Das Geheimnis der Schokoladenkekse - Joanne Fluke - E-Book
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Das Geheimnis der Schokoladenkekse E-Book

Joanne Fluke

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Beschreibung

Im idyllischen Lake Eden hat Backfee Hannah Swensen sich mit einem gemütlichen Café einen Traum erfüllt: Ihre Leckereien sind heiß begehrt, und das Cookie Jar ist der Lieblingstreffpunkt der Dorfbewohner. Doch dann wird eines Tages Hannahs Lieferant Ron ermordet aufgefunden. Ron war der liebenswürdigste Mitarbeiter, den man sich wünschen kann, und Hannah hat allen Grund, seinen Mörder möglichst schnell dingfest zu machen. Da sie mit Charme und Spürsinn Neuigkeiten stets aus erster Hand erfährt, ist sie schneller, als die Polizei erlaubt...

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Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmung12Chocolate Chip Crunch Cookies345678Regency Ginger Crisps910Pecan Chews11121314Black and Whites1516171819Chocolate-Covered Cherry Delights20Old-Fashioned Sugar Cookies212223242526EpilogLovely Lemon Bar CookiesVerzeichnis der Rezepte

Über dieses Buch

Im idyllischen Lake Eden hat Backfee Hannah Swensen sich mit einem gemütlichen Café einen Traum erfüllt: Ihre Leckereien sind heiß begehrt, und das Cookie Jar ist der Lieblingstreffpunkt der Dorfbewohner. Doch dann wird eines Tages Hannahs Lieferant Ron ermordet aufgefunden. Ron war der liebenswürdigste Mitarbeiter, den man sich wünschen kann, und Hannah hat allen Grund, seinen Mörder möglichst schnell dingfest zu machen. Da sie mit Charme und Spürsinn Neuigkeiten stets aus erster Hand erfährt, ist sie schnelle, als die Polizei erlaubt …

Über die Autorin

Joanne Fluke ist das Pseudonym einer amerikanischen Bestsellerautorin. Sie wuchs im ländlichen Minnesota auf, studierte Psychologie an der California State University, San Bernardino, und entdeckte früh ihre Passion für die Kunst des Backens und die Welt der Cozy Mysteries und schließlich auch ihr Talent fürs Schreiben. Ihre Cozy-Crime-Serie um die Bäckerin Hannah Swensen ist auf dem englischsprachigen Markt längst Kult, umfasst mittlerweile über 20 Bände, die in 13 Sprachen übersetzt wurden, regelmäßig auf den ersten Plätzen der New York Times Bestsellerliste zu finden sind und eine Gesamtauflage von 5,5 Millionen Exemplaren erreichten. Außerdem wurden fünf ihrer Romane für das Fernsehen verfilmt und unter anderem auf Deutsch synchronisiert. Die Leser:innen lieben die Romane der Queen of Culinary Mystery wegen ihrer lebensechten Figuren und der Wohlfühlatmosphäre rund um Hannah Swensens Café in der fiktiven Kleinstadt Lake Eden. Joanne Fluke lebt mit ihrer Familie in Südkalifornien.

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Angela Koonen

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2000 by Joanne Fluke

Titel der englischen Originalausgabe: »The Chocolate Chip Cookie Murder«

Originalverlag: Kensington Publishing Corp., New York

Published by Arrangement with Kensington Publishing Corp., New York, NY 10018 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2021 by Bastei Lübbe AG, Köln

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Umschlaggestaltung: Kirstin Osenau unter Verwendung von Motiven von© shutterstock: gyn9037 | majeczka | Kmannn | VikaSuh | PROKOPEVA IRINA | PON-PON | Nikiparonak | Anna.zabella | Anna Tyukhmeneva | AstarteJulia | Zamarashka | Alona K | igorstevanovic | karamysh | Vlad G | Mott Jordan | stockphoto mania | TaraPatta | Iryna Inshyna | Martial Red | Tartila | ChameleonsEye | ballykdy | stock_studio | NDanko | LedyX | Ina Raschke | Mira Drozdowski | Sina Ettmer Photography | istergio; © Walter Bibikow/gettyimages

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-0362-8

luebbe.de

lesejury.de

Dieses besondere Werk widme ich unserem jüngsten »besonderen Werk«: Kathryn Grace.

1

Hannah Swensen zog sich die alte Fliegerjacke aus dem Secondhandladen über und hob den großen roten Kater auf den Arm, der ihr um die Knöchel strich. »Okay, Moishe. Du kannst noch ein Schälchen voll haben, aber dann gibt es bis heute Abend nichts mehr.«

Während sie Moishe in die Küche trug und vor seinem Futternapf absetzte, dachte sie an den Tag, an dem er vor ihrer Wohnungstür sein Lager aufgeschlagen hatte. Er hatte damals verwahrlost ausgesehen, sein Fell war stumpf und schmutzig gewesen, und sie hatte ihn sofort bei sich aufgenommen. Wer sonst hätte einen fünfundzwanzig Pfund schweren, halb blinden Kater mit eingerissenem Ohr adoptiert? Hannah nannte ihn Moishe, und obwohl er im örtlichen Klub der Katzenliebhaber sicher keinen Preis gewonnen hätte, gab es zwischen ihnen sofort ein Gefühl der Verbundenheit. Sie waren beide kampferprobt – sie von ihren wöchentlichen Auseinandersetzungen mit ihrer Mutter und er von dem harten Leben auf der Straße.

Moishe schnurrte vor Behagen, als Hannah ihm die Schale füllte. Er schien wirklich dankbar zu sein, weil er nicht mehr um Futter und ein trockenes Plätzchen betteln musste, und zeigte seine Wertschätzung auf vielfältige Weise. Vorhin erst hatte sie den Hinterleib einer Maus auf dem Küchentisch vorgefunden, direkt neben dem schlaffen Usambaraveilchen, das sie ständig zu gießen vergaß. Die meisten ihrer Zeitgenossinnen hätten in heller Aufregung nach ihrem Ehemann gerufen, damit er die Widerwärtigkeit beseitigte. Hannah dagegen hatte den Kadaver am Schwanz hochgehoben und Moishe überschwänglich gelobt, weil er Nager von ihrer Wohnung fernhielt.

»Bis heute Abend, Moishe.« Sie gab ihm einen liebevollen Klaps und griff nach dem Autoschlüssel. Gerade zog sie sich die Handschuhe über, um das Haus zu verlassen, als das Telefon klingelte.

Sie schaute zu der apfelförmigen Wanduhr, die sie bei einem Garagenflohmarkt entdeckt hatte. Es war erst sechs. So früh würde ihre Mutter doch nicht anrufen, oder?

Mit einer Miene, die Hannah als mitfühlend interpretierte, blickte Moishe von seinem Napf auf. Er konnte Delores Swensen nicht leiden und hatte sich das bei ihren Überraschungsbesuchen durchaus anmerken lassen. Nach mehreren zerrissenen Strumpfhosen hatte Delores entschieden, ihren Kontakt auf die Dienstagabende zu beschränken, wenn ihre Tochter zum Essen zu ihr kam.

Hannah drückte auf die grüne Taste, womit sie die Ansage der Mailbox abwürgte, und seufzte, als sie die Stimme hörte. »Hallo, Mutter. Ich will gerade zur Arbeit. Wir müssen es also kurz machen. Ich bin schon spät dran.«

Moishe hob den Schwanz und kehrte dem Telefon das Hinterteil zu. Hannah kicherte lautlos über seine Geste und zwinkerte ihm verschwörerisch zu, als er sich kurz zu ihr umsah. »Nein, Mutter, ich habe Norman meine Nummer nicht gegeben. Wenn er mich anrufen will, muss er sie nachschlagen.«

Hannah zog die Brauen zusammen, denn ihre Mutter begann mit dem gewohnten Vortrag über die richtige Art, einen Mann für sich zu gewinnen.

