Dan Oakland Story 33: Todestrommeln - U.H. Wilken - E-Book

Dan Oakland Story 33: Todestrommeln E-Book

U. H. Wilken

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Beschreibung

Todestrommeln am Yellowstone Der Crow-Häuptling White Ghost hat allen Weißen den Tod geschworen. Mit seinen Kriegern überfällt er Siedlungen am Yellowstone und richtet ein Massaker unter den Bewohnern an. Soldaten auf dem Fluss kämpfen verbissen gegen die Crow. Das Mädchen vom Fluss Die schöne Angie Ann träumt von Geld und der großen Stadt San Francisco. Um sich diesen Traum zu erfüllen, stiehlt sie und zieht sich dadurch den Zorn des Kriminellen McCraw zu. Und am Yellowstone lauern Crow-Indianer, um Siedler zu töten.

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In dieser Reihe bisher erschienen

4301  U. H. Wilken Lockruf der Wildnis

4302  U. H. Wilken Teufelsbrigade

4303  U. H. Wilken Die Feuertaufe

4304  U. H. Wilken Der weiße Büffel

4305  U. H. Wilken Das Aufgebot des Bösen

4306  U. H. Wilken Grausame Grenze

4307  U. H. Wilken Omaha-Marter

4308  U. H. Wilken Blutige Säbel

4309  U. H. Wilken Der Unbezwingbare

4310  U. H. Wilken California-Trail

4311  U. H. Wilken Berg der zornigen Götter

4312  U. H. Wilken Die Teuflischen

4313  U. H. Wilken In Todesgefahr

4314  U. H. Wilken Schwarzer Horizont

4315  U. H. Wilken Der Raubadler

4316  U. H. Wilken Trail aus Blut und Eisen

4317  U. H. Wilken Der Wolfskiller

4318  U. H. Wilken Nachtfalken

4319  U. H. Wilken Der Geheimbund

4320  U. H. Wilken Tödliche Tomahawks

4321  U. H. Wilken Minnesota

4322  U. H. Wilken Die Revolver-Lady

4323  U. H. Wilken Sterben am Washita

4324  U. H. Wilken Langmesser

4325  U. H. Wilken Der Bärentöter

4326  U. H. Wilken Manitoba

4327  U. H. Wilken Yellow River

4328  U. H. Wilken Land der Sioux

4329  U. H. Wilken Todesvögel

4330  U. H. Wilken Shinto

4331  U. H. Wilken Blutmond

4332  U. H. Wilken Der Skalphügel

4333  U. H. Wilken Todestrommeln

4334  U. H. Wilken Skalpjäger

4335  U. H. Wilken Fort Lincoln

4336  U. H. Wilken Sky

TODESTROMMELN

DAN OAKLAND STORY

BUCH 33

U. H. WILKEN

Dieses Buch gehört zu unseren exklusiven Sammler-Editionen

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Copyright © 2024 Blitz-Verlag, eine Marke der Silberscore Beteiligungs GmbH, Mühlsteig 10, A-6633 Biberwier 

Redaktion: Alfred Wallon

Titelbild: Rudolf Sieber-Lonati

Umschlaggestaltung: Mario Heyer

Satz: Gero Reimer

Alle Rechte vorbehalten.

www.Blitz-Verlag.de

ISBN: 978-3-689-84088-4

4333 vom 11.09.2024

INHALT

Todestrommeln am Yellowstone

Das Mädchen vom Fluss

Anmerkung

Über den Autor

Todestrommeln am Yellowstone

Der Tod lauerte mit hundert Pulverkörnern in der Metallpatrone. Ein Feuerblitz flammte vor dem Lauf auf. Der Rückschlag stieß den Weißen halb in die Höhe. Die Kugel durchschlug den Körper des ersten Crow, erwischte den anderen und klatschte in das Unterholz.

Laut brüllte das Echo. Ein Schwarm Wildenten erhob sich von den Wassern des Yellowstone und jagte mit hartem Flügelschlag davon. Wie erstarrt saß der dritte Crow am Feuer.

Dann sprang er jäh auf und stieß einen gellenden Schrei aus. Er wollte sich im Wald in Sicherheit bringen. Wuchtig bohrte sich das Jagdmesser in seinen Rücken. Er breitete die Arme aus, sank auf die Knie und fiel auf das Gesicht. Seine Hände krallten sich im Todeskampf in den weichen Waldboden. Mit drei blutigen Skalpen machte der Weiße sich davon. Er durchbrach wie ein Büffel das Unterholz und stapfte über Moos und durch Farn. In weitem Bogen näherte er sich dem Fluss.

Mit der Geschmeidigkeit eines Silberlöwen glitt der Indianer über den Uferstreifen unter die Bäume. Geräuschlos sprang er über umgestürzte Waldriesen, huschte wie flüchtiges Wild durch das Unterholz und duckte sich vor dem Lagerplatz. In seinem Gesicht zuckte es. Ein Flirren war in den Augen. Tot und skalpiert lagen die Gefährten vor ihm. Überall war Blut. An den Leibern, der Kleidung, im Gras. Die Eindrücke weicher Lederstiefel waren zu erkennen.

