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3 Romane in einem Band zum Sparpreis!
Dieser Sammelband enthält die folgenden Jugendthriller:
Auf die Plätze, fertig – tot!
Aspen ist erst 15 - und schon eine erfolgreiche Schwimmerin! Und dann geht ihr Traum in Erfüllung, als sie ins Schwimmteam der berühmten Remington High aufgenommen wird. Damit hätte sie niemals gerechnet! Schnell jedoch verfliegt ihre anfängliche Freude, denn rasch muss sie feststellen, dass hier etwas ganz und gar nicht mit rechten Dingen zugeht. Immer wieder kommt es bei den Wettkämpfen zu äußerst merkwürdigen Zwischenfällen. Nikki ertrinkt um ein Haar, Naomi stürzt eine Treppe hinunter - und auf Aspen selbst wird ein heimtückischer Anschlag verübt. Wer steckt hinter dem Ganzen? Und warum tut jemand so etwas? Aspen will es herausfinden - und begibt sich dabei in tödliche Gefahr ...
Schau nicht nach unten
Sasha leidet unter panischer Höhenangst. Ihr Leiden ist so stark, dass sie in einem speziellen Therapiecamp Hilfe sucht. Anfangs ist die Stimmung auch super: Sie findet Freunde, und dann verliebt sie sich auch noch in den süßen Deacon. Doch bald wird ihr Glück getrübt, denn plötzlich passieren merkwürdige Dinge im Camp: Cassie, die unter Platzangst leidet, wird ohnmächtig in ihrer verschlossenen Hütte aufgefunden. Mike, der Angst vor Wasser hat, ertrinkt um ein Haar in einem kaputten Ruderboot. Was geht hier vor? Fest steht: Jemand im Camp verfolgt mörderische Absichten und verbreitet Angst und Schrecken. Aber wer steckt dahinter – und warum? Sasha kommt dem Wahnsinnigen auf die Spur - und droht ins Leere zu stürzen ...
Achtung, bissig!
Braunbär Freddie ist ausgebrochen! Diese Hiobsbotschaft erreicht Jocelyn und ihre Eltern zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt, denn der Wildtierpark, den die Familie betreibt, leidet schon seit einiger Zeit unter Besuchermangel. Jocelyns Verehrer Liam glaubt, dass Percy, einer der Pfleger, für Freddies Verschwinden verantwortlich ist. Tatsächlich deutet vieles darauf hin, zumindest taucht Percy nach diesem Vorfall nicht mehr auf der Arbeit auf. Die Lage spitzt sich zu, als die Nachricht die Runde macht, dass Freddie angeblich Wanderer angegriffen hat. Aber das kann Jocelyn nicht glauben. Das passt einfach nicht zu Freddie. Sie beschließt, sich auf eigene Faust auf die Suche nach ihm zu machen. Dabei trifft sie auf Percy. Und der behauptet, dass nicht der Bär sein Unwesen treibt – sondern ein Mörder ...
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Dana Kilborne
Auf die Plätze, fertig – tot!
»Dieses hinterlistige Miststück!«
Tiffany Heather Preston wischte sich mit dem Handrücken über die tränennassen Wangen. Wie aus weiter Ferne drangen wummernde Drum and Base Rhythmen an ihr Ohr und hallten von den hellblau gekachelten Wänden des Pools im Souterrain des Hotels wider. Oben wurde eine heiße Party gefeiert, doch der Sechzehnjährigen war jegliche Lust zum Feiern vergangen. Und das hatte sie nur dieser verdammten Intrigantin zu verdanken, die sie vor allen anderen vorgeführt hatte wie eine dumme Göre.
Was bildete sich diese dämliche Pute eigentlich ein? Schlimm genug, dass der Trainer ganz offensichtlich einen Narren an ihr gefressen hatte – aber musste sie sich deshalb unbedingt wie eine Diva aufführen?
Mit einem frustrierten Seufzen hockte sich Tiffany an den Beckenrand, schleuderte ihre Flip-Flops weg und ließ die Füße im kühlen Chlorwasser baumeln. Sie schloss die Augen. Das leise Plätschern beruhigte sie beinahe augenblicklich.
Tiffany liebte das Wasser. Sie war schon wie ein Fisch geschwommen, noch bevor sie richtig laufen gelernt hatte. Wasser war ihr Element. Ihrer Mutter war es kaum gelungen, sie als Kind im Sommer aus dem Swimmingpool im elterlichen Garten herauszulocken. Es war ihr ganz natürlich erschienen, dass sie schon früh damit begonnen hatte, an Wettkämpfen teilzunehmen – und diese in der Regel auch zu gewinnen.
Inzwischen war sie eine talentierte Nachwuchsschwimmerin, der man große Erfolge für die Zukunft voraussagte. Sie wurde als eine der Hoffnungen des US-Schwimmsports gehandelt. Und genau das versuchte ihr diese dumme Kuh jetzt kaputtzumachen. Doch das würde Tiffany nicht zulassen.
Niemals.
Ein paar Runden im Pool würden ihr sicher dabei helfen, einen klaren Kopf zu bekommen. Zum Glück hatte sie etwas in der Art ohnehin vorgehabt und trug deshalb einen Bikini unter ihren normalen Klamotten. Sie zog sich das Top über den Kopf und war gerade dabei, aus den Shorts zu schlüpfen, als sie hinter sich ein Geräusch vernahm.
Sie wandte sich um. »Du?«
Ihr Gegenüber lächelte abfällig. »Wieso? Hast du jemand anderen erwartet?«
»Was willst du?« Argwöhnisch runzelte Tiffany die Stirn. »Hat sie dich geschickt? Du bist mir ja wohl kaum aus purer Menschenfreundlichkeit nachgekommen, oder?«
Das Lächeln auf dem Gesicht ihres Gegenübers wurde noch eine Spur breiter. »Wohl kaum. Ich wollte mit dir reden. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Das kannst du dir sparen«, erklärte Tiffany schroff. »Ich hab jetzt echt keinen Bock auf diesen Schrott!«
Sie wandte sich ab und kickte ärgerlich die Shorts beiseite, die ihr noch immer um einen Knöchel baumelten; dann ging sie hinüber zum Beckenrand.
Tiffany setzte gerade zum Sprung an, als sie einen heftigen Schmerz am Hinterkopf verspürte. Gleichzeitig durchfuhr ein brutaler Ruck ihren Körper. Sie verlor das Gleichgewicht, stürzte. Ihre Lippen trennten sich zu einem Schrei, doch da klatschte ihr Körper auch schon mit brachialer Gewalt auf die Wasseroberfläche.
Erschrocken und schmerzerfüllt schnappte sie nach Luft, doch Ihr Mund füllte sich nur mit leicht nach Chlor schmeckendem Wasser. Es strömte in ihre Lungen und löste einen Hustenreflex aus, der ihr jedoch bloß noch mehr Wasser in den Mund fließen ließ.
Verzweifelt ruderte Tiffany mit den Armen. Sie musste an die Wasseroberfläche gelangen, koste es, was es wolle. Doch ihr war vor Schmerz fast schwarz vor Augen, und sie hatte vollkommen die Orientierung verloren. Und anstatt nach oben zu schwimmen, glitt sie nur noch tiefer dem Grund des Swimmingpools entgegen.
Als sie mit der Stirn gegen den gefliesten Boden stieß, wurde ihr klar, dass sie einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte. Doch es war zu spät. Jede Faser ihres Körpers schrie danach, den Mund zu öffnen, tief einzuatmen. Es war ein Instinkt, der jedes bewusste Denken überlagerte. Und auch wenn sie wusste, dass es ihren sicheren Tod bedeutete, konnte Tiffany einfach nicht länger gegen diesen Instinkt ankämpfen.
Sie atmete Wasser.
Panisch begann sie, mit Armen und Beinen zu strampeln. Doch nach ein paar grauenvollen Augenblicken der Pein schien es gar nicht mehr so schlimm. Tiffany fühlte sich leicht. So leicht, als würde sie fliegen. Vollkommener Frieden erfüllte sie.
Dann wehte ihr Bewusstsein davon wie ein Blatt im Wind …
Zwei Minuten später trieb der mit einem bunten Bikini bekleidete, reglose Körper einer hoffnungsvollen Nachwuchsschwimmerin auf der Wasseroberfläche eines einsamen Hotelswimmingpools. Das Gesicht nach unten gerichtet, starrten die rehbraunen Augen der Toten blicklos ins Leere. Ihr langes, blondes Haar umschwebte ihren Kopf wie eine seltsame Wasserpflanze, wiegte sich sanft in den langsam abebbenden Wellen an der Wasseroberfläche.
Es würde sicher noch Stunden dauern, bis die anderen sie vermissten.
Die Gestalt am Beckenrand nickte zufrieden. Den schweren Schraubenschlüssel, den sie aus dem Werkzeugkasten des Hausmeisters entwendet und mit dem sie soeben einen Mord begangen hatte, hielt sie noch immer in der Hand. Jetzt machte sich die Gestalt daran, die letzten Spuren zu beseitigen.
Tiffany Heather Preston war einem Unfall zum Opfer gefallen. Sie musste beim Sprung ins Wasser mit dem Hinterkopf gegen den Beckenrand geprallt und dann ertrunken sein.
Tragisch, wirklich sehr tragisch. Gerade bei einem so jungen und viel versprechenden Talent.