Ihr letztes gemeinsames Abendessen war ein Desaster gewesen. Am vergangenen Abend hatte sie im Haus ihrer Mutter zwei weitere Gäste angetroffen: Mrs Carrie Rhodes, die frisch verwitwete Nachbarin, und Norman, deren Sohn. Bei einem ekelhaft süßen hawaiianischen Schmorfleisch und einem Nusskuchen mit Schokoladenguss aus dem Red-Owl-Supermarkt hatte sie höfliche Konversation mit Norman betreiben müssen, während ihre Mütter glücklich strahlten und Bemerkungen fallen ließen, was für ein charmantes Paar ihre Kinder doch abgaben.

»Hör zu, Mutter, ich muss wirklich …« Hannah stockte und rollte die Augen. Wenn Delores sich einmal über ein Thema ausließ, kam man nicht mehr zu Wort. Ihrer Ansicht nach sollte eine Frau, die auf die dreißig zuging, verheiratet sein. Obwohl Hannah dagegen anführte, dass sie ihr Leben genau so haben wollte, wie es jetzt war, brachte das Delores nicht davon ab, sie jedem alleinstehenden, verwitweten oder geschiedenen Mann vorzustellen, der einen Fuß nach Lake Eden setzte.

»Ja, Mutter. Norman scheint sehr nett zu sein, aber …« Sie stöhnte im Stillen, während ihre Mutter wortgewandt von Normans guten Eigenschaften schwärmte. Wie kam sie nur auf die Idee, ihre älteste Tochter könnte sich für einen viele Jahre älteren Zahnarzt mit schütterem Haar interessieren, der sich am liebsten über Zahnfleischerkrankungen unterhielt? »Entschuldige, Mutter, doch ich komme zu spät zur Arbeit und …«

Moishe schien zu spüren, dass sein Frauchen frustriert war, denn er stellte eine orangebraune Pfote auf den Rand seines Futternapfs und kippte ihn um. Einen Moment lang blickte Hannah ihn überrascht an, dann grinste sie.

»Ich muss mich beeilen, Mutter. Moishe hat gerade seinen Napf umgekippt, und jetzt liegt das Futter auf dem Fußboden.« Damit unterbrach sie ihre Mutter, die sich gerade über Normans Einkommensverhältnisse ausließ, mitten im Satz und legte auf. Dann wischte sie das Katzenfutter auf, warf es in den Abfalleimer und gab Moishe eine neue Portion, außerdem zwei Leckerli, um ihn für seine Gerissenheit zu belohnen. Zufrieden kauend blieb er zurück, als sie die Wohnung verließ.

Sie eilte die Treppe hinunter in die Tiefgarage, entriegelte ihren SUV und stieg auf den Fahrersitz. Bei ihrer Geschäftsgründung hatte sie sich seinerzeit einen Chevy Suburban gekauft. Sie hatte ihn darauf in Liebesapfelrot lackieren lassen, einer Farbe, die überall Aufmerksamkeit auf sich zog, und den Namen ihres Cafés – The Cookie Jar – in goldenen Buchstaben auf die vorderen Türen spritzen lassen. Hannah hatte sich sogar ein Schild für die hintere Stoßstange angeschafft, auf dem COOKIES stand.

Als sie die Rampe zur Ausfahrt hochfuhr, begegnete sie ihrem Nachbarn Phil Plotnik. Er kam gerade von seiner Nachtschicht bei DelRay Manufacturing. Sie ließ das Seitenfenster herunter, um ihn zu warnen, dass zwischen zehn und zwölf Uhr das Wasser abgestellt werden würde. Dann benutzte sie ihre Karte fürs Tor und bog nach Norden auf die Old Lake Road ein.

Die Interstate führte an Lake Eden vorbei, aber die Einheimischen nahmen meistens die Old Lake Road, um in die Stadt zu fahren. Das war die landschaftlich schönere Strecke, die sich am Eden Lake entlangschlängelte. Unter den Sommertouristen gab es immer einige, die mit den Namen durcheinanderkamen. Hannah erklärte es dann lächelnd, wenn sie darauf angesprochen wurde. Der See hieß Eden Lake und das Städtchen am Ufer Lake Eden.

An diesem Morgen war es recht kalt, was für die dritte Oktoberwoche ungewöhnlich war. In Minnesota war der Herbst nur kurz, ein paar Wochen mit bunt gefärbtem Laub, das jeden animierte, das dunkle Rot, das prächtige Orange und das leuchtende Gelb zu fotografieren. Wenn die letzten Blätter abgefallen waren und die kahlen Baumkronen sich gegen den bleigrauen Himmel abhoben, setzte der Nordwind ein. Dann fiel der erste Schnee, den die Kinder voller Freude begrüßten und die Erwachsenen stoisch seufzend hinnahmen. Rodeln, Schlittschuhlaufen und Schneeballschlachten mochten den Kindern Spaß machen, der Winter brachte aber auch bergeweise Schnee, der weggeschaufelt werden musste, und Isolation, wenn die Straßen schlecht passierbar waren.

Die Sommertouristen hatten den Eden Lake gleich nach dem Labor-Day-Wochenende Anfang September verlassen, um in ihre gemütlichen Winterquartiere in der Großstadt zurückzukehren. Ihre Hütten am Ufer standen leer, ihre Wasserleitungen waren mit Isolierfolie eingewickelt, damit sie nicht zufroren, und ihre Fenster mit Brettern gegen den eisigen Wind geschützt, der über den vereisten See wehte. Nun waren nur noch die Einheimischen im Ort, und die Einwohner von Lake Eden, deren Zahl sich im Sommer vervierfachte, zählten noch knapp dreitausend.

Als sie an der Ampelkreuzung der Old Lake Road und Dairy Avenue anhielt, sah sie ein vertrautes Gesicht. Ron LaSalle stand an der Laderampe der Cozy-Cow-Molkerei und belud den Lieferwagen für seine Tour. Um diese Uhrzeit hatte er den Privatkunden Milch, Sahne und Eier schon in der Kühlbox an die Haustür gestellt. Die Boxen waren notwendig, denn im Sommer hielten sie die Ware kühl und schützten sie im Winter vor dem Frost.

Ron stand nachdenklich da, eine Hand um die Wange gelegt, als beschäftigten ihn ernstere Angelegenheiten als die bestellten Waren. Hannah würde ihn später noch sehen, wenn er ihr Geschäft belieferte, und nahm sich vor, ihn zu fragen, was ihm an der Laderampe durch den Kopf gegangen war. Ron rühmte sich seiner Pünktlichkeit, und der Cozy-Cow-Lieferwagen würde um Punkt sieben Uhr fünfunddreißig an ihrer Hintertür vorfahren. Nachdem Ron ihre Tagesbestellung hineingebracht hatte, würde er auf eine schnelle Tasse Kaffee und einen ofenfrischen Keks ins Café kommen. Um drei am Nachmittag, wenn er seine Touren erledigt hatte, würde sie ihn erneut sehen, weil er wie immer ein Dutzend Kekse bei ihr kaufte. Die legte er sich über Nacht in den Lieferwagen, um sie sich am nächsten Morgen zum Frühstück schmecken zu lassen.

Ron blickte auf, entdeckte sie an der Ampel und winkte ihr zu. Hannah hupte nur kurz und fuhr weiter, weil die Ampel gerade auf Grün sprang. Mit seinen dunklen, welligen Haaren und dem durchtrainierten Körper war er zweifellos attraktiv. Michelle, ihre jüngste Schwester, fand, dass er mindestens so attraktiv war wie Tom Cruise, und während ihrer Highschool-Zeit hätte sie alles dafür gegeben, wenigstens ein Mal mit ihm auszugehen. Selbst jetzt fragte sie noch jedes Mal, wenn sie vom Macalester College heimkam, was es Neues von Ron gab.

