte Textpassagen ergänzt.

Der Abdruck erfolgt mit freundlicher Genehmigung von Detlef Wilken.

Dieses Buch enthält die Einzelromane:

Das Camp am Bärenfluss

Geheimbund der Hundemänner

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2023 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Alfred WallonTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerVignette: Wiktoria Matynia/123RF.comSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-105-2

Das Camp am Bärenfluss

Schüsse peitschten aus dem Halbdunkel. Kugeln trafen den Mann, schüttelten ihn und rissen ihn zu Boden. Schwer stürzte er auf die Schwellen dicht am Wagen. Drinnen erlosch das Licht.

Sekunden später schnellten vier Männer aus dem dunklen Wagen, landeten neben dem Bahndamm und feuerten sofort.

Zwei der dunklen Gestalten riss es von den Beinen. Den anderen gelang es, im Dunkel der Hütte zu entkommen. Heißes Blei schlug ihnen noch nach und klatschte in das Holz der Hütten.

„Los, hinterher!“, keuchte Quinn McLintock. „Knallt sie ab, wenn ihr sie noch erwischt!“

Drei harte Männer nahmen die Verfolgung auf und suchten verbissen nach den heimtückischen Schützen. Sie rannten ihnen nach, und dann lag die Straße vor ihnen mit den Lichtbahnen der Saloonzelte und Bars. Sie hörten das Kreischen der Flittergirls. Ewiges Kommen und Gehen beherrschte das Camp. Wagen mit Schwellen rollten vorbei. Ein paar Männer prügelten sich am Straßenrand dicht vor den Verfolgern, wälzten sich durch den Staub, schnauften, brüllten und fluchten.

Die Verfolger überquerten den Wagenweg und hasteten weiter. Im Gewimmel war es unmöglich, die Mord­schützen wiederzufinden. Kaum waren sie ­verschwunden, als die sich prügelnden Männer innehielten, grinsten, sich erhoben und ihre weggeworfenen Waffen packten. Als wäre nichts geschehen, entfernten sie sich im Gewühl der Schienenarbeiter.

Der harte, knochige Quinn McLintock kniete neben dem Mann am Wagen und drehte ihn vorsichtig auf den Rücken. Sterne funkelten über Bear River City. Bleiches Licht fiel auf das Gesicht des Toten. Überall war Blut.

Steif richtete McLintock sich auf. Er und seine Männer hatten einen Höllenjob. Sie sollten für Ruhe und Ordnung sorgen. Sie kämpften für die Union Pacific. Dieser Job zerschliss sie, machte sie langsam fertig.

Düster blickte McLintock auf den toten Kampf­gefährten.

„Sefton“, murmelte er schwer. „Du wolltest mit mir noch einen starken Kaffee trinken.“

Mehr sagte er nicht, wandte sich ab und stapfte zu den reglos am Boden liegenden Banditen. Er packte den ersten, riss ihn herum und starrte in das tote Gesicht. Er kannte den Kerl nicht. Gebeugt schritt er zu dem anderen Mann, drückte ihn mit dem Fuß herum und betrachtete auch ihn.

„Ihr Höllenhunde“, kam es heiser über McLintocks Lippen. „Ich möchte nur wissen, wer euch den Mord­auftrag gegeben hat! Wenn ich den Burschen erwische, dann dreh’ ich ihm den Hals um!“

Ein Mann wie McLintock stand immer mit einem Bein im Grab. Seine Kampfgefährten lebten in der gleichen Gefahr. Wer in Bear River City das Gesetz der Union Pacific Railroad verkörperte, der stand schon fast auf verlorenem Posten, denn er hatte viele heimtückische Feinde, die den offenen Kampf scheuten. McLintock wusste, dass es ihn zu jeder Minute erwischen konnte, und nach jeder Minute erneuerte sich sein Leben. Zermürbend waren all diese Minuten zwischen Leben und Tod.

Die beiden Banditen waren ihm unbekannt. Vielleicht hatte er sie irgendwo einmal gesehen, doch viele hundert Männer lebten in Bear River City, einer ehemaligen Siedlung von Holzfällern, die die Union Pacific Anfang Oktober erreicht hatte. Täglich starben hier Männer, wurden betrunkene Schienenleger überfallen und beraubt, niedergestochen und erschossen. Fast jede Nacht knallten Spieler am Pokertisch einen Mitspieler über den Haufen, kam es zu wilden Schießereien um Geld und um die zweifelhafte Gunst irgendeines Flittergirls.

McLintock hasste Bear River City, eines der letzten wilden Schienencamps. Die ewigen Kämpfe gegen das Gesindel hatten ihn geformt. Sie hatten ihn zu einem verbissenen Mann gemacht, der in Gefahr kam, nicht mehr zwischen Gut und Böse unterscheiden zu wollen.

Horchend verharrte er vor den Toten und wartete auf die Rückkehr seiner Männer.

Und sie kamen zurück und zuckten die Achseln, standen am Wagen und blickten auf ihren leblosen Gefährten.

McLintock straffte die Schultern.

