Das Rätsel des Teekuchens - Joanne Fluke - E-Book
SONDERANGEBOT

Das Rätsel des Teekuchens E-Book

Joanne Fluke

0,0
7,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 6,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Ein Backwettbewerb mit mörderischen Folgen - Voller Vorfreude sieht Hannah Swensen dem jährlichen Backwettbewerb von Lake Eden entgegen: Dieses Jahr nimmt die Besitzerin des gemütlichen Cafés Cookie Jar zum ersten Mal als Chef-Jurorin teil! Doch dann wird ihr Mitjuror Boyd Watson plötzlich tot aufgefunden, das Gesicht in einem Teekuchen. Hatte Watson mit seiner harschen Kritik das Maß überschritten? Hannah stellt heimlich Nachforschungen an. Eine überraschende Entdeckung in Watsons Privatleben bringt sie auf eine verheißungsvolle Spur ...

"Ein raffiniert gestrickter Cozy Crime mit charmanten Figuren und köstlichen Rezepten" PUBLISHERS WEEKLY

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 379

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumWidmung1Strawberry Shortcake à la Hannah Swensen2345Apricot Bread Pudding (Aprikosenbrotpudding)6789Oatmeal Raisin Crisps1011121314Cocoa Snaps1516Hawaiian Flan171819202122Molasses Crackle Cookies232425EpilogChocolate Highlander Cookie BarsVerzeichnis der Rezepte

Über dieses Buch

Band 2 der Reihe »Hannah-Swensen-Krimi«

Ein Backwettbewerb mit mörderischen Folgen – Voller Vorfreude sieht Hannah Swensen dem jährlichen Backwettbewerb von Lake Eden entgegen: Dieses Jahr nimmt die Besitzerin des gemütlichen Cafés Cookie Jar zum ersten Mal als Chef-Jurorin teil! Doch dann wird ihr Mitjuror Boyd Watson plötzlich tot aufgefunden, das Gesicht in einem Teekuchen. Hatte Watson mit seiner harschen Kritik das Maß überschritten? Hannah stellt heimlich Nachforschungen an. Eine überraschende Entdeckung in Watsons Privatleben bringt sie auf eine verheißungsvolle Spur …

»Ein raffiniert gestrickter Cozy Crime mit charmanten Figuren und köstlichen Rezepten« PUBLISHERS WEEKLY

Über die Autorin

Joanne Fluke ist das Pseudonym einer amerikanischen Bestsellerautorin. Sie wuchs im ländlichen Minnesota auf, studierte Psychologie an der California State University, San Bernardino, und entdeckte früh ihre Passion für die Kunst des Backens und die Welt der Cozy Mysteries und schließlich auch ihr Talent fürs Schreiben. Ihre Cozy-Crime-Serie um die Bäckerin Hannah Swensen ist auf dem englischsprachigen Markt längst Kult, umfasst mittlerweile über 20 Bände, die in 13 Sprachen übersetzt wurden, regelmäßig auf den ersten Plätzen der New York Times Bestsellerliste zu finden sind und eine Gesamtauflage von 5,5 Millionen Exemplaren erreichten. Außerdem wurden fünf ihrer Romane für das Fernsehen verfilmt und unter anderem auf Deutsch synchronisiert. Die Leser:innen lieben die Romane der Queen of Culinary Mystery wegen ihrer lebensechten Figuren und der Wohlfühlatmosphäre rund um Hannah Swensens Café in der fiktiven Kleinstadt Lake Eden. Joanne Fluke lebt mit ihrer Familie in Südkalifornien.