Vor drei Jahren hatten alle damit gerechnet, dass der Star-Quarterback der Lake Eden Gulls einen Profivertrag bekäme, aber Ron hatte sich im letzten Spiel seiner Highschool-Karriere einen Bänderriss zugezogen, was seine Hoffnungen auf einen Platz bei den Minnesota Vikings zunichtemachte. Hannah bedauerte ihn manchmal. Für Cozy Cow Waren auszuliefern war ganz bestimmt nicht die glorreiche Zukunft, die er sich vorgestellt hatte. Trotzdem war Ron noch ein Lokalheld. Jeder in Lake Eden erinnerte sich an seinen siegentscheidenden Touchdown bei den Landesmeisterschaften. Die Trophäe, die er errungen hatte, stand in einer Vitrine in der Highschool, und in seiner Freizeit trainierte er die Lake Eden Gulls ehrenamtlich. Vielleicht war es besser, ein großer Fisch im kleinen Teich zu sein als ein drittklassiger Quarterback, der bei den Vikings nur die Ersatzbank warm hielt.

So früh war niemand sonst unterwegs, aber Hannah achtete darauf, dass ihre Tachonadel unter der Marke der erlaubten Höchstgeschwindigkeit blieb. Herb Beeseman, der örtliche Gesetzeshüter, war dafür bekannt, auf der Lauer zu liegen und unachtsame Fahrer anzuhalten, die sich verleiten ließen, zu sehr aufs Gaspedal zu treten. Hannah hatte noch nie ein Knöllchen von ihm bekommen, aber ihre Mutter war noch immer wütend über das Bußgeld, das Marge Beesemans jüngster Sohn ihr aufgebrummt hatte.

Hannah bog Ecke Main und Forth Street ab, fuhr in die Gasse hinter ihrem Café und stellte sich auf einen der beiden Parkplätze, die zu dem schlichten weißen Haus gehörten. Sie verzichtete darauf, das Kabel von ihrer vorderen Stoßstange zu wickeln und in die Steckdosenleiste an der Rückwand des Gebäudes einzustöpseln. Die Sonne schien, und laut Wettervorhersage im Radio würden die Temperaturen heute auf acht Grad steigen. In den nächsten beiden Wochen würde der Zuheizer noch nicht nötig sein, aber wenn der Winter Einzug hielt und das Quecksilber unter den Gefrierpunkt fiel, würde sie dafür sorgen müssen, dass der Motor zuverlässig ansprang.

Nachdem sie ausgestiegen war, verriegelte sie den SUV. In Lake Eden gab es zwar wenig Kriminalität, doch Herb Beeseman klemmte auch jedem, der sein Auto unverschlossen stehen ließ, einen Strafzettel hinter den Scheibenwischer. Ehe sie den Weg zur Hintertür der Backstube zurückgelegt hatte, bog Claire Rodgers mit ihrem kleinen blauen Toyota in die Gasse ein und parkte vor dem braunen Nachbarhaus.

Hannah blieb stehen und wartete, bis Claire ausstieg. Sie mochte sie und glaubte den aktuellen Gerüchten nicht, wonach sie mit dem Bürgermeister eine Affäre hatte. »Hallo, Claire. Du bist heute früh hier.«

»Ich habe gerade neue Partykleider reinbekommen, also muss ich Preisschilder schreiben.« Ein Lächeln hellte Claires klassisch schönes Gesicht auf. »Die Feiertage stehen praktisch vor der Tür, weißt du?«

Hannah nickte. Sie freute sich nicht darauf, Thanksgiving und Weihnachten mit ihrer Mutter und den Schwestern zu feiern, doch das war eine Tortur, die sie um des Familienfriedens willen durchstehen musste.

»Du solltest mal bei mir reinschauen, Hannah.« Mit einem taxierenden Blick nahm Claire die abgenutzte Fliegerjacke und die alte wollene Rollmütze in sich auf, die Hannah sich über die wuscheligen roten Locken gezogen hatte. »Ich habe ein atemberaubendes schwarzes Cocktailkleid, das dir fantastisch stehen würde.«

Hannah nickte lächelnd, während Claire die Hintertür ihrer Boutique aufschloss und hineinging, aber sie musste an sich halten, um nicht zu lachen. Wo sollte sie denn in Lake Eden ein Cocktailkleid tragen? Niemand gab Cocktailpartys, und das einzige gehobene Restaurant hatte zugemacht, gleich nachdem die Touristen abgereist waren. Hannah konnte sich nicht erinnern, wann sie zuletzt chic essen gegangen war. Und erst recht nicht, wann sie jemand um ein Date gebeten hatte.

Sie drehte den Schlüssel um und drückte die Tür auf. Der süße Geruch von Zimt und Zuckersirup empfing sie und brachte sie zum Lächeln. Am gestrigen Abend hatte sie mehrere Plätzchenteige hergestellt, und deren Duft hing noch in der Luft. Sie machte sich Licht, hängte die Jacke an den Türhaken und schaltete die beiden großen Gasbacköfen ein, die an der hinteren Wand standen. Um halb acht würde Lisa Herman, ihre Mitarbeiterin, kommen und mit dem Backen beginnen.

Die nächste halbe Stunde verging schnell, während Hannah Zutaten hackte, schmolz, abmaß und mischte. Durch Herumprobieren hatte sie festgestellt, dass ihre Kekse besser schmeckten, wenn sie die Teigmengen so gering ansetzte, dass sie sich von Hand kneten ließen. Die Rezepte waren während ihrer Teenagerzeit in der Küche ihrer Mutter entstanden. Delores hielt Backen für eine Pflicht und hatte die Aufgabe sehr gern an ihre älteste Tochter delegiert, damit sie selbst ihre ganze Energie aufs Antiquitätensammeln verwenden konnte.

Um zehn nach sieben trug Hannah die letzte Schüssel mit Teig in den Kühlraum und packte die benutzten Utensilien in die Spülmaschine. Sie hängte die Schürze auf, nahm die Papiermütze ab, unter der sie ihre Locken versteckte, und begab sich nach vorn, um den Kaffee aufzusetzen.

Eine Schwingtür trennte die Backstube vom Café. Hannah stieß sie auf und schaltete die altmodischen Kugellampen ein, die sie aus einem aufgegebenen Eissalon in der Nachbarstadt geborgen hatte. Sie ging zu den Schaufenstern, zog die Chintzvorhänge zur Seite und schaute die Main Street hinunter. Da regte sich nichts, es war noch zu früh. Doch innerhalb der nächsten Stunde würden sich die runden Tische mit Gästen füllen. Das Cookie Jar war ein Treffpunkt der Einheimischen, wo sie Neuigkeiten austauschten und den Tag planten, dabei starken Kaffee aus schweren weißen Porzellanbechern tranken und ofenfrische Kekse aßen.

Die Kaffeemaschine aus rostfreiem Stahl glänzte makellos, und Hannah freute sich darüber, während sie sie mit Wasser befüllte und den Kaffee abmaß. Lisa hatte sie gestern blank geputzt, sodass sie wieder so schön war wie am ersten Tag. Lisa war ein Geschenk des Himmels. Sie sah, welche Arbeit als Nächstes anstand, erledigte sie unaufgefordert und hatte sogar ein paar eigene Plätzchenrezepte beigesteuert. Es war jammerschade, dass sie ihr Stipendium nicht genutzt hatte und aufs College gegangen war. Aber ihr Vater, Jack Herman, litt an Alzheimer, und Lisa hatte nach der Diagnose beschlossen, daheim zu bleiben und für ihn zu sorgen.

