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DANA KILBORNE

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Beschreibung

Tod im Ferienparadies: Der Zweiteiler im günstigen Sammelband!

Sonne, Meer - und Tod
Willkommen auf der Insel des Todes - der Horror beginnt! Sonne, Strand und Meer! Klingt paradiesisch? Ist es aber nicht, zumindest nicht für Jamie, als sie im Tropicana Beach Club ankommt. Denn Jamie ist aus einem bestimmten Grund auf Trinidad: Sie ist nämlich überzeugt, dass ihr Bruder hier ermordet wurde. Um den Täter zu finden, schleicht sie sich als Tanzlehrerin in den Club ein. Als eine Reihe von Anschlägen auf andere Mitarbeiter verübt wird, ist klar: Hier kann sie niemandem trauen. Eines Nachts sieht sie plötzlich jemanden vor ihrem Bungalow herumschleichen, und die Lage spitzt sich dramatisch zu ... Wird es Jamie gelingen, den Mörder ihres Bruders zu überführen? Oder wird auch sie die Insel nicht lebend verlassen?

Party, Strand - und Mord
Willkommen zum großen Finale auf der Todesinsel! Um mit den schrecklichen Ereignissen im Tropicana Beach Club fertig zu werden, rät ihr Psychologe Tori, in den Ferienclub zurückzukehren. Doch kaum dass sie dort angekommen ist, geht der Horror weiter: Charlene stürzt von den Klippen, Toris Bungalow wird verwüstet, und bei den Vorbereitungen zur großen Sommerabschlussparty gibt es einen Toten! Tori hat nur einen Gedanken: Sie muss weg von hier. Weg von der Insel des Todes! Doch ehe sie die Flucht ergreifen kann, kommt ein Sturm auf und schneidet sie alle von der Außenwelt ab. Und dann zeigt der Mörder sein wahres Gesicht ...

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Dana Kilborne

Sonne, Meer und Tod

Tod im Ferienparadies 1

 

 

 

 

Prolog

 

Regen peitschte wie tausend Nadelstiche in Teds Gesicht, doch er spürte es kaum. Ein greller Blitz zuckte aus der düsteren schwarzgrauen Wolkendecke herab und machte für den Bruchteil einer Sekunde die Nacht zum Tag. Kurz darauf ließ grollender Donner die Erde erbeben. Die Welt um Ted herum schien sich in einen brodelnden Hexenkessel verwandelt zu haben – aber es war nicht der Sturm, den er fürchtete.

Er warf einen gehetzten Blick zurück über die Schulter, aber die dichten Regenschleier machten es unmöglich, mehr als verschwommene Schemen zu erkennen. Sein Jäger war nirgendwo zu sehen, doch Ted wusste, dass er noch immer dicht hinter ihm war. Er konnte ihn förmlich spüren.

Weiter! Jetzt bloß nicht schlappmachen!

Der schmale Pfad, der durch den Dschungel hinter dem Tropicana Beach Club zur Straße führte, hatte sich durch den Regen innerhalb kürzester Zeit in einen kleinen reißenden Bach verwandelt. Immer wieder geriet Ted auf dem schlammigen Boden ins Schlingern und schaffte es gerade noch, sich auf den Beinen zu halten. Er wusste: Wenn er stolperte und stürzte, wäre das sein Ende!

Sein Verfolger war ihm dicht auf den Fersen und musste nur dem Weg folgen, um seine Spur nicht zu verlieren. Blitzschnell rechnete Ted sich seine Chancen aus: Selbst wenn er es bis zur Straße schaffte – der Tropicana Beach Club lag mehr als acht Meilen von der nächsten Stadt entfernt direkt am Strand. Zudem war es schon ziemlich spät, und ein heftiger Sturm wütete über der Insel.

Es würde niemand da sein, um ihm zu helfen.

Seine einzige Hoffnung bestand darin, seinen Verfolger irgendwie abzuschütteln, zum Tropicana zurückzukehren und dort Alarm zu geben.

Er musste weg vom Weg ab und in den Dschungel hinein.

Farnwedel und Zweige von Büschen schlugen ihm ins Gesicht, als er ins dichte Unterholz eindrang. Bäume wuchsen hier dicht an dicht, sodass er gezwungen war, ständig die Richtung zu wechseln. Innerhalb kürzester Zeit hatte er vollkommen die Orientierung verloren. Er konnte nur hoffen, dass es seinem Jäger ebenso erging.

Als plötzlich jemand an seinem T-Shirt zog, schrie Ted erschrocken auf. Es dauerte einen Augenblick, bis er begriff, dass sich der Stoff nur in den Ästen eines Dornstrauchs verfangen hatte.

Verdammt, wenn es ihm tatsächlich gelungen war, seinen Verfolger loszuwerden, dann hatte er ihn durch den Schrei mit Sicherheit wieder auf seine Spur gebracht. Er musste weiter! Schnell!

Schon hörte er, wie ganz in der Nähe jemand Äste und Zweige zur Seite schlug. Hastig riss er sein Shirt los und rannte blindlings weiter. Erst im letzten Moment merkte er, dass er sich geradewegs in eine Sackgasse manövriert hatte. Direkt vor ihm endete der Regenwald abrupt an der Steilküste der Insel. Er konnte das Meer sehen, das sich unter ihm wild schäumend gegen die Steilküste warf.

Ted stand am Rande eines Abgrunds, und plötzlich gab es nur noch zwei Möglichkeiten für ihn: Entweder er lief zurück und damit geradewegs in die Hände seines Verfolgers, oder aber vorwärts – vierzig Fuß steil nach unten, mit Klippen, so scharf wie Haifischzähne direkt unter der brodelnden Wasseroberfläche.

Beide Wege bedeuteten seinen sicheren Tod.

Ted atmete tief durch und strich sich das schulterlange blonde Haar zurück, das ihm in nassen Strähnen ins Gesicht hing. Sein Atem ging gepresst. Was jetzt? Wie sollte er sich entscheiden?

Und dann brach direkt hinter ihm eine schwarz gekleidete, vermummte Gestalt aus dem Unterholz und nahm ihm die Entscheidung ab.

Ted wirbelte herum. »Was willst du?«, schrie er entsetzt auf und machte unwillkürlich einen Satz zurück, als der Vermummte auf ihn zutrat. Jetzt stand er nur noch Zentimeter von der Abbruchkante entfernt. Kleine Steinchen bröckelten vom Rand ab und fielen in den gähnenden Abgrund.

Teds Herz hämmerte wie verrückt.

»Was denkst du denn, was ich will?« Obwohl die vermummte Gestalt nur flüsterte, glaubte Ted die Stimme von irgendwoher zu kennen.      Doch er kam nicht dazu, weiter darüber nachzudenken, denn im nächsten Moment blitzte eine Messerklinge auf und durchschnitt nur Zentimeter von ihm entfernt die Luft.

Instinktiv machte Ted einen Satz zurück, um der gefährlichen Waffe auszuweichen – ein schrecklicher Fehler! Sein Fuß trat ins Leere. Wild ruderte er mit den Armen, doch es war zu spät.

Noch einmal sah er in die düstere Gestalt seines Mörders, dann stürzte er in die Tiefe.

 

1.

 

Acht Wochen später.