Geduckt schlich der Crow über den Platz. Das lange Haar hing ihm ins Gesicht. Er spähte aus geweiteten Augen umher. Plötzlich ruckte er hoch, stand still. Unten am Fluss plätscherte es. Ein Boot rieb über körnigen Sand. Der Crow schnellte durch das Dunkel der Bäume und hetzte hinunter zum Fluss. Er blieb geduckt unter den Bäumen stehen und starrte auf das Wasser hinaus. Dort ruderte ein weißer Mann das Boot zur Mitte des Stroms und ließ es dann treiben. Die Pelzmütze verriet den Trapper, vielleicht war dieser Mann ein frankokanadischer Fallensteller.

Dunkle Augen beobachteten den Weißen. Er saß schwer und massig im Boot. Ein zufriedenes Grinsen lag um den Mund. Der Lauf der Sharps ragte hinter der Bootswand hervor. Das Gewehr war wieder geladen.

Der Crow fraß den Hass in sich hinein und hastete zu den Kanus am Ufer. Halb verborgen lagen sie hinter buschigen Sträuchern. Schon stieg er in ein Kanu, legte Pfeil und Bogen bereit und stieß das leichte Boot in den Strom. Die Flussnebel verbargen ihn vor dem Weißen.

* * *

In dieser Nacht kamen Dan Oakland und sein Sohn Sky in die Siedlung der Weißen. Als sie ihre Pferde aus dem Wald der alten hohen Bäume lenkten, erblickten sie noch Licht im Saloon. Dunkel ragten die Blockhütten auf dem Platz empor. Es roch nach frisch geschlagenem Holz, nach Herdrauch und Wohnungen. In fest zusammengefügten Ställen rumorten Pferde. In einem Schuppen übernachtete das Federvieh. Dumpf schlugen die Hufe ihrer Pferde durch altes Laub und folgten dem Weg in die Siedlung. Forschend blickte Dan umher. Das bleiche Mondlicht traf sein breites, offenes Gesicht. Die Gesichtsmuskeln waren entspannt. In den grauen Augen war ein friedlicher Ausdruck. Ein paar Blätter fielen im Reitwind von den breiten Schultern.

„Die Squatter dringen immer weiter in das Indianerland vor, Sky“, murmelte er. „Diese Siedlung steht noch nicht lange.“

„Ja, Dad“, sagte Sky leise. Sein langes schwarzes Haar flatterte auf den Schultern. Er trug wie sein Vater weiche Lederkleidung. Dunkelbraune Augen leuchteten im Sternenlicht. Stille Abneigung gegenüber dieser Siedlung prägte seinen Gesichtsausdruck. Er witterte wie ein Indianer in den Wind, roch den Herdrauch und das Holz und folgte seinem Vater zum Blockhaus. Der weiche gelbe Lichtschein traf die beiden Reiter.

Beide saßen sie ab und horchten. Schnarchlaute drangen aus dem Saloon, der zugleich Aufenthaltsraum der Siedler war. Vom nahen Fluss kam der Nebel. Die alten Bäume in weiter Runde fingen mit ihrem starken Geäst den Wind auf. Leises Rascheln und Rauschen ging durch die Wälder.

Dan Oakland hatte keinen besonderen Grund, diese Siedlung aufzusuchen. Er und Sky waren nur zufällig hier.

„Dad“, flüsterte sein erwachsener Sohn „Ich übernachte lieber draußen. Du solltest mit mir kommen.“

Es war nicht Furcht, die Sky so reden ließ. In seinen Adern floss Siouxblut. Zu oft schon war der Hass der Weißen über ihm zusammengeschlagen. Der wahre Grund seiner Worte war, dass er eben den freien Himmel und das Nachtlager in der Wildnis vorzog. Er mochte die Weißen nicht, obwohl er als Junge in ihre Schule gegangen war.

Dan Oakland verharrte neben seinem Pferd und überlegte. Dann sagte er leise und bedächtig: „Ich möchte, dass du manchmal so eine Siedlung siehst, mein Junge. Denn du wirst eines Tages mitten unter den Weißen leben müssen. Meine Zeit wird dann vorbei sein.“

„Du willst, dass ich mich wieder an die Weißen gewöhne, Dad? Das brauche ich nicht! Ich werde immer in der Wildnis leben, bei unseren Freunden.“

„Unsere Freunde, Sky, werden von den Blauröcken in Reservate getrieben und dort eingepfercht. Sie hungern und siechen dahin. Der Weiße bringt ihnen die Gelbsucht und die Pocken in ihre Lager, damit sie schneller sterben. Eines Tages wirst du allein deinen Weg gehen müssen, mein Junge. In zehn, zwanzig Jahren wirst du überall nur Weiße sehen. Die Indianer werden vergessen sein.“ Tiefer Ernst war in seinen rauchgrauen Augen. „Und darum möchte ich, dass du mit mir in diese Blockhütte kommst.“

Sky zögerte. Groß, schlank und voller geschmeidiger Kraft stand er im herausfallenden Licht. Bläulich glänzte das schwarze Haar. Das schmale dunkelbraune Gesicht entspannte sich.

„Du bist mein Vater. Was du willst, tue ich.“

Mit erdhaft schweren Schritten stapfte Dan zur Tür der Hütte. Dort drehte er sich um. Der Ausdruck von großer Gutmütigkeit lag auf dem groben Gesicht dieses ehrlichen Mannes, der sein Leben lang als Trapper durch die Wälder und über die Prärien gezogen war und dessen Namen wohl alle Indianerstämme kannten. Die Sioux hätten ihm den Kriegsnamen Catch-the-Bear gegeben.

„Ich möchte es gern, mein Junge“, sprach er leise.