„Gebt ihm ein Grab“, sagte er rau. „Ich werde seiner Frau schreiben.“

Er zog sich die Treppe hinauf und setzte sich im Wagen an den Tisch, griff zu Papier und Federkiel und begann zu schreiben. Immer wieder hielt er inne und starrte ins Leere, während es in der Stadt tobte und lärmte, seine Männer den Toten begruben und die beiden erschossenen Banditen wegschafften.

Eisenbahnwagen rollten vorbei mit Schwellen und Schienen. Weit vorn im Westen war die Arbeit wieder aufgenommen worden, polterten die Schwellen von den Waggons, schleppten Männer die Schienen nach vorn und hämmerten andere die Schienen auf den Schwellen fest. Der Schienenstrang fraß sich nach Westen durch die Täler und Schluchten der Wasatch Mountains und näherte sich Ogden. Das größte Abenteuer des Jahrhunderts ging langsam zu Ende. Der Bau des Schienenstrangs quer durch den riesigen Kontinent von Küste zu Küste näherte sich der Vollendung.

Ein Mann war allein. Er schrieb einen Brief an eine junge Frau, die Witwe geworden war. Finanziell würde die Union Pacific für sie sorgen, aber noch so viele Dollars konnten ihr den Mann nicht ersetzen.

Bedächtig schloss McLintock den Umschlag und verließ den Wagen, schritt über die Abstellgleise und erreichte den Postwagen der Union Pacific. Die Tür war geschlossen. Er klopfte an, und ein grauhaariger Mann öffnete ihm.

„Hallo, Quinn, kommen Sie rein“, sagte er freundlich lächelnd, drehte sich halb um und rief in den Wagen: „Annie mach Quinn McLintock Kaffee, er wird ihn brauchen!“

McLintock stand wenige Sekunden später im Wagen. Die eine Hälfte war als Postoffice eingerichtet, die andere Hälfte diente als Wohn- und Schlafraum, und hier stand die blonde Annie, Ward Grangers Tochter, schlank, jung und natürlich, ein attraktives Mädchen in derber, enger Hose, Bluse und lederner Fransenjacke.

„Bitte, setzen Sie sich, Quinn“, sagte Annie und rückte einen Stuhl vom Tisch ab. „Der Kaffee ist gleich fertig.“

Er nahm Platz und legte den Brief auf den Tisch. Während Annie den Kaffee zubereitete, nahm Ward Granger den Briefumschlag und betrachtete ihn.

„Nach Omaha“, sagte er, plötzlich ernst geworden. „Das ist ein weiter Weg zurück. An Mrs. Sefton in Omaha.“ Er sah in McLintocks Augen, bemerkte die Schatten, den Ausdruck der Übermüdung und Schlaflosigkeit. „Ich habe Schüsse gehört, Quinn.“

„Yeah“, murmelte McLintock. „Sefton wurde erschossen, von ein paar Dreckskerlen, die uns alle fertigmachen wollten. Sie schossen zu früh, sonst hätte es noch mehr von uns erwischt.“

Hinter McLintock klapperten die Blechbecher. Annie sah herüber. In ihrem Gesicht zuckte es. Die blauen Augen blickten nicht mehr froh und lebenslustig. Sie sagte kein Wort und hantierte schließlich weiter.

„Diese gemeinen Kerle“, ächzte Ward Granger und brachte den Brief in das Postabteil, kam zurück und setzte sich schwer. „Seit Omaha haben wir schon so manches üble Camp erlebt. Cheyenne, Laramie, Sweetwater, Blackman’s Town, und jetzt Bear River City. Vor uns liegen die Wasatch-Berge, es ist nicht mehr weit nach Ogden am Salt Lake. Der Winter wird bald kommen, dann stecken wir mitten in den Mountains, aber das nahe Ziel treibt alle Männer voran, und jetzt musste Sefton sterben. Eine verfluchte Sauerei! In Ihrer Haut möchte ich nicht stecken, Quinn. Wie wollen Sie mit den Halunken fertig werden?“

McLintock starrte ins Leere und bewegte den Unterkiefer, als würde er Steine zwischen den Zähnen zermahlen.

„Die Gewalt ist nur durch Gewalt zu brechen, Ward. Sehen Sie sich meine Männer mal an, dann wissen Sie, was in ihnen vorgeht. Die Hölle! Und in mir sieht es nicht anders aus! Wir kriegen es schon noch raus, wer dahintersteckt. In Bear River City gibt es viele Schweine, die auf den letzten Meilen noch zu Geld kommen wollen und vor nichts zurückschrecken. Aber uns geht es jetzt erst einmal darum, Seftons Mörder zu finden, und dann Gnade ihnen Gott!“

Annie spürte es kalt über den Rücken laufen. Sie brachte die Blechkanne und die Becher an den Tisch und füllte ein. Schweigend setzte sie sich neben ihren Vater.

„Sie wollen auch den Richter ersetzen, Quinn?“ Ward Granger senkte den Blick und griff zum Becher, trank langsam und hörte die kalte Antwort.