Aber eben doch nur ein unglücklicher Unfall - nicht mehr und nicht weniger …
1. KAPITEL
»Du bist bestimmt ganz schön nervös, was?« Fran Wieczorski lenkte ihren altersschwachen Plymouth an den Straßenrand und legte ihrer Nichte mitfühlend eine Hand auf die Schulter. »Das kann ich gut verstehen. Der erste Tag an einer neuen Schule … neue Leute, neue Lehrer – das ist sicher nicht gerade leicht.«
Aspen Taylor lachte kopfschüttelnd. »Du kannst einem echt Mut machen, Tantchen! Wenn ich nicht schon vorher nervös gewesen wäre, dann wäre ich es jetzt ganz bestimmt!« Sie blickte durch das Beifahrerfenster zum Gebäude der Remington High hinauf, das, von einem großen Pausenhof umgeben, inmitten eines hübschen Parks stand. Einen Augenblick blieb sie noch schweigend sitzen. Dann nickte entschlossen, strich sich eine widerspenstige Haarsträhne aus dem Gesicht und öffnete die Wagentür. »Mach dir keine Sorgen um mich, okay? Ich komm schon klar.«
Fran lächelte. »Davon bin ich überzeugt.«
Trotzdem, ein wenig mulmig war Aspen schon zumute, als sie die gepflasterte Auffahrt zur Schule hinaufschritt. Alles wirkte ebenso sauber und gepflegt, wie es auch an ihrer vorherigen Schule, der Bernstein School for Girls gewesen war. Und das, obwohl das Schulgeld an der Remington längst nicht so astronomisch hoch war.
Das Schulgebäude war sehr modern, mit viel Stahl und Glas, das im hellen Sonnenlicht glitzerte. Seitlich neben dem eigentlichen Hauptgebäude befand sich ein großer, einstöckiger Anbau – die Schwimmhalle der Remington High.
Vom Pausenhof her drang lautes Rufen und Gelächter zu Aspen herüber. In einer Ecke befand sich ein Basketballfeld, auf dem ein paar ältere Kids Körbe warfen. Die übrigen Schüler der Remington High standen in kleinen Grüppchen herum, unterhielten sich oder alberten herum.
Aspen war in Charlotteville, einer Kleinstadt im äußersten Norden der von Iowa aufgewachsen. Sie war vier gewesen, als ihr Dad sie zum ersten Mal ins örtliche Schwimmbad mitgenommen hatte. Nie würde sie das berauschende Gefühl vergessen, wie schwerelos durchs Wasser im Wasser zu schweben – damals natürlich noch mithilfe von Schwimmflügeln und unter ständiger Aufsicht ihres Vaters.
Von da an war Aspen gar nicht mehr aus dem Wasser herauszubekommen gewesen. Ehrgeizig hatte sie die erwachsenen Schwimmer beobachtet, wie sie im Becken ihre Kreise zogen. Das wollte sie auch können – und sie hatte nicht geruht, bis sie sich so sicher im Wasser bewegte wie ein Fisch.
»Eines Tages wachsen dir noch Kiemen, Kleines«, hatte ihr Dad einmal scherzhaft behauptet. Und als Aspen fünf war, meldeten ihre Eltern sie dann in ihrem ersten Schwimmverein an.
Danach war Aspen nicht mehr zu bremsen gewesen. Ihre Trainerin, Mrs. Walton, war so begeistert von ihrem Talent und ihrer unbändigen Freude am Schwimmen gewesen, dass sie Aspen für die Jugend-Championships der regionalen Schulen angemeldet hatte. Aspen war die jüngste Starterin gewesen – und sie hatte mit einem fabelhaften zweiten Platz alle Erwartungen noch übertroffen.
Als sie dann auf die Charlotteville High School kam, wurde sie ohne großes Federlesen im Schul-Schwimmteam aufgenommen. Doch Aspen träumte von Größerem. Sie war ehrgeizig und fleißig, und auch ihre Schulnoten litten nicht darunter, dass sie sehr viel Zeit für ihr Schwimmtraining aufbringen musste. So kam es, dass sich eines Tages ihr großer Traum erfüllte: Sie erhielt ein Stipendium für eine New Yorker Privatschule, die landesweit für ihr großartiges Schwimmteam berühmt war: die Bernstein School for Girls.
Es war ein hartes Stück Arbeit gewesen, ihre Eltern davon zu überzeugen, sie nach New York gehen zu lassen. Aspen wusste, dass es ihre ganz große Chance war. Eine Chance, wie sie vielleicht nie mehr wiederkehren würde. Deshalb hatte sie auch nicht locker gelassen, und schließlich war ihrer Mutter nichts anders übrig geblieben, als zuzustimmen: Aspen durfte zu ihrer Tante Fran nach New York ziehen.
Es war wie ein Traum gewesen. Aspen war am Ziel ihrer Träume angelangt – zumindest dachte sie das damals. Doch sie hatte schnell begreifen müssen, dass längst nicht alles so perfekt war, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Die Mädchen an der Bernstein School for Girls kamen allesamt aus reichem Elternhaus. Sie trugen nur die teuersten Klamotten – unter Gucci, Versace und Co lief bei denen gar nichts. Da fiel Aspen mit ihren löchrigen Levis und den Shirts aus dem Second-Hand-Laden natürlich ganz schön aus der Reihe. Und das ließen die anderen sie auch gnadenlos spüren.
Vor allem Samantha Pearson, die Kapitän im Schwimmteam der Bernstein School for Girls war, machte ihr das Leben zur Hölle. Aus unerfindlichen Gründen hasste Sam sie abgrundtief und nutzte jede noch so kleine Gelegenheit, um sie fertigzumachen.
Selbst jetzt, wo sie auf diese schwere Zeit zurückblickte, tat es noch weh. Die Abweisung der anderen Mädchen, ihr Spott und ihre Anfeindungen … Doch Aspen hatte tapfer die Zähne zusammengebissen. Sie hatte es einfach nicht eingesehen, sich für irgendwen zu verstellen. Zumal es ohnehin über ihren Horizont hinausging, was die anderen Mädchen als Freundschaft bezeichneten. Wie konnte man Freundschaft daran messen, wie prall der Geldbeutel des anderen gefüllt war? Ein solches Denken würde sie niemals verstehen.
Und dann war etwas geschehen, womit sie nie gerechnet hätte: Der Trainer des Teams der Remington High School war auf sie aufmerksam geworden und hatte sie vom Fleck weg für seine Mannschaft engagiert. Das zog zwar einen erneuten Schulwechsel nach sich, aber wenigstens konnte Sam Pearson sie jetzt nie wieder mit ihren Gemeinheiten drangsalieren …
Aspen seufzte. Zu Hause in Charlotteville hatte sie ebenfalls eine gemischte Schule besucht, doch jetzt, nach einem ganzen Jahr in fast ausschließlich weiblicher Gesellschaft, irritierte sie die Anwesenheit von so vielen Jungs fast ein bisschen. Unsicher blieb sie mit dem Rücken zur Wand der Schulmensa stehen und beobachtete das bunte Treiben. Sie hatte ein bisschen Angst, dass sie hier am Ende dieselben Probleme bekam wie an ihrer alten Schule. Was, wenn sie nachher wieder ohne Freunde dastand?
»Hey, du bist sicher Aspen Taylor, stimmt’s?« Eine hübsche Blondine lächelte sie freundlich an. »Neuigkeiten sprechen sich hier immer schnell rum. Übrigens, ich bin Carlie Spencer.« Mit einem knappen Nicken deutete sie auf eine zierliche Rothaarige, die Aspen ebenfalls freundlich anlächelte. »Und das hier ist Naomi.«
»Freut mich total, euch kennen zu lernen«, sagte Aspen, und das war nicht im Geringsten gelogen. »Seid ihr auch im Schwimmteam?«
Carlie nickte. »Ja, deshalb wussten wir auch, dass du heute kommst. Es heißt, du bist ein echter Knaller im Wasser!«
Aspens Wangen fühlten sich mit einem Mal sehr heiß an. O nein!, dachte sie flehend. Nicht schon wieder rot werden!
Sie lächelte schüchtern. »Na ja, ich schätze, ich bin nicht die schlechteste Schwimmerin …«
»Hey, jetzt mach dich mal nicht so klein, ja?« Carlie grinste breit. »Mein Bruder Hal hat dich beim Wettkampf gesehen. Er sagt, du warst eine absolute Granate!«
Aspen winkte ab. »Jetzt hört aber auf, sonst versinke ich gleich vor Scham im Boden! Hoffentlich seid ihr nach dem Training nicht enttäuscht von mir. Wer weiß, vielleicht hatte ich beim Wettkampf einfach nur einen besonders guten Tag?«
Naomi wischte ihre Bemerkung mit einer lässigen Handbewegung beiseite. »Ach was, Coach Carson hat gesagt, du bist total spitze. Und der würde ganz sicher keine Vollniete einstellen!« Freundschaftlich klopfte sie Aspen auf die Schulter. »Wie auch immer, ich find’s klasse, dass wir endlich mal wieder frisches Blut im Team haben. Ewig die gleichen Gesichter zu sehen, ist auf Dauer schon ein bisschen langweilig!«
»Was hältst du davon, wenn wir eine kleine Schultour für dich veranstalten?« Carlie zwinkerte ihr verschwörerisch zu. »Normalerweise veranstalten wir ja keine Führungen für Neulinge, behalt es also für dich, sonst rennen uns die Kids bald die Bude ein.«
Aspen lachte. »Versprochen!«
Aspens erster Tag an der Remington High verging wie im Fluge. Carlie und Naomi hatten sie all ihren Freunden vorgestellt – was nicht gerade wenige waren. Aspen schwirrte noch immer der Kopf von den ganzen neuen Namen, die sie sich merken musste. Der Empfang, den man ihr an ihrer neuen High School bereitet hatte, hätte wirklich nicht besser sein können. Wie sehr es sich doch von ihren Erfahrungen bei Bernie’s unterschied …
Es waren wirklich alle sehr nett gewesen, und die meisten hatten sie gleich mit neugierigen Fragen überfallen. Aspen konnte kaum zählen, wie oft sie ihre Lebensgeschichte in den letzten paar Stunden schon zum Besten gegeben hatte. Carlie und Naomi waren den ganzen Tag über nicht von ihrer Seite gewichen, worüber Aspen sehr froh war. Sie verstand sich super mit den Mädchen, obwohl die beiden unterschiedlicher nicht hätten sein können.