Kriminalroman

Aus dem Englischen von Angela Koonen

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Deutsche Erstausgabe

Für die Originalausgabe:

Copyright © 2001 by Joanne Fluke

Titel der englischen Originalausgabe: »Strawberry Shortcake Murder«

Originalverlag: Kensington Publishing Corp., New York

Published by Arrangement withKensington Publishing Corp., New York, NY 10018 USA

Für die deutschsprachige Ausgabe:

Copyright © 2022 by Bastei Lübbe AG, Köln

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30161 Hannover

Titelillustration: © IvancoVlad/iStock/Getty Images Plus; GordonBellPhotography/iStock/Getty Images Plus; terng99/iStock/Getty Images Plus; Selin Aydogan/shutterstock; stock_studio/shutterstock; Kachergina/shutterstock; New Africa/AdobeStock; laperla_foto/iStock/Getty Images Plus

Umschlaggestaltung: Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-0999-6

luebbe.de

lesejury.de

Für meine KinderIhr habt um eure Lieblingsrezepte gebeten.Hier habt ihr sie in Romanform.

1

Hannah Swensen fuhr aus dem Schlaf hoch. Da hatte etwas geklirrt! Es war mitten in der Nacht, sie lebte allein, und in ihrer Wohnung war jemand. Sie packte das Erstbeste, das in Reichweite lag, und hatte ihr Daunenkissen in der Hand – keine effektive Waffe, wie ihr schläfriger Verstand leicht verzögert erfasste. Sie sollte erst mal richtig wach werden, bevor sie zur Tat schritt. Ein zweites Geräusch kam aus Richtung Küche. Der Einbrecher schleifte offenbar etwas über den Linoleumboden.

Sie spähte mit klopfendem Herzen in die Dunkelheit, sah aber nur die Umrisse des Fensters. Wenn sie die Nachttischlampe einschaltete, würde sie sich zu einem sichtbaren Ziel machen. Das schied also aus. Leise verließ sie ihr warmes Bett, um sich den Baseballschläger aus der Schlafzimmerecke zu nehmen. Da lehnte er seit jener Nacht, als sie angenommen hatte, Ron LaSalles Mörder (der sich später als Mörderin entpuppte) stünde vor ihrem Haus. Zum Glück konnte der es nicht sein, da er hinter Gittern saß.

Die Geräusche aus der Küche setzten sich fort. Den Schläger in beiden Händen, schlich Hannah den Flur hinunter. Ein nicht ganz so mutiger Mensch hätte von dem Nebenapparat im Schlafzimmer den Notruf gewählt. Doch bei der Vorstellung, dass jemand bei ihr eingedrungen war, sah sie rot. Auf keinen Fall würde sie sich im Schrank verstecken und warten, bis die Polizei kam. Außerdem war sie dem Einbrecher gegenüber im Vorteil: Sie kannte jeden Quadratzentimeter der Wohnung, und sie lief mit nackten Füßen geräuschlos über den dicken Teppichboden, während der Einbrecher Lärm machte. Mit etwas Glück und einer besseren Schlagtechnik als zu ihrer Zeit in der Little League würde sie dem Kerl eins überbraten, bevor der wusste, wie ihm geschah.

Das Zwielicht, das durch die Lamellenjalousie am Küchenfenster drang, zeigte ihr keine dunkle Gestalt, die sich an die Wand drückte, keinen bedrohlichen Kerl, der sich unter den Tisch duckte. Stattdessen hörte sie, als sie in den Durchgang trat, unablässige Kaugeräusche. Was für ein Einbrecher würde sich die Zeit für einen Mitternachtssnack nehmen? Schlagbereit schlich Hannah zwei Schritte weiter in die Küche und atmete auf, weil zwei gelbe Augen in Bodennähe sie erschrocken anblickten. Moishe. Sie hätte die Katzenminze nicht auf dem Küchentresen stehen lassen dürfen.

Hannah trat den Rückzug an und ließ ihren orange-weißen Kater genüsslich kauen. Mit Moishe zu schimpfen hatte keinen Sinn. Der Schaden war angerichtet, und er würde ihren Tadel einfach ignorieren. So waren Katzen nun einmal, das hatte sie lernen müssen. Sie würde die Schweinerei später aufwischen.