Hannah nahm drei Eier aus dem Kühlschrank hinter dem Tresen und warf sie in die Schüssel zu dem Kaffeepulver. Dann zerbrach sie sie mit einem Löffel und gab etwas Salz hinzu. Nachdem sie die Eier samt den Schalen mit dem Kaffeepulver vermengt hatte, schabte sie die Masse in den Filterkorb und legte den Kippschalter der Maschine um.

Ein paar Minuten später begann der Kaffee durchzulaufen, und Hannah schnupperte genießerisch. Nichts roch besser als frisch gebrühter Kaffee, und in Lake Eden sagte jeder, dass der bei ihr am besten schmeckte. Sie band sich die hübsche Chintzschürze um, die sie beim Servieren trug, und ging wieder nach hinten, um Lisa ein paar Anweisungen zu geben.

»Back als Erstes die Chocolate Chip Crunches.« Sie lächelte Lisa herzlich an.

»Die sind schon im Ofen, Hannah.« Lisa blickte von der Arbeitsfläche auf, wo sie Teig mit einem Kugelausstecher aufnahm und die Kugeln in eine mit Zucker gefüllte Schüssel legte. Sie war erst neunzehn, also zehn Jahre jünger als Hannah, und mit ihrer zierlichen Figur verschwand sie praktisch in der riesigen weißen Bäckerschürze. »Ich bin gerade bei den Molasse Crackles für das Pfadfinder-Bankett.«

Hannah hatte sie ursprünglich zum Kellnern eingestellt, aber schon nach kurzer Zeit erkannt, dass Lisa viel mehr konnte, als Kaffee einzuschenken und Kekse zu servieren. Am Ende der ersten Woche hatte Hannah ihre Stundenzahl auf Vollzeit angehoben und ihr das Backen beigebracht. Inzwischen führten sie das Geschäft gemeinsam, als Team.

»Wie geht es deinem Vater?«, fragte Hannah mitfühlend.

»Er hat heute einen guten Tag.« Lisa schob das Blech mit den rohen Molasse Crackles in das Gestell. »Mr Drevlow nimmt ihn zur Seniorengruppe bei den Lutheranern mit.«

»Ich dachte, deine Familie ist katholisch.«

»Sind wir, aber Dad weiß das nicht mehr. Außerdem wüsste ich nicht, wie ein Mittagessen bei den Lutheranern schaden könnte.«

»Ich auch nicht. Und es tut ihm sicher gut, mal rauszukommen und mit seinen Freunden zusammen zu sein.«

»Genau das habe ich zu Father Coultas gesagt. Wenn Gott meinem Vater Alzheimer gesandt hat, dann wird er einsehen müssen, dass Dad vergisst, welcher Kirche er angehört.« Lisa ging zum Backofen, stellte die Uhr ein und zog ein Blech Chocolate Chip Crunches heraus. »Ich bringe sie nach vorn, sobald sie abgekühlt sind.«

»Danke.« Hannah trat durch die Schwingtür und schloss das Café auf. Sie drehte das Schild im Fenster auf Geöffnet und prüfte, ob genügend Bargeld in der Kasse war. Sie hatte gerade die Körbchen mit Zucker und Süßstoff auf den Tischen verteilt, als ein dunkelgrüner Volvo vor der Tür anhielt.

Hannah runzelte die Stirn. Die Fahrertür wurde geöffnet, und Andrea stieg aus, ihre mittlere Schwester. In der grünen Tweedjacke mit politisch korrektem Kunstfell am Kragen sah sie umwerfend aus. Ihre glänzenden blonden Haare waren auf dem Scheitel zu einem Dutt frisiert. Sie sah aus, als wäre sie einem Hochglanzmodemagazin entstiegen. Obwohl Hannahs Freundinnen ihr immer wieder sagten, sie sei total hübsch, fühlte sie sich neben Andrea stets hoffnungslos hausbacken und unelegant.

Andrea hatte gleich nach ihrem Highschool-Abschluss Bill Todd geheiratet, einen Deputy Sheriff von Winnetka County. Ihre Tochter Tracey war vergangenen Monat vier geworden. Bill war ein guter Vater, wenn er mal nicht auf dem Revier arbeitete, aber Andrea war nicht die geborene Hausfrau. Als Tracey ein halbes Jahr alt gewesen war, hatte Andrea beschlossen, sie bräuchten ein zweites Einkommen, und seitdem arbeitete sie als Immobilienmaklerin bei Lake Eden Realty.

Die Ladenglocke bimmelte, und Andrea rauschte zusammen mit der kalten Herbstluft herein, an der Hand die kleine Tracey. »Gott sei Dank bist du da, Hannah! Ich muss einem Kunden ein Haus zeigen und habe vorher noch einen Termin im Cut’n Curl, für den ich schon spät dran bin.«

»Es ist doch erst acht.« Hannah hob ihre Nichte auf einen Hocker an der Theke und ging zum Kühlschrank, um ihr ein Glas Milch zu holen. »Bertie öffnet nicht vor neun.«

»Ich weiß, aber sie kommt meinetwegen extra früher. Ich führe den Mann über die alte Peterson-Farm. Wenn ich die verkaufe, kann ich für unser Schlafzimmer einen neuen Teppichboden bestellen.«

»Die Peterson-Farm?« Hannah drehte sich bestürzt zu ihrer Schwester um. »Wer würde denn diese Ruine kaufen?«

»Das ist keine Ruine, Hannah. Das ist ein Traum für passionierte Heimwerker. Und mein Interessent, ein Mr Harris, hat die Mittel, um es in ein echtes Schmuckstück zu verwandeln.«

»Aber warum?« Hannah war ehrlich verwundert. Die Peterson-Farm stand seit zwanzig Jahren leer. Als Kind war Hannah mit dem Fahrrad über den Hof geflitzt. Es war ein zweigeschossiges Farmhaus, umgeben von einigen Morgen Ackerland, das überwuchert war und an die Molkerei grenzte. »Dein Kunde muss verrückt sein, wenn er die kaufen will. Das Land ist praktisch wertlos. Der alte Peterson hat jahrelang versucht, etwas anzubauen, doch das Einzige, was der Boden hergab, waren Feldsteine.«

Andrea klappte den Kragen ihrer Tweedjacke um. »Der Kunde weiß das, Hannah, und es ist ihm egal. Er ist nur an dem Farmhaus interessiert. Die Bausubstanz ist noch prima, und man hat dort eine schöne Aussicht auf den See.«

»Es steht mitten in einer Senke, Andrea. Man kann den See höchstens sehen, wenn man auf dem Dach steht. Was hat dein Käufer vor? Jedes Mal die Leiter hochsteigen, wenn er die Aussicht genießen will?«

»Das nicht gerade, aber das ist egal. Er will nämlich aufstocken und eine Hobbyfarm daraus machen.«

»Eine Hobbyfarm?«

»Das ist ein zweiter Wohnsitz auf dem Land für Großstädter, die Farmer sein wollen, ohne die entsprechende Arbeit zu leisten. Er wird einen hiesigen Landwirt bezahlen, damit der sich um die Tiere und das Land kümmert.«

»Verstehe.« Hannah verkniff sich ein Grinsen. Ihre Schwester wäre demnach eine Hobbyehefrau und eine Hobbymutter. Denn sie beschäftigte eine Putzfrau und Köchin und bezahlte Babysitter und Tagesmütter, die sich um Tracey kümmerten.