„Wir haben hier keinen Richter. Meine Männer und ich haben das von der Union Pacific verbriefte Recht, ­aufzuräumen, wann, wo und wie auch immer! Das werden wir tun! Ich muss jetzt gehen.“

Er trank hastig den Becher leer, erhob sich und verließ wortlos den Wagen, stapfte zu dem Grab hinter den Zelten und Hütten und verharrte neben seinen Gefährten. Am Grab nahm er den Stetson ab. „Tom, wir holen uns die Kerle“, sagte er dunkel. „Du sollst deinen Frieden haben.“

Langsam gingen sie zurück, hielten die Gewehre in der Rechten und schritten gleich darauf die Straße hinauf, durch die Lichtbahnen, an den Saloons und Bars und Etablissements vorbei.

Vor seinem Store, dem einzigen fest gebauten Haus in Bear River City, stand Stephan Nuckoll und hob grüßend die Hand; der Storebesitzer zeigte ein ernstes Gesicht.

Sie schritten weiter, schoben drei Flittergirls vom Gehsteig und erreichten das kleine Zeitungshaus. Erst seit wenigen Wochen war Legh Freeman hier. Seine kleine Zeitung, der „Frontier Index“, machte mit großen Schlagzeilen den wenigen ordentlichen Menschen Mut. Freeman schreckte nicht davor zurück, Laster und Mord anzuprangern.

„Fast wäre ich heute umgelegt worden“, begrüßte der Zeitungsmann McLintock und lächelte bissig. „Aber der Halunke schoss schlecht. Ich habe ihn noch gesehen. Er schielt so stark, dass ihm beim Weinen der Rücken nass wird.“

„O’Rourke?“, dehnte McLintock.

„Genau der“, meinte Freeman. „Seitdem ich in meinem ,Index‘ eine Bürgerwehr propagiere ist das Gesindel sauer. Verständlich, wie?“

„Sicher“, lächelte McLintock düster.

„Übrigens findet ihr O’Rourke bei seinem Freund Jimmy Reed drüben im Sundown Saloon“, sagte Freeman gelassen.

Quinn McLintock nickte.

„Er wird nicht noch einmal auf Sie schießen. Los, kommt, Jungs!“

Sie näherten sich dem Sundown Saloon und schoben sich hinein. O’Rourke lehnte am Tresen. Sein Freund Jimmy Reed war nicht da. Als O’Rourke sie kommen sah, versuchte er, sich an der Theke entlang zu drängeln und zu entkommen.

„O’Rourke!“, rief McLintock scharf. „Stehenbleiben!“

Der Bandit schielte sie an. In seinem Gesicht arbeitete es. Er hatte sich nach vorn gebeugt und die Hand auf den Colt gelegt.

McLintock und seine Gefährten waren so verhasst im Camp, dass sie keinem im Saloon vertrauten.

Im Saloon war es still geworden. In anderen Saloons ging der Lärm weiter. Draußen auf der Straße grölten Betrunkene. Pferde scheuten. Wagen rollten mit quietschenden Achsen vorbei. Mädchen schrien.

Die Lok pfiff.

„Hörst du es, O’Rourke?“, dehnte McLintock kalt. „Beim nächsten Pfiff ziehst du, oder du ergibst dich jetzt!“

„Ihr Schweine“, flüsterte O’Rourke. „Was wollt ihr von mir? Ich hab’ nichts getan!“

„Natürlich, du hast überhaupt nichts getan, O’Rourke“, höhnte McLintock bissig. „Du hast versucht, Legh ­Freeman umzulegen. Und ich wette, dass du schon so manchen Bahnarbeiter beraubt hast. Zeig mal her, was du in den Taschen hast.“

Männer und Mädchen wichen aus der Schussbahn. Tische und Stühle waren plötzlich verlassen. O’Rourke stand allein.

„Du reißt das Maul nur auf, weil du mit den Kerlen hier bist“, schimpfte O’Rourke. „Allein hast du keinen Mut!“

„Ich verspreche dir, keiner meiner Freunde wird schießen, O’Rourke. Mit so einer Ratte wie dir, werde ich auch allein fertig. Wie ist es, O’Rourke, willst du dich ergeben? Der Town Marshal wird dich ins Jail werfen. Vielleicht hast du Glück und kriegst nur ein Jahr.“

O’Rourke verengte die Augen. Wohin er blickte, war nicht zu erkennen. Aber er schien sich zu einem Revolver­duell bereitzumachen.

McLintocks Männer waren zurückgewichen und verharrten beiderseits der Tür. Dichter Tabakqualm hing wie ein Schleier um die Lampen. Die Flittergirls klammerten sich an den Armen der Männer fest. Von einem Tisch tropfte monoton Whiskey aus einer Lache.

Da pfiff die Lok!

O’Rourke zog den Colt mit einem heiseren Schrei und wollte abdrücken.

Eiskalt riss McLintock das Gewehr hoch und feuerte. Die Kugel nahm O’Rourke das Leben und schleuderte ihn gegen die Theke.