Als der Wecker klingelte, kam es ihr vor, als wäre sie gerade erst wieder ins Bett gestiegen und hätte die Augen geschlossen. Blinzelnd sah sie auf die Uhr. Sechs. Sie fluchte noch kräftiger als sonst und streckte den Arm aus dem Bett, um den Weckalarm aus- und die Lampe einzuschalten. Herzhaft gähnend rieb sie sich den Nacken. Moishe war wieder bei ihr im Bett und hockte laut schnurrend auf ihrem Kissen. Kein Wunder, dass ihr Nacken steif geworden war. Er hatte wieder ihr bestes Kissen mit Beschlag belegt.

Schwer seufzend begann sie, sich mental auf die tausend Dinge einzustellen, die sie heute zu erledigen hatte. Am vergangenen Abend war es spät geworden. Mike Kingston, der neue Supervisor der Detectives im Polizeirevier des Sheriffs vom Winnetka County, hatte sie zu der Party im Lake Eden Inn mitgenommen, und sie war erst nach Mitternacht nach Hause gekommen.

»Rutsch rüber, Moishe.« Sie schob den schändlichen Kater ein Stück hinüber, um ihr Kissen wieder in Besitz zu nehmen, schlüpfte in die Schaffellmokassins und begab sich in die Küche. Um diese Uhrzeit war Kaffee für sie unverzichtbar, und dank der Zeitschaltuhr an der Kaffeemaschine war er bereits fertig.

Es war Dezember in Minnesota, deshalb sah der Morgenhimmel wie der Nachthimmel aus. Der Tag würde erst in anderthalb Stunden anbrechen. Gerade hatte Hannah die Leuchtstoffröhren eingeschaltet, die der Küche die Atmosphäre eines Operationssaals gaben, da klingelte auch schon das Telefon. Kein normaler Mensch rief derart früh an, und Hannah stöhnte, als sie zum Hörer griff. »Guten Morgen, Mutter.«

Selbstverständlich wollte Delores Swensen alles über ihr Date mit Mike erfahren. Hannah gab ihr eine Kurzfassung in wenigen Sätzen, während sie sich einen Kaffee eingoss und die ersten brühheißen Schlucke trank. Was war ein bisschen Schmerz verglichen mit der Wohltat von Koffein?

Mike sei mit ihr zum Lake Eden Inn gefahren, berichtete sie. Sie hätten vom Buffet gegessen, zusammen mit den Kandidaten des Hartland-Flour-Backwettbewerbs, hätten sich die Rede von Clayton Hart angehört, dem Eigentümer von Hartland Flour, und seien später zur Backstube gefahren, um den Teig für die heutige Backshow herzustellen. Mehr gebe es nicht zu erzählen. »Das ist alles, Mutter. Mike war sehr nett, und ich hatte einen schönen Abend.«

Sie klemmte sich den Hörer unters Ohr und nahm sich den Besen, um Erde und Tonscherben aufzukehren. Von der Katzenminze waren nur noch die Stümpfe übrig. Die Blätter hatte Moishe allesamt gefressen. Danach öffnete sie eine neue Packung Trockenfutter für den Kater, der ihr hartnäckig und geradezu unsanft um die Knöchel strich, und antwortete auf die Frage ihrer Mutter. »Nein, Mike hat nicht übers Heiraten gesprochen. Das Thema kam nicht auf.«

Augenrollend schüttete sie Futter in den Garfield-Napf, den sie im Secondhandladen erstanden hatte. Nach Delores’ Ansicht gab sich eine Frau, die mit fast dreißig Jahren noch ledig war, nur nicht genug Mühe. Hannah war prinzipiell und erst recht in ihrem persönlichen Fall anderer Meinung. Sie wollte gegenwärtig nicht heiraten und war sich nicht mal sicher, ob sich das je ändern würde.