Sky nickte und folgte ihm. Sie betraten die Hütte. Unter Dans Gewicht knarrten die Bretter. Klobige Tische, Hocker und Bänke standen vor der Theke. Geweihe und Felle hingen an den Wänden. Hinter der Theke schnarchte ein Mann. Mit gemischten Gefühlen sah Sky sich um. Der Raum war groß, doch er fühlte sich beengt, wie gefangen. Ein indianischer Wigwam war viel kleiner, doch dort fühlte er sich wohl. Erinnerungen an die Schuljahre unter den Weißen wurden wach, und er dachte auch an die Kerker in den Forts der Armee. Berge, Wälder und bizarre Felsregionen am Yellowstone hatten die Weißen bisher immer wieder aufgehalten auf ihrem Weg nach Westen und Norden. Am Big Horn River im Süden, am Marias River in Montana und im Minnesota-Tal sah es anders aus; dort war es zu grausamen Massakern gekommen.

Dan klopfte auf die Theke und der Mann dahinter ruckte hoch, stierte sie beide an und erhob sich. „Ist schon verdammt spät“, ächzte er. „Ich bin nur deshalb noch hier, weil wir Soldaten erwarten.“

„Wozu Soldaten?“, murmelte Dan. „Es ist doch alles ruhig am Fluss.“

„Ja, Trapper, da hast du recht, aber es soll anders werden, verstehst du? Das Militär will endlich die Nordwestpassage öffnen!“

„Also Krieg gegen die Indianer.“

„Du bist ein kluger Kopf, Trapper. Ich sag dir, wenn die Soldaten ...“ Er verstummte und blickte Sky genauer und prüfender an. Mit gepresster Stimme sagte er abweisend: „Ich will hier keinen Indianer haben, Trapper!“

„Er ist mein Sohn, und ich bin ein Weißer“, entgegnete Dan ruhig und selbstsicher. „Genügt dir das?“

„Ihr Trapper habt ja immer was mit den Indianerweibern. Von mir aus kann er bleiben. Aber die Leute hier mögen die Indianer nicht, auch keinen halben.“

„Wir werden noch in dieser Nacht verschwinden.“

„Das ist vernünftig. Was willst du haben, Trapper?“

„Tabak, und ein Glas Whiskey.“

„Trinkt er keinen Whiskey? Die Indsmen saufen das Feuerwasser doch sonst kübelweise.“

„Mein Junge rührt keinen Whiskey an. Gib ihm ein Glas Wasser.“

Sie setzten sich an einen Tisch, stellten die Gewehre gegen die Wand und blickten sich ernst und flüchtig an. Jeder dachte dasselbe. Militär war unterwegs. Das bedeutete nichts Gutes. Diesmal sollte es also gegen die Crow, Shoshonen und Blackfoot gehen, aber waren die Blackfoot nicht schon fast völlig ausgerottet worden?

Draußen stampften plötzlich Schritte. Irgendwer näherte sich dem Blockhaus. Skys Augen flackerten sekundenlang unruhig. Dan schüttelte kaum merklich den Kopf. Sie blieben sitzen und sahen zur Tür. Dort erschien ein grobknochiger, schwerer Mann mit einer Sharps. Der Lederbeutel mit der Munition hing am Hals. Am Gurt baumelten drei blutige Skalpe. Er schloss die Tür, ächzte und trat an die Theke. „Gib mir einen doppelten Whiskey, Mann“, knurrte er und stützte sich auf die Theke. „Ich habe Abend drei Crow erledigt. War ’ne feine Sache. Meine Sharps hat wumm gemacht, und zwei fielen gleich um. Den dritten habe ich abgestochen.“

Dan Oakland streckte die Hand aus und umfasste Skys Arm. Er spürte Skys Zittern und die Anspannung, die Zorn verriet, und er drückte sanft und beruhigend zu. Es war zugleich eine Warnung und die Aufforderung, sich ruhig zu verhalten. Sky senkte den Kopf, starrte auf die Tischplatte und schob die Schultern nach vorn. Lang fiel das Haar unter der Fellmütze hervor und hing ihm vor dem dunklen Gesicht.

„Hast du was zu beißen für mich?“, schnaufte der Mann an der Theke. „Ich habe Hunger wie ’n Wolf.“

„Wir haben gestern einen Haufen Hühner geschlachtet, weil die Soldaten kommen. Du kannst eins abkriegen.“

„Dann her damit. Zum Teufel, was wollen die Soldaten hier? Wollen die Kerle mir die Skalpe wegschnappen? So ein Skalp bringt zwanzig Bucks ein, Mann!“

„Frag’ die Soldaten, nicht mich“, entgegnete der Besitzer des Saloons und ging nach hinten.

„Verdammter Büffelmist!“, grollte der Skalpjäger, trank geräuschvoll und wandte sich Dans Tisch zu. „Was sagt ihr dazu? Zehn Jahre lang bin ich schon am Yellowstone und Missouri! In der ganzen Zeit habe ich gegen die verfluchten Indianer gekämpft, und kein Soldat hat sich sehen lassen. Aber jetzt, wo wir die Indsmen zurückgescheucht haben, kommen die Soldaten! Woher soll ich Skalpe kriegen, wenn es hier keine Indianer mehr gibt?“

Wütend knallte er die Sharps auf den Tresen.

Dan Oakland verzog bitter das raue Gesicht. Er musste sich beherrschen.

