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Fort Lincoln Ein Wagenzug mit religiösen Fanatikern, die sich Bruderschaft der Standhaften nennen, zieht durch das Indianerland. Sie sind völlig ahnungslos und wissen nicht, in welche Gefahr sie sich begeben. Dan und Sky Oakland wollen helfen, müssen aber erkennen, dass sie es mit Indianerhassern zu tun haben. Büffelsoldaten Dan und Sky Oakland stoßen auf einen Stamm von Mandan-Kriegern, der jahrelang isoliert von allen anderen Indianern in einer schwer zugänglichen Region gelebt hat. Krieger dieses Stammes ziehen mordend durch das Land. Als Nächstes haben sie einen Siedlertreck im Visier.
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Seitenzahl: 256
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In dieser Reihe bisher erschienen
4301 U. H. Wilken Lockruf der Wildnis
4302 U. H. Wilken Teufelsbrigade
4303 U. H. Wilken Die Feuertaufe
4304 U. H. Wilken Der weiße Büffel
4305 U. H. Wilken Das Aufgebot des Bösen
4306 U. H. Wilken Grausame Grenze
4307 U. H. Wilken Omaha-Marter
4308 U. H. Wilken Blutige Säbel
4309 U. H. Wilken Der Unbezwingbare
4310 U. H. Wilken California-Trail
4311 U. H. Wilken Berg der zornigen Götter
4312 U. H. Wilken Die Teuflischen
4313 U. H. Wilken In Todesgefahr
4314 U. H. Wilken Schwarzer Horizont
4315 U. H. Wilken Der Raubadler
4316 U. H. Wilken Trail aus Blut und Eisen
4317 U. H. Wilken Der Wolfskiller
4318 U. H. Wilken Nachtfalken
4319 U. H. Wilken Der Geheimbund
4320 U. H. Wilken Tödliche Tomahawks
4321 U. H. Wilken Minnesota
4322 U. H. Wilken Die Revolver-Lady
4323 U. H. Wilken Sterben am Washita
4324 U. H. Wilken Langmesser
4325 U. H. Wilken Der Bärentöter
4326 U. H. Wilken Manitoba
4327 U. H. Wilken Yellow River
4328 U. H. Wilken Land der Sioux
4329 U. H. Wilken Todesvögel
4330 U. H. Wilken Shinto
4331 U. H. Wilken Blutmond
4332 U. H. Wilken Der Skalphügel
4333 U. H. Wilken Todestrommeln
4334 U. H. Wilken Skalpjäger
4335 U. H. Wilken Fort Lincoln
4336 U. H. Wilken Sky
DAN OAKLAND STORY
BUCH 35
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Copyright © 2024 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier
Redaktion: Alfred Wallon
Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Satz: Gero Reimer
Alle Rechte vorbehalten.
www.Blitz-Verlag.de
ISBN: 978-3-689-84090-7
4335 vom 11.09.2024
Fort Lincoln
Büffelsoldaten
Anmerkung
Über den Autor
Fort Lincoln
Gebannt starrte die blutjunge Indianerin mit weit aufgerissenen Augen hinaus auf die Prärie.
„Das Geisterpferd!“
Wie ein Hauch drangen die Worte über die zuckenden Lippen. Geräuschvoll brachen Zweige; geduckt schnellte ein junger Dakota-Indianer aus dem Unterholz. Er legte den Arm schützend um das Mädchen.
Gewitternacht. Weit dehnte sich die Savanne im Aufflammen der Blitze. Heftiger Wind fauchte über das Grasland. Dumpfer Hufschlag trommelte näher. Das helle Wiehern schrillte durch die Unwetternacht. Ein weißes großes Pferd jagte über die Savanne. Es hob sich silbern vor dem schwarzen Horizont ab. Wild flatterten Mähne und Schweif. Hart pochten die Hufe über Gestein, dass nur so die Funken stoben. Wie ein Spuk verschwand der Schimmel in dunkler Regennacht.
„Das Geisterpferd“, flüsterte die junge Indianerin bedrückt. „Das bedeutet Unglück, Tschetan gitika!“
Der Dakota schluckte. Er zog die um Jahre jüngere Frau mit auf den kleinen Lagerplatz. „Manitu hat einen Späher aus den ewigen Jagdgründen zurückgesandt in das Land seiner roten Söhne. Sei nicht ängstlich, Tau-auf-ihrem-Haar. Du wirst sehen, alles wird gut.“
Dumpf grollte der Donner durch die stürmische Nacht. Ferne Blitze zuckten über den Horizont. Das weiße Pferd jagte weiter. Sein helles Wiehern drang bis zum Missouri, wo unter schützenden Bäumen ein Lagerfeuer flackerte.
Im Nu hatte sich der schlanke Halbblutindianer am Feuer aufgerichtet. Horchend neigte er den Kopf, während der Wind sein langes schwarzes Haar gegen das sonnengebräunte Gesicht presste. „Hufschlag, Vater!“
Scheinbar schwerfällig erhob sich der bullig wirkende Trapper. Dabei straffte er den büffelstarken Körper unter der Wolfslederkleidung. Er griff nach der Winchester.