»Du passt doch solange auf meine Kleine auf, ja, Hannah?« Andrea schaute besorgt. »Ich weiß, sie ist anstrengend, aber es ist nur für eine Stunde. Um neun kann ich sie ins Kiddie Korner bringen.«

Hannah überlegte, ihrer Schwester mal ordentlich Bescheid zu stoßen. Schließlich war sie ebenfalls Geschäftsfrau und ihr Café kein Kindergarten. Doch ein Blick in Traceys hoffnungsvolles Gesicht ließ sie umschwenken. »Geh nur, Andrea. Tracey kann mir bei der Arbeit helfen, bis es Zeit für die Vorschule ist.«

»Danke, Hannah.« Andrea drehte sich um und ging zur Tür. »Ich wusste, ich kann auf dich zählen.«

»Darf ich dir wirklich helfen, Tante Hannah?«, fragte Tracey mit ihrer süßen Kinderstimme, und Hannah nickte lächelnd.

»Ja, das darfst du. Ich brauche jemanden als Vorkoster. Lisa hat gerade einen Haufen Schokoplätzchen gebacken, und ich muss wissen, ob sie gut genug sind, um sie den Gästen vorzusetzen.«

»Sagtest du gerade ›Schoko‹?« Andrea drehte sich noch mal um und sah Hannah stirnrunzelnd an. »Tracey darf keine Schokolade essen. Davon wird sie hyperaktiv.«

Hannah nickte, zwinkerte ihrer Nichte aber verschwörerisch zu. »Ich werde daran denken.«

»Dann bis nachher, Tracey.« Andrea blies ihrer Tochter ein Küsschen zu. »Mach deiner Tante keinen Ärger, okay?«

Tracey wartete, bis sich die Tür hinter ihrer Mutter geschlossen hatte. »Was ist hyperaktiv, Tante Hannah?«

»Das sagt man, wenn Kinder ganz viel Spaß haben.« Hannah kam hinter der Theke hervor und hob ihre Nichte vom Hocker. »Komm, mein Schatz. Gehen wir nach hinten und sehen nach, ob die Kekse schon so weit abgekühlt sind, dass du sie kosten kannst.«

Lisa schob gerade ein Blech in den Ofen, als Hannah und Tracey die Backstube betraten. Sie umarmte Tracey, gab ihr einen Keks von dem Blech, das im Gestell auskühlte, und sah Hannah fragend an. »Ron ist noch nicht hier gewesen. Ob er krank ist?«

»Dann müsste das ganz plötzlich gekommen sein.« Hannah sah zur Uhr an der Wand. Viertel nach acht. Ron war fast eine Dreiviertelstunde überfällig. »Vor zwei Stunden habe ich ihn gesehen, als ich an der Molkerei vorbeifuhr, und da schien es ihm gut zu gehen.«

»Ich habe ihn auch gesehen, Tante Hannah.« Tracey zupfte an Hannahs Ärmel.

»Wirklich? Wann war das?«

»Das Kuh-Auto ist vorbeigefahren, als ich draußen vor Mamas Büro gewartet habe. Mr LaSalle hat gewinkt und mich schief angelächelt. Und dann ist Andrea mit ihrer Mappe herausgekommen, und wir sind zu dir gefahren.«

»Andrea?« Hannah sah ihre Nichte überrascht an.

»Sie will nicht mehr, dass ich sie ›Mommy‹ nenne, weil das ein … ein Etikett ist, und das kann sie nicht leiden.« Tracey erklärte es, so gut sie konnte. »Ich soll sie Andrea nennen wie alle anderen.«

Hannah seufzte. Vielleicht sollte sie sich mit ihrer Schwester mal über Mutterpflichten unterhalten. »Bist du sicher, dass du den Milchwagen gesehen hast, Tracey?«

»Ja, Tante Hannah.« Ihre blonden Haare wippten voller Überzeugung. »Er ist an deiner Ecke abgebogen und in die Gasse gefahren. Und er hat laut geknallt, genau wie Daddys Auto. Ich wusste, dass der Knall vom Kuh-Auto kommt, weil keine anderen in der Nähe waren.«

Hannah wusste, was Tracey meinte. Bills alter Ford pfiff aus dem letzten Loch und knallte manchmal, wenn er Gas wegnahm. »Ron bastelt wahrscheinlich daran herum. Ich gehe mal nachsehen.«

»Darf ich mitkommen, Tante Hannah?«

»Bleib bei mir, Tracey«, sagte Lisa, bevor Hannah antworten konnte. »Du kannst mir helfen, indem du auf die Ladenglocke horchst und mir Bescheid sagst, wenn Gäste hereinkommen.«

Tracey fand das aufregend. »Darf ich ihnen die Kekse bringen, Lisa? Wie eine richtige Kellnerin?«

»Na klar, aber das muss unter uns bleiben. Wir wollen nicht, dass dein Dad uns einbuchtet, weil wir gegen die Kinderarbeitsschutzverordnung verstoßen.«

»Was heißt ›einbuchten‹, Lisa? Und warum würde mein Daddy das tun?«

Hannah zog sich grinsend ihre Jacke über und lauschte Lisas Erklärungen. Tracey stellte zu allem Fragen, und das trieb Andrea in den Wahnsinn. Hannah hatte ihr begreiflich machen wollen, dass Wissbegier ein Zeichen von Intelligenz war, doch Andrea hatte keine Geduld mit ihrer aufgeweckten Tochter.

Als Hannah nach draußen trat, empfing sie ein starker Windstoß, der sie fast umriss. Sie drückte die Tür hinter sich zu, beschirmte sich mit einer Hand die Augen und lief los, um in die Gasse zu schauen. Rons Lieferwagen parkte quer in der Einmündung und blockierte sie. Die Fahrertür stand halb offen, und Rons Beine hingen heraus.

Hannah nahm an, dass er sich gerade mit den Kabeln unter dem Armaturenbrett befasste. Weil sie nicht wollte, dass er hochschreckte und sich dabei den Kopf stieß, sprach sie ihn schon aus einigen Schritten Entfernung an. »Hallo, Ron. Soll ich dir vielleicht einen Abschleppwagen rufen?«

Ron gab keine Antwort. Der Wind fuhr heulend durch die Gasse und brachte die Deckel der Müllcontainer zum Klappern. Vielleicht hatte Ron sie deshalb nicht gehört. Hannah ging schneller und rief erneut, dann trat sie um die offene Tür herum und spähte in den Wagen.

Erschrocken wich sie zurück und schluckte mühsam. Ron LaSalle, der Football-Star von Lake Eden, lag reglos mit dem Gesicht nach oben auf der Sitzbank; seine weiße Kappe war in den Fußraum gefallen. Die Lieferscheine auf seinem Klemmbrett flatterten im Wind. Einer von ihren Keksbeuteln lag aufgerissen auf dem Beifahrersitz, die Chocolate Chip Crunches waren überall verstreut. Hannah riss die Augen auf, als ihr auffiel, dass er noch einen Keks in der Hand hielt.

Dann wanderte ihr Blick nach oben, und da sah sie es: das hässliche Loch in der Mitte seines Cozy-Cow-Hemdes umrandet mit Schmauchspuren. Jemand hatte Ron LaSalle erschossen.

2

Das war ganz und gar nicht die Art und Weise, wie Hannah gern neue Gäste anzog, doch dass sie Ron tot aufgefunden hatte, kam ihrem Geschäft zugute, das musste sie mit schlechtem Gewissen zugeben. Das Cookie Jar war gerammelt voll. Einige Gäste aßen ihre Kekse sogar im Stehen, und jeder wollte wissen, was ihrer Ansicht nach passiert sei. Hannah war noch immer geschockt, dass Ron LaSalle tot war – ermordet.

Hannah blickte auf, als die Ladenglocke bimmelte. Andrea kam herein. Sie sah sehr wütend aus, und Hannah seufzte.