»Hör zu, Mutter …« Bewusst nahm sie die Anstrengung auf sich, einen freundlichen Ton zu wahren. »Es ist nichts falsch daran, Single zu sein. Ich führe ein erfolgreiches Geschäft, habe eine Eigentumswohnung und viele Freunde. Kannst du kurz dranbleiben? Ich muss Moishe frisches Wasser geben.«

Sie legte den Hörer auf den Tresen, drehte den Wasserhahn auf, füllte den Napf bis fast zum Rand und stellte ihn neben die Futterschüssel. Dabei flüsterte sie Moishe zu: »Gleich fängt sie mit dem Baby-Thema an. Am besten schreite ich sofort ein.«

»Es ist nicht so, dass mir der Kinderwunsch unter den Nägeln brennt, Mutter.« Sie klemmte sich den Hörer wieder unters Ohr. »Ich habe Tracey und sehe sie fast jeden Tag. Neben dem Geschäft und dem Catering hätte ich sowieso keine Zeit, um Mutter zu sein.«

Delores brachte ihre gewohnten Argumente vor. Hannah hörte nur mit halbem Ohr zu, während sie sich den zweiten Kaffee eingoss. Dieselbe alte Leier. Ihre Nichte Tracey könne kein eigenes Kind ersetzen, Hannah wisse nicht, was ihr entging, und es sei eine unvergleichliche Freude, sein eigenes Baby im Arm zu halten. Als Delores zu der Stelle mit der tickenden biologischen Uhr kam, schaute Hannah zu ihrer apfelförmigen Küchenuhr, auch eine Anschaffung aus dem Secondhandladen. Es war Zeit, die Unterhaltung zu beenden, und das würde schwierig werden. Delores ließ sich nicht gern bei einem ihrer Vorträge unterbrechen.

»Ich muss mich beeilen, Mutter. Ich habe zugesagt, in einer knappen Stunde in der Schule zu sein.«

Damit ließ sich Delores jedoch nicht von ihrem Zweck abbringen. Sie musste unbedingt noch einmal vor Mike Kingston warnen, denn sie glaube nicht, dass er an Heirat interessiert war. Hannah war gezwungen, der Einschätzung zuzustimmen. Mikes Frau war vor zwei Jahren getötet worden, und Hannah wusste, dass er es nicht eilig hatte, wieder zu heiraten.

Daraufhin fing Delores von Norman Rhodes an, dem ledigen Zahnarzt von Lake Eden, und Hannah seufzte ungehalten. Ihre Mutter hatte sich mit Carrie verbündet, Normans Mutter, die sie ebenfalls zusammenbringen wollte, seit Norman in die Stadt gezogen war und die Praxis seines Vaters übernommen hatte.

»Ich weiß, du bist mit Carrie befreundet, aber ihr macht mehr daraus, als es ist«, erwiderte Hannah hastig, bevor Delores wieder ihr Loblied auf Normans Tugenden anstimmen konnte. »Ich mag ihn. Er ist nett und intelligent, und er hat einen großartigen Humor. Doch wir sind nur gute Freunde. Mehr ist da nicht.«

Delores war trotzdem noch nicht fertig. Deshalb griff Hannah zu einem Trick, den sie von ihrer jüngeren Schwester gelernt hatte. Sie drückte ein paar Mal auf den Tasten herum und sagte: »Ich glaube, die Leitung ist gerade gestört. Falls das Gespräch gleich unterbrochen wird, rufe ich dich später zurück, wenn ich im Laden angekommen bin.« Nach ein paar weiteren Worten legte sie mitten im Satz auf.

Eine Minute lang starrte sie auf den Apparat. Es klingelte nicht wieder, und sie lächelte zufrieden. Ein super Trick. Niemand wird Absicht vermuten, hatte Andrea beteuert.

Zwanzig Minuten später war Hannah frisch geduscht und zog sich eine Jeans an, die inzwischen ein bisschen zu eng saß, und dazu den beigefarbenen Pullover mit der roten Aufschrift GOTCOOKIES?. Sie trug sehr gern Rot, hatte aber noch keine Schattierung gefunden, die sich nicht mit ihrer Haarfarbe biss.

Nachdem sie Moishes Futternapf nachgefüllt und ihm ein paar Leckerli zugeworfen hatte, die angeblich aus echtem Lachs hergestellt waren, eilte sie die Treppe zur Tiefgarage hinunter und stieg in ihren paradiesapfelroten Suburban. Vor zwei Jahren hatte sie ihn zur Geschäftsgründung gekauft und von einem örtlichen Schildermaler den Namen ihres Geschäfts, The Cookie Jar, in goldenen Buchstaben auf die Türen malen lassen, sodass der Wagen eine mobile Werbeanzeige darstellte. Jedenfalls behauptete das Lake Edens einziger Steuerberater, Stan Kramer, dessen Dienste sie in Anspruch nahm.