„Komm, Sky“, forderte er den Halbblutsohn auf. Er glitt in das Unterholz und erreichte rasch den Rand der Baumkette, die sich am Missouri entlang zog und dem orgelnden Wind widerstand. Geschmeidig folgte Sky seinem Vater.
Dan Oakland verharrte im nassen Gras. Er blickte angestrengt hinaus auf die Savanne. In seinem rauen wettergebräunten Gesicht zuckte kein Muskel. Aus rauchgrauen Augen beobachtete er das aus dem Dunkel hervorpreschende weiße Pferd. Sky trat an seine Seite.
Regen traf Vater und Sohn, ein warmer Sommerregen, der die Vegetation im Grenzland über Nacht zum Grünen und Blühen bringen würde. Fahle Blitze durchzuckten die Schwärze des Himmels, dort in der Ferne, wo Fort Abraham Lincoln lag. Der Schimmel tobte näher.
Ein unheimlicher und dennoch großartiger Anblick! Fröstelnd hob Sky die Schultern. Er unterdrückte die aufkeimende Furcht. Eher gelassen beobachtete Dan Oakland den Schimmel. Jetzt konnte er für einen Atemzug den Reiter auf dem weißen Pferd ausmachen, einen Mann in langer lederner Fransenjacke, der sich weit nach vom beugte. Sekunden später war das Pferd den Blicken von Vater und Sohn entschwunden. Der Hufschlag erstarb im prasselnden Regen. Nachdenklich wandte Dan Oakland sich ab. Er ging zur Feuerstelle zurück. Sky folgte ihm und setzte sich wieder ihm gegenüber nieder. Ruhig standen die beiden Sattelpferde abseits im Windschatten dichter Sträucher. Decken waren über sie gebreitet, um sie vor dem Regen zu schützen.
„Hast du den Reiter gesehen, mein Junge? Dieser Schimmel ist nicht das Geisterpferd, von dem die alten Legenden der Dakota erzählen. Der Schimmel trägt auch Hufeisen. Welches Indianerpony ist schon beschlagen, Sky?“
„Ja, Dad, du hast sicher recht. Doch als ich das weiße Pferd sah, dachte ich sofort an die Legenden und empfand sogar etwas Furcht.“
„Sei nicht abergläubisch, mein Junge.“
Sky senkte den Blick und starrte in das Feuer. Er lebte, kämpfte und fühlte wie ein Dakota. Schließlich war er in einen Sioux-Tipi aufgewachsen.
„Manchmal kann ich nicht anders, Dad“, antwortete er leise. „Ich bin zu sehr ein Sioux.“
„Wenn es hell wird, werden wir der Spur des Schimmels folgen, Sky.“
* * *
Weitab vom Missouri geschah an diesem grauen regnerischen Morgen die scheußliche Bluttat. Dabei begann alles recht harmlos.
Lagerfeuer glimmten vor zwei großen Zelten. Planen waren hoch über die Feuer gespannt. Sie hielten den Regen ab. Zwei Planwagen standen auf der anderen Seite des Lagerplatzes unter den triefenden Ästen windzerzauster Laubbäume. In einem der Zelte saßen ältere und junge Männer. Die meisten trugen Spitzbärte und schwarze Hüte. Irgendwie machten sie alle einen düsteren Eindruck.
Draußen wühlten sich Frauen und Mädchen durch den aufgeweichten, schlammigen Boden. Sie schleppten den großen Topf mit Wasser zum Feuer und hängten ihn in den eisernen Dreifuß. Dann klaubten sie trockenes Holz unter den Wagen zusammen. Die Flammen loderten wieder.
Zwei Jünglinge hielten Wache. Sie waren der Unbill der Witterung ausgesetzt und verrieten dennoch keinen Verdruss. Jeder hielt sein Gewehr, das in einer Lederhülle steckte, auf der Schulter.
Stimmengemurmel drang aus dem Versammlungszelt. Unter dem Vorsitz ihres Anführers, Joseph Hunnicut, hielt die Bruderschaft der Standhaften eine Besprechung ab, die freilich einem Kriegsrat ähnelte. Von einem fanatischen Glauben beseelt, ließen diese Sektierer nur die Hautfarbe ihrer eigenen Rasse gelten.
Die Jünglinge hörten nicht, was im Zelt besprochen wurde. Wind und Regen verschluckten alle Geräusche. Immer wieder mussten sie die schwarzen runden Hüte in die Stirn zerren. Regenwasser troff von den durchweichten Krempen. Plötzlich stieß Caleb Hunnicut seinen Altersgenossen an. Er zeigte auf drei schemenhafte Reiter, die im Regendunst nur schwer zu erkennen waren.
Auch Abel Smith sah sie jetzt. Er stellte fest, dass die Reiter die Pferde gezügelt hatten. „Sie beobachten uns, Cal!“
„Ja, Abel, und bestimmt haben sie Schlimmes im Sinn. Sonst würden sie doch näherkommen, findest du nicht?“
Angespannt standen die beiden blonden jungen Männer abseits der Wagen und Zelte und starrten auf die drei unbekannten Reiter. Auf diese Entfernung war nicht auszumachen, welche Hautfarbe die Reiter hatten. Die Konturen verwischten. Kein Laut drang herüber, kein Stampfen und Schnauben der Pferde. Die Reiter wirkten wie massige Standbilder.