Carlie war groß, schlank, mit traumhaft langen, goldblonden Haaren. Sie war sehr selbstbewusst, während Naomi ein wenig rundlicher war und auf den ersten Blick recht schüchtern wirkte. Dennoch waren die beiden einfach das perfekte Team. Sie verstanden sich blind, auch ohne viele Worte. Fast ein bisschen wie früher mit Nikki, dachte Aspen. Nikki war die beste und einzige Freundin, die sie an ihrer alten Schule gefunden hatte, und die sie ziemlich vermisste.
Das Beste jedoch war, dass die beiden sie anscheinend in ihren exklusiven kleinen Club aufnehmen wollten. Aspen spürte, dass sie an der Remington High School endlich ihr Glück finden würde.
Auch Fran Wieczorski hatte ein gutes Gefühl bei der Sache. Ihre Nichte Aspen schien völlig verwandelt. Sie wirkte nicht länger unglücklich, einsam und deprimiert. Endlich war sie wieder das ausgelassene, fröhliche Mädchen, das sie vor einem Jahr bei sich aufgenommen hatte.
Es war eine gute Entscheidung gewesen, sich bei Renee für Aspen einzusetzen. Denn die war anfangs gar nicht begeistert vom Vorhaben ihrer einzigen Tochter gewesen. Letztlich war es Fran aber gelungen, ihre Schwester zu überzeugen. Und das glückliche Strahlen in Aspens Augen bestätigte ihr, dass sie das Richtige getan hatte …
Oh Coach, was musste ich da hören?
Ich kann einfach nicht fassen, dass du das wirklich getan hast. Ein wildfremdes Mädchen in unser Team zu holen! Wenn das kein Fehler war … Was wissen wir denn schon über sie? Schön, angeblich hat sie ja ordentlich was drauf. Aber ist sie sie auch wirklich tough genug, beim ersten Stress nicht gleich durchzudrehen? Solche Mätzchen können nämlich den Erfolg des ganzen Teams gefährden.
Und das will ich auf keinen Fall. Dazu ist mir die Mannschaft zu wichtig, die immerhin hart für ihren Aufstieg gearbeitet hat.
Ich werde mir das Ganze wohl eine Weile lang ansehen müssen, was bleibt mir auch anderes übrig? Aber eins steht fest: Wenn die Kleine nichts taugt, wird sie an der Remington High ganz sicher nicht glücklich.
Ich habe da so meine Methoden.
Und man kann ja schlecht von mir erwarten, dass untätig dabei zusehe, wie sie das Niveau des Teams herunterzieht. Nein, das werde ich ganz sicher nicht. Ich werde schon dafür sorgen, dass dem Team nichts Schlechtes widerfährt.
Und, wo gehobelt wird, da fallen schließlich auch Späne …
Als es am nächsten Nachmittag zum Unterrichtsende schellte, schulterte Aspen ihre Tasche und machte sich auf den Weg zum ersten Schwimmtraining an ihrer neuen Schule.
Sie war total nervös, obwohl sie ein paar ihrer Teamkolleginnen bereits beim Probetraining gesehen hatte. Trotzdem, etwas Neues zu beginnen war immer aufregend – selbst dann, wenn sie das Alte kaum jemals vermissen würde.
Aspen war froh, dass Carlie und Naomi wie selbstverständlich nach ein paar Schritten auf dem Gang zu ihr stießen. Es machte ihr die Sache leichter, wenn sie nicht allein beim Training aufkreuzen musste.
»Jetzt mach mal nicht so ein verkniffenes Gesicht«, sagte Carlie grinsend. »Keine Sorge, die anderen werden dich schon nicht fressen. Und mit dem Coach wirst du sicher auch keine Schwierigkeiten haben, er ist total cool!«
Naomi nickte bestätigend. »Carlie hat recht. Coach Carson ist echt schwer in Ordnung. Für ihn ist Fairness das Allerwichtigste. Solange man sich an die Regeln hält, gibt’s auch keinen Stress mit ihm.« Nach kurzem Kramen zog sie eine verknitterte Schachtel aus ihrer Schultasche, die sie Aspen mit einem Grinsen entgegenstreckte. »Hier, hilft bei mir immer, wenn ich nervös bin.«
Aspen warf einen kurzen Blick hinein und schüttelte bedauernd den Kopf. »Lieb von dir, aber die kann ich nicht essen. Ich bin allergisch gegen Nüsse – wenn ich Mandelkekse esse, brauche ich mir wirklich keine Gedanken mehr übers Training zu machen.« Sie grinste schief. »In dem Fall kannst du mich nämlich nachher im Krankenhaus besuchen.«
Naomi wirkte erschrocken. »Kein Scherz?«
»Leider nein. Ich schwör dir, wenn ich die Dinger auch nur anrühre, liege ich in spätestens einer halben Stunde im Krankenhaus.«
Etwa sechs oder sieben Mädchen schlüpften gerade in ihre Badeanzüge, als Aspen in Begleitung ihrer beiden Freundinnen die Umkleidekabine betrat. Sofort richteten sich alle Augen auf sie, die Neue, und Aspen spürte auch schon wieder die verhasste Wärme auf ihren Wangen. Unsicher spielte sie am Tragegurt ihrer Tasche. »Hi, ich bin Aspen.«
Aber ihre Sorgen waren völlig unnötig gewesen, wie sie gleich darauf feststellen sollte. Die anderen Mädchen drängten sich sofort um sie, um sich mit ihr bekannt zu machen. Doch dann wichen sie allesamt vor einer großen, dunkelhaarigen Schönheit zurück, die aus dem hinteren Teil der Umkleidekabine auf Aspen zutrat.
Sie war wirklich bildhübsch mit ihren eisblauen Augen und dem kastanienbraunen Haar, das sich in sanften Wellen über ihre Schultern den Rücken hinunter ergoss – und Aspen war sich ziemlich sicher, dass sie es sehr genau wusste. Das strahlende Lächeln, das sie Aspen schenkte, als diese ihr die Hand zur Begrüßung entgegenstreckte, wirkte jedenfalls ziemlich überheblich.
»Mein Name ist Chloe Olivier«, sagte sie. Ihre Stimme klang tief und ziemlich rauchig – an dem Effekt hatte sie sicher lange gearbeitet, dachte Aspen. »Du bist sicherlich Aspen Taylor. Es ist mir eine Freude, dich in unserer erlesenen, kleinen Equipe begrüßen zu dürfen.«
Aspen musste sich schwer zusammenreißen, um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen. Am leichten Beben von Carlies Schultern erkannte sie, dass auch ihre neue Freundin mühsam mit sich kämpfte. »Ähm … Tja, vielen Dank auch … Chloe, richtig?«
Sie nickte gebieterisch, wandte sich dann ab und verließ, mit zwei anderen Mädchen im Schlepptau, die Umkleidekabine durch eine Verbindungstür, die zur Schwimmhalle führte.
Aspen schüttelte grinsend den Kopf. »Was war das denn?«
Carlie lachte. »Dir wurde soeben die große Ehre zuteil, unsere hochwohlgeborene Prinzessin samt Hofstaat bewundern zu dürfen.«
»Redet die etwa immer so schwülstig?«
Naomi schüttelte den Kopf. »Nö, nicht immer. Eigentlich nur, wenn sie jemanden beeindrucken will, in diesem Fall also dich. Sonst schimpft Madame eigentlich immer wie ein Rohrspatz!«
Eine hübsche Schwarzhaarige mit asiatischen Zügen, die den Spind neben Naomi belegt hatte, lachte auf. »Lass sie das besser nicht hören, Naomi-san!« Sie nickte Aspen zu. »Mein Name ist Tamitsuko Kellerman. Aber ehe du dir Zunge brichst, nenn mich Tami, das langt vollkommen.« Sie deutete nacheinander auf drei weitere Mädchen. »Und meine Freundinnen hier heißen Juanita, M’Bele und Tess.«
Mit einem glücklichen Lächeln auf den Lippen schüttelte Aspen in den nächsten Minuten zahlreiche Hände. Irgendwann tippte ihr Tami auf die Schulter. »Du, ich habe heute übrigens Geburtstag und für alle Kuchen mitgebracht.« Sie zwinkerte Aspen zu. »Wenn du ein Stück abhaben möchtest, solltest du dich allerdings beeilen.«
»Na dann, herzlichen Glückwunsch!« Verstohlen blickte Aspen auf den Kuchen. Süßigkeiten hatte sie noch nie widerstehen können. Vor allem Schokolade war ihre große Schwäche, natürlich immer ohne Nüsse, und bei Schokokeksen schmolz sie förmlich dahin. Doch da sie ja Leistungssport betrieb und daher auf ihre Figur achten musste, versuchte sie meistens, sich diese süßen Sünden zu verkneifen.
Aber einmal ist schließlich kein Mal, sagte sie sich schließlich und wollte gerade zugreifen, als ihr ein vertrauter Geruch in die Nase stieg. Sie seufzte. »Das ist nicht zufällig Haselnusskuchen, oder?«
Tami nickte. »Doch, sicher. Für meinen Nusskuchen bin ich quasi berühmt.«
»Den musst du unbedingt probieren!«, schaltete sich nun auch M’Bele ein. »Wahrscheinlich kriegt sie jetzt gleich wieder den absoluten Höhenflug, weil ich es sage, aber Tamis Kuchen ist echt fantastisch!«
Aspen schüttelte bedauernd den Kopf. »Sorry Leute, aber ich kann leider nicht. Ich hab’s den anderen vorhin schon gesagt: Ich reagiere auf alles allergisch, wo auch nur eine Spur von Nüssen drin ist.«
»Echt?« Tami staunte. »Und was passiert, wenn du jetzt sozusagen aus Versehen doch mal was mit Nüssen isst?«
»Zuerst mal gar nichts. Aber nach ein paar Minuten schwillt meine Luftröhre an, und ich kriege keine Luft mehr. Das ist mir bisher ein einziges Mal passiert – und ich bin nicht gerade scharf drauf, diese Erfahrung zu wiederholen, das kannst du mir glauben.«
Aspen schauderte, als sie daran zurückdachte. Sie war damals acht Jahre alt gewesen. Ihre beste Freundin Jenny hatte sie zu ihrer Geburtstagsparty eingeladen. Es war ein wirklich schöner Tag gewesen. Sie hatten alle möglichen Spiele gemacht, waren bei strahlendem Sonnenschein durch den Garten getobt – und dann hatte Jennys Mom die Geburtstagstorte gebracht.