»Wir müssen reden!« Andrea schlüpfte um den Tresen herum und nahm sie beim Arm. »Sofort!«

»Das geht jetzt nicht. Ich muss mich um meine Gäste kümmern.«

»›Gäste‹? ›Katastrophentouristen‹ trifft es wohl eher!«, raunte Andrea, den Blick auf die Leute gerichtet, die sie neugierig beobachteten. Sie bedachte sie mit einem angespannten kleinen Lächeln, bei dem sie lediglich die Mundwinkel ein wenig hochzog und das niemanden täuschen konnte. Dabei drückte sie Hannahs Arm fester. »Ruf Lisa, damit sie bedient, und mach eine Pause. Es ist wichtig!«

Hannah nickte. Ihre Schwester wirkte schrecklich aufgebracht. »Okay. Sag du ihr Bescheid, dann komme ich gleich in die Backstube.«

Der Wechsel war rasch vollzogen, und als sie nach hinten durchging, sah sie ihre Schwester auf einem Hocker am Backtisch in der Mitte sitzen. Sie starrte auf die Öfen wie auf einen schlafenden Grizzly, und Hannah war alarmiert. »Stimmt was nicht mit den Backöfen?«

»Doch, doch. Lisa meinte, die Uhr wird gleich klingeln, dann müssen die Plätzchen rausgeholt werden. Du weißt, ich kenne mich da nicht aus.«

»Ich werde die Bleche herausnehmen.« Hannah reichte ihr schmunzelnd eine Tüte Orangensaft. Ihre Schwester würde sich in einem fremden Land besser zurechtfinden als in einer Küche. Ihre kulinarischen Anstrengungen brachten nur Katastrophen hervor. Bis sie wieder arbeiten gegangen war und jemanden fürs Kochen angeheuert hatte, hatten sich die Todds von Fertiggerichten ernährt.

Hannah nahm sich zwei Topfhandschuhe, zog die Bleche aus den Öfen und schob die von Lisa vorbereiteten Haferplätzchen hinein. Danach setzte sie sich auf einen Hocker zu ihrer Schwester. »Was ist los?«

»Es geht um Tracey. Janice Cox hat mich gerade aus der Vorschule angerufen. Tracey hat dort herumerzählt, dass sie Rons Leiche gesehen hat.«

»Das ist wahr.«

»Wie konntest du nur, Hannah?!« Andrea fühlte sich sichtlich betrogen. »Tracey ist für Eindrücke empfänglich, genau wie ich. Das hinterlässt eine seelische Narbe, die sie ihr Leben lang spüren wird!«

Hannah zog die Lasche von der Safttüte und steckte den Strohhalm hinein. »Trink einen Schluck, Andrea. Du bist ganz blass. Und versuch, dich zu beruhigen.«

»Wie soll ich mich beruhigen, wenn du meine Tochter einem Mordopfer aussetzt?«

»Ich habe sie dem Anblick nicht ausgesetzt. Bill hat das getan. Und Tracey hat nur den Leichensack gesehen. Der wurde gerade in den Wagen des Coroners geladen, als Bill sie abholte, um sie zur Vorschule zu bringen.«

»Also hat sie Ron selbst gar nicht gesehen.«

»Nur wenn sie Röntgenaugen hat. Du kannst Bill fragen. Er ist noch in der Gasse und sichert den Tatort.«

»Ich rede später mit ihm.« Andrea trank einen Schluck von ihrem Orangensaft und bekam wieder ein wenig Farbe in die Wangen. »Es tut mir leid, Hannah. Ich hätte wissen müssen, dass du gut auf Tracey aufpasst. Manchmal denke ich, du bist für sie eine bessere Mutter als ich.«

Hannah verkniff sich eine Bemerkung. Das war nicht der geeignete Moment, um sie über den Umgang mit ihrer Tochter zu belehren. »Tracey liebt dich.«

»Ich weiß. Aber das Mutter-Sein ist keine meiner Begabungen. Darum bezahle ich die besten Babysitter, die ich finden kann, und gehe arbeiten. Ich dachte, wenn ich im Beruf erfolgreich bin, würden Bill und Tracey auf mich stolz sein, doch das funktioniert anscheinend nicht so, wie ich gehofft hatte.«

Hannah nickte, während ihr klar wurde, was wirklich hinter der ungewohnten Offenheit ihrer Schwester steckte. »Dein Verkauf ist fehlgeschlagen?«

»Ja. Er fand das Anwesen dann doch nicht geeignet. Und als ich anbot, ihm ein paar andere Objekte zu zeigen, wollte er nicht mal ein Foto sehen. Ich hätte den Teppichboden wirklich gern gekauft. Er sah klasse aus und hätte meinem Schlafzimmer einen ganz neuen Look verliehen.«

»Dann eben beim nächsten Mal.« Hannah lächelte sie aufmunternd an. »Du bist eine gute Maklerin.«

»Nicht gut genug, um Mr Harris zu überzeugen. Normalerweise erkenne ich schon von Weitem, wer sich Immobilien nur zum Spaß ansieht, doch allmählich glaube ich, dass er an der Peterson-Farm von Anfang an nicht wirklich interessiert war.«

Hannah stand auf und holte ihr einen von den noch warmen Chocolate Chip Crunches. Die hatte ihre Schwester immer besonders gemocht, und Hannah nahm sich vor, mit Bill zu sprechen, damit er ihr gegenüber nicht erwähnte, dass Ron gerade einen gegessen hatte, als er erschossen worden war. »Iss den, Andrea. Mit ein wenig Schokolade im Magen wird es dir besser gehen.«

»Vielleicht.« Sie biss davon ab und lächelte schon ein kleines bisschen. »Ich liebe diese Kekse. Weißt du noch, als du sie zum ersten Mal für mich gebacken hast?«

»Und ob«, antwortete Hannah erfreut. Es war ein verregneter Septembertag gewesen. Andrea war nach dem Unterricht im College geblieben, weil die Cheerleader-Prüfungen stattfanden. Da noch nie eine Schülerin im ersten Semester in die College-Mannschaft gelangt war, hatte Hannah sich für sie keine großen Chancen ausgerechnet und war nach Hause geeilt, um ihr die Kekse zu backen und Andrea über die Enttäuschung hinwegzuhelfen. Als sie den Teig ansetzen wollte, stellte sie fest, dass die Haferflockendose leer war. Als Ersatz nahm sie Cornflakes und zerdrückte sie. Die Plätzchen schmeckten köstlich, Andrea hatte es in die Cheerleader-Mannschaft geschafft, und seitdem schwärmte sie für Hannahs Chocolate Chip Crunches.

»Vielleicht hätte man wirklich nicht ahnen können, dass er nur gucken wollte.« Andrea biss seufzend in den Keks. »Er wirkte auch wie ein echter Interessent. Selbst Al Percy hielt ihn dafür. Wir mussten ihn nicht mal werben. Er ist zu uns gekommen!«

Hannah merkte, dass es ihrer Schwester guttat, sich die Enttäuschung von der Seele zu reden. »Wie lange ist das her?«

»Das war Dienstag vor drei Wochen. Das Haus gefiel ihm wirklich gut. Es wirkt so historisch, meinte er. Beim Rundgang durch die Räume war er noch mehr beeindruckt.«

»Aber du konntest ihn nicht dazu bringen, einen Preis zu nennen?«

»Genau. Angeblich musste er erst noch ein paar Details klären. Ich habe das für eine Ausrede gehalten und ihn abgeschrieben. Manche Leute scheuen sich, Nein zu sagen, und kommen mit lahmen Ausflüchten. Ich habe wirklich nicht geglaubt, noch mal von ihm zu hören, doch vorige Woche rief Mr Harris mich an und meinte, er sei noch interessiert.«

Hannah entschied, dass ein bisschen schwesterlicher Trost in Ordnung war. »Vielleicht wollte er kaufen, konnte es sich aber dann doch nicht leisten.«

»Das glaube ich nicht. Er sagte, der Preis sei nicht das Problem, sondern das Anwesen sei eigentlich doch ungeeignet. Und dann stieg er kurzerhand in seinen Leihwagen und fuhr davon.«

»Er fuhr einen Leihwagen?«

»Ja. Angeblich wollte er sich seinen Jaguar nicht auf holprigen Feldwegen beschädigen. Wer weiß, vielleicht besitzt er gar keinen Jaguar. Wenn mir noch mal ein Mann mit Toupet begegnet, werde ich ihm kein Wort glauben! Wenn einer bei seinen Haaren unehrlich ist, lügt er bei allem.«

Hannah lachte und nahm die Haferplätzchen aus dem Ofen. Als sie zum Backtisch zurückkam, war ihre Schwester aufgestanden.