„Bleib hier, Abel“, befahl Caleb Hunnicut streng. „Ich sage meinem Vater Bescheid.“
Dann hastete er zum Versammlungszelt davon. Der elternlose Abel Smith blies die Regenperlen von den Lippen. Er starrte ununterbrochen zu den Reitern hinaus.
Jetzt ritten sie plötzlich an und kamen sehr langsam näher, lösten sich mehr und mehr aus dem Dunst und wurden deutlicher erkennbar. Abel Smith verharrte. Steif und verkrampft blickte er den Reitern entgegen. Schweigend zügelten sie vor ihm die Ponys. Büffelfelle umgaben die halbnackten sehnigen Körper. Nass hafteten die langen schwarzen Haare an den Köpfen. Von Waffen war nichts zu sehen; wahrscheinlich steckten sie unter den Büffelfellen.
Zum ersten Mal in seinem jungen Leben stand Abel Smith freilebenden Indianern gegenüber. Sie trugen keine Kriegsfarben und keine Federn. Auf den braunen knochigen Gesichtern erschien noch nicht einmal ein Hauch von Feindseligkeit. Dakota-Indianer! Die Sioux blickten den jungen Weißen forschend an. Um den Mund eines der Späher zuckte es schwach, als wollte er lächeln.
„Bleiche Stirnen sind in die Jagdgründe der Dakota eingedrungen“, brach einer der Indianer das Schweigen. Er sprach erstaunlich gut Englisch. „Die Dakota haben die Bleichgesichter nicht gerufen. Geh, junges Bleichgesicht, und sag deinem Häuptling, dass dies das Land der Dakota ist. Sag ihm, dass ihr hier nicht rasten und jagen dürft. So will es auch der Große Weiße Vater.“
Abel schluckte und nickte schwach. „Ja, ich sag’s ihm.“
„Gut.“ Der Indianer gab seinem Nebenmann einen Wink. Daraufhin ritt dieser Dakota in den Dunst zurück und verschwand.
„Wir werden auf die Antwort warten.“
Abel blickte die beiden Indianer aus flackernden Augen an.
Da kamen schon Joseph Hunnicut, sein Sohn Caleb und die anderen heran, stapften in hohen Stiefeln durch den Morast, stampften das nasse Gras nieder und bauten sich vor den beiden Indianern auf. „Was haben sie gesagt, Abel?“
„Sie verlangen, dass wir verschwinden, Herr“, antwortete Abel bedrückt. „Wir dürfen hier nicht rasten und jagen.“
Joseph Hunnicut zog die buschigen schwarzen Brauen zusammen und betrachtete missmutig die vermummten Dakota. „Wir haben eine heilige Mission zu erfüllen“, mahnte er seine Begleiter. „Wir müssen den Geboten der Bruderschaft gehorchen. Nichts und niemand wird uns davon abbringen.“
„Vater“, ließ sich Caleb Hunnicut hören. „Da war noch ein dritter Indianer!“
Joseph Hunnicut wandte sich an Abel Smith: „Wo steckt der Bursche?“
„Weggeritten, Herr.“ Der Jüngling wies auf den rechten Indianer. „Er spricht unsere Sprache.“
Finster sah Hunnicut den Dakota an. Die Gesichtszüge des Indianers verrieten einen hohen Grad von Intelligenz. „Du verstehst alles, Indianer?“
„Ja.“ Der Dakota beugte sich ein wenig vor. „Ich bin vor vielen Wintern von Bleichgesichtern geraubt worden, weißer Mann. Ich musste bei ihnen arbeiten wie ein Pferd.“
„Wir werden unseren Geboten folgen und weiter nach Westen ziehen. Ich rate euch, nicht in unsere Nähe zu kommen.“
„Ist das dein letztes Wort, Bleichgesicht?“
„Ja!“
„Dann werdet ihr alle sterben“, verkündete der Dakota ernst, doch ohne Hass. „Paha Sapa, das heilige Herz von Dakota, darf von keinem Weißen betreten werden. Zieht nicht dorthin weiter, wo die Schwarzen Berge sind! Meidet die Black Hills und nehmt den Weg nach Norden. Umgeht das Land der Sioux!“
„Nein!“ Hunnicut verzog grimmig das knochige Gesicht. Regenwasser tropfte von seinem schwarzen Ziegenbart. „Ihr sollt es am eigenen Leibe zu spüren bekommen, dass niemand uns aufhalten und besiegen kann!“
Nach diesen Worten gab er den Männern neben sich ein Zeichen. Sie rissen die Gewehre hoch und schossen die beiden Indianer von den Ponys. Tot stürzten sie ins nasse Gras.
Wiehernd rannten die Ponys davon und verschwanden hinter der Dunstwand.
„Aaron, Nathan, Saul, auf die Pferde!“, befahl Hunnicut. „Sucht den dritten rothäutigen Halunken und schießt auch ihn zusammen!“
Die drei Männer rannten davon und holten ihre Pferde. Im Galopp ritten sie in das Unwetter hinein. Hunnicut zeigte auf die Toten. „Nehmt die Büffelfelle, wir können sie gut verwenden.“
Danach ließen sie die Toten einfach liegen und kehrten zu den Zelten und Wagen zurück.