„Ich hoffe, dass die Indianer Sie jagen!“, antwortete er und erhob sich breit und groß. „Sie sind nichts anderes als ein schmutziger, hinterhältiger Mörder. Ihr Skalp aber wird keinen Indianer froh machen. Kein Crow, kein Sho-shone wird es als Ehre empfinden, Ihren Skalp zu haben. Sie werden ihn den Hunden zum Fraß vorwerfen!“

Fiebriges Flackern war plötzlich in den tiefliegenden Augen des Skalpjägers. Graue Flecken erschienen auf dem fleischigen Gesicht. Er presste den Atem rasselnd hervor und starrte Dan Oakland feindselig an.

„Das wagst du mir zu sagen? Du bist ein stinkender Indianerfreund?“

Reglos wie ein Fels stand Dan Oakland am Tisch. Seine Stimme war völlig ruhig, und nur Sky wusste, dass in seinem Vater die Hölle tobte.

„Ich bin ein Freund der Indianer, aller Indianer!“, sagte Dan. „Und sie sind meine Freunde! Oh, ich darf sie gar nicht mit Ihnen vergleichen und nach Unterschieden suchen! Schon das wäre eine Schmach für meine Freunde!“

Immer und überall setzte Dan Oakland sich für die Indianer aller Stämme ein. Er schrie nicht nach Gerechtigkeit, er lebte sie vor! Und er stand zwischen zwei Welten, zwischen Rot und Weiß. Oft genug hatte er ehrlichen Herzens versucht, Indianer und Weiße an den Tisch der Verhandlung zu bringen. Und immer wieder hatten Militär und Politiker die Indianer schändlich betrogen und hintergangen. Es gab keinen einzigen der vielen Verträge, der von den Weißen auch wirklich eingehalten worden war.

Die Talglichter flackerten unter den heftigen Atemstößen des Skalpjägers. Die Petroleumlampe blakte und summte. In der Siedlung war es still. Im hinteren Raum klapperte es nicht mehr. Langsam kehrte der Salooner hervor und starrte Oakland und den Skalpjäger an. Fauchend griff der Indianertöter nach der Sharps. Dan rührte sich nicht, stand völlig still. Das Gesicht war steinern geworden.

Aufbrüllend warf der Skalpjäger sich herum und riss die Sharps mit sich, doch er wagte nicht, die schwere Waffe auf Dan Oakland zu richten. Dunkel, drohend und kalt starrte ihn das reglose Auge der Winchestermündung an. Das Gewehr in Skys Händen bewegte sich nicht um einen Millimeter. Der Lauf war genau auf die Stirn des Skalpjägers gerichtet.

Sky saß noch. Seine dunkelbraunen Augen waren ausdruckslos. Sein Gesicht war das eines Sioux-Indianers. Die schlanken, sehnigen Hände lagen fest am Gewehr.

„Soll ich abdrücken, Vater?“, flüsterte er in die lastende Stille hinein mit einer Stimme, die nicht schwankte und nicht hasserfüllt war.

„Nein, Sky“, sagte Dan dumpf. „Erschieß keinen Hund, wenn es nicht unbedingt nötig ist.“

„Ich mache mich nicht schmutzig, Dad. Die Kugel wird ihn berühren, nicht ich.“

„Trotzdem, Sky.“ Dan blickte den Skalpjäger mit zwingender Härte an. „Lassen Sie die Sharps fallen!“

Der Skalpjäger krampfte die Hände um das Gewehr. Noch jetzt war an seinen Händen das längst geronnene Blut zu erkennen. Und die Skalpe an seinem Gürtel hatten sich zusammengezogen.

„Ich erwisch’ euch noch“, flüsterte er mit zerrissener Stimme. „Ich krieg’ euch vor den Lauf und schieß’ euch in Stücke!“

Dan schüttelte den Kopf. „Nein. Sie werden sterben, wenn Sie uns folgen. Der Tag wird kommen, da werden die Indianer Sie martern und skalpieren, bei lebendigem Leib. Ich wünsche Ihnen das nicht, doch es wird so sein.“

Er hatte kaum ausgesprochen, als die Tür geöffnet wurde. Mit einem Sprung schnellte ein Indianer herein, duckte sich tief, als wollte er wieder losspringen. Wirr hing das dunkle Haar in sein Gesicht. Die Krähenfedern waren feucht vom Flussnebel. Zweige hatten den bloßen Oberkörper blutig gerissen. Nass waren die Beinkleider, nass die Mokassins. Ein Pfeil lag hart an der gespannten Sehne des Bogens. Die Augen schienen zu glühen. Sein Blick schnellte umher und richtete sich auf den Skalpjäger. Ein dumpfer Laut kam über die Lippen, dann sirrte der Pfeil heran und schlug durch den Hals des Skalpjägers. Sekundenlang blickte der Crow Dan Oakland und Sky an, dann verschwand er wie ein Spuk durch die Tür.

Blut schoss aus der zerfetzten Kehle des Skalpjägers. Er ließ die Sharps fallen und sank sterbend in die Knie, kippte nach vorn und fiel polternd auf die Bretter. Dabei stieß er den Pfeil weit aus dem Hals hervor.

Sky senkte die Winchester. Sein Vater sah zur Tür hinaus und zeigte keinen Schreck. Der Salooner stöhnte auf, rannte hinter der Theke hervor und lief zur Tür, um die Siedler zu alarmieren. Er stürzte über die Türschwelle und wollte schreien. Plötzlich bäumte er sich auf, kam rückwärts in den Raum und fiel auf den Rücken.