 

»Danke«, sagte Jamie Buchanan und drückte dem Taxifahrer ein paar Geldscheine in die Hand. »Das letzte Stück gehe ich zu Fuß.«

Der Mann – ein freundlicher Schwarzer in einem abgrundtief hässlich gemusterten Hawaiihemd – schüttelte seufzend den Kopf. »Ich wünschte, du würdest es dir noch einmal überlegen, Mädchen. Ich sage dir: Über diesem Ort liegt ein Fluch!«

Jamie öffnete die hintere Tür des Wagens und nahm ihre große Reisetasche vom Rücksitz. Dann legte sich ein bitteres Lächeln auf ihre hübschen Lippen. »Ich weiß.«

Nachdem das Taxi hinter der nächsten Straßenbiegung verschwunden war, atmete sie noch einmal tief durch, schulterte ihre Tasche und ging los. Ein paar hundert Meter weiter stieß sie auf ein Transparent, das die von hohen Palmen gesäumte Zufahrt überspannte. Darauf stand:

 

TROPICANA BEACH CLUB – The Place where Dreams come true!

 

»Träume?«, murmelte Jamie seufzend. »Wohl eher Albträume …«

Unwillkürlich traten ihr Tränen in die Augen, doch sie drängte sie zurück. Nein, sie würde jetzt nicht anfangen zu heulen! Nicht jetzt und auch nicht später!

Entschlossen straffte sie die Schultern und beschleunigte ihre Schritte.

Schon nach ein paar Minuten begann sich der Dschungel um sie herum zu lichten, und kurz darauf konnte sie zum ersten Mal einen Blick auf die Anlage des Tropicana Beach Clubs werfen.

Es war wie im Paradies!

Die Ferienanlage lag in einer kleinen Bucht, deren kristallklares Wasser türkisblau im strahlenden Sonnenschein glitzerte. Kokospalmen säumten den blütenweißen Sandstrand, von dem aus ein gewundener Weg bis zu einem großen, schilfgedeckten Gebäude führte, dessen Wände mit Bambus verkleidet waren. Hier befanden sich, wie Jamie wusste, die Hauptverwaltung sowie der Speisesaal und die Räume für die verschiedenen Freizeitangebote des Clubs. In unmittelbarer Nähe gab es außerdem eine kleine Minigolfanlage, einen Pool und zwei Tennisplätze.

Ringsum standen noch mehrere unterschiedlich große, teils auf Pfählen errichtete Bungalows, in denen die Gäste des Urlaubsresorts untergebracht waren: Kids und Jugendliche im Alter zwischen neun und achtzehn Jahren, deren Eltern es sich leisten konnten, ihren verwöhnten Sprösslingen Sommerferien auf einer karibischen Insel zu sponsern.

Hier würde auch sie, Jamie, in den nächsten Wochen und Monaten leben – mit dem kleinen Unterschied, dass sie nicht hier war, um Urlaub zu machen. Sie kam, um einen neuen Job anzutreten – und um herauszufinden, warum ihr Bruder wirklich zu Tode kam.

Es war jetzt knapp acht Wochen her, seit sie an einem lauen Mittwochabend in ihrem Zimmer im Studentenwohnheim der Uni vor dem Spiegel gestanden hatte, um sich für eine Date fertig zu machen, als es plötzlich an der Tür klopfte und ein Polizeibeamter ihr mit ernster Miene mitteilte, dass ihr Bruder Selbstmord begangen hatte.

Selbstmord? Jamie schüttelte den Kopf. Allein die Vorstellung war total abwegig. Ted war immer schon der coole Draufgängertyp gewesen, Quarterback des Highschoolfootballteams, Schwarm aller Mädchen. Und dass er nebenbei mit seiner kleinen Schwester an Wettbewerben für Standard- und lateinamerikanische Tänze teilnahm, ohne dafür von seinen Freunden belächelt zu werden, war echt eine Leistung, die ihm so leicht niemand nachmachen konnte.

Der Ted, den sie kannte, würde sich doch niemals umbringen – oder?

Jamie schüttelte den Kopf, wie um die quälenden Fragen zu vertreiben, die sie seit jenem Abend einfach nicht mehr losließen. Für die Polizei, die hier auf der Karibikinsel Trinidad für Recht und Ordnung sorgte, handelte es sich um einen klaren Fall von Selbstmord. Angeblich war Ted einfach nicht damit klar gekommen, dass man ihn verdächtigte, einige der jugendlichen Gäste des Tropicana Beach Clubs, die bei ihm Tanzunterricht genommen hatten, bestohlen zu haben.

Ted, ein Dieb? Das war beinahe so lächerlich wie die Behauptung, dass er sich wegen einer solch haarsträubenden Anschuldigung in den Tod gestürzt haben sollte! Aber für ihre Meinung interessierte sich niemand – und so hatte sie beschlossen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen und sich kurzerhand unter dem Mädchennamen ihrer Mutter – Collins – um die Stelle des Tanzlehrers beworben, die durch Teds Tod freigeworden war.

Jetzt war sie hier. Und sie würde nicht eher von hier verschwinden, bis sie wusste, was wirklich geschehen war. Wenn es sich um einen tragischen Unfall handelte, war das nicht zu ändern – aber sollte jemand für den Tod ihres Bruders verantwortlich sein, dann würde sie nicht eher ruhen, bis diese Person hinter Schloss und Riegel kam!

Sie atmete tief durch und setzte ihren Weg fort. Doch sie war noch nicht weit gekommen, als plötzlich Schreie an ihr Ohr drangen.

»Hilfe! So helft mich doch! Hilfe!«

Es war die Stimme eines Mädchens, so schrill und panisch, dass sie sich fast überschlug. Jamie ließ ihre Tasche fallen und rannte los in die Richtung, aus der die Schreie kamen. Sie musste nur ein kurzes Stück durch den Wald laufen, ehe sie eine kleine Lichtung erreichte, auf dem einer der Gästebungalows stand.

Jemand warf sich von Innen gegen die Tür, die im Rahmen zitterte, aber nicht nachgab. Das Schreien war inzwischen in ein verzweifeltes Schluchzen übergegangen. »Hilfe! Bitte!«

Jamie zögerte keine Sekunde. Sie stürmte die zwei Stufen hinauf auf die Veranda und versuchte den Türknauf zu drehen, doch er rührte sich keinen Millimeter. Sie rüttelte und zerrte – erfolglos.

Und jetzt?

Das Mädchen im Inneren des Bungalows wimmerte inzwischen nur noch leise, und Jamie bekam es wirklich mit der Angst zu tun. War sie denn die Einzige, die die verzweifelten Hilferufe gehört hatte?

»Hab keine Angst, ich hol dich raus«, rief sie laut, um die Eingeschlossene zu beruhigen. »Halte nur noch einen Augenblick aus!«

Dummerweise hatte sie nicht den blassesten Schimmer, wie sie dieses Versprechen wahr machen sollte. Hektisch sah sie sich nach allen Seiten um, doch die Tür schien der einzige Zugang zum Bungalow zu sein.

Blieb nur noch das Fenster.

Wenn sie es einfach einschlug, und am Ende stellte sich die ganze Aktion als dummer Scherz heraus, war sie ihren Job vielleicht schon los, ehe sie ihn überhaupt angetreten hatte.

Aber wenn nicht …

Kurz entschlossen zog sie ihr Sweatshirt aus, wickelte es sich zum Schutz um Unterarm und Ellbogen, und schlug mit einem kräftigen Schlag die Fensterscheibe ein. Dann beseitigte sie vorsichtig die scharfen Scherben, die noch wie Dolche aus dem Rahmen ragten, und kletterte zwischen den schweren Stoffbahnen der Gardinen hindurch ins Innere des dunklen Zimmers.

Im ersten Moment konnte sie kaum etwas erkennen, denn bei sämtlichen Fenstern waren die Vorhänge vorgezogen. Doch irgendwie kam ihr die Dunkelheit merkwürdig vor.