Haselnusstorte.
Eine viertel Stunde später hatte Aspen im Krankenwagen gelegen, der mit Blaulicht und Sirene das nächste Hospital angesteuert hatte. Nach einer Spritze mit einem antiallergischen Mittel war es ihr zwar recht schnell wieder besser gegangen, doch sie hatte bis heute nicht vergessen, welche Höllenqualen sie damals durchlitten hatte. Es war mehr als schlimm gewesen. Sie hatte wirklich geglaubt, sterben zu müssen. Keine schöne Erfahrung – erst recht nicht, wenn man gerade acht Jahre alt ist und das ganze Leben noch vor sich hat.
Seitdem achtete sie wie der Teufel darauf, nichts zu sich zu nehmen, in dem Nüsse enthalten sein könnten. Einmal Todesangst reichte ihr für den Rest ihres Lebens. So was wollte sie auf keinen Fall noch mal erleben.
Doch jetzt verdrängte sie diese deprimierenden Gedanken – sie hatte weiß Gott Besseres zu tun. Außerdem lautete ihre Devise, nicht zu sehr in die Vergangenheit zu blicken, sondern immer schön in die Zukunft.
Nachdem die Mädchen nun die allgemeine Vorstellung hinter sich gebracht hatten, folgte Aspen Carlie und Naomi in die Schwimmhalle. Obwohl sie schon einmal hier gewesen war, raubte ihr die pure Dimension der Halle auch dieses Mal wieder schier den Atem. Das Bassin war, sogar im Vergleich zu dem bei Bernie’s, geradezu riesig.
Es gab verschieden hohe Sprungbretter und einen Fünfmeterturm. Doch wirklich beeindruckend war die Decke der Halle, die aus einer riesigen, von Eisenträgern gestützten Glaskuppel bestand. Strahlender Sonnenschein drang durch die Konstruktion in die Halle und brach sich glitzernd auf der Wasseroberfläche. An drei Seiten erhoben sich Zuschauertribünen um das Becken herum, und gleich darüber hingen mächtige Scheinwerfer an fingerdicken Stahlseilen über dem Wasser.
»Schon ziemlich beeindruckend, was?« Naomi grinste.
Ehe Aspen etwas erwidern konnte, kam Coach Carson aus seinem Trainerbüro, einem kleinen Glaskasten im rückwärtigen Teil der Halle, und klatschte auffordernd in die Hände.
»Was ist los, Mädels? Übt ihr euch heute im Trockenschwimmen, oder was?«
Lachend sprangen die Mädchen ins Wasser, alberten herum und quietschten vor Vergnügen.
Wow, dachte Aspen. Die Atmosphäre ist hier ist ja echt der Wahnsinn. Ganz anders als bei Bernie’s!
Ein schriller Pfiff aus der Trillerpfeife des Trainers beendete die wilde Balgerei. »Jetzt aber mal ein bisschen Disziplin, Ladies! Nächste Woche finden die Reynold-Jugend-Meisterschaften statt – und wir haben immerhin einen Ruf zu verteidigen, nicht wahr?« Er sah sich suchend um. »Wo steckt eigentlich Logan?«
Aspen sah, wie Carlie und Naomi die Augen verdrehten, und wurde neugierig. »Ich glaube, diese Logan kenne ich noch gar nicht«, wisperte sie. »Wie ist sie denn so?«
»Logan Matthews? Mach dir ein eigenes Bild von ihr«, antwortete Carlie mit einem leisen Seufzen und deutete auf den gegenüberliegenden Beckenrand. »Da ist unser kleines Wunderkind nämlich schon.«
Aspen folgte ihrem Blick und sah ein bildschönes Mädchen, das lässig am Beckenrand stand. Sie war schlank, beinahe drahtig und mit durchtrainierten Oberarmen und Schenkeln. Doch was an anderen plump und klobig gewirkt hätte, erschien bei ihr sportlich-elegant. Ihre zart gebräunte Haut und das lange, ebenholzfarbene Haar, das ihr, zu einem dicken Zopf geflochten, bis weit über den Rücken reichte, harmonierte toll mit dem tief ausgeschnittenen, kaffeebraunen Badeanzug, den sie trug.
Mit einem grazilen Sprung tauchte sie jetzt ins Wasser ein und kraulte zu den anderen Mädchen heran. Aspen konnte nicht anders, als sie anzustarren. Sie war mit Abstand das schönste Mädchen, das sie jemals zu Gesicht bekommen hatte. Die Jungs müssen bei ihr Schlange stehen …
Glitzernde Wasserperlen stoben auf, als Logan Matthews die Wasseroberfläche durchbrach. Sie lachte – ein Laut, so pur und klar wie Glöckchen aus reinstem Kristall. Und als sie zu den anderen Mädchen herüberschwamm, waren ihre Bewegungen so grazil und fließend, als wäre sie für ein Leben im Wasser geboren und nur durch einen schicksalhaften Fehler der Natur zu einem Dasein an Land verdammt worden.
»Du bist also Aspen Taylor, ja?« Sie schenkte Aspen ein strahlendes Lächeln. »Wir haben schon viel von dir gehört. Schön, dass du jetzt auch zum Team gehörst.«
Aspen wollte etwas erwidern – irgendetwas sagen –, doch sie war wie gebannt von dem faszinierenden Anblick einer winzigen Wasserperle, die sich glitzernd in Logans langen, dichten Wimpern verfangen hatte.
Sie wusste nicht, wie lange sie Logan noch angestarrt hätte, wenn Carlie ihr nicht einen ungeduldigen Stoß mit dem Ellbogen verpasst hätte. Es war, als würde sie aus einem Traum erwachen. Sie vergaß sogar für eine Sekunde weiter Wasser zu treten und tauchte prustend unter. Ihr Gesicht überzog sich mit einer leichten Röte. »Ähm ... Ja, ich freue mich auch ...«
Logan, die es wahrscheinlich gewohnt war, andere Leute um den Verstand zu bringen, lächelte amüsiert und sagte: »Na, dann sind wir uns ja einig.«
Aspen wäre am liebsten auf der Stelle im Boden versunken – doch das gestaltete sich im Wasser als relativ schwierig. Herzlichen Glückwunsch, du hast es geschafft, dass dich jetzt alle für total gehirnamputiert halten!
Doch zu ihrer Erleichterung schien ihr dämliches Verhalten im allgemeinen Trubel untergegangen zu sein. Nur Carlie schüttelte kurz missbilligend den Kopf – dann begann auch schon das Training.
Es war ziemlich hart. Coach Carson schien wirklich ein netter und verständnisvoller Trainer zu sein, doch er verlangte seinem Team auch einiges ab. Als er nach guten zweieinhalb Stunden in seine Trillerpfeife blies und rief: »Schluss für heute, Mädchen! Ihr habt euch gut geschlagen«, war Aspen völlig am Ende. Mit bleischweren Armen zog sie sich aus dem Wasser und trottete neben Carlie und Naomi zu den Umkleidekabinen.
»Mein Gott, und ich dachte eigentlich, ich wäre hartes Training gewohnt«, stöhnte sie und ließ sich atemlos auf eine der Holzbänke fallen. »Aber das hier war ja der reinste Mord!«
Naomi kicherte. »Tja, da siehst du mal, was wir seit Jahren durchmachen! Aber im Ernst, ich finde, du hast dich super geschlagen.« Sie zwinkerte Aspen zu. »Fürs erste Mal …«
»Ich fürchte, an meiner Kondition muss ich noch einiges tun, wenn ich hier mithalten will.«
Trotz der Anstrengungen war Aspen bester Laune. Zum ersten Mal seit langem hatte ihr ein Schwimmtraining wieder richtig Spaß gemacht. Und auch wenn sie wusste, dass sie auch beim nächsten Mal wieder völlig geschafft sein würde, freute sie sich schon wie ein kleines Kind darauf.
Sie streifte ihren nassen Badeanzug ab und verstaute ihn in ihrer Sporttasche, als ihr Blick auf Carlie fiel, die mit mürrischem Gesicht auf der Bank hockte und ihre Schuhe zuband.
»Was ist los mit dir? Ist dir eine Laus über die Leber gelaufen?«, fragte sie. Doch Carlies Antwort bestand nur aus einem unverständlichen Brummen. Aspen runzelte die Stirn. »Jetzt mal im Ernst: Stimmt was nicht mit dir? Du bist so still …«
Carlie schaute sich verstohlen um, als rechnete sie damit, dass jemand sie beobachten würde. Als sie wieder zu Aspen aufblickte, blitzten ihre Augen ärgerlich. »Ich sollte es vermutlich lieber lassen, aber ich kann dich ja nicht blind in dein Verderben rennen lassen«, flüsterte sie eindringlich. »Fall bloß nicht auf Logans ›Ich-bin-ein-liebes-Mädchen‹-Tour rein. Ich weiß, sie sieht aus wie ein Engel, aber in Wahrheit ist sie ein echtes Biest!«
Aspen, die gerade ihr Haar ausbürstete, hielt mitten in der Bewegung inne und hob irritiert eine Braue. »Ich versteh nicht ganz, was du mir damit sagen willst. Logan scheint doch ganz nett zu sein …«
»Pah!« Carlie lachte bitter auf. »Sie ist eine falsche Schlange, sonst nichts. Aber wenn du nicht auf mich hören willst, musst du halt deine eigenen Erfahrungen machen.«
»Hör mal, ich wollte nicht …«
Mit einer abwehrenden Handbewegung schnitt Carlie ihr das Wort ab. Dann drängte sie sich an ihr vorbei und verließ, ohne Aspen eines weiteren Blickes zu würdigen, die Sammelumkleidekabine.