Ein Pfeil ragte aus der Brust.

„Gehen wir, Sky.“

Sie verließen das Blockhaus, nahmen ihre Pferde und zogen sie in den tiefen Schatten der Bäume. In diesem Moment peitschten mehrere Schüsse vom Fluss herüber. Pulverrauch stieg in die Baumkronen. Stimmen tönten durch den wallenden Flussnebel. Jemand schrie einen kurzen Befehl. In der Siedlung war auf einmal alles wach. Männer in grauem Unterzeug kamen heraus und hielten ihre Gewehre. Überall flammte Licht auf.

Niemand sah Dan Oakland und seinen Sohn. Beide verharrten unter den Bäumen und beobachteten, wie zwei Soldaten den erschossenen Crow an den Beinen hinter sich herzogen. Andere Soldaten schritten vom Fluss heran. Der tote Indianer wurde mitten auf den Platz gelegt. Die Siedler kamen herangelaufen. Fackeln loderten. Männer brüllten.

Schweigend hob Sky die Hand und zeigte auf einen Captain, der die Soldaten befehligte. Sie sahen diesen schwarzhaarigen Offizier mit den breiten Hüften und der näselnden Stimme zum ersten Mal.

„Die Crow haben uns überfallen!“, schrie ein Siedler. „Diese verfluchten Hunde! Umbringen müssen wir sie! Umbringen!“

„Ruhe!“, brüllte ein Soldat und feuerte einen Schuss ab. „Seid endlich still, Leute. Seht ihr nicht, dass Captain Thompson hier ist? Ihr habt nichts mehr zu befürchten!“

Die Siedler verstummten.

„Danke“, näselte Thompson. „Fort Union wird euch beschützen, Leute. Wir haben nur einen Crow erwischt. Wahrscheinlich wollte er im Saloon einbrechen und stehlen. Wir werden mit den Crow abrechnen. Geht jetzt in die Häuser zu euren Frauen und Kindern zurück! Überlasst uns alles. Dafür sind wir hier.“

Nur zögernd entfernten die Siedler sich. Soldaten schleiften den Indianer zwischen die Hütten und warfen ihn in das Laub. Sie trugen auch den Saloonbesitzer und den Skalpjäger ins Freie. Dann betraten sie die Blockhütte. Wachen patrouillierten umher.

„Soldaten am Yellowstone“, murmelte Dan düster. „Wir müssen sie beobachten, Sky. Erst, wenn wir wissen, wohin sie wollen, können wir was tun.“

Sky blickte finster zu den Wachposten hinüber, dann folgte er seinem Vater. Sie zogen die Pferde in den Wald am Fluss und lagerten abseits der Siedlung. Im Morgengrauen ging Dan den Weg allein zurück. Er wollte die Soldaten beobachten und belauschen.

Wieder näherte er sich den Blockhütten. Der tote Crow lag noch immer im Laub. Kühl kam der Wind vom Fluss und trieb die Nebelschwaden über die Dächer der Hütten. Von den Posten war nichts zu sehen. Nirgendwo war Licht. Schon wollte Dan weiterschleichen, als er eine schemenhafte Gestalt im Nebel bemerkte. Der Mann bewegte sich näher, blickte ständig umher und hielt ein Messer in der rechten Hand. Er trug einen verbeulten Farmerhut und derbe Kleidung. Es musste einer der Siedler sein. Wie eine Hyäne näherte er sich dem toten Crow.

Würgend stieg es in Dans Hals empor. Er atmete schwer und beobachtete den Siedler aus verkniffenen Augen. Neben dem Indianer ließ der Siedler sich nieder und griff mit der Linken in den Haarschopf. Schon setzte er das Messer an, um den Toten zu skalpieren, doch er kam nicht mehr dazu. Oakland jagte heran. Seine Faust traf den Siedler an der Schläfe und wuchtete ihn zur Seite. Bewusstlos lag er am Boden. Einen Atemzug lang verharrte Dan, dann packte er den Indianer, lud ihn sich auf die Schulter und trug ihn durch die Morgendämmerung davon.

Kurze Zeit später ritten Dan und sein Sohn am Fluss entlang. Hinten auf Dans Pferd lag der Crow. Sie hörten die Stimmen der wachgewordenen Soldaten durch den Wald und Nebel schallen und blickten über den Yellowstone River. Das andere Ufer war kaum zu erkennen.

„Wir müssen flussaufwärts, Sky. Die Crow haben sonst ihre Lager im Süden, wo der Tongue River in den Yellowstone mündet.“

Sky nickte. Sie hörten nicht mehr Captain Thompsons Befehle. Die Soldaten waren auf mehreren Flatboats flussaufwärts gekommen. Wahrscheinlich warteten sie in der Siedlung auf weitere Soldaten, die mit den Pferden auf dem Landweg heranzogen. Ungesehen tauchten Dan und Sky in den Wäldern unter. Sie blieben in der Nähe des Flusses.

* * *

Hufe polterten am Ufer entlang. Pferde stampften, quälten sich voran und wühlten sich keuchend durch den Morast. Lange Seile spannten sich zwischen den Pferden und dem klobigen Flatboat. Immer wieder schlugen Squatter mit Peitschen auf die Pferde ein. Nur mühsam brachten sie das Boot flussaufwärts.

Oben auf dem Bootshaus stand ein junger blonder Bursche und hielt mit einem anderen das lange Ruder. Mit ganzer Kraft mussten sie sich gegen die Strömung stemmen. Es war helllichter Tag. Der junge blonde Tom Garret sollte diesen Tag niemals vergessen. Nur der Tod würde die Erinnerung auslöschen können.