Hannah wollte gerade aus der Parkbucht zurücksetzen, da hörte sie jemanden rufen. Phil Plotnik, ein Nachbar aus der Etage unter ihr, winkte mit beiden Armen, zeigte auf ihre vordere Stoßstange und bedeutete ihr, stehen zu bleiben. Dann ging er zu den Steckdosen an der Garagenwand und zog den Stecker ihres Zuheizers heraus. Er wickelte ihr sogar das Kabel um die Stoßstange, und Hannah nickte ihm dankend zu. Jeden Winter riss sie ein, zwei solcher Kabel kaputt, bevor sie sich wieder daran gewöhnt hatte, den Wagen vor dem Losfahren auszustöpseln. Dank Phil hatte sie nun das Geld für eine Ersatzanschaffung gespart.

Es schneite nicht, als sie die Rampe heraufkam und in die eisige Dunkelheit hinausfuhr, aber der Wind peitschte den in der Nacht gefallenen Schnee vom Boden hoch. Als sie ihr Fenster herunterkurbelte, um an der Grundstücksausfahrt mit der elektronischen Karte die Schranke zu heben, pfiff die eisige Luft in den Wagen. Schaudernd klappte sie den Pelzkragen ihres Parkas hoch. Es waren bestimmt fünf Grad unter null.

Die Heizung erbrachte den ersehnten heißen Luftstrom erst, als sie nach Norden auf die Old Lake Road abbog. Es würde noch volle fünf Minuten dauern, bis sich der große Innenraum erwärmt hatte, und deshalb ließ sie den Kragen hochgeklappt. Aber sie zog die Lederhandschuhe aus und griff hinter sich nach einem Beutel Plätzchen.

Ware vom Vortag bot sie nicht zum Verkauf an, und diese Plätzchen waren gestern übrig geblieben. Wenn sie den Laden abends zuschloss, packte sie sie in Tüten ab und legte sie auf den Rücksitz. Sie landeten nie im Abfall. Ihre Großzügigkeit war in Lake Eden allseits bekannt. Die kleineren Kinder nannten sie die »Cookie Lady« und strahlten, wenn sie mit ihrem Wagen anhielt und Gebäck verschenkte. Ein verschenktes Plätzchen konnte einen Kauf nach sich ziehen, besonders wenn ein Kind nach Hause lief und lautstark darum bettelte, Mom solle zum Cookie Jar gehen und Nachschub besorgen.

Hannah aß ein Old Fashioned Sugar Cookie, während sie sich der Molkerei näherte und an der Ampel Ecke Old Lake Road und Dairy Avenue anhielt. Pete Nunke stand an seinem Lieferwagen und prüfte die Bestellungen unter den hellen Lampen an der Laderampe, und Hannah hupte zum Gruß, als die Ampel auf Grün sprang und sie vorbeifuhr. Pete machte seinen Job gut, aber sie vermisste Ron LaSalle noch immer.

Zehn Minuten später bog sie auf den Parkplatz der Jordan High ein. Es war sieben Uhr, noch viel zu früh für Lehrer und Schüler, sodass sie einen Parkplatz direkt vor der Aula bekam. Über der Doppeltür hing ein grünes Spruchband, das die Schule zum Schauplatz des Hartland-Flour-Backwettbewerbs erklärte.