„Noch einer?“, fragte McLintock kalt und blickte in die Runde. „Wer will als nächster in die Hölle!“

Keiner wollte.

Rückwärts ging McLintock zur Tür hinaus, und seine Gefährten folgten. Die Tür schlug hinter ihnen zu. Sofort brach der Lärm wieder los. Männer zogen O’Rourke vom Tresen weg und stellten sich wieder vor ihre Whiskeygläser.

Langsam gingen McLintock und seine Freunde weiter, hielten die Gewehre bereit und spähten wachsam umher.

Im Westen baute die Union Pacific im wahren Höllentempo, legte den gestreckten Stahl immer weiter dorthin, wo jeden Abend die Sonne unterging.

Der Lärm in Bear River City verstummte selbst nachts nicht. Dann zogen die Scharen der Arbeiter durch das Camp, die die Schicht beendet hatten und zurück­gefahren worden waren.

Vor dem Camp blieben McLintock und die Freunde stehen. Unzählige Zelte säumten den Schienenstrang. Viele Feuer loderten. Eine schier endlose Reihe von Schuppen, Hütten und Ställen zog sich nach Westen hin. Der White Sulphur Creek hatte einst klares Wasser geführt; jetzt war es trüb wie Jauche vom Abfall und Kot.

Bitter blickte McLintock sich um.

„Der Zug muss bald kommen.“

„Morgen, Quinn, hab’ ich gehört.“

„Also gut, dann morgen.“ McLintock dachte an einen Mann, der vor langer Zeit mit seinem Sohn, einem halben Sioux, aus der Wildnis gekommen war und sich der Union Pacific angeschlossen hatte.

Dan Oakland.

„Kommt.“

Sie gingen zu ihrem Wagen, kauten dort das karge Mahl und tranken abgestandenen, kalten Kaffee. Dabei legten sie kaum ihre Gewehre beiseite. Tom Seftons Tod beschäftigte sie noch immer.

Sie wussten, dass Bear River City die letzte Hölle auf dem langen Trail nach Westen war.

Während sie schweigend in ihrem Wagen saßen, brachen Arbeiter am Schienenstrang krank und ohnmächtig vor Schwäche zusammen, lagen wieder andere abseits und siechten dahin. Sie alle waren über neunhundert Meilen von Omaha entfernt, wo sie voller Hoffnungen aufgebrochen waren.

Bear River City wurde vielen zum tödlichen Verhängnis.

Sie kamen aus den Tälern und Wäldern des Nordens und von den Felsgiganten der Rocky Mountains. Sie sammelten sich auf den Höhenzügen und sahen neugierig wie Kinder auf das Eiserne Pferd, das zischend und stampfend dem Schienenstrang folgte und viele Wagen hinter sich herzog. Der Kopfschmuck der Krähenfedern leuchtete in der Sonne und flatterte im Wind.

Sioux-Indianer.

Schrill tönte der Pfiff der Lok durch die Ebene, stieß gegen die Berge, und das Echo verlor sich in den Schluchten.

Ratternd rollten die Wagen über die Schienenabsätze. Die majestätische Landschaft zog an den Fenstern vorüber. Im Saloonwagen der Union Pacific beugte sich General Casement über die Streckenabschnittskarte und sprach mit den angereisten Politikern und Ingenieuren.

Auf der Plattform des letzten Wagens stand ein großer, breitschultriger Mann und hob grüßend die Hand.

Schräg über den Talhang jagte ein junger, sehniger Reiter, der ein Sattelpferd neben sich herführte und sich dem Zug näherte. Das lange, schwarze Haar wehte über die Schultern. Er winkte dem bulligen Mann auf dem letzten Wagen zu.

Dan Oakland lächelte versonnen und beobachtete seinen Sohn Sky, der so gut ritt, als wäre er im Sattel geboren. Die Pferde hetzten dahin, Hufe trommelten. Federleicht klebte Sky im Sattel.

„Er schafft es“, sagte Dan zu sich selber. „Keiner reitet so gut wie mein Junge!“

Sein Sohn, ein Halbblut, lenkte die Pferde an den Schienenstrang. Der Rauch der Lok wirbelte über die Wagendächer hinweg und hüllte Sky ein. Schon tauchte er dicht hinter dem letzten Wagen auf und lachte.

„Wir sehen uns in Bear River City, Sky!“, rief Dan Oakland. „Mach’s gut, mein Junge!“

Sky winkte zum Zeichen, dass er verstanden hatte, und blieb mit den Pferden zurück. Der Zug ratterte in eine Schlucht.

Beiderseits des Schienenstrangs wuchteten die zerklüfteten Wände steil empor. Rauch füllte den Canyon. Wieder pfiff die Lok; weit hallte es durch die Bergwildnis. Dan Oakland blieb hinten im Freien. Sein Sohn kam mit den Pferden nach, weil die Tiere sich nicht auf einen der Waggons hatten ziehen lassen.