Keiner der Siedler bemerkte im tiefen Schatten der Bäume die Gestalten. Niemand entdeckte die Crow, die sich verborgen hielten. Missouri und Yellowstone waren die Wasserwege der vorandringenden Siedler. Auf beiden Strömen suchten die Menschen aus dem Osten neues Land im Norden und Westen. Die Tage der einsamen Trapper waren gezählt. Der legendäre Mountain Man wurde zu einem Stück Vergangenheit. Unaufhaltsam kamen die Massen in dieses Land. Nur in den Sommermonaten konnten die Weißen vorwärtskommen, doch dann sank auch der Wasserspiegel der Flüsse, und viele der flachen Boote blieben stecken. Im Frühjahr, zur Zeit der Schneeschmelze, waren die Flüsse kaum schiffbar, und im Herbst war es gefährlich, in ein unbekanntes Land vorzustoßen; zu schnell konnte der plötzlich einsetzende Winter Hunger und Tod bringen.

Der junge Tom Garret spürte schon nicht mehr seine Arme. Der Schweiß rann ihm in Strömen über das Gesicht, brannte in den Augen, sickerte unter die derbe Kleidung. Die Sonne stach grell und heiß hernieder. Plötzlich ruckte das Boot herum. Er schrie auf und wurde vom herumschlagenden Ruder vom Dach gefegt. Schwer stürzte er auf das Boot. Stöhnend wälzte er sich herum und zerrte sich an der niederen Bordwand hoch. Das Wasser flimmerte wie Silber. Drüben am Ufer trieben die Siedler die Pferde voran. Hinter dem Grün der Bäume ragten die zerklüfteten Felsen hervor. Fern am weiten Himmel kreisten Vögel. Scheinbar undurchdringbar dehnten sich die Wälder aus. Tiefe Schluchten gähnten dunkel. Der heiße Wind brachte den Atem der Wildnis zum Yellowstone. Drüben sackte auf einmal ein Pferd zusammen und fiel auf die Seite, sank in das Wasser. Eine Lanze steckte im Körper. Das Wasser färbte sich rot.

„Indianer!“, gellte ein Schrei.

Die Siedler ließen die Seile los und griffen nach den Waffen. Pfeile fauchten unter den Bäumen hervor, schlugen in die Siedler hinein. Männer fielen sterbend in das Wasser. Ein markerschütterndes Heulen übertönte die Schreie der Siedler, die verzweifelt versuchten, zum Boot zu kommen. Sie torkelten, arbeiteten sich durch das Wasser, schwammen um ihr Leben. Pfeile folgten ihnen. Manchmal krachten auch Gewehre unter den Bäumen. Das Boot wurde nicht mehr gehalten, drehte sich und trieb langsam ab. Zwei Seile zerrissen. Wiehernd rannten Pferde am Ufer entlang. Und jetzt tauchten die Crow auf, schnellten aus dem Halbdunkel hervor und schossen ihre Pfeile ab.

Oben auf dem Bootshaus stand noch der andere junge Mann, der mit Tom Garret die Ruderstange gehalten hatte. Schreck und Angst lähmten ihn. Mit hervorquellenden Augen stierte er zum Ufer hinüber.

„Komm runter!“, schrie Tom Garret.

Knirschend stieß das Boot auf eine Sandbank. Der junge Mann wurde vom herumschlagenden Ruder getroffen und vom Boot gestoßen. Klatschend fiel er in das Wasser, schwamm zurück und griff nach dem Boot, zerrte sich hoch und fiel jäh zurück. Tot trieb er davon. Ein Pfeil ragte aus seinem Rücken.

Tom Garret war aschgrau. Das Entsetzen entstellte sein Gesicht. Die blauen Augen verrieten Todesangst. Tote schwammen im Strom. Zwei Männer versuchten, das Boot zu erreichen. Crow warfen sich hinter ihnen in das Wasser. Mit kräftigen Armbewegungen paddelten sie heran. Zwischen den Zähnen steckten Messer. Sie schwammen wie Hunde. Plötzlich tauchten sie und verschwanden, und die beiden Siedler blickten angsterfüllt zurück und sahen sie nicht mehr. Sie glaubten sich schon fast in Sicherheit.

„Hinter euch!“, schrie Tom Garret. „Sie sind weggetaucht!“

Er riss sein Gewehr an sich und suchte nach den Crow. Am Ufer war nicht ein einziger Indianer zu sehen. Die Männer keuchten und kamen immer näher. Entsetzt stierte Garret zu ihnen hinaus. Die schweißnassen Hände saugten sich am Gewehr fest.

Auf einmal sah er, wie neben einem der Siedler ein Crow auftauchte, wie eine Hand mit einem blitzenden Messer hervorschnellte, wie der Crow dem Siedler das Messer in den Rücken jagte. Er schoss sofort, doch die Kugel fauchte dicht am Indianer vorbei und schlug in das Wasser hinein. Im Nu war der Crow verschwunden.

Der andere Mann schwamm mit seiner ganzen Kraft. Hinter ihm kam einer der Crow hoch, schleuderte das Messer nach ihm und verfehlte ihn. Jetzt hatte der Siedler das Boot erreicht. Garret rannte um das Bootshaus und wollte ihm helfen, wollte ihn an Bord zerren. Er hatte schon die Arme des Mannes gepackt, als das Gesicht des Siedlers sich verzerrte. Schlaff hing er mit dem Oberkörper auf der Bordwand. Ein Messer ragte aus dem Rücken.