Verwundert sah Aspen ihr nach. Dann warf sie Naomi einen fragenden Blick zu, doch die zuckte bloß mit den Schultern. »Nimm’s nicht persönlich. Carlie ist halt nicht besonders gut auf Logan zu sprechen …«
»Du bist echt ein totaler Glückspilz!« Aspen hörte ihre alte Freundin Nikki am anderen Ende der Leitung neidisch seufzen. »Mensch, wenn ich doch bloß auch einfach von hier verschwinden könnte ... Bei Bernie’s hält mich auf jeden Fall jetzt nichts mehr.«
»Ist es denn immer noch so schlimm?«, fragte Aspen mitfühlend.
Nikki ächzte theatralisch. »Schlimmer als schlimm, wenn du es genau wissen willst! Du glaubst nicht, wie sehr Sam die Atmosphäre in der Mannschaft vergiftet. Klar, die anderen sind auch ziemlich ehrgeizig – du kennst sie ja. Aber Sam schlägt dem Fass wirklich den Boden aus. Von Teamarbeit hat die echt noch nie was gehört!«
»Und Coach Willis hält natürlich zu ihr!«
»Klar, der glaubt immer noch allen Ernstes, dass wir ohne Samantha völlig aufgeschmissen wären!« Sie seufzte. »Dabei gibt es einige wirklich viel versprechende Talente im Team. Aber Sam wird den Teufel tun und sie hochkommen lassen. Nein, nein, sie lässt den Trainer schön im Glauben, dass sie unersetzbar ist. Pah! Ich bin sicher, wir kämen ohne sie wesentlich besser zurecht. Motivierend ist dieser Zustand jedenfalls nicht gerade.« Nikki schnaubte ärgerlich. »Nicht, solange Sam tun und lassen kann, was sie will, ohne mit den geringsten Konsequenzen rechnen zu müssen. Du kannst echt froh sein, dass du aus diesem Irrenhaus hier entkommen konntest, das sag ich dir.«
»Also eins steht fest«, erwiderte Aspen, und sie fühlte, wie Dankbarkeit sie durchflutete. Am liebsten hätte sie ihre alte Freundin jetzt umarmt, doch das ging ja leider nicht am Telefon. »Ohne dich hätte ich das ganz sicher nicht geschafft.«
Nikki kicherte. »Ach was, du hättest das auch ganz allein …«
»Hey, da gibt’s überhaupt keine Diskussion«, fiel Aspen ihr sofort ins Wort. »Wenn du nicht gewesen wärst, hätte Coach Willis mich bestimmt nicht für das entscheidende Rennen aufgestellt. Dann hätte Coach Carson mich nicht entdeckt, und ich hätte niemals die Chance bekommen, zur Remington High zu wechseln. Wenn’s nach Samantha gegangen wäre, wäre die Sache sicher ganz anders ausgegangen. Die hätte mich doch am liebsten aus der Mannschaft gekegelt!« Aspen lachte leise. »Na ja, irgendwie hat sie das ja auch geschafft – nur eben nicht ganz so, wie sie dachte. Aber jetzt mal im Ernst, Nikki: Ich hab dir echt viel zu verdanken. Ich weiß gar nicht, wie ich das jemals wieder zurückzahlen kann.«
Und das war keineswegs übertrieben. Aspen hatte es nämlich einzig und allein Nikki zu verdanken, dass sie heute an der Remington High war. Sie erinnerte sich noch genau, wie Samantha Pearson es durch fiese Intrigen geschafft hatte, dass Coach Willis sie, Aspen, nicht an einem wichtigen Wettkampf teilnehmen lassen wollte. Sie durfte nicht starten, obwohl sie wusste, dass sie gute Chancen hatte, den Sieg nach Hause zu bringen. Und das Schlimmste daran war, dass auch Coach Willis sich ganz sicher darüber im Klaren gewesen war.
Doch Sam hatte die Rechnung ohne Nikki gemacht. Sie und Aspen waren auf Anhieb gut miteinander ausgekommen. Und Nikki war furchtbar sauer gewesen, als sie von Sams Intrige gegen Aspen erfahren hatte. So sauer, dass sie beschlossen hatte, Sam mit ihren eigenen Waffen zu schlagen.
»Am Anfang hatte ich echt Angst, dass du total sauer auf mich sein würdest«, sagte Nikki. »Weil du mich doch gebeten hattest, mich da völlig rauszuhalten. Aber hey, ich war so wütend auf Sam, dass ich einfach etwas unternehmen musste! Meinen Dad in die Sache mit reinzuziehen war allerdings echt nicht geplant gewesen. Trotzdem war es goldrichtig, dass ich mit ihm gesprochen habe. Du hättest ihn mal sehen sollen!« Sie lachte auf. »Er hat getobt vor Wut. Ehrlich, wenn er eins nicht ausstehen kann, dann ist das Ungerechtigkeit. Er hatte den Telefonhörer in der Hand, bevor ich auch nur ›piep‹ sagen konnte.«
»Im Nachhinein gesehen bin ich dir sogar total dankbar. Hätte dein Vater den Direktor nicht zusammengestaucht, würde ich wohl bis heute noch bei Bernie’s den Fußabtreter für Samantha spielen.«
So aber war Aspen, dank Nikkis Dad, der ziemlich einflussreich war, am Ende doch noch zu ihrem Startplatz gekommen – und hatte mit ihrer Leistung an jenem Abend Coach Carson von der Remington High überzeugt, der beim Wettkampf anwesend gewesen war und sie nach dem, was er gesehen hatte, unbedingt in sein Team holen wollte.
Aspen hatte keine Sekunde gezögert und zugesagt.
Nikki lachte. »Tja, den Job des Fußabtreters bist du wohl ein für alle Mal los. Ach, ich beneide dich wirklich. Die Remington High scheint im Gegensatz zu Bernie’s ja ein regelrechtes Paradies zu sein!«
»Ich verspreche dir, dass ich für dich beim Coach ein gutes Wort einlege, wenn bei uns irgendwann mal ein Platz frei wird, okay?«
»Lieber heute als morgen! O Mann, das wär echt zu schön, um wahr zu sein.« Plötzlich stieß Aspens Freundin ein erschrockenes Quietschen aus. »Ach du meine Güte, ist es echt schon halb neun? Es war so schön, mal wieder mit dir zu quatschen, dass ich glatt die Zeit vergessen habe. Sorry, ich hätte wirklich gerne noch ein bisschen mit dir über Samantha gelästert, aber ich muss noch was unheimlich Dringendes erledigen. Du meldest dich doch mal wieder, ja?«
»Hey, was glaubst du denn? Klar melde ich mich! Oder denkst du, ich könnte meine allerbeste Freundin bei Bernie’s so einfach vergessen?«
Die Mädchen verabschiedeten sich voneinander und legten auf.
Aspen seufzte. Es tat ihr leid, dass Nikki jetzt allein dastand. Wenn sie irgendwen von Bernie’s vermisste, dann war es Nikki. Sie war damals ihre einzige wirkliche Freundin gewesen. Ohne sie hätte ich diese Zeit ganz sicher nicht durchgestanden, dachte sie dankbar.
Wenn es eine Möglichkeit gegeben hätte, Nikki auch an die Remington zu holen – Aspen hätte keine Sekunde gezögert. Augenblicklich waren jedoch alle Plätze in der Mannschaft fest belegt. Nikki würde also warten müssen.
Doch Aspen wusste, dass ihre Freundin es auch an der Bernie’s schaffen würde. Sie war wirklich gut, und zudem stand sie wenigstens nicht in der direkten Schusslinie der anderen Mädchen, da sie, im Gegensatz zu Aspen selbst, aus einer reichen und angesehenen Familie stammte. Ihrem Vater gehörte eine Firma, die Haferflocken herstellte. Andersons Haferflocken waren in ganz Amerika beliebt.
Tja, dachte Aspen bitter, und so etwas genügte nun mal, um einen bei Bernie’s zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft zu machen.
2. KAPITEL
»Naomi! Naomi! Naomi!«
Wie aus einer Kehle brüllte die Menge immer und immer wieder Naomis Namen, so als würde das allein reichen, um sie im Feld ihrer Konkurrentinnen nach vorne zu befördern.
Auch Aspen war so aufgeregt, dass sie kaum merkte, wie sie die Schachtel Schoko-Cookies zwischen ihren Fingern zerdrückte. Sie hielt Naomi die Daumen so fest, dass es schon beinahe wehtat. Doch das bekam sie kaum mit, so aufgeregt war sie. Ihr ganzer Körper war verkrampft wie eine zum Zerreißen angespannte Stahlfeder.
Was für ein Rennen! So knapp, dass es beinahe schon nicht mehr auszuhalten war!
Naomi führte – jedoch nur eine halbe Länge vor Lisa Thomson von der Stevenson High School, ihrer schärfsten Verfolgerin. Nervös kaute Aspen auf ihrer Unterlippe.
Nur noch knapp 70 Meter!
Noch 65!
60 – und noch immer lag Naomi eine Nase lang vor ihrer Konkurrentin!
55 Meter, und dann abtauchen zur Wende.
Bloß keinen Fehler machen, Naomi!
Und dann geschah es: ein kaum merkliches Zögern, bevor Naomi sich mit den Füßen vom Beckenrand abstieß. Doch es reichte aus, um ihren knappen Vorsprung in Luft aufzulösen.
Nein!
Ein Raunen ging durch die Menge. Aspen stöhnte auf. Komm schon, Naomi! Du kannst es noch schaffen! Doch so sehr sie ihre Freundin auch in Gedanken anfeuerte, es half alles nichts – Naomi kam lediglich als Zweite ins Ziel.