Donnernd rollte der Zug aus dem Canyon und über die wellige Ebene. Grüne Hügel buckelten sich. Das Laub der Wälder verfärbte sich. Fichten rauschten im Wind. Weiße Wolken wanderten über den stahlblauen Himmel des Dakota Territory.

Der Zug näherte sich Bear River City, dem Camp, das über Nacht zur wilden Stadt geworden war.

Eine Stunde später erreichte der Zug die Stadt aus Saloonzelten, Bretterbuden, Depots, Korrals und schäbigen Hotels.

Dan stieg vom Wagen und verharrte. Er sah, wie Bahnarbeiter, Reisende und Kaufleute den Zug verließen, wie zwischen den ausgeblichenen und zerschlissenen Zelten bärtige Männer und geschminkte Mädchen kamen, erblickte Hunderte von Schienenlegern, die nach ihrer Zwölf-Stunden-Schicht in der Kistenholzstadt ihre schwer verdienten Dollars in Alkohol umsetzten, und er sah eine kleine Gruppe von Indianern, die abseits der Zelte und Schwellenhaufen hockten und Whiskey tranken.

Während er langsam zu den Indianern ging, feuerten Betrunkene auf den Straßen Schüsse ab, brüllten und lärmten. Wagen rollten durch Bear River City. Pferde­gespanne keuchten. Der Rauch vieler Feuer lag in der Luft.

Mit den Weißen waren Laster, Alkohol und Siechtum in das Land der Indianer gekommen.

In seiner derben Wildlederkleidung blieb Dan stehen. Die buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen. In den rauchgrauen Augen flackerte es. Mit raumgreifenden Schritten erreichte er die Indianer. Sein Schatten fiel auf betrunkene, heruntergekommene Gestalten. Es waren Arapaho, junge Männer jenes Stammes, der beim Massa­ker am Sand Creek fast ausgerottet worden war. Sein ganzes Leben hatte Dan in der Wildnis verbracht, er war Freund vieler Stämme, sein Wort hatte Gewicht bei den Indianern, er hatte viele Jahre in ihren Wigwams verbracht, und es schmerzte ihn, einst so stolze junge Burschen im Rausch zu sehen.

Sie starrten aus trüben Augen ins Leere. Sie ­bemerkten Dan nicht. Der Whiskey hatte die einst so markanten Gesichtszüge aufgedunsen und schlaff werden lassen.

Dan stapfte um drei Arapaho herum und stieß einen jungen Mann an. Das ebenmäßige Antlitz zeigte den Ausdruck weltlicher Entrücktheit.

„Erkennst du mich nicht, Der-im-Gehen-jagt?“ Dans Stimme klang auf einmal heiser. Er packte den Arapaho und zog ihn hoch, schüttelte ihn sanft. „Sieh mich an!“

Der-im-Gehen-jagt, ein Krieger von Little Ravens Stamm, mit dem Dan schon an einem Feuer gesessen und gemeinsam in Julesburg gekämpft hatte, starrte ihn leer an. Im erschlafften Gesicht zuckte es schwach. Der Blick kehrte aus weiter Ferne zurück.

„Catch-the-Bear“, flüsterte er mit schwerer Zunge. „Mein weißer Bruder!“

„Der Stolz eines Mannes und Kriegers zerbricht im Feuerwasser der Weißen!“, sagte Dan hart. „Die klaren Augen eines tapferen Arapaho erblinden. Sie sehen nicht mehr das Wild der Berge. Sie sind so verschwommen wie der Nebel in den Tälern. Seine Ohren sind taub geworden vom Lärm der Weißen. Er hört nicht mehr auf den Ruf der Wildnis. Seine schnellen, starken Beine sind aufgeweicht wie der Boden nach langem Regen. Er ist wie ein Baum mit morschen Wurzeln. Die Blätter wehen davon. Er kennt den Weg nicht mehr, der zurückführt in die Täler seiner Freunde.“

Es war erschütternd zu sehen, was der Whisky aus diesem jungen, tapferen Arapaho gemacht hatte. Irgendwie war er aus Neugier in den höllischen Kreis des Lasters der Weißen geraten.

Damals hatte Dan ihm gesagt, dass er eines Tages das Eiserne Pferd sehen würde. Er hatte es gesehen, und war dem Alkohol verfallen. Und mit ihm fünf andere Arapaho.

Seine Hände zitterten. Er atmete schwer wie ein alter Mann. Dan hielt ihn fest. Die dunklen Augen des jungen Arapaho füllten sich auf einmal mit Tränen. Schwer fiel er gegen Dan und schluchzte wie ein Kind. Er hatte nicht mehr die Kraft, selbst den Weg zurückzufinden.

