Ein einsamer Kämpfer - U.H. Wilken - E-Book

Ein einsamer Kämpfer E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Nun gibt es eine exklusive Sonderausgabe – Die großen Western Classic Diese Reihe präsentiert den perfekten Westernmix! Vom Bau der Eisenbahn über Siedlertrecks, die aufbrechen, um das Land für sich zu erobern, bis zu Revolverduellen - hier findet jeder Westernfan die richtige Mischung. Lust auf Prärieluft? Dann laden Sie noch heute die neueste Story herunter (und es kann losgehen). Dieser Traditionstitel ist bis heute die "Heimat" erfolgreicher Westernautoren wie G.F. Barner, H.C. Nagel, U.H. Wilken, R.S. Stone und viele mehr. Draußen vor der Hütte orgelte der Sturm. Bruel McGill horchte auf, als er den Hufschlag hörte. McGill griff nach dem Revolver, richtete den Lauf auf die Tür und wartete. Der Hufschlag verstummte. Draußen stöhnte ein Mensch. Schlurfende Schritte kamen näher, und dann wurde die Tür aufgestoßen. Taumelnd stand ein Mann auf der Schwelle der Hütte und hielt sich mühsam am Türpfosten fest. »Nicht … schießen!«, stöhnte der Mann. »Hilf mir!« Er schwankte herein, griff zitternd nach dem Tisch und klammerte sich an der Tischkante fest. Draußen wieherte das Pferd. »Ich werde … verfolgt!«, krächzte der Fremde und starrte Bruel mit geröteten Augen an. »Bring mich weg … von hier, schnell!« Bruel sah den großen Fleck auf der Hemdbrust des Fremden und das verzerrte schweißnasse Gesicht. »Wer bist du?« »Ballard Hayes«, stöhnte der Mann. »Hilf mir!

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Die großen Western Classic – 69 –

Ein einsamer Kämpfer

… den der Hauch des Todes umgab

U.H. Wilken

Draußen vor der Hütte orgelte der Sturm. Bruel McGill horchte auf, als er den Hufschlag hörte. McGill griff nach dem Revolver, richtete den Lauf auf die Tür und wartete. Der Hufschlag verstummte.

Draußen stöhnte ein Mensch. Schlurfende Schritte kamen näher, und dann wurde die Tür aufgestoßen. Taumelnd stand ein Mann auf der Schwelle der Hütte und hielt sich mühsam am Türpfosten fest.

»Nicht … schießen!«, stöhnte der Mann. »Hilf mir!«

Er schwankte herein, griff zitternd nach dem Tisch und klammerte sich an der Tischkante fest. Draußen wieherte das Pferd.

»Ich werde … verfolgt!«, krächzte der Fremde und starrte Bruel mit geröteten Augen an. »Bring mich weg … von hier, schnell!«

Bruel sah den großen Fleck auf der Hemdbrust des Fremden und das verzerrte schweißnasse Gesicht.

»Wer bist du?«

»Ballard Hayes«, stöhnte der Mann. »Hilf mir! Ich muss dir vertrauen. Du wirst mich diesen verdammten Banditen doch nicht ausliefern.«

»Banditen?«

»Ja«, flüsterte der Schwerverwundete und atmete rasselnd. »Bring mich schnell weg, sonst – sonst knallen sie mich ab. Ich schaff es nicht mehr bis zur Stadt. Hilf mir! Du wirst es nicht bereuen …«

Ballard Hayes stürzte zu Boden. Stöhnend drehte er sich auf den Rücken.

Dicht über ihm war Bruel McGills Gesicht. Dunkle Augen sahen ihn forschend an.