Sie schien sich zu bewegen.

Aber das konnte ja nicht sein – oder?

Und dann gewöhnten sich Jamies Augen an die Lichtverhältnisse, und sie schrie gellend auf, als sie erkannte, dass sie sich nicht getäuscht hatte.

Überall im Zimmer krabbelte und kroch es.

Es war der blanke Horror, und Jamie rieselte ein eisiger Schauer nach dem anderen den Rücken hinunter.

Kakerlaken!

Sie waren überall, bedeckten fast jede freie Fläche des Raumes.

Jamie war fassungslos. So was hatte sie noch nie gesehen. Es glich den Bildern von Heuschreckenplagen in Afrika. Für einen Moment war sie so geschockt, dass sie überhaupt nicht in der Lage war, auch nur einen Finger zu rühren.

Doch dann spürte sie plötzlich, wie etwas an ihrem Hosenbein hoch krabbelte. Mit einem angewiderten Aufschrei riss sie sich aus ihrer Erstarrung.

Nichts wie raus hier, dachte sie entsetzt. Aber nicht ohne das Mädchen!

Sie entdeckte es in der Nähe der Tür, wo es auf dem Boden kauerte und sich leise weinend vor- und zurückwiegte. Das Gesicht schützte es mit den Händen, doch auf dem Rest des Körpers und in dem langen, goldblonden Haar krabbelten überall große, eklige Insekten herum.

Jamie überwand ihren Ekel und lief zu dem Mädchen hin. Bei jedem Schritt knirschte es unter den Sohlen ihrer Sneakers – sie wollte lieber nicht darüber nachdenken, was das bedeutete.

»Komm, wir müssen hier raus«, sagte sie und zog das Mädchen auf die Beine. Kurz darauf hörte sie, wie sich jemand von draußen gegen die Tür warf. Schon beim zweiten Anlauf splitterte das Holz im Rahmen, und im nächsten Augenblick fiel helles Sonnenlicht ins Innere des Bungalows, und der Weg nach draußen war frei.

 

»Was, zum Teufel, war das denn?« Fragend blickte Jamie in die Runde, als sie knapp eine halbe Stunde später, eine Tasse Kaffee vor sich auf dem Tisch, im Aufenthaltsraum der Mitarbeiter des Tropicana Beach Clubs saß.

Sie war noch immer ziemlich durch den Wind. Das, was sie da vorhin erlebt hatte, war einfach unfassbar. Ein von Kakerlaken besiedelter Bungalow! Es schüttelte sie, wenn sie auch nur daran dachte. Immer wieder fuhr sie sich nervös mit der Hand durch ihr langes dunkelbraunes Haar, weil sie das Gefühl hatte, dass dort irgendetwas kribbelte und krabbelte. Aber das bildete sie sich natürlich nur ein.

Zum Glück war der Spuk am Ende ziemlich schnell vorüber gewesen. Ein paar Jungs hatten ihr und dem blonden Mädchen – ihr Name war Tandie, und sie arbeitete als Animateurin für den Club, wie Jamie inzwischen wusste – aus dem Bungalow geholfen und sie von dem Ungeziefer befreit. Da Tandie einen heftigen Schock erlitten hatte, war einer der Mitarbeiter der Clubanlage mit ihr ins Krankenhaus gefahren. Jamie konnte gut verstehen, dass es dem anderen Mädchen mies ging. Wenn sie selbst an ihrer Stelle gewesen wäre … Sie mochte gar nicht darüber nachdenken.

»Und wie geht es dir?«, fragte Sam, einer der Jungs, der Tandie und sie aus dem Bungalow befreit hatte. »Bist du soweit okay?«

Jamie lächelte – was ihr nicht besonders schwer fiel, denn Sam war ein echter Traumtyp. Groß, braungebrannt, mit von Meerwasser und Sonne gebleichtem Haar und Augen, so türkisblau wie das karibische Meer. Seine Figur wirkte sportlich, soweit sie das unter dem weiten Shirt erkennen konnten, und seine muskulösen Beine in den khakifarbenen Cargo-Bermudas waren verdammt vielversprechend.

Schon fing ihr Herz an, heftiger zu pochen. »Ich bin okay«, sagte sie. »Aber das war schon echt eine ziemlich krasse Erfahrung. Kommt so was hier öfter vor?«

Sam wollte gerade etwas erwidern, als eines der Mädchen, eine hübsche Blondine, deren Gesicht mit Sommersprossen übersät war, das Wort ergriff. »In letzter Zeit schon«, sagte sie.

Überrascht hob Jamie eine Braue. »Tatsächlich? Habt ihr es schon mal mit einem Kammerjäger versucht? Ich …«

»Bella meinte nicht die Kakerlaken«, mischte sich nun auch das andere Mädchen ein. »Sondern den Fluch, den Papa Lome …«

Es verstummte, als Sam schallend zu lachen anfing. »Tori, du glaubst den Mist doch nicht etwa wirklich, oder?«

Jamie horchte auf. Das war also Tori, die Ex-Freundin ihres Bruders. Aus Teds Briefen, die er ihr regelmäßig an die Uni geschickt hatte, wusste sie, dass Tori über die Trennung nie wirklich hinweggekommen war. Ob sie vielleicht aus Eifersucht …?

Nein, es war noch viel zu früh, um irgendwelche Schlüsse zu ziehen! Sie musste erst mehr über die Leute herausfinden, die für das Urlaubsresort arbeiteten – und auch mehr über den Tropicana Beach Club selbst.

Tori schien sich über Sams Bemerkung jedenfalls mächtig aufzuregen. »Mist sagst du?« Sie schlang die Arme um ihren Körper, so als würde sie frieren. Dann fing sie an, wie hysterisch zu kichern. »Lass mich mal kurz zusammenfassen: Ein durchgeknallter Voodoopriester verflucht den Laden, für den wir alle arbeiten, kurz darauf setzt dann eine Serie von ziemlich schrägen Ereignissen ein – und du sagst mir, ich rede Mist?«

»Wer ist das denn überhaupt, dieser Papa Lome?«, fragte Jamie, doch ehe jemand antworten konnte, wurde die Tür zum Aufenthaltsraum aufgerissen, und ein dunkelhaariger Mann – sie schätzte ihn auf Anfang bis Mitte dreißig – stürmte herein.

»Zum Teufel, wie konnte das passieren?« Er schien sich ziemlich hastig angezogen zu haben, denn das marineblaue Hemd, das er über einer ebenfalls blauen Cargohose trug, war falsch zugeknöpft. Außerdem war er barfuß. »Kann man den Laden hier denn keine fünf Minuten allein lassen, ohne dass irgendeine Katastrophe passiert? Joshua bringt mich um, wenn er hört, dass es schon wieder Schwierigkeiten gab!«

»Joshua Wilkes ist der Besitzer des Clubs«, erklärte Sam mit Blick auf Jamie. »Aber bislang hat ihn keiner von uns je zu sehen bekommen. Ganz im Gegensatz zu diesem Gentleman hier.« Er seufzte grinsend. »Das ist Bill, unser Clubmanager. Im Moment lässt er zwar den Chef raushängen, aber im Grunde ist er ein ziemlich cooler Typ. Zumindest, wenn man sich erst mal an ihn gewöhnt hat.«

»Du lieber Himmel!«, stieß Bill hervor und schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. »Du bist sicher Jamie Collins! Tut mir leid, aber bei dem ganzen Durcheinander, das hier im Moment herrscht, hab ich total vergessen, dass du heute anreist.« Seufzend schüttelte er den Kopf. »Du hältst uns inzwischen wahrscheinlich für eine echte Chaostruppe, aber normalerweise geht es bei uns recht ruhig zu. Nur in letzter Zeit … Na ja, darüber sprechen wir dann später. Ich schlage vor, du kommst jetzt erst mal richtig an. Pete«, wandte er sich an den Jungen, der neben Sam stand, »würdest du Jamie bitte zu ihrem Bungalow bringen? Sie wird sich die Nummer acht mit Lauren teilen.«

Pete schenkte Jamie ein freundliches Lächeln. »Klar, mach ich doch gern. Kommst du?«

Zwar fand sie es ein wenig schade, dass Pete und nicht Sam sie zu ihrer Unterkunft bringen sollte, aber vielleicht war das auch besser so. Immerhin kannte sie Sam überhaupt nicht, und es war nicht gut, wenn sie sich auf irgendwas fixierte. Jeder hier konnte für Teds Tod verantwortlich sein – da bildete auch Sam keine Ausnahme, ganz egal, wie süß er auch sein mochte.