»Jetzt muss ich mich aber beeilen«, erklärte Andrea. »Mutter hat mir erzählt, dass Mrs Robbins überlegt, in eines der Senioren-Apartments am See zu ziehen. Ich dachte, ich schneie auf einen Besuch bei ihr rein und sehe mal, ob sie bereit ist, mir den Verkauf ihres Hauses anzuvertrauen.«

Hannah war erleichtert. Andrea schien ihre Selbstzweifel überwunden zu haben.

»Ich gehe nur noch rasch zu Bill und frage, ob er Tracey später von der Vorschule abholen kann. Und ich sollte Mrs Robbins etwas mitbringen. Mit leeren Händen zu kommen ist kein gutnachbarliches Benehmen.«

»Nimm die. Die isst sie am liebsten.« Hannah füllte eine Plätzchentüte mit einem halben Dutzend Molasse Crackles. Die Tüten sahen wie Miniatureinkaufstaschen aus und hatten rote Henkel, und auf der Vorderseite stand in goldenen Buchstaben The Cookie Jar.

»Das ist wirklich lieb von dir.« Andrea klang dankbar. »Auch wenn ich es dir viel zu selten sage: Du bist die wunderbarste Schwester, die man sich nur wünschen kann. Ich weiß nicht, was ich getan hätte, wenn du nach Dads Tod nicht zurückgekommen wärst. Mutter war ein Nervenbündel, und Michelle wusste nicht, was sie noch mit ihr machen sollte. Ich habe versucht, mich um alles zu kümmern, doch Tracey war noch ein Baby. Das war wirklich nicht zu schaffen. Ich musste dich einfach anrufen, damit du heimkommst und uns allen aus der Krise hilfst.«

Hannah drückte sie kurz an sich. »Das war richtig von dir. Ich bin die große Schwester, und du warst praktisch frisch verheiratet. Da war es meine Pflicht zu helfen.«

»Aber manchmal habe ich deswegen ein ziemlich schlechtes Gewissen. Du hattest dein eigenes Leben und hast es für uns aufgegeben.«

Hannah drehte sich zur Seite, weil ihr plötzlich Tränen kamen und Andrea das nicht sehen sollte. Vielleicht war es ganz gut für ihre Schwester, dass der Verkauf nicht zustande gekommen war. Sie hatte sich bisher nie so dankbar gezeigt. »Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben. Ich habe nichts opfern müssen. Ich hatte sowieso schon meine Zweifel, ob Unterrichten für mich das Richtige ist, und wollte eigentlich längst etwas anderes anfangen.«

»Aber du standest kurz vor der Promotion. Du könntest jetzt Professorin an einer guten Uni sein.«

»Schon möglich«, räumte Hannah schulterzuckend ein. »Doch Plätzchenbacken macht viel mehr Spaß, als eine Vorlesung über den fünffüßigen Jambus zu halten oder eine todlangweilige Fakultätssitzung durchzustehen. Und du weißt, wie viel mir mein Café bedeutet.«

»Dann bist du hier also glücklich?«

»Ich habe ein eigenes Geschäft, eine eigene Wohnung und muss nicht mit Mutter zusammenwohnen. Was könnte besser sein?«

Andrea lächelte. »Da ist was dran, besonders an dem Teil mit Mutter. Aber wie steht es mit dem Liebesleben?«

»Nun ist es genug.« Hannah warf ihr einen warnenden Blick zu. »Wenn mir der Richtige über den Weg läuft, wunderbar. Und wenn nicht, ist es mir auch recht. Ich bin mit meinem Leben restlos zufrieden.«

»Na gut, wenn du dir sicher bist.« Andrea wirkte sehr erleichtert, als sie zur Tür ging.

»Bin ich. Viel Glück mit Mrs Robbins.«

»Das werde ich brauchen.« Andrea drehte sich noch einmal um und grinste. »Wenn sie anfängt, mit ihrem Arzt-Sohn anzugeben, wird mir schlecht.«

Hannah wusste genau, was sie meinte. Mrs Robbins war vorige Woche ins Café gekommen, voll des Lobes für Dr. Jerry Robbins. Ihrer Ansicht nach stand er kurz davor, das Heilmittel gegen Multiple Sklerose, Krebs und Schnupfen zu erfinden.

»Ich muss dir einige Fragen stellen, Hannah.« Bill kam ins Café und deutete mit dem Daumen auf die Schwingtür.

»Aber klar.« Hannah gab ihre Schürze an Lisa weiter, nahm zwei Becher starken schwarzen Kaffee mit und folgte ihrem Schwager in die Backstube. Dabei staunte sie, wie sich das braune Uniformhemd an seine breiten Schultern schmiegte. Er hatte während der Highschool Football gespielt, war nicht so berühmt gewesen wie Ron LaSalle, hatte aber der Highschool-Mannschaft zu einigen Siegen verholfen. Inzwischen war er in der Taille breiter geworden, die Folge von zu vielen Schokoladen-Donuts aus dem Supermarkt, der auf dem Weg zum Revier lag. Doch er war noch immer ein attraktiver Mann.

»Danke für den Kaffee, Hannah.« Bill ließ sich auf einem Hocker nieder und nahm den Becher in beide Hände. »Es wird allmählich kalt draußen.«

»Ich weiß. Du siehst schon ganz blau gefroren aus. Hast du etwas herausgefunden?«

»Nicht viel. Das Fahrerfenster stand offen. Ron muss angehalten und es heruntergelassen haben, um mit seinem Mörder zu sprechen.«

Hannah dachte darüber nach. »Das hätte er nicht getan, wenn er geglaubt hätte, dass er in Gefahr ist.«

»Wohl nicht«, pflichtete Bill bei. »Der Täter hat ihn also völlig überrascht.«

»Verdächtigst du jemanden?«

»Noch nicht. Und solange wir keinen Zeugen auftreiben, haben wir nur die Kugel als Indiz. Die geht gleich nach der Autopsie in die ballistische Untersuchung.«

Bei Erwähnung der Autopsie zuckte Hannah zusammen. Um sich davon abzulenken, dass Doc Knight den armen Ron würde aufschneiden müssen, fing sie von etwas anderem an. »Mir wäre es lieb, wenn du keinem erzählst, dass er einen meiner Plätzchen gegessen hat, als er starb, okay? Das könnte die Leute abschrecken, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Kein Problem.« Bill schaute belustigt, zum ersten Mal an dem Morgen. »Dein Gebäck hatte nichts mit der Sache zu tun. Ron wurde erschossen.«

»Ich wünschte, ich hätte ihn eher gefunden, Bill. Ich hätte den Rettungswagen rufen können.«

»Das hätte nichts mehr genützt. Wie es aussieht, hat ihn der Schuss ins Herz getroffen. Das weiß ich zwar erst sicher, wenn der Doc mit ihm fertig ist, aber ich glaube, Ron war sofort tot.«

»Das ist gut.« Hannah nickte und merkte dann erst, was sie gesagt hatte. »Also, das ist natürlich nicht gut, überhaupt nicht gut, doch ich bin froh, dass es wenigstens schnell vorbei war und er nicht noch leiden musste.«

Bill klappte sein Notizbuch auf. »Erzähl mir jetzt mal alles, was heute Morgen passiert ist, auch das, was dir unwichtig vorkommt.«

»Na klar.« Hannah wartete, bis er seinen Kugelschreiber gezückt hatte, dann erzählte sie alles ganz genau, von dem Moment an, als sie Ron an der Molkerei hatte stehen sehen, bis zu dem Augenblick, als sie seine Leiche entdeckt hatte. Sie konnte genau angeben, wann sie die Backstube durch die Hintertür verlassen hatte und wann sie wieder hineingegangen war, um auf dem Revier anzurufen.