»Verdammt!« Coach Carson zog sein Baseballcap vom Kopf und schleuderte es im hohen Bogen Richtung Tribüne. »Das kann ja wohl nicht wahr sein! Sie hatte den Sieg doch schon so gut wie in der Tasche!«
Aspen schluckte schwer. Klar, sie konnte den Trainer durchaus verstehen – aber am meisten tat ihr im Augenblick Naomi leid. Sie musste fix und fertig sein. Dem Sieg so nah zu sein, dass man ihn schon fast berühren konnte, und ihn dann wegen eines winzigen Fehlers durch die Finger schlüpfen zu sehen, war verdammt hart, wie Aspen aus eigener Erfahrung wusste.
Als Naomi triefend nass und mit hängenden Schultern zum Team herüberkam, ging Aspen auf sie zu. »Hey, mach dir nichts draus, das kann den Besten von uns passieren.«
»Aspen hat recht, davon geht die Welt nicht unter«, bestätigte Carlie, die gleich nach Aspen losgelaufen war, um ihre Freundin zu trösten. »Beim nächsten Rennen holst du alles wieder raus, wirst schon sehen.«
Doch Naomi war untröstlich. Wie ein geprügelter Hund schlurfte sie hinter Aspen und Carlie zur Mannschaftsbank herüber. Auch Coach Carson, der sich inzwischen einigermaßen beruhigt hatte und Naomi ein paar tröstende Worte und ein Lächeln schenkte, gelang es nicht, sie aufzumuntern.
»Warum nimmt sie es so schwer?«, flüsterte Aspen Carlie zu und deutete zu Naomi herüber, die das Gesicht in den Händen verborgen hatte. Ihre Schultern bebten leicht – sie weinte. »So schlimm war’s doch wirklich nicht. Sie ist immerhin Zweite geworden.«
Carlie lächelte traurig. Dann nickte sie in Richtung der anderen Mädchen aus dem Team. Aspen folgte ihrem Blick und blinzelte überrascht. Logan Matthews, der wunderschöne Engel, hatte die Augen starr auf Naomi gerichtet – und in ihrem Blick lag nicht die Spur von Mitgefühl, sondern regelrechter Hass!
Aspens Stirn legte sich in Falten. Das war doch kein bloßer Ärger über ein verpatztes Schwimmen! Nachdenklich schüttelte sie den Kopf. Für den Rest des Wettkampfes war ihr Blick zwar auf das Wasser gerichtet, doch vom eigentlichen Geschehen bekam sie nichts mehr mit. Auch über die Spitzenleistungen der anderen Teamkolleginnen konnte sie sich nicht richtig freuen. Sie bekam den hasserfüllten Blick, mit dem Logan Naomi gemustert hatte, einfach nicht mehr aus dem Kopf.
Zum ersten Mal, seit sie auf die Remington High gewechselt war, zweifelte Aspen Taylor an der Richtigkeit ihrer Entscheidung, die Bernstein School for Girls zu verlassen.
Hatte sie sich vielleicht unwissentlich vom Regen in die Traufe befördert?
Zwei Tage waren seit jenem schicksalhaften Wettkampf ins Land gegangen. Zwei Tage, in denen Aspen sich rasch darüber klar geworden war, dass auch im Team der Remington High längst nicht alles nur ganz toll war.
Wenn man von ihr selbst und Carlie absah, hätte Naomi ebenso aus Luft bestehen können. Nicht, dass sie seit ihrem Missgeschick besonders gesprächig war, doch wenn sie einmal etwas sagte, ignorierten die anderen Mädchen sie einfach.
Die offene Feindseligkeit, mit der man ihr, Aspen, auf der Bernie’s begegnet war, war eine Sache. Doch die Art, wie eiskalt Naomi behandelt wurde, bloß weil sie den Wettkampf in den Sand gesetzt hatte, war mehr als fies und gemein. Und am allerschlimmsten von allen benahm sich eindeutig Logan. Inzwischen sah Aspen ein, dass Carlie durchaus nicht übertrieben hatte: Logan war wirklich ein richtiges Biest. Da war Sam Pearson aus ihrer alten Schule ja richtig harmlos gegen!
Es war wirklich unglaublich. Logan gab sich nicht damit zufrieden, Naomi wie Luft zu behandeln. Nein, sie nutzte jede noch so kleine Gelegenheit, um sie zu schikanieren. Und das alles nur, weil sie sich einen einzigen, winzig kleinen Fehler erlaubt hatte!
»Nimm’s doch nicht so schwer«, sagte Aspen und legte ihrer Freundin tröstend eine Hand auf die Schulter. Sie hatte Naomi nach dem Training schluchzend in einer Ecke der Umkleidekabine vorgefunden. »Glaub mir, früher oder später kriegen die sich wieder ein.«
Naomi wischte sich die Tränen aus den vom Weinen ganz geschwollenen Augen. Dann schüttelte sie traurig den Kopf. »Du kennst Logan nicht. Sie und die anderen werden mir das niemals verzeihen!«
Aspen seufzte schwer. Naomi tat ihr leid. Doch wie sollte sie ihrer Freundin helfen? Alles, was sie und Carlie tun konnten, war, Naomi den Rücken zu stärken. Den Coach in die Sache mit einzubeziehen war in jedem Fall der allerletzte Ausweg. Sich einem Lehrer anzuvertrauen, machte die Sache mit ziemlicher Sicherheit nur noch schlimmer, das wusste Aspen aus eigener Erfahrung.
»Hey, es ist bestimmt bald Gras über die Sache gewachsen. Halt nur noch ein bisschen durch und beiß die Zähne zusammen«, sagte sie sanft und hielt ihrer Freundin ein Taschentuch hin. »Tami, Tess, Junanita und all die anderen sind deine Freundinnen. So nachtragend können sie doch gar nicht sein!«
Naomi nickte, doch ihr war anzusehen, dass Aspens Worte sie nicht wirklich überzeugt hatten. Seufzend zuckte mit den Achseln. »Wahrscheinlich hast du recht. Es bleibt mir ja eh nichts anderes übrig.«
»Grundgütiger, ihr Absprung sieht aus, als würde ein Blauwal aus hundert Metern Höhe ins Wasser plumpsen!«
»Und wie das spritzt!« Fiona Richards, mit ihren siebzehn Jahren die Älteste im Team, kicherte albern. »Aber überrascht uns das? Schau dir doch den Speckring an den Hüften an. Ein Wunder, dass überhaupt noch Wasser im Becken ist, nachdem die reingesprungen ist!« Sie schüttelte sich angewidert. »Also ehrlich, dass so was in unserem Team ist, ist eine Schande! Man sollte die Taylor echt warnen. Wenn sie weiter ständig diese fetten Kekse in sich reinstopft, sieht sie am Ende genauso aus wie Miss Naomi hier.«
Aspen, die alles mit angehört hatte, schnaubte wütend. Was bildeten sich diese dummen Ziegen eigentlich ein? Gut, Naomi war ein bisschen fülliger als alle anderen Mädchen der Mannschaft, doch das machte sie mit ihrer Kraft, ihrer Kondition und ihrer Energie mehr als wett.
Es war einfach unfair, jetzt so über sie herzuziehen. Aber dahinter steckte natürlich, wie sollte es anders sein, Logan Matthews. Aspen konnte nicht begreifen, warum sie Naomi so mies behandelte. Der Wettbewerb, in dem sie gepatzt hatte, war nicht einmal besonders wichtig gewesen. Und selbst wenn, so war das noch lange keine Rechtfertigung für ein solches Verhalten!
Sie stand auf, um Fiona, die gerade dabei war, eine nicht gerade gelungene und ziemlich fiese Imitation von Naomi zum Besten zu geben, indem sie breitbeinig und mit aufgeblasenen Wangen am Beckenrand entlangstolzierte, die Meinung zu sagen. Doch Carlie hielt sie zurück. »Das hat keinen Sinn, glaub mir, ich hab’s schon versucht. Du handelst dir nur unnötigen Ärger ein, wenn du dich mit den anderen anlegst.« Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, als sie zu Logan herüberblickte. »Sie ist es, die alle gegen Naomi aufstachelt. Dieses Biest vergiftet mit ihren Intrigen und ihrer Boshaftigkeit das ganze Team!«
»Aber so kann das doch nicht weitergehen«, knurrte Aspen, als sich plötzlich die Tür der Schwimmhalle auftat und ein zierliches Mädchen, um dessen Kopf sich ein wahrer Wust zimtfarbener Locken bauschte, eintrat.
Aspen sah, wie Carlie verblüfft blinzelte. »Payton ...? Aber ...«
Im nächsten Augenblick sprang ihre Freundin von ihrem Sitzplatz auf und lief auf den Neuankömmling zu. »Payton! Mensch, dich gibt’s auch noch? Wo hast du bloß die ganze Zeit gesteckt?«
Auch die anderen eilten jetzt aufgeregt tuschelnd auf das fremde Mädchen zu. Aspen runzelte verwirrt die Stirn. Wer war diese Payton und warum machten alle so einen Riesenaufstand um sie?
Lange brauchte sie nicht auf eine Erklärung zu warten. Payton kam schnurstracks auf sie zu und schloss sie in die Arme. Aspen war über diese freundschaftliche Geste so verblüfft – immerhin kannte sie dieses Mädchen ja überhaupt nicht! –, dass sie prompt rot anlief.