»Na, wie gefällt es dir bisher hier bei uns?«, fragte Pete, der Jamies Tasche trug, die einer der Jungs von der Zufahrtstraße geholt und zum Club gebracht hatte. Gemeinsam liefen die beiden den von Palmen und tropischen Blumen gesäumten Weg entlang.

»Soweit ganz okay würde ich sagen, wenn man mal davon absieht, dass ich fünf Minuten nach meiner Ankunft ein Mädchen aus einem kakerlakenverseuchten Bungalow retten musste.«

Als Pete lachte, bildeten sich auf seinen Wangen zwei kleine Grübchen, die irgendwie niedlich aussahen. Davon abgesehen war er nicht so ganz Jamies Typ, sah aber objektiv betrachtet ebenfalls ziemlich gut aus. Wie Sam war er durchtrainiert, doch sein Haar schimmerte fast so dunkel wie ihres und lockte sich, und seine Augen waren tiefgrün mit goldenen Sprenkeln um die Pupillen. Auf seinem Kinn und den Wangen zeichnete sich ein leichter Bartschatten ab, so als habe er sich seit ein oder zwei Tagen nicht mehr rasiert.

Süß – aber nicht so süß wie Sam.

»So, da wären wir«, sagte Pete keine zwei Minuten später und stieg die Stufen zu einem Bungalow hinauf, der das absolute Ebenbild des Hauses war, in dem sie Tandie und die Kakerlaken gefunden hatte.

Sie schauderte. »Da drin soll ich wohnen?«

Pete nickte. »Die Häuser sind eigentlich gar nicht mal so übel. Es gibt zwar nur einen großen Raum, den du dir mit deiner Mitbewohnerin teilen musst, aber dafür habt ihr eine Menge Platz.«

»Es ist nur …« Sie schüttelte den Kopf, schließlich wollte sie nicht gleich am ersten Tag den Eindruck erwecken, eine hysterische Ziege zu sein. »Vergiss es. Ich werde mich schon dran gewöhnen. Hast du den Schlüssel?«

Er nickte, zog einen großen Bartschlüssel aus seiner Hosentasche und reichte ihn ihr. Sie schloss die Tür auf, öffnete – und schnappte erschrocken nach Luft, als sie das Chaos erblickte, das im Inneren des Bungalows herrschte. Die Türen des Kleiderschranks standen sperrangelweit offen, Kleider lagen kreuz und quer über den Boden verteilt. Irgendjemand hatte offenbar nach etwas gesucht, und dieser Jemand war bei seiner Arbeit nicht gerade zimperlich vorgegangen.

»Was ist los?«, fragte Pete und drängte sich an ihr vorbei.

»Ich weiß nicht.« Jamie war noch immer total geschockt. Erst die Sache mit den Kakerlaken, und jetzt das. Was für ein Tag!

Pete hingegen nahm die Angelegenheit erstaunlich lässig. Der Zustand des Hauses schien ihn kein Stück zu überraschen. Ganz im Gegenteil – er lachte sogar!

»Tut mir echt leid, ich hätte dich vorwarnen sollen. Lauren ist wirklich okay, aber sie hat’s nicht sonderlich mit der Ordnung. Das Chaos ist also absoluter Normalzustand bei ihr.«

»Oh!« Überrascht, aber gleichzeitig erleichtert atmete Jamie auf. Sicher würde sie heute im Laufe des Tages mit ihrer zukünftigen Mitbewohnerin noch ein ernstes Wörtchen sprechen müssen, was das Chaos in ihrem jetzt gemeinsamen Bungalow anging.

Aber wenigstens war niemand eingebrochen, wie sie befürchtet hatte. Es schien also alles in bester Ordnung zu sein – oder?

Sofort musste sie wieder an Ted denken. Auch er hatte angenommen, hier im Tropicana Beach Club gut aufgehoben zu sein. Und jetzt war er tot.

Jamie drängte die Tränen zurück, die in ihr aufstiegen. So ganz gelang es ihr nicht – jedenfalls merkte Pete sofort, dass etwas nicht stimmte.

Tröstend legte er ihr einen Arm um die Schulter. »Hey, ich kann mir vorstellen, wie’s dir geht. Die Sache mit deinem Bruder tut mir total leid. Wenn du mal jemandem zum Reden brauchst …«

Es dauerte einen Augenblick, bis Petes Worte zu ihr durchdrangen, dann riss sie entsetzt die Augen auf. »Was hast du da gerade gesagt?«

Pete lächelte. »Kein Grund zur Panik, ich verrate bestimmt niemandem, dass du Teds kleine Schwester bist.«

»Aber woher weißt du …?«

»Das Gepäckschild an deiner Tasche«, antwortete er. »Da steht Buchanan – nicht Collins.« Er nahm ihre Hand und drückte sie. »Ich weiß zwar nicht, warum du das machst, aber ich verspreche dir hoch und heilig, dein kleines Geheimnis für mich zu behalten. Und wie gesagt, wenn du mal jemanden zum Quatschen brauchst …«

Damit klopfte er ihr noch einmal auf die Schulter und verließ dann den Bungalow Jamie atmete seufzend auf und ließ sich auf das Bett fallen, das glücklicherweise nicht mit einem Berg von Klamotten bedeckt war.

Super, James Bond, das hast du ja spitzenmäßig hingekriegt! Kaum bist du hier, hat dich der Erste schon durchschaut. In Zukunft solltest du wirklich vorsichtiger sein!

Blieb nur zu hoffen, dass Pete wirklich dichthielt. Denn sonst würde schon bald jeder im Tropicana Beach Club wissen, wer sie wirklich war.

Und dann konnte sie ihr Vorhaben, herauszufinden, was wirklich mit ihrem Bruder geschah, endgültig abhaken.

 

2.

 

Knapp eine Viertelstunde später hockte Jamie noch immer auf ihrem Bett und notierte ihre Gedanken in ihrem Tagebuch, als die Tür zum Bungalow aufgerissen wurde und eine schlanke Rothaarige in einem ziemlich schrill gemusterten Sommerkleid in den Raum stürzte. Sie schien Jamie gar nicht zu bemerken und fing sofort an, in dem Kleiderberg auf dem zweiten Bett herumzuwühlen.