Viel Leid und Elend hatte Dan schon gesehen, aber dieses Erlebnis am Rand der höllischen Stadt drang tief in sein Herz. Er zog den Arapaho in den Schatten eines Haufens von Schwellen und ließ ihn zu Boden gleiten, nahm seine Wasserflasche und ließ ihn trinken. Und Der-im-Gehen-jagt weinte. „Ich schäme mich so sehr“, flüsterte er und rieb mit den Händen das Gesicht. „Ich heule wie ein altes Weib.“

„Woher habt ihr das Feuerwasser?“

„Von einem weißen Mann.“

„Und wo finde ich diesen weißen Mann.“

„Im großen Wigwam da drüben“, antwortete der junge Indianer leise und zeigte auf ein Saloonzelt, auf dessen Plane RAILROAD STAR gepinselt worden war. „Wir haben ihm Gold gegeben. Er lässt uns Feuerwasser bringen, viele Flaschen.“

Der Zug rollte mit den Waggons voller Schwellen und Schienen weiter zum Endpunkt des Schienenbaus. In der Stadt lachten Mädchen. Männer prügelten sich. Es roch nach Rauch, Whiskey und Schweiß. Aus den Röhrenöfen stieg Qualm.

„Der weiße Mann ist wohl sehr großzügig, wie?“, grollte Dan. „Seit wann schenkt ein Weißer den Indianern Feuerwasser?“

Der junge Arapaho wollte antworten, doch dann sackte er zurück und schlief ein, übermannt vom Rausch.

Dan erhob sich und packte seine Volcanic Rifle fester. Der Zorn wütete in ihm. Mit ausdruckslosem Gesicht stapfte er davon und näherte sich dem großen Saloonzelt. Bahnarbeiter, Händler, Spieler und Revolverschwinger kamen ihm entgegen. Vor dem Zelt verharrte er einen Atemzug lang. Dann ging er los. Zwei Betrunkene, die ihm im Weg standen, fegte er mit einer einzigen Arm­bewegung zur Seite. Sie verloren den Halt und stürzten in einen Abfallhaufen.

Schon schob er sich in das Zelt. Der Tabakrauch war so dicht, dass alles wie in einem Nebelfeld vor ihm stand. Trübe brannten ein paar Lampen. An grobgezimmerten Tischen saßen Männer und Mädchen auf Hockern, Bänken und Kisten. Dichtgedrängt verfolgten verschwitzte Männer die Darbietung einer Tänzerin. Üppige, leichtbekleidete Mädchen lockten die Männer. Nur langsam kam Dan durch die Menge und drängte sich zwischen die Männer an der langen Theke.

„Wo ist der Boss?“, rief er durch den Lärm.

„Der ist für dich nicht zu sprechen!“, erwiderte der Keeper unfreundlich. „Trink deinen Whiskey, oder verschwinde!“

Dan beherrschte sich. Er hätte den Keeper am liebsten über den Tresen gerissen und ihn mit einem einzigen Hieb in das Land der Träume geschickt.

„Es geht um die Indianer da draußen!“, sagte er.

Der Keeper reagierte eigenartig. Er verengte die Augen, ließ den Blick schnell umherschweifen und beugte sich vor.

„Ist es soweit?“

„Ja“, sagte Dan, ohne zu wissen, um was es eigentlich ging. „Wo ist der Boss? Ich muss mit ihm reden!“

„Du bist neu bei uns, wie?“ Der Keeper grinste und deutete auf den verhangenen Eingang zu einem Nebenzelt. „Er ist drinnen.“

Dan nickte, bahnte sich einen Weg und erreichte den Eingang, schob die Plane zur Seite und trat ein.

Das Innere dieses Zeltes sah aus wie ein Office mit Tischen und Stühlen. Am Tisch saß ein großer Mann mit einem leicht geröteten Nussknackergesicht. Das mittelblonde Haar war kurzgeschnitten und kraus. Die Halssehnen traten stark hervor, als befände er sich dicht vor einem Wutausbruch. Aus blauen, verengten Augen musterte er Dan Oakland, während sich vier gefährlich aussehende Männer steif erhoben und die Hände auf die Coltkolben legten.

Draußen ging die Sonne hinter den Wasatch Mountains unter.

„Mach Licht, Rocco“, sagte der Mann am Tisch dunkel, als störte ihn Dans Anwesenheit nicht.

Einer der Männer, offensichtlich italienischer Abstammung, hob den gläsernen Zylinder der Petroleumlampe an und ließ die Flamme auf den Docht überspringen, trat zurück und stand wieder neben den anderen.

„Wer bist du?“, fragte der kraushaarige Mann. „Es gehört zum Anstand, dass man sich vorstellt, wenn man schon wie ein Büffel hier hereinplatzt.“

„Ich habe Sie auch nicht nach Ihrem Namen gefragt“, meinte Dan grimmig. „Ich will wissen, warum Sie den Arapaho so viel Whiskey geben, dass sie schon den Verstand verloren haben!“

Der Mann machte ein ausdrucksloses Gesicht und schüttelte den Kopf.

„Arapaho?“, dehnte er. „Ich weiß nichts von Arapaho! Im Übrigen, was geht dich das an?“

„Sie sind meine Freunde.“

„Ah, ein Indianerfreund also.“ Der Mann warf den Revolverschwingern einen schnellen Blick zu. „Lasst uns allein, Jungs.“

Sie verließen wortlos das Zelt und verschwanden im Saloon.