Payton jedoch ging darüber hinweg, als würde es ihr überhaupt nicht auffallen. Sie lächelte fröhlich, und ihre kornblumenblauen Augen blitzten vor Vergnügen. »Du heißt Aspen, richtig? Wir haben uns ja leider bisher noch nicht kennen gelernt, aber ich hab trotzdem schon viel von dir gehört. Mein Name ist Payton Lewis.«
Aspen starrte sie entgeistert an. »Du hast schon von mir gehört? Aber woher denn?«
»Na hör mal, als Teamkapitän ist es quasi mein Job, immer auf dem Laufenden zu sein, auch wenn ich mal für eine Weile ausfalle.« Sie lächelte verschmitzt. »Wenn ich deinen verwirrten Gesichtsausdruck richtig deute, hat dir hier keiner von mir erzählt, was?«
Aspen schüttelte den Kopf, was Payton mit einem amüsierten Kopfschütteln quittierte. »Also wirklich, Mädchen, wie unhöflich von euch. Aus den Augen, aus dem Sinn, oder wie?«
Sie legte Aspen freundschaftlich einen Arm auf die Schulter. »Weißt du, mein Doc, der alte Quacksalber, war der Meinung, mir für eine Weile eine Auszeit verpassen zu müssen. Einen ganzen Monat war ich weg vom Fenster, und ich kann dir sagen, es war die Hölle! Ich bin heilfroh, dass ich jetzt endlich mal wieder was anderes tun kann als bloß zu Hause rumzusitzen und Trübsal zu blasen.« Sie blickte sich suchend um. »Sagt mal, wo steckt denn eigentlich Naomi?«
Naomi, die die ganze Zeit über bedrückt im Abseits gestanden hatte, trat jetzt vor und rang sich ein Lächeln ab. »Hier bin ich. Echt cool, dass du wieder da bist, Payton.«
Obwohl sie sich redlich bemühte, sich ihren Kummer nicht anmerken zu lassen, wirkte Naomi doch alles andere als glücklich. Payton runzelte die Stirn. »Hey, welche Laus ist dir denn über die Leber gelaufen? Du wirkst ungefähr so fröhlich wie ein Pastor bei der Grabrede.«
»Ach, es ist nichts.«
»Erzähl keinen Blödsinn, ich merk doch, dass etwas mit dir nicht stimmt. Deiner alten Freundin kannst du’s doch erzählen.«
Doch Naomi spürte die lauernden Blicke der anderen auf sich ruhen. »Ist vielleicht nicht so mein Tag«, erwiderte sie ausweichend.
Payton hob zweifelnd eine Braue, sagte aber nichts mehr. Stattdessen wandte sie sich an die anderen Mädchen aus dem Team. »Und was ist mit euch, Mädels? Ist das Training etwa schon vorbei? Husch, husch ins Wasser mit euch!«
»Da kann ich eurem Kapitän bloß Recht geben«, sagte nun auch Coach Carson, der unbemerkt aus seinem Büro getreten war. Dann zwinkerte er Payton zu. »Freut mich, dass du wieder da bist, Payton.«
Das Training lief weiter, und Aspen entging nicht, dass die Stimmung sich durch Paytons unverhofftes Erscheinen merklich gebessert hatte. Auf jeden Fall ließ sogar Logan Naomi fürs Erste in Ruhe – und es war zu hoffen, dass das auch in Zukunft so blieb.
Und was Payton selbst anging, so hatte Aspen das Gefühl, dass man mit ihr ziemlich gut auskommen konnte. Sie war nett und schien allseits beliebt zu sein. Wenn sie sich für Naomi einsetzte, würden die anderen mit Sicherheit nachziehen.
Die Show, die Naomi beim Wettkampf abgezogen hat, war wirklich das Allerletzte. Sie ist geschwommen wie eine jämmerliche Anfängerin. Ihr Versagen ist eine Schande für das ganze Team!
Bestimmt ein dutzend Mal habe ich mir nun schon die Aufzeichnung angesehen, die der Coach zu Trainingszwecken von jedem Schwimmen mit seiner Videokamera macht. Es lässt sich nicht anders sagen: Naomi bringt’s einfach nicht mehr.
Ich könnte mich schwarz ärgern, dass ich meine Zeit damit verschwendet habe, die Neue zu beobachten. Die scheint so ziemlich mein geringstes Problem zu sein.
Doch damit wird Naomi nicht durchkommen. So eine miserable Leistung muss einfach Konsequenzen nach sich ziehen. Und wenn Coach Carson nicht in der Lage ist, hart durchzugreifen, muss sich wohl wieder jemand anderes darum kümmern.
Jemand, der keine Angst davor hat, sich die Finger schmutzig zu machen.
Jemand, der seine Augen nicht vor dem Notwendigen verschließt.
Mit anderen Worten: ich.
Darauf läuft es ja am Schluss immer hinaus: Irgendjemand muss die Drecksarbeit schließlich erledigen. Und was das angeht, kann ich mich auf niemand anderen verlassen.
Nein, nein, da ist es schon besser, wenn ich die Sache selbst in die Hand nehme. Wenigstens scheint diese Aspen Taylor wirklich keine Probleme zu machen.
Vorerst.
Doch ich habe ja an Naomi gesehen, wie schnell sich so etwas ändern kann. Und ich mache grundsätzlich nie zweimal denselben Fehler.
Diesmal werde ich die Augen offen halten.
Schließlich bin ich der Wächter.
»Ich halte das einfach nicht mehr aus, das müsst ihr doch verstehen! Logan macht mich nach Strich und Faden fertig, und sie wird nicht damit aufhören, bis sie mich aus dem Team geekelt hat!« Verzweifelt schüttelte Naomi den Kopf. »Am besten, ich tu ihr den Gefallen und schmeiß hin.«
Carlie und Aspen starrten sie fassungslos an. »Red doch keinen Quatsch!«, keuchte Aspen, die als Erste die Sprache wieder fand. »Du bist eine verdammt gute Schwimmerin. Überleg doch mal, was du noch alles erreichen könntest. Das willst du dir doch nicht ernsthaft von einer dummen Kuh wie Logan Matthews kaputtmachen lassen!«
Naomi zuckte traurig mit den Schultern. Tränen standen ihr in den Augen. »Was soll ich denn machen? Die macht mich total fertig. Ich krieg schon jeden Morgen Bauchweh, wenn ich nur ans Training denke!«
»Und wenn Payton mal mit Logan redet?«, schlug Aspen vor. »Auf sie scheint sie doch zu hören.«
Carlie nickte. »Aspen hat recht, du kannst nicht zulassen, dass Logan mit ihrer fiesen Tour durchkommt. Sprich mit Payton oder zur Not auch mit Coach Carson. Wenn einer gehen muss, dann ist das Logan!«
Gedankenverloren rührte Naomi in ihrem Cappuccino. Sie hatte ihre Freundinnen an diesem Nachmittag nach dem Training ins Giacomo eingeladen, einem schicken Café in der Nähe der Schule, das bei den Schülern wegen seiner fairen Preise sehr beliebt war.
»Meint ihr wirklich, dass das eine gute Idee ist?«, fragte Naomi nach einer Weile, und Aspen glaubte, einen Funken Hoffnung in ihren Augen aufblitzen zu sehen. »Coach Carson will ich auf keinen Fall da reinziehen. Wenn ich das mache, dann hassen mich erst recht alle! Aber vielleicht könnte ich ja wirklich mal versuchen, mit Payton zu reden.«
Aspen lächelte sanft. »Klar doch. Das solltest du auf jeden Fall machen. Was kann denn schon schiefgehen? Zu verlieren hast du eh nichts mehr, wenn du sowieso aussteigen willst.«
Schließlich nickte Naomi langsam. »Okay, versuchen kann ich’s ja mal. Auch wenn ich nicht wirklich glaube, dass es noch was bringt.«
Carlie und Aspen atmeten erleichtert auf. Naomis Zukunft im Team der Remington High stand zwar noch immer auf ziemlich wackligen Beinen, aber wenigstens hatten sie den ersten Schritt geschafft.
Jetzt hing alles davon ab, ob Payton bereit war, bei Logan ein Machtwort zu sprechen.
Zwei Tage später sah Aspen ihre Freundin zum ersten Mal seit langer Zeit wieder lächeln. Es schien, als habe Payton sich tatsächlich für Naomi eingesetzt. Auf jeden Fall ließ Logan sie vorerst in Ruhe. Vor Erleichterung fiel Aspen ein Stein vom Herzen, und es war nicht schwer zu erraten, dass es Carlie ebenso ging.
»Du bleibst also?«, fragte Aspen, als sie nach dem Training zusammen im Umkleideraum saßen.
Naomi, die gerade mit ihrem Rollkragenpulli im Clinch lag, ließ ein ersticktes Brummen vernehmen, doch als ihr Kopf schließlich aus einem Wust roter Wolle auftauchte, lag ein unverkrampftes Grinsen auf ihren Lippen. »Klar bleib ich! Ohne mich gewinnt ihr Pfeifen beim nächsten Wettkampf doch keinen Blumentopf!«
Strahlend fiel Carlie ihrer besten Freundin um den Hals. »Mensch, ich freu mich so! Ohne dich wäre das Team einfach nicht mehr dasselbe gewesen!«
»Und stellt euch vor, Coach Carson will mich beim nächsten Rennen auch schon wieder starten lassen. Ist das nicht toll?«
»Beim Wilson-Meyers-Cup? Mensch, das ist ja echt cool!« Aspen nickte anerkennend. Bei einem so bedeutenden Wettbewerb war sie bisher noch nie angetreten. Die Mannschaft bei Bernie’s hatte es nicht geschafft, sich hierfür zu qualifizieren. An der Remington High sah die Sache da schon anders aus. »Echt Mist, dass ich diesmal noch nicht dabei sein kann.« Sie seufzte. »Der Coach meint, ich sollte mich erst ein bisschen einleben, bevor er mich für einen so wichtigen Wettkampf aufstellt. Naja, wahrscheinlich hat er auch recht. Schade ist es trotzdem …«
»Keine Bange, du bekommst schon noch die Gelegenheit, zu zeigen, was in dir steckt.« Carlie zwinkerte ihr zu. »Spätestens im nächsten Jahr.«
Der Wilson-Meyers-Cup wurde traditionell nicht in New York City, sondern in Washington D.C. ausgetragen. Für das Team der Remington High hatte die Schule extra zwei Busse gechartert, damit sowohl die Schwimmerinnen als auch die Fans der Mannschaft bei diesem Ereignis dabei sein konnten.