Durchnässt und fröstelnd standen die Frauen und Mädchen im Schlamm. Das Wasser im Eisenkessel über dem Feuer begann zu sieden. Eben kehrten auch die drei Sektierer Aaron, Saul und Nathan zurück. Sie rutschten keuchend von den Pferden. „Er ist entkommen! Nicht weit von hier beginnt ein dichter Wald. Da war es unmöglich, Spuren zu finden.“
„Holt die Toten, hängt sie an einen Baum und schlitzt ihre Leiber auf!“, befahl Hunnicut. „Das sollte den verfluchten Rothäuten Abschreckung genug sein!“
Sie befolgten seinen Befehl mit blindem Eifer. Die Bruderschaft der Standhaften bereitete nun alles zum Aufbruch vor, um weiter nach Westen vorzudringen.
Niemand entdeckte den Dakota, der zurückgekommen war. Unter den tropfnassen Bäumen blieb der Indianer stehen. Er starrte zu den Toten empor. Sein Gesicht verzerrte sich vor Trauer und Zorn. Lautlos glitt er zurück zu seinem Pony, zog das Büffelfell vom Sattel und hüllte sich darin wieder ein. Sekundenlang ruhte seine Rechte auf dem Gewehr, das an der Flanke des Ponys hing und vom Büffelfell verdeckt wurde, wenn er im Sattel saß. Doch er verzichtete auf die Schusswaffe und griff stattdessen nach Bogen und Pfeilköcher.
Dann näherte er sich abermals den Weißen, kroch wie eine Schlange durch das Gras und robbte unter einen der Planwagen. Von hier aus konnte er die Sektierer beobachten. Kaltblütig spannte er die Bogensehne. Schon sirrte der Pfeil über den Lagerplatz und bohrte sich in den Rücken eines Weißen. Röchelnd kippte der Mann vornüber in den Morast. Im Todeskrampf krallten sich die Hände in das schwere Erdreich.
Der zweite Pfeil sollte den Nebenmann treffen. Doch die Frau des sterbenden Sektierers stürzte in dieser Sekunde nach vorn und wurde tödlich getroffen. Männer brüllten. Frauen und Mädchen schrien.
Blindlings abgefeuerte Schüsse fuhren in die Dunstwand. Aus dem Halbdunkel unter dem Planwagen fauchte ein dritter Pfeil. Er durchbohrte das Herz eines Mannes, der zum Wagen hatte laufen wollen. Tot stürzte er in eine Pfütze. Im Nu war der Dakota weggetaucht.
In fieberhafter Eile brachen die Weißen das Lager ab und zerrten die Gespanne vor die Wagen. Der Eisenkessel mit dem kochenden Wasser wurde hastig entleert und auf einen Wagen gehoben. Schon rollten die Wagen vom Platz. Der Dakota blieb in ihrer Nähe.
Wie ein grauer Schatten folgte er den Bleichgesichtern. Als die Wagen in eine Hügelfalte rollten, glitt der Dakota vom Pony und schnellte geduckt über den Hang. Er näherte sich tollkühn den Weißen und tötete mit seinen Pfeilen zwei weitere Männer. Da kehrten die Sektierer um. Sie mussten glauben, dass viele Indianer sie eingekreist hatten. Hektisch trieben sie mit den langen Peitschen die Gespanne an.
Der Dakota schwang sich auf sein Pony und jagte in einem weiten Bogen über die Savanne. Er überholte die Wagen und ritt ihnen voraus. Dann hastete er abermals zu Fuß durch das hohe Gras, und als die Wagen vorbeirollten, ließ er erneut Pfeile von der Sehne seines Bogens schnellen. Ein Kind wurde getroffen.
Der Pfeil hatte den Mann auf dem Bock des Wagens nur gestreift. Die Frau konnte in letzter Sekunde das Kind an sich pressen. Sie stieß einen gellenden Schrei aus.
Die Wagen zogen über die Savanne davon. Die hochgespannten Planen verschwanden im Dunst. Schnell verloren sich die Geräusche im Osten. Einsam blieb der Dakota im strömenden Regen zurück. Später zog auch er ostwärts. Auf der Spur der Wagen näherte er sich erneut dem Camp der Sektierer. Nun, am Tage, war es für ihn wesentlich schwieriger und gefährlicher, an die Wagen heranzukommen, die in Richtung Fort Lincoln durch den Regen rollten.
Er erreichte den verlassenen Lagerplatz, holte dann auf und sah zwei Männer, die am Schluss des zweiten Planwagens ritten. Jäh stand das Pony still unter dem Sioux. Der Pfeil fauchte davon und traf einmal mehr. Doch nun jagten zwei andere Weiße heran. Sie schossen wie verrückt.
Sie sahen nicht, dass sie den Dakota trafen. Auch nicht, wie er vom Pony fiel, das Tier davonlief und das Licht des Lebens in den Augen des Indianers erlosch.