»Wo steckst du dummes …«

Jamie räusperte sich. »Hey, du musst Lauren sein, ich …«

»Sag mal, hast du sie noch alle, mich so zu erschrecken?« Theatralisch fasste sich das andere Mädchen an die Brust. »Ich hätte eine Herzattacke kriegen können!«

»Sorry, ich dachte, du wüsstest, dass ich heute komme.« Sie lächelte. »Ich bin übrigens Jamie.«

»Lauren«, sagte das andere Mädchen. »Aber das weißt du ja schon. Du bist die neue Tanzlehrerin?«

Jamie nickte. »Ich fange morgen an.«

»Na, dann bist du bestimmt tierisch nervös, oder? Aber keine Sorge, die Leute hier sind alle schwer in Ordnung. Und das gilt sowohl für die anderen Angestellten als auch für die meisten Gäste.«

»Mensch, ich bin echt froh, das zu hören. Ich meine, ich wusste ja gar nicht, was mich erwartet, als ich in Portland aufgebrochen bin.« Jamie zögerte kurz, dann beschloss sie, einen ersten Vorstoß zu wagen. »Und schließlich musste es ja auch irgendeinen Grund dafür geben, dass mein Vorgänger diesen Traumjob an den Nagel gehängt hat, richtig?«

Täuschte sie sich, oder legte sich plötzlich ein Schatten das Gesicht der Rothaarigen?

»Ted …« Lauren wirkte auf einmal richtig abwesend. Sie schien vollkommen vergessen zu haben, dass sie nicht allein war. Dann schüttelte sie den Kopf und rang sich ein Lächeln ab. »Ted hat seinen Job geliebt, du musst dir also keine Sorgen machen. Dass er jetzt nicht mehr im Tropicana Beach Club arbeitet, ist …« Sie holte tief Luft. »Schicksal, würde ich mal sagen. Ted ist tot.«

Jamie wusste aus Teds Briefen, dass es zwischen ihm und der Rothaarigen seit seiner Trennung von Tori heftig geknistert hatte. Vielleicht wären Lauren und er ein Paar geworden, wenn nicht …

Sie schluckte hart.

»Hast du gehört, was vorhin passiert ist?«, fragte sie, vor allem, um das Thema zu wechseln. Rasch brachte sie Lauren über die Sache mit Tandie auf den neuesten Stand. Am Ende sah das andere Mädchen sie fassungslos an.

»Kakerlaken? Wie eklig ist das denn? Und du hast Tandie aus dem Bungalow gerettet?« Sie schüttelte sich. »Also, ich wäre da auf keinen Fall reingegangen. Mir wird schon ganz anders, wenn ich nur daran denke! Und dann noch für so ein Flittchen wie Tandie Mitchell!«

Jamie runzelte die Stirn. »Du hältst wohl nicht sonderlich viel von ihr, was?«

»Na ja, es ist nicht gerade so, dass ich ihr was Böses wünschen würde, aber wir sind halt nicht gerade die besten Freundinnen, wenn du verstehst, was ich meine. Trotzdem ist die ganze Geschichte schon ziemlich mies. Vor allem, da es ja nicht das erste Mal ist, dass so was vorkommt.«

Sofort horchte Jamie auf. »Tori hat vorhin schon so was angedeutet. Sie sagte was von einem Fluch.«

»Der Fluch von Papa Lome.« Laurens Miene verfinsterte sich. Irgendwie sah sie plötzlich beinahe schon ängstlich aus, und Jamie fragte sich unwillkürlich, ob ihre Mitbewohnerin wirklich an die Geschichte mit dem Fluch glaubte. Sie beschloss, der Sache auf den Grund zu gehen.

»Wer ist denn dieser Papa Lome, und was hat es mit dem Fluch auf sich?«

»Er ist ein hiesiger Voodoopriester.«

Jamie riss die Augen auf. »Bitte was? Das ist jetzt ein Scherz, oder?«

»Ich hab’s auch erst nicht geglaubt, aber es stimmt wirklich.« Lauren setzte sich zu ihr aufs Bett. »Wir sind nun mal auf Trinidad. Die meisten Leute hier sind zwar Christen, aber das hindert sie nicht daran, weiterhin ihre alten Voodoo-Rituale auszuüben.«

»Das ist doch …« Jamie schüttelte den Kopf. Damit hatte sie nun wirklich nicht gerechnet. Voodoo, dass kannte sie höchstens aus irgendwelchen Horrorfilmen, in denen Menschen anderen schadeten, indem sie Nadeln in hässliche Stoffpuppen stachen. Und hier glaubte man tatsächlich an diesen Kram? Sie runzelte die Stirn. »Und was hat dieser Papa Lome gegen den Tropicana Beach Club? Ich meine, welchen Grund sollte er haben, das Resort zu verfluchen?«

Lauren zuckte mit den Achseln. »So ganz genau hab ich das ehrlich gesagt auch nicht kapiert. Angeblich ist der Club auf geheiligtem Boden errichtet worden.«

»Du meinst, das hier ist … ein Friedhof oder so was?« Jamie wusste selbst nicht, warum der Gedanke sie so schockte. Damals, als ihre Eltern noch lebten, hatten sie in einem Haus direkt neben einem Friedhof gewohnt. Die meisten ihrer Freunde an der Junior High fanden die Vorstellung irgendwie unheimlich, aber Jamie machte es nichts aus. Und wenn sie heute an jene Zeit zurückdachte, dann gehörte sie mit Sicherheit zur glücklichsten ihres Lebens. Damals hatte sie noch eine Familie gehabt, so richtig mit Vater, Mutter und großem Bruder. Kurz vor Jamies fünfzehntem Geburtstag waren ihre Eltern dann bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Onkel Mike, der Bruder ihres Dads, nahm sie und ihren Bruder bei sich auf, doch er und seine Frau hatten bereits drei Kinder. Im Grunde war von da an Ted ihre einzige Familie gewesen.

Und nun war er tot.

Sie schluckte und zwang sich, wieder auf den Boden der Tatsachen zurückzukehren. Sie konnte nichts mehr für Ted tun, doch sie würde nicht eher ruhen, ehe sich nicht vollständig aufgeklärt hatte, was mit ihm geschehen war.

Wer wirklich die Verantwortung für seinen Tod trug.

»Nein, kein Friedhof«, antwortete Lauren. »Eher so was wie ein Ritualplatz. Ich kenn mich mit dem Zeug zwar auch nicht besonders gut aus, aber ich schätze mal, es war keine besonders gute Idee, ausgerechnet hier ein Urlaubsresort hinzubauen. Es heißt, wir hätten die Geister gegen uns aufgebracht. Anfangs dachte ich, das sei purer Blödsinn, aber inzwischen …«

»Du glaubst doch nicht etwa daran, oder?«

Lauren zuckte mit den Achseln. »Weiß nicht. Es ist ziemlich viel vorgefallen in letzter Zeit.«

»Das hab ich jetzt schon ein paar Mal gehört – aber was genau ist denn eigentlich passiert?«

»Vielleicht sollte ich dir das lieber nicht sagen«, zögerte Lauren jetzt plötzlich. »Ich meine, ich will dir schließlich keine Angst einjagen. Du bist gerade erst angekommen, und eigentlich ist es hier auch echt cool.«

»Aber findest du nicht, dass ich wissen sollte, was hier abgeht?«

Das andere Mädchen seufzte. »Ja, vielleicht. Ach, ich weiß auch nicht. Wahrscheinlich hast du recht. Also, alles fing damit an, dass ein paar Gäste sich beschwert haben, es würde angeblich in ihren Bungalows spuken. So richtig mit Möbeln, die sich von allein verrücken und Gegenständen, die durch die Luft fliegen.« Sie schüttelte den Kopf. »Um ehrlich zu sein, wir dachten, die Kids hätten sich heimlich was zu trinken besorgt. Alkohol, du weißt schon.«

»Aber so war’s nicht?«

»Nein«, erwiderte Lauren. »Ich und ein paar von den anderen haben es mit eigenen Augen gesehen.« Sie erschauerte. »Es war total unheimlich. Ich habe nächtelang nicht schlafen können hinterher. Und dann war der Spuk plötzlich vorbei, und wir haben nie rausgefunden, was dahinter steckte. Dann war da noch die Sache mit den Kröten.«

»Kröten?«

»Irgendwann letzte Woche wurde die ganze Anlage plötzlich von schleimigen, ziemlich eklig aussehenden Kröten überrannt. Die Viecher waren einfach überall! Und jetzt die Sache mit den Kakerlaken in Tandies Bungalow. Also, wenn du mich fragst: Ich bin mir langsam nicht mehr sicher, was diese Fluch-Geschichte betrifft. Vielleicht sollten wir wirklich besser von hier verschwinden.«

Für einen Moment herrschte betretenes Schweigen zwischen den Mädchen. Jamie konnte kaum fassen, was sie da erfahren hatte. Aber ein Fluch? Nein, daran konnte sie beim besten Willen nicht glauben. Da musste etwas anderes dahinter stecken.