Tom Garret schrie erstickt auf und ließ den Toten los. In Todesangst hetzte er über das Boot und blickte stromaufwärts. Dort erschienen mehrere Kanus. Crow saßen in den leichten Booten. Er war jung, er wollte leben. Auf dem Flatboat konnte er nicht bleiben. Jeden Augenblick mussten die heranschwimmenden Indianer das Boot erreicht haben. Am Ufer gellten Schreie, und die Boote trieben schnell näher.

Da warf er sich in den Fluss, so wie er war, tauchte tief und stieß mit der Brust gegen die Sandbank, ließ sich von der Strömung über die Sandbank stoßen und geriet in tieferes Wasser. Er musste auftauchen und Luft holen. Nur mit dem Gesicht kam er hervor.

Er hörte die Schreie des Triumphes, sah die Crow, wie sie über das Boot herfielen, dann umgab ihn wieder die Stille des tiefen Wassers. Strudel rissen ihn herum und warfen ihn gegen die Felsen im Fluss. Er schluckte viel Wasser, krallte sich an den Felsen fest und kam hoch. Die grelle Helle der Sonne traf sein nasses Gesicht. Er konnte kaum etwas erkennen.

Flussaufwärts tanzten Crow auf dem Flatboat, und die Kanus legten am Boot an. Verzweifelt hielt er sich am Felsen fest. Er hatte schon fast seine ganze Kraft hergegeben, als er das Ruder gehalten hatte. Arme und Beine schienen mit Blei beschwert worden zu sein. Mit letzter Kraft schob er sich auf den aus dem Wasser ragenden Felsen und lag flach und keuchend unter der heißen Sonne. Rot gefärbtes Wasser strömte vorbei. Seelenlose Körper trieben vorüber. Drei Siedler waren skalpiert worden.

Zitternd und kraftlos stierte Garret zu den Crow hinüber. Wenn sie ihn entdeckten, war er ein toter Mann. Er machte sich ganz flach und wagte nicht sich zu rühren. Um ihn herum sprudelten die Wasser. Flussaufwärts stießen gelbe Felsen bis dicht an die Ufer heran.

Die Crow blieben auf dem Flatboat. Am Ufer flackerte ein Feuer auf. Die Dämmerung kam über das weite Land. Nebelfelder bildeten sich über dem Yellowstone und hüllten die Ufer ein. Wie ein rotes Auge leuchtete das Feuer der Crow herüber. Die Stimmen der Indianer tönten kehlig durch den Nebel. Er konnte nicht ewig hier auf dem Felsen liegenbleiben. Vielleicht würden die Crow ihn entdecken, wenn der Wind die Flussnebel vertrieben hatte und Sterne und Mond ihr kaltes Licht auf den Strom werfen würden.

„O mein Gott!“, stöhnte er. „Hilf mir!“

Er war grenzenlos allein. Der Strom umgab ihn, und vor ihm waren die Indianer. Er hasste sie bis aufs Blut, doch die Angst war größer als der Hass. Vor dem Feuer am Ufer bewegten sich die dunklen Silhouetten umhergleitender Indianer. Der Dunst verwischte die Konturen.

Auf dem Boot ertönten dumpfe Geräusche. Irgendwo in der Dämmerung wieherte klagend ein Pferd. Er musste an das andere Ufer. Gleich jetzt, bevor es wieder hell wurde. Die Nebel verbargen das Wasser. Alles um ihn herum war grau. Er suchte nach dem Ufer und sah nur die dunkle Wand der Bäume. Langsam ließ er sich in das Wasser gleiten, stieß sich von den Felsen ab und schwamm mit dem Strom. Der Kampf ums Überleben begann wieder. Mit der Kraft seiner Jugend kämpfte er gegen die Strömung an. Er gab seine ganze Kraft her und erreichte das rettende Ufer, kroch durch das Wasser und brach unter den Bäumen zusammen.

Nach einer Ewigkeit kam er wieder hoch. Der Mond stand hell über den Wäldern. Nebel wehten in Fetzen über den Fluss. Weit drüben glühte das Feuer. Die Stimmen der Crow waren leise und verworren.

Tom Garret torkelte am Fluss entlang. Er durchbrach das Unterholz und schreckte Vögel aus den Bäumen hoch. Wie trunken taumelte er um die alten Bäume, schwankte durch das Dickicht. Zweige zerrissen sein Hemd, peitschten sein Gesicht. Er spürte es kaum. Verloren quälte er sich durch die Sternennacht. Er fürchtete das Dunkel der Wälder und wusste, dass er am Yellowstone bleiben musste. Doch zu Fuß würde er niemals Fort Union erreichen. Irgendwo unterhalb des Flusses befand sich eine Siedlung, das wusste er, und dorthin wollte er sich durchschlagen. Er hatte keine Waffe und konnte kein Wild erlegen, und er besaß auch kein Feuer. Das Land war ihm fremd und unheimlich.

Geräuschvoll drang er durch das Gestrüpp. Er hatte keine Chance.