»Warum jagen sie dich, Hayes?«

»Später«, flüsterte Hayes. »Hilf mir doch endlich!«

Horchend starrte Bruel hinaus. Er glaubte schon den trommelnden Hufschlag mehrerer Pferde zu hören. Da zögerte er nicht länger, grub die Hände unter den Körper des Fremden, packte ihn unter den Armen und zerrte ihn aus der Hütte. Die Stiefel des Fremden schleiften durch den Sand und zogen flache Furchen hinein. Bruel schleppte ihn um die Hütte und in das dichte, verfilzte Gestrüpp hinein, das in der Senke wucherte und im Sturm hart aneinanderraschelte. Unten in der Senke ließ er Hayes los und lief zurück. Das Pferd scheute vor ihm, doch er konnte den flatternden Zügel erwischen. Schon zog er das wiehernde Pferd unter die rauschenden Fichten, schwang sich dann in den Sattel und jagte auf dem Pferd am Rande des Tals entlang, trieb es zwischen hohe Felsen, saß ab und schlang die Zügelenden um einen dürren Strauch.

Schnell lief er den steinigen Weg zurück und hetzte durch den Sturm.

Schon hatte er seine Hütte erreicht, lief hinein und packte das Bündel Felle, lief hinaus und verwischte alle Spuren vor der Hütte, kehrte zurück, warf das Bündel aufs Lager und ergriff den Besen, fegte mit den trockenen Zweigen, die unten am Besenstiel befestigt waren, durch die Hütte und beseitigte auch hier die verräterischen Spuren.

Schließlich zerrte er die wild schlagende Tür zu und machte wieder Licht. Flackernd breitete sich das Licht der Kerze aus und fiel auf den Blutfleck am Boden.

Entschlossen zog Bruel den Tisch über den Fleck und schob den Hocker darunter. Dann warf er sich aufs Lager und horchte.

Die Zeit verrann. Draußen in der Nacht lag ein Verwundeter. Er würde sterben, wenn die Kugel nicht bald herausgeholt wurde. Aber McGill konnte sich erst um den Mann kümmern, wenn dessen Verfolger hier gewesen waren.

Mitten in der Nacht kamen sie. ­Bruel hörte, wie sie die Pferde herantrieben, wie sie absprangen und die Hütte umstellten. Die Tür wurde aufgestoßen. Drei Männer stürzten mit gezogenen Waffen herein.

Funkelnde Augen starrten Bruel an. Bärtige, staubverkrustete Gesichter verhießen nichts Gutes. Das Talglicht flackerte heftig.

Langsam richtete sich Bruel von seinem Lager auf und blickte die Fremden an.

»Was wollen Sie?«, fragte er.

Einer der Fremden schlug die Tür zu, der zweite verharrte neben der Tür. Der dritte kam um den Tisch herum und blieb vor dem Kamin stehen.

»Bist du hier allein, Halbblut?« Der mittelgroße Fremde mit den breiten Schultern und dem schweren, knochigen Körper starrte ihn kalt an.

Bruel nickte.

Der Blick des Fremden schweifte in der Hütte umher und kehrte zu Bruel zurück.

»Sag die Wahrheit, Halbblut«, flüsterte er. »Wir sind hinter einem Kerl her. Er ist in dieses Tal geritten. Wenn du ihm hilfst, dann knall ich dich ab.«

»Ich habe keinen Menschen gesehen und gehört«, murmelte McGill, »der Sturm ist zu laut. Er wird vorbeigeritten sein.«

»Vielleicht sagst du die Wahrheit.«

Der Fremde zog die Mundwinkel abwärts. »Wir werden es schon noch erfahren. Sollte er hier auftauchen, dann erschieß ihn! Wenn du es nicht tust, dann wirst du verloren sein. Dann jagen wir dich so lange, bis du tot vor unseren Stiefeln liegst.«

Bruel hatte eiserne Nerven. Das indianische Blut seiner Mutter hatte ihm die Gabe verliehen, das Gesicht zur völligen Ausdruckslosigkeit erstarren zu lassen.

»Wer sind Sie?«, murmelte er. »Marshal?«

Die drei Fremden lachten.

»Marshal ist gut«, grinste der breitschultrige Mann zynisch. »Ich bin Stoken Vance! Schon mal was über mich gehört?«

»Nein.«

»Klär ihn doch auf, Stoken«, grinste der Mann an der Tür. »Er ist wohl noch nie in Arizona gewesen.«

Stoken Vance sah Bruel McGill verächtlich an und wollte schon reden, als draußen jemand rief: »Hier ist er nicht, Stoken! Nur ein Pferd steht hinter der Hütte!«

»Das ist mein Pferd«, sagte Bruel ruhig.