„So, wir sind jetzt allein. Die Jungs brauchen nicht alles zu wissen, denke ich.“ Der Mann lächelte dünn. „Die Arapaho kamen hierher. Sie wollten Whiskey und zahlten mit Gold, und ich betrüge sie nicht. Sie bekommen sogar noch zehn Flaschen für das Gold.“

„Behalten Sie den Whiskey“, sagte Dan rau. „Der Whiskey wird sie sonst umbringen. Die Arapaho essen nicht mehr. Sie trinken nur noch, und es sind junge India­ner, die nicht wissen, was geschieht, wenn sie weiter­saufen.“

„So habe ich es nicht gesehen“, behauptete der Mann. „Aber jetzt sehe ich es ein. Also gut, sie bekommen keinen Tropfen mehr.“

Dan nickte und wandte sich ab. Groß und massig schob er sich in das Saloonzelt hinein. Zwei der Revolver­männer erblickte er am langen Tresen. Langsam bahnte er sich einen Weg und erreichte den Ausgang.

Ahnungslos trat er ins Freie.

Der Brettersteg vor dem „Railroad Star“ war leer. Vor ihm auf der Straße wogte es hin und her. Licht fiel auf die Straßen, Wege und Höfe.

Dan wusste, wo er Quinn McLintock finden würde, doch zunächst wollte er zu den Arapaho zurückkehren und sie dazu bewegen, Bear River City zu verlassen.

Er hatte Mühe, über die Straße zu kommen.

Es war fast schon dunkel geworden. Die Wasatch Mountains fingen den letzten Sonnenschein mit ihren Felsmassen auf. Dunkel buckelten sich die Hügel um die Stadt. Er hörte, wie Männer Bahnarbeiter anpöbelten, und sah angetrunkene Flittergirls mit betrunkenen Schienen­legern über den Gehsteig torkeln.

Im Grunde seines Herzens war Dan Oakland ein gutmütiger Mensch, und vielleicht war das auch der Grund, dass er nicht misstrauisch wurde und die Straße überquerte, ohne sich umzusehen. Er ahnte auch nicht, dass er mitten in ein Wespennest gestochen hatte. Schon waren zwei skrupellose Revolvermänner unterwegs, ihn zu erschießen.

Auf der anderen Straßenseite blieb er einen Moment stehen. Um zu den Arapaho zu kommen, musste er ein paar dunkle Höfe überqueren. Er hielt die Volcanic fest in der Rechten und stapfte in eine Hofeinfahrt hinein. Übelriechender Abfall lag auf dem Hof. Er schritt an einem Schuppen vorbei und hörte hinter sich den Lärm, der jedes andere Geräusch übertönte, selbst seine Schritte.

Lautlos schlichen sie heran.

In diesen Sekunden spürte Dan die Gefahr. Instinktiv handelte er und ließ sich fallen. Orangefarbene Mündungs­feuer flammten über den dunklen Hof. Heißes Blei fauchte über Dan. Gewandt wie eine Raubkatze wirbelte Dan über den Boden. Dicht neben ihm schlugen die Kugeln in den Boden und rissen Erdbrocken hoch. Es krachte und blitzte. Das Bleigewitter aus vier Colts prasselte in den Hof. Dan wälzte sich blitzschnell herum, riss die Volcanic mitten in der Bewegung hoch und schoss genau in ein Mündungsfeuer hinein.

Ein erstickter Aufschrei war die Antwort. Der heimtückische Gunman bäumte sich auf, drehte sich im Kreis, schoss und stürzte tot zu Boden.

Mit einem Sprung war Dan am Schuppen. Er wollte sich in Deckung bringen, duckte sich, da traf ihn eine Kugel am Kopf. Augenblicklich fiel er und stürzte schwer.

Der Revolvermann hastete heran, hörte die Stimmen der von der Straße herüberkommenden Männer, starrte kurz auf Dan Oakland und warf sich herum, packte den toten Komplizen und schleifte ihn weg.

Niemand fand Dan im tiefen Schatten des Stalls.

Die Männer kehrten um, als sie nichts sehen konnten.

Ein wahnsinniger Schmerz marterte Dan, als er zu sich kam. Er wälzte sich auf die Seite, stieß gegen seine ­Volcanic und übergab sich. Der Körper zitterte. Selbst sein eiserner Wille nützte nichts. Blut rann über das Gesicht. Nur langsam kam er auf die Knie und kauerte am Boden wie ein tödlich getroffener Büffel. Vor den Augen flimmerte alles, und der Lärm in Bear River City schien aus weiter Ferne zu kommen.

Doch der eiserne Dan gab nicht auf. Der Streifschuss hatte eine Wunde gerissen, die nicht allzu schwer war. Stöhnend kam er auf die Beine und schwankte wie betrunken über den Hof, stolperte über Abfall und Holz, prallte gegen den Corralzaun, hielt sich fest und starrte umher.

Die Arapaho waren verschwunden!