Bloß was?

»Komm, ich hab noch knapp anderthalb Stunden Zeit, bis ich mich um meine nächste Gruppe kümmern muss. Ich arbeite hier übrigens als Animateurin und verdiene mir zusätzlich noch ein bisschen was dazu, indem ich den Kids Kurse im Schnorcheln gebe. Das ist für mich im Grunde weniger Arbeit als Spaß. Ich liebe das Tauchen, vor allem, da die Unterwasserwelt hier in der Gegend wirklich atemberaubend ist. Tauchst du auch?«

Jamie schüttelte den Kopf. »Ich hab’s bisher noch nicht versucht.«

»Das solltest du aber möglichst bald nachholen. Wenn du magst, gebe dir gern eine kostenlose Schnupperstunde. Aber jetzt mach ich dich erstmal mit allen hier bekannt.«

Diese Gelegenheit wollte Jamie sich natürlich nicht entgehen lassen. Sie brannte förmlich darauf, auch die übrigen Mitglieder des Teams besser kennenzulernen. Nicht zuletzt, weil sie unter einem von ihnen die Person vermutete, die möglicherweise ihren Bruder auf dem Gewissen hatte.

Die beiden Mädchen verließen den Bungalow und machten sich auf den Weg zurück zum Verwaltungsgebäude des Clubs. Unterwegs kamen sie an ein paar Kids vorbei, die sich gegenseitig ein Frisbee zuwarfen. Ein blondes Mädchen verfehlte die Scheibe knapp, die daraufhin bis zu Lauren flog, die sie aus der Luft fing.

Lachend kam das Mädchen – Jamie schätzte es auf etwa vierzehn Jahre – auf sie zugelaufen. »Schätze, ich werd’s wohl nie lernen! Danke, Lauren!« Sie drehte sich um, um zu ihren Freunden zurückzukehren, verharrte dann aber. »Ach übrigens, ich hab gehört, dass das Beachvolleyballtraining mit Tandie heute ausfällt. Stimmt was nicht mit ihr?«

»Kein Grund zur Sorge«, erwiderte Lauren lächelnd, und Jamie wunderte sich, wie leicht ihr diese Lüge über die Lippen zu gehen schien. »Sie fühlt sich einfach nur ein bisschen unwohl und wollte lieber eine kleine Pause einlegen, damit sie spätestens für das große Turnier am Wochenende wieder fit ist.«

Das blonde Mädchen lächelte. »Cool. Bis später dann!«

Jamie wartete, bis sie außer Hörweite waren, ehe sie fragte: »Warum hast du ihr nicht die Wahrheit gesagt?«

»Spinnst du?« Lauren sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren. »Sie ist immerhin ein Gast. Kannst du dir nicht vorstellen, was das für den Ruf des Clubs bedeuten würde? Nein, nein, es gibt auch so schon genug Gerede. Wir haben bereits ein gutes Dutzend Gäste verloren, und wenn’s so weitergeht, können wir in spätestens einem Monat dichtmachen.«

»Aber wenn es jemand auf den Club abgesehen hat, könnte es dann nicht auch für die Gäste gefährlich werden? Ich meine, sollte man sie nicht besser warnen?«

»Sorry, aber das sehe ich ein bisschen anders. Bisher ist schließlich niemand verletzt worden. Das mit Tandie war zwar ziemlich gemein, aber im Grunde ist ihr ja nichts passiert.«

»Und was ist mit meinem Vorgänger, diesem Ted?«, stellte Jamie die Frage, die ihr schon die ganze Zeit über auf der Zunge lag.

Lauren blieb abrupt stehen. »Was? Wie meinst du das?«

»Na, du sagtest, er sei ums Leben gekommen. Woher willst du wissen, dass das alles nicht irgendwie zusammenhängt? Könnte doch sein, dass …«

»Auf keinen Fall!«, entgegnete Lauren so energisch, dass Jamie erschrocken mitten im Satz abbrach. Die hübsche Rothaarige, mit der ihr großer Bruder geflirtet hatte, wandte das Gesicht ab, ihre Schultern bebten. »Das mit Ted ist was anderes, okay?«, erklärte sie mit erstickter Stimme, und als sie Jamie jetzt ansah, glitzerten Tränen in ihren Augen. »Und jetzt löchere mich bitte nicht weiter, ich will nicht darüber reden.«

Jamie runzelte die Stirn, nickte dann aber. Was blieb ihr auch anderes übrig? Sie konnte Lauren schlecht dazu zwingen, ihr mehr zu erzählen, auch wenn sie es gern getan hätte.

Doch sie musste geduldig sein. Wenn irgendjemand merkte, wer sie wirklich war, würde sie ihre einzige Chance verlieren, Teds Mörder zu schnappen. Unwillkürlich musste sie an Pete denken. Er hatte ihr Geheimnis bereits aufgedeckt. Durfte sie auf sein Versprechen, sie nicht zu verraten, vertrauen? Er wirkte sehr nett, aber das konnte auch gespielt sein. Immerhin wusste er, wer sie wirklich war, und damit konnte er sich auch denken, was sie hergetrieben hatte. Sie musste ihn also ebenso im Auge behalten wie alle anderen Mitarbeiter des Clubs.

Davon abgesehen konnte sie nur hoffen, dass die Neuigkeit um ihre wahre Identität nicht schon in den nächsten Stunden im ganzen Resort die Runde machte.

 

»Cool, dass du jetzt bei uns arbeitest«, sagte Sam an Jamie gewandt, als sie am Abend alle zusammen im Aufenthaltsraum der Animateure bei Pizza und Cola zusammen saßen. »In den letzten Wochen hatten wir keinen richtigen Tanzlehrer, und so mussten Pete und ich einspringen.« Er verzog das Gesicht. »Ich fürchte, wir waren eine ziemliche Katastrophe.«

Auch Pete nickte. »Du wirst mit deinen Schülern noch mal ganz von vorn anfangen müssen. Alles, was ich vor Jahren mal gelernt habe, war Walzer.« Er grinste schief. »Besonders gut angekommen ist die Lektion bei den Kids allerdings nicht. Die stehen eher auf lateinamerikanische Tänze, Jazzdance und solche Dinge.«

Jamie lachte leise. »Na, das kann ja heiter werden! Aber keine Sorge, ich bin dran gewöhnt, mit blutigen Anfängern zu arbeiten. Nicht in jedem steckt ein Frank Sinatra, aber das muss ja auch nicht sein. Bei mir steht der Spaß an der Sache absolut im Vordergrund. Schließlich sind die Kids hier, um Urlaub zu machen. Stress gibt’s außerhalb der Ferien schon genug.«

Bei ihr würde der Stress, zumindest was ihren Job hier im Tropicana Beach Club anging, erst am nächsten Morgen beginnen. Da sie nicht sagen konnte, wann sich wieder eine Gelegenheit finden würde, hatte sie den größten Teil des Nachmittags damit verbracht, im Internet über Voodoo und seine Rituale zu recherchieren. Besonders viel erfahren hatte sie zu ihrer Ernüchterung nicht – außer dass es auf Trinidad tatsächlich immer noch eine Menge Menschen gab, die diese Religion keineswegs als falschen Zauber abtaten. Was das Gelände des Tropicana Beach Clubs betraf, konnte sie nicht sagen, ob an der Sache mit dem »geheiligten Boden« wirklich etwas dran war. Da würde sie in den regionalen Archiven, zum Beispiel in der örtlichen Bibliothek oder aber der hiesigen Zeitung, wohl eher fündig werden.