Stoken Vance gab den Komplicen einen Wink.

»Wir müssen weiter! Irgendwo zwischen den Bergen wird er sich verkrochen haben. Der macht es nicht mehr lange. Wenn wir ihn in dieser Nacht nicht mehr finden, dann werden ihn die Geier verraten!«

Sie liefen hinaus und ließen die Tür aufstehen. Der Sturm fasste hinter die Tür und schlug sie gegen die Hüttenwand. Draußen wieherten die Pferde. Brüllend trieben die Fremden die Pferde an und jagten an der Hütte vorbei.

Bruel blieb auf dem Lager sitzen und hörte, wie das dumpfe Hufgetrappel in der Nacht erstickte.

Langsam glitt er zur Tür und hinaus. Das Reiterrudel war verschwunden. Wie ein Spuk waren die Reiter in der dunklen Nacht untergetaucht.

»Stoken Vance«, murmelte McGill. Er schloss die Tür und eilte um die Hütte. Geduckt lief er hinunter in die Senke und durchbrach das Gestrüpp.

Hayes lag still am Boden zwischen den dichten Sträuchern und hatte die Augen halb geöffnet.

»Wasser!«, krächzte er mühsam.

Bruel nickte und lief zurück, holte die Wasserflasche aus der Hütte und war wenig später wieder bei Hayes. Er kniete nieder und gab ihm Wasser zu trinken.

»Sind sie … weg?«, stöhnte Hayes.

»Ja.«

In Hayes’ ergrautem Gesicht zuckte es seltsam, und rasselnd kam der Atem aus der zerschundenen Brust. Er suchte McGills Hand und umklammerte sie mit letzter Kraft.

»Stoken Vance ist hinter meinem Gold her«, hauchte er. »Es liegt noch in den Bergen, hörst du? Vance glaubt, dass ich es bei mir hätte, aber ich konnte es verstecken … In der alten Ruine der Mission.«

»Ich bring dich in die Stadt, Hayes.«

»Nein, nein, nicht dorthin!«, fuhr Hayes auf. »Das darf nicht sein! Vance wird doch damit rechnen, dass ich … in die Stadt flüchte … Lass mich hier liegen. Es geht zu Ende mit mir …«

Sanft drückte Bruel den Mann zurück. »Dann hol ich die Kugel ’raus …«

»Zu spät.«

Ballard Hayes griff zitternd nach der Wasserflasche und trank mühsam. Das Wasser lief ihm über das Gesicht und sickerte in den staubigen Boden.

»In Arizona ist mein Bruder«, flüsterte er, »in Tucson. Er hatte es längst aufgegeben, nach dem Gold zu suchen, hörst du? Bring ihm das Gold. Frag in Tucson nach … Slate Hayes! Sag ihm alles – und er wird dich wie einen guten Freund aufnehmen.«

Reglos hockte McGill neben dem Sterbenden, während der Sturm heulend über die Senke hinwegstieß. Wild bewegten sich die Strauchgruppen.

»Warum bist du dir so sicher, Ballard Hayes?«, fragte er mit spröder Stimme. »Ich könnte doch auch mit dem Gold verschwinden und niemals nach Tucson reiten.«

Verlorenes Lächeln huschte über Hayes’ blasses Gesicht.

»Deine Augen … Du bist gut«, raunte er. »Hol das Gold aus der Ruine. Bring es Slate, behalt es nicht, hörst du?« Stöhnend kam er mit dem Oberkörper hoch und umklammerte Bruels Arm, hielt sich daran fest. »Das Gold würde dich umbringen! Stoken Vance würde dich finden! Gib es Slate in Tucson! Mein Bruder … wird dir viele Dollar dafür geben. Vance wird alles versuchen, um dir das Gold wieder abzujagen … Bring es nach Tucson, und du wirst es nie bereuen.«

Zitternd sank er zurück, atmete schwer und starrte Bruel mit verlöschender Kraft an.