Natürlich wollte es sich auch Aspen nicht nehmen lassen, ihr Team anzufeuern – auch wenn sie das Spektakel diesmal nur von der Tribüne aus beobachten durfte. Untergebracht wurde die Gruppe in zwei Frühstückspensionen in der Nähe des Schwimmstadions. In einer residierte das Team, in der anderen die übrigen Mitreisenden. Jeweils drei der Mädchen teilten sich ein Zimmer, sodass Carlie, Naomi und Aspen zusammenwohnen konnten.
Gleich am Vormittag ihrer Ankunft machte das ganze Team einen Abstecher zum Stadion. Während Naomi und Carlie sich hier schon auskannten, hatte Aspen noch nie so eine riesige Schwimmhalle von innen gesehen. Sie war wie erstarrt vor Ehrfurcht vor der schieren Dimension des Gebäudes.
»Wow«, stieß sie heiser hervor, als sie sich mit staunend umsah. »Ist ja echt gewaltig hier! Da muss man ja aufpassen, dass man sich nicht verläuft!«
»Nicht übel, was?« Carlie grinste breit. »Da hinten ist das Becken für die Kunstspringer. Ist ein bisschen kleiner als unseres, dafür aber tiefer. Dort drüben finden jedes Jahr Wettkämpfe im Wasserball statt, und in diesem Becken hier werden im jährlichen Wechsel mit Michigan die nationalen Meisterschaften ausgetragen.« Mit stolzgeschwellter Brust fügte sie hinzu: »Wir starten übrigens morgen ebenfalls hier.«
Aspen war echt beeindruckt. Es war wirklich die richtige Entscheidung gewesen, zur Remington High zu wechseln. An der Bernstein School for Girls hätte sie niemals die Chance bekommen, eines Tages einmal hier zu starten – und vielleicht, aber nur vielleicht, irgendwann auch einmal bei den nationalen Meisterschaften anzutreten.
Gedankenverloren hing sie diesem Traum für ein paar Minuten nach – genau gesagt bis zu dem Augenblick, in dem Naomi und Carlie sich grinsend bei ihr unterhakten und sie in Richtung Ausgang zerrten.
»Wir kennen das Gefühl«, erklärte Naomi lachend. »Es haut so ziemlich jeden um, wenn er das erste Mal hier ist. Aber wenn du erst ein paar Mal hier geschwommen bist, ist es bald nichts Besonderes mehr.«
Carlie starrte sie an, als habe Naomi den Verstand verloren. »Nichts Besonderes mehr? Sag mal, wem willst du denn diesen Blödsinn verklickern!« Sie lächelte spöttisch. »Weißt du, in Wahrheit macht sie sich jedes Mal schon in der Umkleidekabine vor Angst in die Hosen!«
»Gar nicht wahr!« Naomi schnaufte empört. »Glaub ihr kein Wort, sie …«
So ging es noch für eine Weile hin und her, bis Coach Carson schließlich alle zusammentrommelte und wieder in den Bus zurückbeförderte. Den Rest des Tages verbrachten sie mit einer Stadtrundfahrt, von der die drei Freundinnen allerdings nicht besonders viel mitbekamen. Dazu waren sie viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt.
Am nächsten Morgen allerdings war Carlie und Naomi ihre Aufregung anzumerken. Wie die Tiger im Käfig liefen sie im Zimmer auf und ab und wühlten ständig in ihren Sporttaschen herum, in der ständigen Angst, etwas Wichtiges vergessen zu haben.
»Mein Gott, könnt ihr denn nicht mal für fünf Minuten irgendwo still sitzen bleiben?«, fragte Aspen nach einer Weile, halb genervt, halb amüsiert. »Das ist ja wie im Irrenhaus hier!«
Naomi lächelte nervös. »Sorry, wenn wir dir auf die Nerven gehen.« Sie stöhnte leise. »Mein Magen fühlt sich an, als wäre ein ganzer Bienenschwarm drin eingeschlossen. Hoffentlich wird mir nicht auch noch schlecht, wie damals bei den …«
Auch Carlie war offensichtlich nicht in der Lage, sich zu beruhigen. Sie zuckte bloß entschuldigend mit den Schultern, um dann zum x-ten Mal zu prüfen, ob sie ihren Badeanzug eingepackt hatte.
Schließlich seufzte Aspen theatralisch und schnappte sich ihre Daunenjacke vom Haken an der Zimmertür. »Okay, ich geb’s auf. Falls jemand fragt: Ich bin für ein paar Minuten draußen, mir die Beine vertreten. Aber ich schätze mal nicht, dass mich irgendjemand vermissen wird.«
Durch die Hintertür der Pension trat sie hinaus in den Garten. Sie atmete erleichtert auf und schloss für einen Augenblick die Augen. Als sie sie wieder öffnete, entdeckte sie im hintersten Winkel des Gartens eine alte Holzbank, die versteckt zwischen zwei immergrünen Sträuchern stand.
Obwohl es ziemlich kalt war und der eisige Wind beinahe mühelos ihre dicke Jacke durchdrang, ging sie hinüber und ließ sich auf die moosüberwucherte Sitzbank fallen. Schon nach ein paar Sekunden begann sie zu frösteln. Im Grunde war es noch viel zu kalt, um es sich im Freien irgendwo gemütlich zu machen. Doch die Kälte hier draußen war immer noch erträglicher als der Trubel und die Aufregung drinnen.
Nicht, dass sie Carlie, Naomi und die anderen Mädchen im Team nicht verstehen konnte. Sie hatte ja selbst immer schon Stunden vor einem Wettkampf furchtbares Lampenfieber bekommen. Bei ihrem ersten größeren Schwimmen war ihr, kurz bevor sie aus der Umkleidekabine hinaus vor die Zuschauertribüne treten musste, richtig schlecht geworden, sodass sie um ein Haar die ganze Show verpasst hätte.
Doch diesmal würde sie ja nur als Zuschauer dabei sein und nicht am eigentlichen Wettbewerb teilnehmen, was sie insgeheim immer noch ein bisschen wurmte.
Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen, als die Hintertür der Pension mit einem Klacken ins Schloss fiel. Mit einer Hand schirmte sie ihre Augen vor der tief stehenden Sonne ab, doch da sie im hintersten Winkel des Gartens saß, konnte sie nicht erkennen, wer da gerade ins Freie getreten war.
Es kann ja eigentlich nur jemand aus dem Team sein, dachte sie. Suchen die anderen vielleicht nach mir? Aber warum ruft dann niemand?
Als sie ein leises Scheppern aus dem Gartenschuppen vernahm, entspannte sie sich wieder. Wahrscheinlich war es nur die Pensionswirtin, die dort lautstark nach irgendeinem Werkzeug suchte.
Sie schloss die Augen, lehnte sich entspannt zurück und genoss die Ruhe, die sie umgab. Hier draußen gab es nur das leise Rascheln des Windes, der durch die kahlen Baumkronen wehte. Die Geräusche aus dem Schuppen waren inzwischen verstummt, und Aspen vergaß den Zwischenfall einfach.
Sie musste schon eine ganze Weile auf der Bank gehockt haben, denn als ein lautes Poltern sie auffahren ließ, fühlte sich ihr Hintern ganz taub an, so als habe sie stundenlang in einer Gefriertruhe gesessen.
Ich muss tatsächlich eingedöst sein, dachte sie, überrascht darüber, dass man bei dieser Kälte tatsächlich einschlafen konnte. Doch offenbar war sie nicht allzu lange weggetreten gewesen, denn der Krach war ganz eindeutig aus dem Inneren der Pension gekommen. Anscheinend sind die anderen wenigstens nicht ohne mich abgehauen.
Als Aspen das Haus betrat, wäre sie beinahe mit Coach Carson zusammengeprallt, der mit hochrotem Gesicht aus dem Aufenthaltsraum der Pension stürzte. Er schnaufte erleichtert, als er Aspen erblickte. »Gott sei Dank, Aspen! Wo in Gottes Namen hast du bloß die ganze Zeit gesteckt? Ich habe schon die ganze Pension nach dir abgesucht!«
Irritiert krauste Aspen die Stirn. Was war bloß mit dem Coach los? Er schien ja kurz vor einem Nervenzusammenbruch zu stehen. In wilden Büscheln stand ihm das flachsblonde Haar vom Schädel ab, und auf seiner Stirn glänzte eine feine Schweißschicht.
»Was ist denn los, Coach? Ist etwas passiert?«
Carson nickte finster. Sein Gesichtsausdruck ließ erahnen, dass es nicht bloß um irgendeine eine Lappalie ging. »Naomi ist die Treppe heruntergefallen.« Er schüttelte fassungslos den Kopf. »Ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Vorhin, als ich runterging, war alles noch in bester Ordnung. Aber so wie es aussieht, hat eine der Stufen unter Naomis Gewicht nachgegeben. Sie ist darin hängen geblieben und gestolpert.«
Aspen spürte, wie ihr sämtliche Farbe aus dem Gesicht wich. »Aber sie ... sie ist doch in Ordnung, oder?«
»Leider nicht. Der Notarztwagen ist schon auf dem Weg, aber ich schätze mal, dass sie sich mindestens den Knöchel verstaucht hat.« Seine Miene verfinsterte sich. »Wahrscheinlich ist der Fuß sogar gebrochen. Und wir können von Glück sagen, dass nichts Schlimmeres passiert ist.« Ihm war anzusehen, dass ihm der Schreck noch immer in den Gliedern saß. »Mein Gott, das Mädchen hätte sich den Hals brechen können! Wie hätte ich das bloß ihren Eltern beibringen sollen? Wenn Ryan nicht zufällig da gewesen wäre, um …«
Aspen hatte genug gehört. Sie schluckte hart. »Ähm, Coach Carson? Kann ich vielleicht zu ihr?«