Aber diese Aktion musste sie wohl oder übel auf ihren nächsten freien Tag verschieben.

»Ich wette, du machst deinen Job echt gut«, meldete sich nun Zack zu Wort, der tagsüber an der Rezeption und abends an der Sunshine Bar des Clubs stand, wo er natürlich nur alkoholfreie Drinks und Cocktails mixte. Er schenkte Jamie ein strahlendes Lächeln, das sie aber ganz und gar nicht beeindruckte. Zack sah nicht schlecht aus, aber alles an ihm wirkte irgendwie gekünstelt. Außerdem hielt er sich ganz offenbar für unwiderstehlich, und mit solchen Typen konnte sie grundsätzlich nicht besonders. »Wenn du Zeit hast, würde ich mir gern von dir was beibringen lassen«, fuhr er fort. »Ich wollte schon lange mal den Mambo lernen, aber ich schätze, ich hab einfach zwei linke Füße.«

Es war offensichtlich, dass Zack mit ihr flirten wollte. Jamie entging nicht, dass Sam ihm einen ärgerlichen Blick zuwarf. Bedeutete das vielleicht, dass er selbst bereits Ansprüche auf sie anmeldete? Normalerweise konnte sie es nicht leiden, wenn Jungs sie sofort als ihr Eigentum betrachteten, doch bei Sam war sie bereit, eine Ausnahme zu machen.

Er war einfach unheimlich süß – und außerdem war er eng mit Ted befreundet gewesen. Wenn sie etwas über die letzten Wochen im Leben ihres Bruders herausfinden wollte, wer konnte ihr da wohl besser behilflich sein als sein bester Freund?

»Ich weiß nicht, ob das eine so gute Idee ist«, wandte sie sich deshalb ausweichend an Zack, beschloss aber, auch dem Barkeeper bald mal näher auf den Zahn zu fühlen. Sie wusste zwar nicht viel über ihn, aber er und Ted waren wohl nicht besonders gut miteinander ausgekommen. Vielleicht besaß er ja ein Motiv, ihrem Bruder etwas anzutun und …

Sie schüttelte den Kopf. Hör auf, es bringt doch nichts, einfach jeden zu verdächtigen. Was du brauchst, sind handfeste Hinweise!

»Alles okay bei dir?«, fragte Bella, eine platinblonde Schönheit, die mit ihrem Freund Milo für das Unterhaltungsprogramm am Pool zuständig war. »Du warst auf einmal wie weggetreten.«

Jamie rang sich ein Lächeln ab. Reiß dich zusammen! »Alles okay, ich denke, ich bin einfach ziemlich erledigt. Der lange Flug, die Temperaturumstellung und dann die Sache mit Tandie.«

Sam lächelte, und sofort fing ihr Herz an, heftiger zu klopfen. »Das war ein verdammt harter Tag für dich. Vielleicht solltest du heute besser früh schlafen gehen, damit du morgen fit bist. Wenn du willst, bringe ich dich zu deinem Bungalow.«

Jamie wollte sich gerade für sein Angebot bedanken, als plötzlich die Tür des Aufenthaltsraums mit einem Krachen aufflog und Milo, Bellas Freund, hereinstürzte. »Leute, das müsst ihr euch ansehen! Wahnsinn!«

Sam fing sich als Erste wieder. »Was ist denn los?«, wollte er wissen. »Warum machst du einen solchen Aufriss?«

»Komm mit und sieh es dir selbst an!« Mit diesen Worten wirbelte er herum und rannte zum Strand zurück. Die zurückgebliebenen Mitarbeiter des Clubs schauten sich fragend an, dann stand zuerst Pete auf und folgte Milo, und anschließend kamen nach und nach auch die anderen hinterher.

Jamie schloss sich Lauren an, die als Vorletzte das Verwaltungsgebäude verließ. Gemeinsam liefen sie zum Strand hinunter. Schon von weitem erkannte Jamie, dass irgendetwas nicht stimmte.

Das Wasser, das an den Strand rollte, sah irgendwie merkwürdig aus.

So, als ob …

»Mein Gott«, stieß Lauren neben ihr voller Entsetzen hervor. »Das sind ja …«

»Quallen«, vollendete Jamie den Satz ihrer Mitbewohnerin mit heiserer Stimme. Jetzt sah sie es ganz deutlich. Das Wasser auf dem gesamten Strandabschnitt war leuchtend Violett vor lauter glitschiger Quallenleiber, die übereinander und nebeneinander in der Brandung trieben.

»Das ist ja voll eklig!«, kreischte eine etwa Sechzehnjährige im knappen Minikleid, die ein ungefähr zwei Jahre jüngeres Mädchen hinter sich herzog. »So was hab ich ja überhaupt noch nie erlebt. Hier bleib ich keine Sekunde länger! Ich rufe sofort Mom und Dad an, dass wir früher nach Hause kommen! Urlaub im Paradies? Von wegen! Das hier ist ja ein richtiger Albtraum!«

 

3.

 

Als Jamie an diesem Abend im Bett lag, wälzte sie sich unruhig hin und her und konnte einfach keinen Schlaf finden. Lauren hingegen schien damit weniger Probleme zu haben; jedenfalls war ihr – wenn auch leises – Schnarchen in der nächtlichen Stille kaum zu überhören.

Jamie seufzte. Seit ihrer Ankunft vor gerade einmal zehn Stunden war eine Menge passiert, und das musste erst einmal alles verdaut werden. Zuerst die Sache mit den Kakerlaken im Bungalow einer der Animateurinnen, dann die Quallenpest am Strand. Und wenn es tatsächlich stimmte, was sie von Lauren erfahren hatte, waren das nicht die ersten Vorkommnisse dieser Art.

Unwillkürlich musste sie daran denken, was sie über den Fluch dieses Voodoopriesters gehört hatte. Normalerweise war sie nicht besonders leichtgläubig und stand mit beiden Beinen fest auf dem Boden der Tatsachen. Doch was hier vorging, war schon mehr als seltsam, und sie fand auf Anhieb keine logische Erklärung dafür.

Seufzend stand sie auf und schlüpfte in ihre Snoopypantoffeln, die sie von ihren Eltern zum vierzehnten Geburtstag bekommen hatte. Die Teile waren schon ziemlich verschlissen, doch sie konnte sich einfach nicht von ihnen trennen. Egal wohin sie ging, ihre Pantoffeln waren immer mit dabei.