»Wirst du es tun?«

»Ja, ich werde es tun, Hayes«, sagte Bruel entschlossen. »Ich will das Gold gar nicht. Gold hat meinen Eltern nur Unglück gebracht. Sie wurden ermordet, und das Gold ist weg. Vielleicht haben sie es noch verstecken können. Ich hab’ nie danach gesucht. Ja, ich bringe dein Gold nach Tucson. Dollars sind mir lieber.«

Ballard Hayes blickte ihn mit flackernden Augen an und stöhnte. Er wollte irgendetwas sagen, doch sein zuckender Mund blieb stumm.

Bruel sah, wie er gegen den schleichenden Tod ankämpfte, wie er sich mit letztem Willen aufbäumte.

»Ruine …, Bryce Canyon Mission … Im Totenraum …, unter der Ruine …«

Ballard Hayes war tot …

McGill blickte auf das erschlaffte, eingefallene Gesicht des Mannes, den er kaum kannte. Hayes hatte ihm ein Vermächtnis hinterlassen. In den ­Bergen lag Gold verborgen. Bruel ­würde das Gold in der alten Mission finden.

Langsam und steif erhob er sich und ging zur Hütte zurück. Dort nahm er die Schaufel und war wenig später wieder in der Senke. Er hob für Ballard Hayes ein Grab aus und legte ihn hinein. Dann häufte er die trockene Erde auf und verließ die Senke.

Lange stand er vor der Hütte und lauschte dem Heulen des Sturmes. Er dachte an viele Dinge. Nun also würde er die Hütte seiner Eltern verlassen und wusste dabei nicht, ob er jemals wieder zurückkommen würde.

Ohne Eile packte er Proviant zusammen, ging nach hinten, sattelte das Pferd und ritt am Tal entlang. Ballard Hayes’ Pferd stand noch zwischen den Felsen. Er nahm dem Pferd Sattel und Zaumzeug ab und trieb es davon. Sattel und Zaumzeug warf er zwischen die Sträucher. Dann ritt er durchs Tal nach Westen.

*

Als die Sonne aufging, war Bruel McGill schon in den Bergen. Hallend verlor sich das letzte Heulen der Bergwölfe in fernen Canyons, als Bruel die Gräber seiner Eltern erreichte. Hier hatten sie bis vor Kurzem nach Gold gegraben. Und sie hatten Gold gefunden. Eines Tages war Bruel McGill zur Hütte geritten, um Vorräte zu holen. Als er zurückkehrte, fand er die toten Eltern.

Dort drüben am Wasserlauf hatte der Vater gelegen – mit zwei Kugeln im Körper, die ihn umgebracht hatten. Und neben ihm hatte sein altes Gewehr im Staub gelegen.

Langsam schweifte Bruels düsterer Blick zum zerschlissenen Zelt hinüber, das noch immer am steinigen Hang stand, vom Sturm zerfetzt, hingen die Enden der Plane herunter.

Zehn Yards von diesem Zelt entfernt hatte er seine Mutter tot liegen sehen.

Er atmete seufzend ein.

Sie war eine Schönheit gewesen, eine stolze und gute Frau und eine Mutter, die er nicht vergessen würde.

Es hatte einen längeren Kampf in dieser Bergfalte gegeben. Er hatte Hülsen gefunden und die tiefen Fußtritte seines Vaters gesehen, der mehrmals über den Wasserlauf hinweggesprungen war. Sein Vater hatte noch Zeit gehabt, das Gold zu verbergen.

Tiefe Stille herrschte bei den Gräbern.

Der Sturm war vor Morgengrauen vorbeigetobt. An diesem hellen neuen Tag strich wieder der heiße Wind fächelnd durch die Bergwildnis.

»Adios!«, flüsterte Bruel, zog das Pferd herum und ritt weiter. Auf schmalen Pfaden zog er in die Wildnis. Es war gar nicht einmal so weit bis zur Mission im Bryce Canyon. Er sah die Täler im Sonnenschein und die Berggiganten in den Himmel hineinwuchten.

Immer wieder blickte er zurück, doch von den Verfolgern war nichts zu sehen.

Mit der Sonne zog er nach Westen und erreichte noch am Abend den ­Bryce Canyon. Die alten zerfallenen Mauern der Mission erhoben sich grau inmitten des weiten staubigen Canyons. Hohl klapperten die Hufe durch die Stille. Das Pferd trug Bruel hinunter. Langsam näherte er sich der Ruine und zog das Gewehr aus dem Scabbard.