Er schluckte mühsam, hielt das Gewehr und torkelte weiter. Der Boden unter ihm schien zu schwanken. Er atmete rasselnd. Am Schwellenhaufen fand er Halt. Das strähnige Haar hing blutverkrustet auf die Schultern.

Vor ihm tauchten zwei Pferde auf. Er sah, wie ein schlanker Reiter absprang und herangelaufen kam.

„Dad!“

„Sky, mein Junge“, flüsterte er dumpf. „Mich hat es erwischt, aber es ist nur halb so schlimm.“

Sky stützte ihn und brachte ihn hinter den Schwellenhaufen, ließ ihn zu Boden gleiten und betrachtete die Streifwunde. Sorge zeichnete sein Gesicht. Er zog die Pferde heran und holte Verbandzeug aus der Satteltasche.

Dan wehrte ab.

„Bring mich zu McLintock!“, ächzte er. „Das andere hat Zeit, Sky!“

Nicht weit von ihnen rollte ein Wagen vorbei. Die Plane verbarg, was auf dem Wagen lag.

Sechs Arapaho, die so betrunken waren, dass sie nichts merkten.

Mühsam zog Sky seinen Vater hoch und legte sich seinen Arm über die Schultern. Nur langsam kamen sie vorwärts. Die Pferde folgten ihnen. Sie stolperten über die Schienen und erreichten den Eisenbahnwagen. Sky rief, doch niemand antwortete. Allein schaffte er es nicht, seinen Vater auf den Wagen zu heben. So brachte er ihn zum Postwaggon; das Licht aus dem Wagen zog ihn an.

Ward Granger half sofort. Gemeinsam zogen sie Dan auf den Wagen, und dann lag Dan auf Grangers Schlafstelle.

„Annie, hol den Doc!“, rief Granger.

Das blonde junge Mädchen hastete aus dem Wagen und eilte allein durch die Stadt. Es erwehrte sich der zudringlichen Griffe der angetrunkenen Männer, entwischte den schmutzigen Händen, drängelte sich durch die Menge und erreichte das Haus des Arztes. Atemlos stürzte es hinein.

Männer standen im Raum. Wessel, der Doc, und der Arzt der Union Pacific kümmerten sich gerade um verletzte Schienenarbeiter. Annie sprach hastig und überstürzt. Die Ärzte sahen sich an.

„Ich übernehme das“, sagte Wessel, packte seine Tasche und folgte dem Mädchen.

Sie kamen in den Wagen. Sofort kümmerte Wessel sich um Dan Oakland und betrachtete die Kopfwunde.

„Die Kopfhaut ist aufgerissen, ich muss sie zusammennähen.“

„Tun Sie das, Doc“, krächzte Dan und saß aufrecht auf dem Lager.

Ward Granger brachte eine Flasche Whiskey. Sky stand dicht am Lager und beobachtete jeden Handgriff des Arztes genau. Annie wandte sich ab, weil sie nicht zusehen konnte.

„Wer hat das getan?“, fragte Granger.

Dan antwortete nicht sofort. Er presste den Mund hart zusammen, als Wessel Whiskey in die Kopfwunde goss. Der Schmerz ließ Dan aufstöhnen. Mit steinernem Gesicht saß er dann da, während Wessel die Kopfhaut zusammennähte. Sorgsam legte der Doc den Verband an. Und erst jetzt sagte Dan mit reibender Stimme: „Es waren zwei. Einen hab’ ich erwischt.“

„Ich habe keinen gesehen, Dad“, flüsterte Sky.

„Dann hat der andere ihn weggeschleppt“, murmelte Dan düster. „Damit niemand erfährt, wer auf mich geschossen hat. Ah, wenn nur nicht dieser verdammte Schmerz wäre!“

„Sie brauchen Ruhe, Dan“, sagte der Doc. „Sie müssen einen Eisenschädel haben, aber auch ein solcher Schädel hält nicht alles aus.“ Er packte seine Instrumente zusammen und verließ den Wagen.

Dan schloss die Augen. Ihm war schlecht. Er wehrte sich gegen die Schwäche. Er wollte sogar aufstehen, doch Sky drückte ihn sanft auf das Lager zurück.

„Dad, du musst dich schonen!“

„Rede nicht so was, Sky“, ächzte Dan. „Ich bin kein altes Weib. Ich muss zu McLintock!“

„Du bleibst liegen! Ich werde zu McLintock gehen, später. Ruh dich aus, Dad.“

„Ich mache Ihnen Kaffee“, sagte Annie leise.

„Ihr sorgt euch um mich, als wäreich halbtot!“, schnaufte Dan und sackte zurück. „Ich habe nur einen Kratzer abbekommen, aber ihr macht daraus sonst was! Zum Teufel, lasst mich in Ruhe.“

Er wollte sie alle abwehren und sich nicht wie ein Kind behandeln lassen, doch die Verwundung und die Schmerzen zwangen ihn dazu, zunächst liegenzubleiben.

Ein großer harter Mann war dem Tod entronnen. Schwer lag er im Postwagen. Die rauchgrauen Augen blickten den Sohn an.

„Sky, ich habe Der-im-Gehen-jagt