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Im Jahre 1618 wird Darius Degenhardt, Doktor der Astronomie an der Universität zu Frankfurt an der Oder und Verfechter des neuen kopernikanischen Weltbilds, zur Bewerbung als Hofastronom beim Kurfürst Johann Sigismund von Brandenburg geladen. Im kurfürstlichen Schloss zu Cölln-Berlin trifft Darius auf einen Konkurrenten: den eitlen und konservativen Astronomen Corvin van Cron. Die beiden Männer erhalten die Aufgabe, innerhalb von 30 Tagen die Bahn eines Kometen zu berechnen. Zwischen ihnen entbrennt ein erbitterter Kampf um das Amt und um die Liebe einer Frau …
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Seitenzahl: 390
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Axel Gora
Das Duell der Astronomen
Historischer Roman
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© 2011 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
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Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt
Herstellung / Korrekturen: Julia Franze / Doreen Fröhlich
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung der Bilder »Porträt eines jungen Mannes mit Laute« und »Porträt der Lucrezia Panciatichi«;
Quellen:http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Angelo_Bronzino_064.jpg
undhttp://commons.wikimedia.org/wiki/File:Angelo_Bronzino_045.jpg
ISBN 978-3-8392-3642-0
Für meine Eltern
Es werden Zeichen sein
an der Sonne,
dem Mond
und den Sternen.
Lukas, 21,25
Ihrer Lage nach nimmt die Erde
als Zentrum die Mitte des Himmels ein.
Claudius Ptolemäus, ca. 90 – 150 n. Chr.
Frankfurt an der Oder, 16. Juli 1618
Fäden über Fäden. Schnüre über Schnüre. Die ganze Deckenfläche des Turmzimmers war ein einziges Chaos dünner Stränge, die sich kreuz und quer zwischen unzähligen Kupfernägeln zogen.
Was Laien dort oben wie riesige, ineinander verwobene Spinnennetze anmutete, offenbarte Eingeweihten eine astronomische Meisterleistung: Sage und schreibe eintausendeinhundertundelf katalogisierte Sterne mit ihren Verbindungslinien hatte Darius dort oben an den wuchtigen Balken angebracht.
Als nach dreijähriger Arbeit der fulminante Akt vollendet war, hatte sein Dekan, Professor Ginsleben, bei der Präsentation vor Fachschaft und ausgesuchten Gästen eine Rede gehalten. »Kein anderer als Darius Degenhardt, unser junger Doktor der Astronomie, ist der Schöpfer dieser kosmischen Kreation«, hatte er verkündet. Auf die inkompetente Frage des Geheimrats, was dieses seltsame Fadenbollwerk eigentlich darstellen solle, hatte er erst mit einem strafenden Blick geantwortet, dann das eigenwillige Kunstwerk ad hoc als das »Degenhardtsche Sternengitter« betitelt und feierlich erläutert: »Es ist das einzigartige Dokument der Positionen aller Sterne aus demAlmagest, dem großen Werk des Claudius Ptolemäus.«
Unterhalb des Kunstwerks ragten ringsherum aus der gemauerten Wand in armlangen Abständen vierundzwanzig handtellergroße, schmiedeeiserne Borde hervor, fingerdick mit Wachs überzogen. Auf jedem Bord stand eine Kerze, doch keine glich der anderen; einige waren hoch, die Dochte unversehrt, andere abgebrannt bis auf den Stumpf. Hinter jeder Kerze war eine römische Ziffer ins Mauerwerk geritzt, sie galten den Stunden eines Tages– zweimal I bis XII.
Von den Deckenbalken bis zu den Bodendielen hinunter wallten schmale, feingewebte Stoffe mit dicht gedrängten Zahlenfolgen. Daneben hingen Skizzen der elliptischen Bahn von Mond und Erde in allen Farben und Größen, gezeichnet auf Papier, auf Pergament, auf Pappe; darüber Kurvendaten, dutzendfach durchgestrichen und korrigiert. Stoffe, Skizzen und Zahlen buhlten mit den goldgerahmten Porträts der viergroßen Meister Kopernikus, Galilei, Brahe und Kepler um einen gebührenden Platz. Denn kein Stück Mauerwerk war frei von Geschriebenem oder Gezeichnetem geblieben bis auf die Kreuzfenster der Nord-, West- und Ostseite sowie den Platz, den Bücherregal und Ablage für Astrolabium, Papier und Gänsekiele beanspruchten. Auf dem Boden verstreut lagen zerknüllte Blätter, Schreibfedern mit stumpfen Schäften und zerfledderten Fahnen, und leere, ausgetrocknete Tintenfässchen.
Die Kirchturmuhr schlug fünf. Darius saß, Haar und Hemd schweißnass, an seinem Studiertisch vor einem ausgebreiteten und vollgeschriebenen Blatt, handgeschöpftes Bütten aus der Druckerei seines Vaters. Rechts und links davon lagen aufgeschlagene Folianten, faustdicke Wälzer, in Leder und Leinen gebunden.
Mit einem »Heureka!« steckte er die Schreibfeder zurück ins Tintenfass und trank in unmäßigen Zügen den Rest Wein aus der Karaffe. Er hatte das letzte Wort geschrieben, die letzte Formel aufgestellt,pars secunda, den zweiten und letzten Teil vollendet! Genau vier Jahre und sieben Monate hatte er gebraucht für die lediglich achtundneunzig Seiten starke Abfassung, die er nach ungezählten TitelentwürfenUltima Veritas Unica1nannte.
Denn darum ging es ihm.
Mit seiner Schrift, den neuen Formeln und den ungewöhnlichen Berechnungen würde er die Lanze brechen für Kopernikus und das neue Weltbild! Wo selbst der große Galilei scheitern musste, weil ihn die Inquisition vor zweiJahren in die Knie gezwungen hatte, sollte er reüssieren.
Achtundneunzig Seiten. Nicht mehr und nicht weniger. Verglichen mit dem Umfang der Werke seiner Vorbilder, war das ein verschwindendes Nichts. Doch schon damals, als er die ersten heimlichen Gespräche mit Professor Ginsleben, seinem astronomischen Mentor, über latente Umwälzungen im Diskurs über die Weltbilder geführt hatte, war in ihm der Anspruch gewachsen, dass nicht die Fülle der Sätze und Rechenvorgänge entscheiden sollte, sondern die Tiefe und Tragweite jedes einzelnen Wortes und jeder kalkulierten Zahl, gestützt durch die unumstößlichen Gesetze der Logik und der Physik.
Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!
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