Niemand war in der Ruine. Versandet war der Hof, überall wucherten Kakteen. Längst waren die Hufspuren verweht. Bruel stieg dicht neben der Mauer ab und ging mit schussbereitem Gewehr in die Ruine hinein.

Bruels Schritte weckten dumpfe Echos zwischen den Mauern. Forschend blickte er umher, stieß auf die Treppe, die abwärts führte, und stieg die versandeten Stufen hinunter.

Unten lag viel Sand. Bruel kniete nieder und begann mit beiden Händen den Sand wegzuscharren. Unter dem Sand wurde eine Steinplatte sichtbar. Er krallte die Finger unter die schwere Platte und wuchtete sie weg. Dunkel gähnte ein Loch. Er nahm das Gewehr und stieg weiter abwärts. Kühle Luft strömte ihm entgegen. Es roch nach Moder. Dann stand er gebeugt in einem dunklen Raum. Von oben, wo eine Ritze im Gestein war, sickerte Tageslicht herein.

Steinerne Särge bedeckten den Boden. Hier ruhten noch immer die Gebeine der Missionare.

Bruel zog eine der Platten vom Sarg und erblickte ein Skelett.

Suchend blickte er umher. Wo konnte Ballard Hayes das Gold verborgen haben?

Bruel machte sich daran, in jeden Steinsarg zu sehen. Dann stieß er auf das Gold. Es lag in mehreren Beuteln in einem Sarg. Die Beutel waren aus Leder und prall gefüllt. Solche Beutel benutzte jeder Goldsucher – auch sein Vater hatte sie benutzt.

Ohne zu zögern holte Bruel die Beute hervor, schloss den Sarg und schleppte die Beutel nach oben. Sorgfältig verstaute er sie in den Satteltaschen.

Die Sonne war untergegangen, die Schatten der Nacht krochen durch den Bryce Canyon. Hier wollte er nicht bleiben. Er stieg in den Sattel und ritt durch den Canyon.

Ein Pfad führte empor.

Er trieb das Pferd hinauf und stieg erst hoch auf dem Bergrücken vom Pferd.

Schon wollte er sein Nachtlager richten, als er den Hufschlag mehrerer Picnic hörte. Sofort zerrte er sein Pferd in die Deckung und lief geduckt nach vorn, warf sich hin und spähte hinunter.

Fünf schemenhaft verschwommene Reiter zogen durch die dichten Schwaden des wehenden Bodennebels. Sie näherten sich der Ruine und lösten sich dabei langsam aus dem Dunst.

Nun konnte Bruel die Reiter erkennen. Unwillkürlich versteifte er sich dabei und verzog das Gesicht zu einem starren Lächeln, an dem die Augen keinen Anteil hatten.

Stoken Vance und seine vier Komplicen mussten seiner Spur in die Wildnis der Berge gefolgt sein – schneller, als er je geglaubt hatte. Er ahnte, dass sie das Grab hinter der Hütte entdeckt hatten. Vielleicht hatten sie sogar wie wilde Wölfe nachgescharrt und Ballard Hayes freigelegt …

Bruel atmete scharf und pfeifend ein. Reglos lag er zwischen den Felsen und beobachtete, wie die Reiter vor der Ruine ausschwärmten und die alten Mauern der Mission umstellten. Vance und ein Komplice peitschten die Pferde vorwärts und jagten durch die Lücke in der zerfallenen Mauer hindurch, sprangen von den Pferden und hetzten mit schussbereiten Colts über den sandigen Platz …

Forschend blickte Bruel den schmalen Pfad hinunter. Seine Spur war allzu deutlich zu erkennen. In wenigen Augenblicken würden die Verfolger bereits seiner Spur folgen.

Er musste weiter, und er kroch zurück, eilte zum Pferd, nahm es am Zügel und zerrte es über den Bergrücken hinweg. Unter ihm lag zerklüftetes Land. Er lief voraus und zog das Pferd hinter sich her in die Tiefe.