* * *
Kojoten umkläfften den Baum mit den verstümmelten Indianern. Schwach schwangen die Körper an den Stricken im Regenwind. „Bleib.“
Die blutjunge Indianerin Tau-auf-ihrem-Haar gehorchte. Sie kniete nieder und senkte das Haupt zu Boden. Mit flachen Schritten erreichte der Dakota den Baum. Er brauchte nur sein Gewehr anzuheben, um die Kojoten zu verscheuchen.
Lange stand er vor dem Todesbaum. In seinen Augen war es Nacht. Der schreckliche Anblick ließ ihn zittern. Und als er die Körper aus den Stricken gelöst hatte und vom Baum gestiegen war, musste er sich übergeben.
Steingrau war sein Gesicht, als er die junge Frau erreichte. „Du darfst sie nicht sehen. Bleib bei den Ponys.“
„Ist es so, dass mein Herz weinen wird, Tschetan gitika?“
Der junge Dakota Tapferer Falke nickte. „Dein Herz würde zu Stein werden, Frau.“
Er ging zurück und suchte vergeblich nach einem geeigneten Baum, in dessen Geäst er den Toten aufbahren konnte. Die Dakota gaben ihren Toten auf Stangengerüsten und in Baumkronen die letzte Ruhestätte, aber diesmal fanden die beiden Toten ihre Ruhe in feuchter Erde.
Tschetan gitika, der Tapfere Falke war tief erschüttert. Aus dem Mund der alten weisen Krieger hatte er bereits von den Gräueltaten erfahren, die von Weißen und auch von Indianern begangen worden waren, von all diesen grausamen und widerlichen Verstümmelungen, zu denen nur Menschen fähig waren. Diesmal hatte er sich mit eigenen Augen überzeugen müssen. Tapferer Falke wollte sich nicht im Hass auf die Bleichgesichter verlieren.
Die Wagenspuren waren deutlich im Gras und auf dem durchweichten Boden zu erkennen, selbst nach zwei, drei Tagen noch. Er ging zu Tau-auf-ihrem-Haar zurück. Bald folgten beide auf den Ponys den Spuren zur Hügelfalte. Und sie zogen weiter ostwärts. Später stießen sie auf das, was die Wölfe von dem jungen Dakota-Späher übriggelassen hatten. Sie kamen an einem Grab vorbei, das so aussah wie die anderen Gräber im Westen, die sich vor den Bäumen und abseits des verlassenen Lagerplatzes buckelten. Auch hier war ein Kreuz aus Holzscheiten in die Erde des kleinen Grabhügels gerammt. Tief atmete der Tapfere Falke ein.
„Komm, kleine Frau.“
* * *
Dan Oakland saß zusammengesunken im Sattel. Auf den Wolfsfellen perlte der Regen. Die nasse Biberfellmütze bedeckte das sandfarbene Haar. Der aus dem Scabbard ragende Kolben der Winchester wippte bei jedem Schritt des Pferdes. Nass waren die Leggins, und das Regenwasser war durch die Lederstrümpfe gedrungen und hatte auch die hochgeschnürten Mokassinstiefel erreicht. „Sauwetter.“
Sky lächelte. Die dunkelbraunen Augen in seinem wilden Gesicht funkelten selbst an diesem trüben und regnerischen Tag. „Du weichst schon nicht auf, Dad, wie eine alte Wolldecke!“
„Aber ich fühle mich bald so, Junge“, knurrte Dan. „Noch vor zwei Jahren hat mir dieser Dauerregen nichts ausgemacht. Jetzt aber reicht’s mir.“
Er bog ab und ritt unter die Bäume, doch auch hier tropfte es. Daraufhin ritt Dan hart an das Ufer des Missouri, um wenigstens im Windschatten der Baumkette zu sein. Langsam zogen sie am Big Muddy stromaufwärts. Weit hinter ihnen lag die Stadt Cheyenne River, die sie mit Feuer und Blei gezähmt hatten.
Plötzlich entdeckten sie am Fluss eine brüchige alte Hütte, die groß genug war, sie und die Pferde aufzunehmen. Die Hütte war schon seit langem nicht mehr bewohnt. Doch der Kamin, aus Flussgestein gemauert, war noch gut erhalten.
Sky zertrümmerte den alten Tisch und das Schlaflager und machte Feuer. Rauch stieg über dem schadhaften Hüttendach empor und trieb über den breiten Strom. Sie entledigten sich der nassen Kleidungsstücke, hängten sie zum Trocknen auf und rückten dicht an den Kamin heran, während die Pferde im Hintergrund der Hütte zu dampfen begannen.
Dan Oakland und sein Sohn hatten eigentlich nicht vorgehabt, nach Fort Abraham Lincoln zu reiten. Doch die Spur des weißen Pferdes führte dorthin. Und jetzt wollte auch Dan wissen, wer auf diesem Geisterpferd in der Gewitternacht über die Savanne gejagt war. Schließlich streckten sie sich auf den ausgebreiteten Innenflächen der Büffelfelle aus, die sie unterwegs von zwei toten Büffeln gewonnen hatten. Wer die Büffel erschoss, hatten sie nicht feststellen können. Vermutlich waren es Siedler vom Missouri gewesen.