»Du bist eine gute Zeugin«, lobte Bill. »Ist das alles?«

»Ich glaube, Tracey könnte ihn als Letzte lebend gesehen haben. Sie hat vor dem Immobilienbüro auf Andrea gewartet, die sich Unterlagen geholt hat, als Ron mit dem Milchwagen vorbeifuhr. Er hat ihr gewinkt und sie angelächelt, und dann hat sie ihn an meiner Ecke abbiegen sehen. Das muss kurz vor acht gewesen sein, weil Andrea und Tracey, gleich nachdem ich aufgeschlossen hatte, zu mir ins Café kamen, und …« Sie stockte und runzelte die Stirn.

»Was ist?« Bill hielt den Kuli schreibbereit. »Dir ist etwas eingefallen, oder?«

»Ja. Wenn Tracey ihn gegen acht gesehen hat, lag er bei seiner Tour schon fünfundzwanzig Minuten hinter der Zeit.«

»Woher weißt du das?«

»Er hätte um sieben Uhr fünfunddreißig bei mir sein müssen. Er beliefert die Schule und kommt anschließend hierher. Das ist seine feste Route, seit ich das Café eröffnet habe, und er ist höchstens mal eine Minute zu spät gekommen.«

»Und deshalb bist du in die Gasse gegangen, um zu sehen, wo er bleibt?«

»Nein, so war es nicht. Wir dachten, er hätte eine Panne. Tracey sagte, dass sie einen Auspuffknall gehört hat, kurz nachdem er bei mir eingebogen …« Hannah riss entsetzt die Augen auf. »Tracey hat den Schuss gehört, Bill! Sie hat ihn für einen Auspuffknall gehalten, aber das muss der Schuss gewesen sein!«

Bill kniff die Lippen zusammen, und Hannah wusste, was er in dem Moment dachte. Eine schreckliche Vorstellung, dass Tracey in der Nähe gewesen war, als der Mord passiert war. »Ich werde mal gleich zur Molkerei fahren und Max Turner sagen, was passiert ist.«

»Max ist nicht da. Ron hatte mir gestern erzählt, dass er heute früh zur Buttermakers’ Convention fahren würde. Die findet in Wisconsin statt und dauert, glaube ich, eine Woche. An deiner Stelle würde ich mit Betty Jackson sprechen, seiner Sekretärin. Sie wird wissen, wie du ihn erreichst.«

»Gute Idee.« Er trank seinen Kaffee aus und stellte den Becher hin. »Der Fall ist für mich sehr wichtig, Hannah. Ich habe letzte Woche die Detective-Prüfung bestanden, und Sheriff Grant lässt mich die Ermittlung leiten.«

»Dann wurdest du befördert?« Hannah strahlte.

»Noch nicht. Sheriff Grant muss die erst noch absegnen. Aber ich bin ziemlich sicher, das wird er, wenn ich meine Sache gut mache. Die Beförderung käme genau richtig. Ich würde dann mehr verdienen, und Andrea müsste nicht mehr arbeiten.«

»Das ist wundervoll, Bill.« Hannah freute sich für ihn.

»Du meinst, es ist nicht falsch, den Mord an Ron für einen Karrieresprung zu nutzen?« Ihr Schwager schaute sie unbehaglich an.

»Aber natürlich.« Sie schüttelte den Kopf. »Rons Mörder muss gefasst werden. Wenn du das tust und dafür befördert wirst, hast du es doch verdient.«

»Das sagst du nicht nur, damit ich mich besser fühle?«

»Ich? Ich sage nie, was ich nicht wirklich meine, jedenfalls bei wichtigen Dingen. Das solltest du inzwischen wissen!«

Bill grinste und wurde ein bisschen lockerer. »Da hast du recht. Andrea hat recht: Takt gehört nicht zu deinen Stärken.«

»Wohl wahr«, räumte sie lächelnd ein. Dennoch versetzte ihr die Bemerkung einen Stich. Ihrer Ansicht nach war sie Andrea gegenüber im Lauf der Jahre sehr taktvoll gewesen. Es hatte zahllose Gelegenheiten gegeben, da hätte sie ihr nur zu gern die Meinung gegeigt und hatte darauf verzichtet.

»Eine Sache noch, Hannah.« Bill räusperte sich. »Ich bitte dich wirklich nicht gern darum, doch die Leute unterhalten sich viel mit dir, und du kennst hier fast jeden. Wirst du mich anrufen, wenn du etwas erfährst, das ich wissen sollte?«

»Selbstverständlich.«

»Danke. Halte Augen und Ohren offen. Wenn der Mörder ein Einheimischer ist, wird er sich irgendwann verraten. Wir müssen nur entsprechend aufmerksam sein.«

Hannah nickte. Dann sah sie Bill begehrliche Blicke auf die Bleche mit den Haferplätzchen werfen und stand auf, um ihm eine Tüte zu füllen. »Iss nicht alle auf einmal auf. Du hast schon einen Rettungsring angesetzt.«

Nachdem er gegangen war, dachte sie über ihre letzte Bemerkung nach. Andrea hatte recht. Sie hatte kein Taktgefühl. Eine taktvolle Person hätte den Wulst nicht erwähnt. Es stand ihr nicht zu, ihren Schwager zu kritisieren.

Als sie durch die Schwingtür zurück ins Café ging und hinter dem Tresen ihren Platz einnahm, fiel ihr auf, dass sie noch ein schwereres Delikt begangen hatte. Sie hatte Bill versprochen, ihm bei der Aufklärung des Mordfalls zu helfen, was am Ende dazu führen könnte, dass Andrea wieder ein Hausfrauendasein führen musste.

Chocolate Chip Crunch Cookies

Den Ofen auf 190 Grad vorheizen, das Blech auf die mittlere Schiene schieben.

240 g Butter

200 g weißen Zucker

200 g braunen Zucker

2 TL Backnatron

1 TL Salz

2 TL Vanille-Extrakt

2 Eier

195 g Mehl, ungesiebt

150 g Cornflakes (mit den Händen zerdrücken)

200–300 g Schokolade, grob gehackt

Die Butter zerlassen, den Zucker zugeben und unterrühren. Die Eier mit einer Gabel schlagen und zusammen mit dem Backnatron, dem Salz und dem Vanille-Extrakt zugeben und gründlich verrühren. Dann das Mehl hinzugeben und zu einem glatten Teig verkneten. Zuletzt die Cornflakes und die Schokolade in den Teig einarbeiten.

Von dem Teig walnussgroße Mengen abstechen, zu Kugeln formen und auf ein gefettetes Backblech setzen, aber nicht mehr als 12 auf ein haushaltsübliches Blech, dann mit einem bemehlten oder eingeölten Pfannenwender leicht flach drücken.