* * *

Das Brechen von Zweigen riss Dan Oakland aus dem leichten Schlaf. Im Nu hatte er die Winchester gepackt. Schon rollte Sky sich aus dem Büffelfell und sprang auf. Horchend verharrten sie und witterten in den Wind. Sie brauchten kein Wort miteinander zu reden. Jeder wusste, was er zu tun hatte. Nicht ein Elch, nicht eine Antilope näherte sich ihrem Nachtlager. Es war auch kein Indianer, denn ein Indianer bewegte sich lautlos wie ein Schatten, selbst durch die dunkelste Nacht.

In der Senke glühte das kleine Feuer unter der Asche. Die Pferde äugten in die Richtung, aus der die Geräusche kamen. Eingehüllt lag der leblose Crow am Boden. Sternenlicht fiel durch die Baumlücken. Der Yellowstone strahlte feucht und kühl herüber. Zuerst dachten sie an Blauröcke. Dann erkannten sie am Geräusch, dass es ein einzelner Mensch sein musste. Er näherte sich ihrem Lager. Jäh ließ das Knacken der Zweige nach, und ein dumpfer Fall war zu hören. Stöhnen drang herüber. Blätter raschelten, dann torkelte der Mann wieder weiter. Sie hielten die Winchestergewehre gesenkt. Dan verließ das Nachtlager und blieb hinter einem Baum stehen. Er erkannte blondes Haar unter den Bäumen, und er rief ihn nicht an, als Garret vorbeitaumelte, ohne ihn zu sehen. Wie aus dem Boden geschnellt stand Sky vor ihm.

„Nein!“, schrie Garret röchelnd auf und warf sich zur Seite, wollte weg in panischer Angst vor dem vermeintlichen Indianer und stürzte Dan in die Arme.

„Nur ruhig, Junge“, sagte Dan und hielt ihn fest. „Hier ist kein Indianer. Du hast meinen Sohn gesehen. Beruhige dich. Hier will keiner deinen Skalp.“

Garret stierte ihn an. Das Gesicht erschlaffte und fiel gegen Dans Brust. Die Erkenntnis, auf einen weißen Mann gestoßen zu sein, ließ Garrets letzten Durchhaltewillen zusammenbrechen. Stöhnend rutschte er an Dan hinunter und fiel auf den Rücken. Sie betrachteten ihn ernst.

„Sind Crow hinter dir her, Junge?“, murmelte Dan und kniete nieder. „Oder was sonst sitzt dir im Nacken, dass du wie ein blinder Büffel durch die Gegend rennst?“

Tom Garrets Mund zuckte. Er konnte nicht weinen. Der gequälte Ausdruck wach dumpfer Leere. In den Augen erlosch der fiebrige Glanz.

„Crow“, flüsterte er kaum hörbar. „Sie haben das Boot überfallen und alle niedergemacht, alle! Ich bin der Einzige, der entkommen konnte.“

Sky gab ihm wortlos zu trinken. Garret stierte ihn trübe an. Das Trinkwasser rann am Hals hinunter.

„Oberhalb des Yellowstone?“, fragte Dan leise.

„Ja. Wir wollten flussaufwärts zur Handelsstation. Mein Onkel lebt dort. Ihm gehört die Station.“

„Du kannst uns alles später erzählen, Junge“, meinte Dan mit sanft klingender Stimme. „Erst einmal ruhst du dich hier aus und schläfst. Mein Sohn und ich haben Zeit. Wir reden morgen über alles.“

Garrets Kopf fiel zur Seite. Er konnte schon nicht mehr antworten. Er war völlig erschöpft und müde, und er schlief sofort ein und merkte nicht mehr, wie Sky ihn mit einer Decke einhüllte.

„Die Crow sind wie eine Meute wilder Hunde, Dad“, sprach Sky bitter. „Sie suchen den Krieg und wissen nicht, dass sie sich dadurch selbst umbringen. “

„Vielleicht können wir was tun, Sky. Sie müssen meinen Namen kennen. Die Stimmen aus Dakota werden auch sie erreicht haben. Wir werden ihr Lager suchen.“

Sie legten sich wieder nieder. Die Nacht war ruhig. Als die ersten Sonnenstrahlen Licht in die Wälder brachten, erwachte Tom Garret und sah Dan und Sky am Feuer sitzen. Heißhungrig aß er das Fleisch der Rehkeule. Dann sprach er leise und stockend. „Ich wollte zu meinem Onkel. Er braucht mich. Er heißt Elias Garret. Ich bin Tom Garret. Er ist der Bruder meines Vaters.“

„Du musst damit rechnen, dass er tot ist, Tom Garret“, murmelte Dan. „Die Crow kämpfen jetzt um das letzte Stück Heimat. Sie schlagen genauso grausam zurück wie die Weißen. Der Hass ist auf beiden Seiten. Daraus kann nichts Gutes werden.“

„Man sollte sie alle totschlagen! Totschießen! Wir wollten den Fluss rauf, wir haben nicht zuerst geschossen!“

„Niemand hat euch in das Land der Indianer gerufen. Die Zeit, da die Trapper noch mit den Crow, Shoshonen und Blackfoot friedlich handelten, ist für immer vorbei.“

Garret blickte Dan seltsam an. Er schluckte mehrmals, dann sagte er mit belegter Stimme: „Sie reden so, als wären Sie auf der Seite der Indianer!“

„Wirklich?“ Dan lächelte still. „Wäre es schlimm?“

„Ja!“ Tom Garret richtete sich langsam auf und lächelte verzerrt. „Aber Sie sind ja kein Indianerfreund. Das kann doch kein Weißer mehr sein. Die verdammten Indsmen sind die Feinde aller Weißen.“