Leise öffnete sie die Tür des Bungalows und trat hinaus auf die Veranda. Die Luft war noch immer lau, und das Zirpen von Grillen erfüllte die Nacht. Jamie lehnte sich an die Balkonbrüstung und atmete tief durch. Nicht zum ersten Mal fragte sie sich, ob sie sich nicht vielleicht etwas zu viel vorgenommen hatte. Wie sollte sie beweisen, dass Ted sich nicht umgebracht hatte? Denn eines stand für sie fest: Entweder war er einem Unfall zum Opfer gefallen, oder eine andere Person trug die Verantwortung für seinen Tod. Doch diese Überzeugung auch mit handfesten Tatsachen zu untermauern, würde nicht so leicht werden. Vor ihrer Abreise war ihr das alles viel einfacher vorgekommen. Sie hatte gedacht, sie müsste einfach nur nach Trinidad fliegen, und der Rest würde sich dann schon von allein ergeben.

Wie naiv sie doch gewesen war! Als ob das Schicksal ihr die Wahrheit einfach auf dem Silbertablett servieren würde. Dennoch kam Aufgeben für sie absolut nicht infrage. Sie würde nicht von hier fortgehen, bevor sie einen hieb- und stichfesten Beweis dafür gefunden hatte, dass ihr Bruder sich nicht selbst das Leben genommen hatte – und wenn es sie alle Zeit der Welt kostete.

Kurz schloss sie die Augen und atmete tief durch, als sie plötzlich ein leises Rascheln ganz in der Nähe hörte. Sie wusste selbst nicht, warum sie sich unwillkürlich in den Schutz der Dunkelheit zurückzog, den der Dachvorsprung der Veranda ihr bot. Doch auf diese Weise konnte sie hinaus auf Gelände blicken, ohne selbst gesehen zu werden.

Mehr als ein paar umherhuschende Umrisse konnte sie jedoch nicht erkennen. Ein Tier? Nein, dazu war der Schatten viel zu groß. Also doch ein Mensch? Aber wer?

Hin und her gerissen zwischen Anspannung und Neugier schlich Jamie von der Veranda hinunter und näherte sich der dunklen Gestalt, wobei sie sich immer hinter Büschen und Bäumen versteckt hielt. Warum, wusste sie eigentlich selbst nicht so genau. Wahrscheinlich handelte es sich lediglich um jemanden, der, so wie sie selbst, nicht schlafen konnte und nun einen nächtlichen Spaziergang unternahm. Das war schließlich auch nicht verboten.

Und dennoch …

Das Herz klopfte ihr vor Aufregung bis zum Hals, als die Wolkendecke, die bisher den Mond verdeckt hatte, aufriss und sie Milo erkannte – einen der Animateure des Ferienresorts. Natürlich gab es auch für die Mitarbeiter des Clubs keine Verpflichtung, frühzeitig zu Bett zu gehen. Doch irgendwie machte Milo auf sie nicht den Eindruck, als wolle er sich nur ein wenig die Beine vertreten.

Als er sich argwöhnisch in ihre Richtung umblickte, musste sie sich hastig hinter dem Stamm einer großen Kokospalme verbergen, um nicht entdeckt zu werden. Sie drückte sich mit dem Rücken gegen die schuppige Rinde und bemühte sich, möglichst flach zu atmen und sich nicht zu bewegen.

Ein paar Sekunden später hörte sie zu ihrer Erleichterung, wie seine Schritte sich von ihrer Position entfernten.

Sie war sich mittlerweile so gut wie sicher, dass er etwas vorhatte. Warum sollte er wohl sonst mitten in der Nacht durch das Camp schleichen, wenn er nichts im Schilde führte? Ob er für die Kakerlaken in Tandies Bungalow verantwortlich war? Und für die Quallenpest am Strand vor dem Resort? Natürlich war sie nicht hergekommen, um herauszufinden, wer da versuchte, den Club zu boykottieren. Doch möglicherweise wusste der Saboteur etwas darüber, was mit Ted passiert war – oder er war am Ende sogar selbst verantwortlich dafür!

Sie folgte Milo weiter, bis der am Waldrand in den Dschungel eindrang. Jetzt war Jamie sich wirklich sicher, dass hier etwas vor sich ging. Kein vernünftiger Mensch ging mitten in der Nacht in den Regenwald, wo es so dunkel war, dass man die Hand vor Augen kaum sehen konnte. Außerdem standen die Bäume und Sträucher so dicht an dicht, dass kaum ein Durchkommen möglich war.

Nach kurzem Zögern ging sie ihm nach, drang ein in das Gewirr aus Palmen, Farnen und Lianen, die von den Ästen der Bäume herabhingen. Schon nach ein paar Sekunden hüllte die Dunkelheit sie vollkommen ein, nur noch hin und wieder fiel ein wenig Licht durch das dichte Blattwerk. Halb blind tastete Jamie sich voran, so schnell wie sie konnte, um Milo nicht aus dem Blick zu verlieren. Und dann blieb er auf einer kleinen Lichtung plötzlich stehen, und sie verharrte ebenfalls regungslos.

Was hatte er vor?

Ahnte er, dass er verfolgt wurde?

Sie wagte es kaum zu atmen, aus Angst, er könnte es hören, aber ihre Kehle war vor Aufregung ohnehin wie zugeschnürt. Bei jedem noch so leisen Geräusch zuckte sie zusammen, und ihre innere Anspannung wuchs mit jeder Sekunde, die verstrich, ohne dass etwas passierte.

Und dann vernahm sie plötzlich Schritte, die sich ihr näherten, und sie duckte sich noch tiefer ins Unterholz. Gerade noch rechtzeitig, denn als zum nächsten Mal die Wolkendecke aufriss, war Milo nicht mehr allein auf der Lichtung.

»Tori?«

Erschrocken schlug Jamie sich die Hand vor den Mund. Sie hatte gar nicht gemerkt, dass sie ihren Gedanken vor Überraschung laut ausgesprochen hatte.

»Hast du das gehört?« Tori blickte direkt in ihre Richtung und Jamie drückte sich mit wild klopfendem Herzen mit dem Rücken gegen einen Baum.

»Du siehst Gespenster«, erwiderte Milo und zog sie zu Jamies Überraschung in seine Arme und küsste sie stürmisch. »Ich hab dich schrecklich vermisst!«

Unwillig machte sich Tori von ihm los. Sie schüttelte den Kopf. »Wir könnten jeden Tag zusammen sein, wenn du es endlich auf die Reihe kriegen würdest, mit Bella zu klären, dass du sie nicht mehr liebst. Ehrlich, Milo, lange spiele ich da nicht mehr mit. Wir können uns immer nur in aller Heimlichkeit miteinander treffen, und das ist auf Dauer kein Zustand. Ich will endlich aller Welt zeigen dürfen, dass wir zusammen sind!«

Still und leise zog Jamie zurück. Sie war ein wenig enttäuscht, aber auch peinlich berührt. Hier handelte es sich ganz bestimmt nicht um die Vorbereitung für einen Anschlag oder etwas Ähnliches. Und auch wenn es ihr nicht gefiel, dass Milo und Tori die nichts ahnende Bella einfach hintergingen, so war es nicht an ihr, darüber zu urteilen.

Sie war bereits wieder zurück am Waldrand, als eine Stimme hinter ihr erklang.

»Du kannst wohl auch nicht schlafen, was?«

Jamie wirbelte mit einem erstickten Aufschrei herum. Als sie Pete erblickte, funkelte sie ihn ärgerlich an. »Sag mal, hast du sie noch alle, dich so anzuschleichen? Du hast mich zu Tode erschreckt!«

»Tut mir leid.« Pete versenkte die Hände tief in den Hosentaschen und lächelte schief. »Ich dachte nur, du bräuchtest vielleicht jemanden zum Reden oder so.

---ENDE DER LESEPROBE---