Dan und sein Sohn ruhten. Der Regen ließ nach. Was blieb, war ein Nieseln und schwerer feuchter Dunst. Sky warf Holz nach. Draußen duckte sich ein Indianer. Er musterte den emporwallenden Rauch, schlich lautlos an die Hütte heran und horchte. Die beiden Planwagen waren nur eine Viertelmeile flussaufwärts auf den Missouri gestoßen. Sie näherten sich Fort Lincoln. Erbarmungslos hatten die Sektierer die Gespanne vorwärtsgetrieben.
Lauernd glitt der Indianer nach vorn, hielt das Gewehr schussbereit im Anschlag und erreichte so die Tür. Geräuschlos drückte er sie halb auf und spähte in die Hütte. Im roten Flammenschein des Kaminfeuers sah er zwei Männer am Boden liegen. Beide schienen zu schlafen.
Der Indianer merkte nicht, dass sie hellwach waren und ihn bereits entdeckt hatten. Aus fast geschlossenen Augen beobachteten Dan und sein Sohn den Indianer an der Tür. Das Gewehr bedrohte sie. Dennoch blieben sie ruhig liegen. Jetzt wandte sich der Indianer ab, und blitzartig kam Sky hoch und schnellte zur Tür, sprang den Indianer an und stieß ihn zu Boden. Im Nu hatte Sky dem Indianer das Gewehr entrissen. Beide rollten umher, wälzten sich am Ufer und fauchten dabei wie Raubkatzen.
Mit angeschlagener Winchester verließ Dan Oakland die Hütte. Er griff aber nicht in diesen Zweikampf ein. Sky hatte es nicht leicht, den Gegner zu überwältigen. Endlich gelang es ihm, dem Indianer die Faust unter das Kinn zu platzieren. Als der Gegner zurücksank, knallte Sky ihm die Faust gegen die Schläfe. Keuchend richtete er sich auf.
Langsam kam sein Vater auf ihn zu. „Unter den Bäumen wartet eine junge Frau mit zwei Ponys. Wen hast du da erwischt?“ Forschend beugte er sich über den bewusstlosen Indianer. „Das ist ein Dakota, Sky!“
Erst jetzt betrachtete Sky seinen Gegner genauer. „Ja, Dad, du hast recht. Er ist nur wenig älter als ich, glaube ich. Von welchem Stamm mag er sein?“
„Hunkpapa“, antwortete Dan gelassen. Sie kannten alle Stämme in Dakota. Sie waren an den Lagerfeuern der großen Dakota-Nation stets willkommen. Als Catch-the-Bear nahm Dan Oakland manchmal im Tipi der Sieben Ratsfeuer Platz und rauchte das Kalumet der Freundschaft.
Stöhnend kam der Indianer zu sich. Da sah er Skys Hand, die ihm entgegengehalten wurde. Zögernd griff er danach und kam auf die Beine. „Du hast mich besiegt.“
„Ich hab’ Glück gehabt“, meinte Sky. „Hau kola, sei willkommen, Freund.“ Er hob die Rechte zum Dakota-Gruß und reichte dann dem Indianer das Gewehr. „Ruf deine Frau“, schlug Dan vor. „In der Hütte ist Platz für uns alle. Auch für die Ponys.“
Der Dakota rief, und die blutjunge Frau kam mit den Ponys heran. Eingehüllt in das Büffelfell, blieb sie vor Dan und Sky stehen und griff nach dem Arm ihres Mannes.
„Ich bin Tschetan gitika. Dies ist meine Frau, Tau-auf-ihrem-Haar.“
„Und ich heiße Sky, und das ist mein Vater Catch-the-Bear.“
„Ho!“, kam es überrascht aus dem Mund des Dakota. Ehrfürchtig blickte er Dan Oakland an. „Dein Name fällt an allen Feuern von Dakota, Catch-the-Bear! Auch der große Häuptling der Hunkpapa-Dakota hat von dir gesprochen.“
„Tatanka Yotanka, den die Weißen Sitting Bull nennen?“
„Ja, Catch-the-Bear.“ Der Tapfere Falke senkte den Blick. „Bleiche Stirnen haben Schlimmes angerichtet, Catch-the-Bear. Wollt ihr es wissen?“
Dan nickte ernst. „Kommt in die Hütte.“
Scheu betrat die hübsche Frau die Hütte. Zum ersten Mal befand sie sich dann in einem Tipi aus Hol“. Schweigend ließ sie sich nahe am Kamin nieder und zog das Büffelfell von den Schultern. Erst jetzt war zu sehen, dass sie nackt bis auf einen Lendenschurz war und dazu nur Mokassins trug. Beide, Tapferer Falke und seine Frau, hatten vor Wochen die Black Hills verlassen, um die Einsamkeit des weiten Landes zu erleben. Auch sie hatten das weiße Pferd gesehen. Nun wollten sie nach Fort Abraham Lincoln, um im guten Glauben an die Vertragstreue der Armee die grausamen Bleichgesichter anzuklagen.