Sein Herz schlug wild, und das Blut hämmerte hart in den Schläfen. Schon jetzt begriff er, wie gefährlich das Leben für ihn geworden war. Er hatte Ballard Hayes’ Gold bei sich, und Stoken Vance und seine Bande würden ihn von nun an gnadenlos hetzen.

Unten zwischen den Felsen angekommen, warf er sich sofort in den Sattel und ritt weiter nach Westen.

Als er ein paar Bodenwellen überquert hatte und zurückblickte, erkannte er die fünf schwarzen Silhouetten auf dem Bergrücken. Staub stieb unter den trommelnden Hufen empor und wehte wie Rauch zur Seite.

Hart trieb er das Pferd weiter. Der Staubschlauch, den er hinter sich her zog, musste ihn unweigerlich verraten.

Und Vance sah diese Staubfahne. Noch jagte die Bande geschlossen durchs Land, doch schon bald würden sich die Banditen trennen. Es gab viele Wege nach Westen, und Vance hoffte, das Halbblut irgendwo abzufangen.

Stundenlang war Bruel unterwegs. Das Pferd lahmte schon und keuchte. Er glitt vom Sattel, nahm es am Zügel und lief mit der Zähigkeit eines Apachen durch die nächtliche Bergwüste.

Immer wieder verwischte er seine Spur. Dazu nahm er sich Zeit. Geröllboden breitete sich vor ihm aus. Vorsichtig überquerte er die flachen Halden und stieß nach langer Zeit auf einen ausgetrockneten Flusslauf. Er schwenkte ein und folgte dem Arroyo nach Süden.

Zitternd vor Schwäche, blieb er schließlich stehen, rang nach Atem und ließ sich auf einen der abgewaschenen Felsen im Arroyo fallen.

Der Wind brachte das Heulen der Wölfe heran.

Nach kurzer Rast ritt er weiter. Plötzlich begann das Pferd stark zu hinken und schnaubte schmerzvoll.

Bruel sprang ab und hob den rechten Hinterhuf an. Ein Dorn war tief in den Huf gedrungen. Jäh hatte sein Pech begonnen. Es wäre auch ein Wunder gewesen, wenn alles gut gegangen wäre.

Fluchend ließ Bruel den Huf los und zerrte das Pferd aus dem Arroyo. Hinkend folgte es ihm zwischen hohe Felsen. Ein paar abgestorbene Bäume standen zwischen den Felsen und streckten die dürren, blattlosen Äste und Zweige in den Himmel.

Ächzend ließ er sich zu Boden. Er biss die Zähne zusammen und grübelte, was er nun tun sollte. Es wäre Wahnsinn, zu Fuß weiter nach Westen ziehen zu wollen. Das Pferd könnte ihn bestenfalls noch zwei Meilen tragen.

Du musst umkehren dachte er. Du musst mit dem Gold zurück und in der Stadt ein Pferd kaufen – mit etwas Gold, wovon du genug hast. Langsam und steif erhob er sich, trat ans Pferd heran und löste die Sattelgurte. Dann schleppte er Sattel und Taschen abseits, kehrte zurück und nahm dem Pferd das Zaumzeug ab.

»Wir müssen uns trennen, Pferd«, flüsterte er heiser und legte das Gesicht gegen das schweißnasse Fell des Pferdes. »Wenn ich dich laufenlasse, dann werden die Wölfe kommen und dich anfallen, und du wirst furchtbar kämpfen müssen und am Ende doch unterlegen sein.« Er hatte sein Pferd lieb gewonnen. Alles in ihm wehrte sich dagegen, das Pferd zu erschießen – und doch würde er es tun müssen. Aber er brauchte Zeit, viel Zeit, um es tun zu können.

Die Wärme des Pferdes gab ihm das Gefühl, nicht allein zu sein. Das flache Schnauben des Tieres verriet Schmerzen und völlige Erschöpfung.

Er ging zum Stein zurück, setzte sich und starrte in Boden.

Die Zeit ging dahin.

Plötzlich vernahm er dumpfen Hufschlag. Im Nu stand er aufrecht und horchte angestrengt. Das Hufgetrappel kam näher.