„Überlasst das uns“, sagte Dan ernst. „Die Weißen, die mit den Wagen unterwegs sind, werden alles Mögliche behaupten, nur nicht die Wahrheit. Und vergiss nicht, Tschetan gitika: Ein paar Weiße sind getötet worden. Die Bleichgesichter werden die Tatsachen verdrehen und vorgeben, angegriffen worden zu sein. Sie werden sagen, dass sie in Notwehr handelten. Von ihrer eigenen Schandtat werden sie nichts berichten.“
Eine Stunde später brachen sie auf und ritten weiter nach Norden. Es war spät nachmittags, als sie Fort Abraham Lincoln erblickten. Sky ritt mit seinem Vater weiter. Während sie sich dem Fort näherten, verbargen sich Tapferer Falke und seine Frau mit den Ponys im Dickicht unter den rauschenden schlanken Missouri-Pappeln.
Langsam trabten Dan Oakland und sein Sohn an der dem Fort vorgelagerten großen Unterkunft der Infanterie-Einheit vorbei, blickten auf die regennassen weißen Wände der Quartiere, überquerten einen Hügel und hielten auf die Palisaden zu. Dorthin führten auch die Wagenspuren. Früher hatte das Fort einen anderen Namen getragen: McKeen. Davor war hier eine Handelsniederlassung, wo die Trapper ihre Pelze verkauften. Heute war Fort Lincoln eine Festung am Rand des Indianerlandes.
* * *
Die Torflügel standen weit offen. Mit den wallenden Nebeln, die vom Missouri herübertrieben, ritten Dan Oakland und Sky in Fort Lincoln ein. Der Wind hatte nachgelassen; träge schwang das Sternenbanner am hohen Flaggenmast. Regendunst zog wie der Rauch eines schwelenden Feuers über den großen Exerzierplatz.
Das Fort bestand aus einem gewaltigen Rechteck. Die Torflügel zeigten zum Missouri. Hier auf der Torseite lagen Mannschaftsunterkünfte und Latrinen, gegenüber befanden sich die Offizierswohnungen. Links von Dan und seinem Sohn ragten, wie alle anderen Gebäude aus Baumstämmen und ungebrannten Ziegeln erbaut, das Wachthaus, das mehrzellige Gefängnis und das Depot mit Getreidespeicher und Heuschober empor.
Soldaten rieben im großen Stall die Pferde ab. Andere reinigten ihre Waffen. Mehrere hantierten an den drehbaren Gatling-Kanonen herum, die auf einem Wall standen und deren Läufe durch die Palisadenlücken zum Missouri hinüberzeigten.
Fort Lincoln war so groß, dass mehr als fünf Schwadronen Quartier beziehen konnten. Die Größe des Forts stimmte Dan nachdenklich. Alles schien für einen späteren großen Feldzug gegen die Sioux berechnet. Hier, so überlegte er sich, konnte mehr als ein Regiment Kavallerie untergebracht werden. Allein das Magazin, wo Waffen und Pulver deponiert waren, konnte eine Unmenge Kriegsmaterial vor den neugierigen Blicken der umherstreunenden Indianer verbergen.
Lachen schallte aus der Mannschaftskantine. Soldaten, die dienstfrei hatten, schlugen die Zeit tot. Drüben fiel Lichtschein aus den Fenstern der Offiziersunterkünfte. Dort lag auch das Kasino. Langsam ritten Dan und sein Sohn an den beiden Planwagen vorbei. Vor einer Palisadenwand waren zwei Zelte aufgeschlagen. Dort und bei den Wagen standen und hockten die Sektierer.
Düster blickte Sky auf die bärtigen Männer in der schwarzen Kleidung. Sie hatten drei Indianerspäher umgebracht. Deutlich hob sich der hochgewachsene, knochige und dürre Joseph Hunnicut von den anderen ab.
Lässig stiegen Dan und Sky von den Pferden und leinten sie an einen Vordachpfosten. Vor ihnen führte der erhöhte Gehsteig an der Kommandantenbaracke, am Kasino und an den Offizierswohnungen vorbei.
„Bleib bei den Pferden, Sky, das ist wohl am besten“, murmelte Dan und stieg auf den Plankenweg. „Ich werde mit dem Kommandanten reden.“
„Sei vorsichtig, Vater!“
„Ja, das werde ich sein, mein Junge.“
Mit schweren Schritten stapfte Dan über die Planken zur Tür der Kommandantur. Ohne anzuklopfen, trat er ein und stand einem jungen Ordonnanzsoldaten gegenüber.
„Mein Name ist Daniel Oakland. Ich muss mit deinem Häuptling sprechen, Soldat.“
Während der Soldat nach hinten ging, um Dan zu melden, blickte Sky sich um.
Plötzlich entdeckte er ein großes weißes Pferd, das von zwei Soldaten aus dem Stall geführt und dann gründlich abgerieben und massiert wurde. Ein dritter Soldat trug einen kostbaren Sattel ins Freie und säuberte dann das Leder des Sattels und der Gurte.
Der Ordonnanzsoldat kam zu Dan zurück und nickte ihm zu. Dan folgte ihm in ein großes Dienstzimmer. Der Boden war mit Teppichen ausgelegt. In einem großen Kachelofen glimmte ein Feuer. Ein riesiger Schreibtisch stand vor einem Ledersessel. Dahinter hing die Flagge an der Wand.
Dan gewahrte einen Offizier, der am Fenster stand und die Arme auf dem Rücken verschränkt hielt. Sein Rücken wölbte den Uniformrock. Ein Säbel, der nur zu festlichen Ereignissen im Kasino getragen wurde, baumelte von der rechten Hüfte. „Mister Daniel Oakland?“ Der Offizier wandte sich Dan noch nicht zu, sondern beobachtete die Soldaten und die Sektierer auf dem Platz.
„Ja.“
„Um was geht es, Mister Oakland?“ Der Offizier knetete die Hände über dem Gesäß, drehte sich dabei um und blickte Dan forschend an.
Dan sah das faltige Gesicht, das graue Haar und die hellen Augen, die stechend blickten. „Es geht um den Frieden im Indianerland und hier an der Grenze, Colonel, um die Einhaltung des Vertrages zwischen Washington und den Sioux in den Black Hills und am Big Horn River.“
Der Lieutenant Colonel verzog das Gesicht. Die Runzeln schienen sich zu vervielfachen. „Stimmt was nicht mit dem Vertrag?“
„Aus militärischer Sicht scheint alles in Ordnung, Colonel, doch andere Männer missachten den Vertrag und schießen auf Sioux. Drei Späher wurden erst vor kurzem getötet. Zwei wurden danach aufgeknüpft und furchtbar verstümmelt.“
„Das ist keine gute Nachricht, Mister Oakland. Sie kommen aus dem Land der Sioux? Sind Sie Trapper?“
„Ich bin unterwegs in die Black Hills, Colonel. Fallensteller bin ich mal gewesen. Jetzt ziehe ich mit meinem Sohn herum.“
„Ein erträgliches Dasein, denke ich. Mein Name ist übrigens Baskin, Tyron Baskin. Ihre Beobachtungen interessieren mich. Doch ich muss Ihnen sagen, dass mein Dienst hier in Fort Lincoln demnächst endet.“ Mit einem flüchtigen Lächeln trat er näher. „Hier wechseln die Kommandanten ständig. Ich kann mich um die Angelegenheit nur unzureichend kümmern, Mister Oakland. Mein Nachfolger wird sich überhaupt nicht darum scheren. Er muss zuerst in sein Kommando eingewiesen werden. Das kann zwei Wochen beanspruchen.“
„Colonel, da draußen auf dem Platz rasten Leute, die mit zwei Planwagen in das Fort gekommen sind. Diese Männer haben die drei Sioux umgebracht.“
„Die Sioux haben sie angegriffen. Das ist mir jedenfalls berichtet worden.“
„Die Leute lügen, Colonel.“
„So?“ Baskin verengte die Augen und umfasste den Griff des Säbels. „Sie machen einen offenen und ehrlichen Eindruck, Oakland, aber ich kann diese Sektierer, die sich Bruderschaft der Standhaften nennen, nicht davonjagen. Es sind Weiße, Mister Oakland! Außerdem ist eins der Kinder von einem Indianerpfeil lebensgefährlich verletzt worden.“
„Dann werden Sie also nichts gegen diese Männer unternehmen?“
„Fort Lincoln ist Zufluchtsstätte vieler Menschen, die von Indianern bedroht werden, Mister Oakland. Das soll auch so bleiben. Das Fort trägt einen verpflichtenden Namen. Und ich will, dass hier an erster Stelle aller Überlegungen die Menschlichkeit steht. Das sind wir dem ermordeten Präsidenten Abraham Lincoln schuldig.“
Dan wollte antworten, als von draußen ein Captain hereinkam und eine dickbauchige Tasche auf einem Stuhl absetzte. „Nichts zu machen, Colonel“, ächzte der Captain bitter. „Diese Sektierer sind verrückt und völlig fanatisch in ihrem Glauben. Sie lassen mich einfach nicht an den kleinen Jungen ran! Er liegt auf einem der Wagen und fiebert sich zu Tode! Den Pfeil haben sie ihm rausgezogen, aber ansonsten kümmern sie sich nicht um den Kleinen! Hol der Teufel diese Narren!“
Lieutenant Colonel Tyron Baskin hob die Schultern und atmete tief ein. Kopfschüttelnd wandte er sich ab und blickte wieder aus dem Fenster. „Da ist also nichts zu machen, Doc?“
„Nichts, Colonel!“
„Doch“, ließ Dan sich mit rauer Stimme hören. „Nehmen Sie diesen Sektierern einfach den Kleinen weg!“
„Sie sind verrückt, Oakland.“
„O nein, Colonel“, entgegnete Dan grimmig. „Der Doc hier kann behaupten, dass der Kleine nicht nur Fieber hat, sondern Verdacht auf Cholera besteht, und er deshalb abgesondert werden muss, damit nicht alle angesteckt werden. Diese Bruderschaft der Standhaften wird dann gar nicht mehr so standhaft sein. Und dann kann der Doc den Kleinen in Ruhe behandeln.“
„He, das ist ein brauchbarer Vorschlag“, schnaufte der Captain und nickte anerkennend Dan zu. „Was halten Sie davon, Colonel?“