»Guten Morgen, Hannah.« Herb Beeseman, Lake Edens Marshall und einziger Gesetzeshüter auf der Gehaltsliste der Stadt, grüßte sie lächelnd, als sie durch die Tür kam. »Pünktlich auf die Minute.«

Hannah erwiderte das Lächeln und gab ihm einen kleinen Beutel mit Plätzchen aus dem Wagen. »Ich trage praktisch Eulen nach Athen, doch das sind Ihre Lieblingskekse, Molasses Crackle Cookies.«

»Eulen nach Athen?« Herb schaute zuerst ratlos drein, dann lachte er. »Hab’s kapiert. Sie meinen, die Kandidaten werden mich als Verkoster engagieren wollen?«

»Würde mich nicht überraschen. Schließlich sind Sie der Einzige hier.«

»Das stimmt.« Herb machte ein erfreutes Gesicht. »Ich muss auf meinem Posten bleiben, aber Mr Hart sagt, Sie können reingehen. Ich habe Ihnen schon Licht gemacht.«

Hannah war überrascht, als sie durch die nächste Tür eintrat. Sie hatte die Jordan High absolviert und war unzählige Male in der Aula gewesen. Heute sah die jedoch vollkommen anders aus. Auf der Bühne, die für Theateraufführungen und andere Events genutzt wurde, hatte man vier Küchen aufgebaut, mit hüfthohen Trennwänden dazwischen. Elektrische Kabel und Wasserleitungen verliefen in Rohren unterhalb der Küchenzeilen und würden sich nach dem Ende des Wettbewerbs leicht entfernen lassen. Der Bühnenboden durfte nicht beschädigt werden. Das war eine der Bedingungen, die Direktor Purvis gestellt hatte.

Nachdem Hannah die Stufen zur Bühne hochgestiegen war, begutachtete sie die einzelnen Küchen. Sie waren mit nagelneuen Elektrogeräten und Spülbecken ausgestattet und völlig identisch. Die Kühlschränke brummten leise, die Herdplatten und Küchenutensilien glänzten. Nach Ende des Wettbewerbs, wenn der Sieger gekürt war, würde Mr Hart die Ausrüstung der Schule für den Hauswirtschaftsunterricht spenden. Er hatte auch versprochen, die Cafeteria und die Schulküche im Laufe des Sommers zu renovieren. Deshalb pries Edna Ferguson, die Chefköchin der Schule, ihn in der ganzen Stadt.

Es dauerte eine Weile, die Geräte und Utensilien zu prüfen. Als Vorsitzende der fünfköpfigen Jury musste Hannah sicherstellen, dass die Küchen in jeder Hinsicht gleich waren und alles funktionierte. Nachdem sie sich davon überzeugt hatte, verabschiedete sie sich von Herb und eilte zurück zum Wagen. Es war nun halb acht. Gleich würde sie zusammen mit ihrer Angestellten Lisa Herman alles für die morgendliche Kundschaft vorbereiten, die schon vor dem Laden stand, wenn sie um acht Uhr öffneten.

Als sie hinter dem Haus an der Backstube den Suburban abstellte, parkte Lisas alter Wagen auf dem Platz neben ihr. Die Windschutzscheibe war dick vereist. Es dauerte zwei Stunden, bis sich solch eine Schicht gebildet hatte. Lisa Herman musste am Morgen sehr früh zur Arbeit gekommen sein.

Lisa zog gerade zwei Bleche aus dem Ofen, als Hannah die Backstube betrat, schob sie in das Abkühlgestell und wischte sich die Hände an dem Handtuch ab, das sie um das Schürzenband geschlungen hatte. An Hannah war die Schürze etwas länger als knielang, aber Lisa war zierlich und musste sie an der Taille in eine Querfalte legen, damit sie beim Gehen nicht auf den Saum trat. »Hi, Hannah. Hast du daran gedacht, den Zuheizer einzustöpseln?«

»Na klar. Wie lange bist du schon hier?«

»Seit fünf. Ich dachte, du wirst bestimmt mit den Kandidaten beschäftigt sein und wollte bis acht alles fertig haben. Die Plätzchen sind gebacken, und der Kaffee ist gebrüht, falls du welchen möchtest.«

»Danke. Ich könnte einen gebrauchen.« Hannah hängte den Parka an einen der Wandhaken und ging zu der Schwingtür, die in den Verkaufsraum führte. Dabei fiel ihr die Katzenminze ein, die Lisa ihr für Moishe mitgegeben hatte, und sie kehrte um. »Moishe hat sich sehr über deine Katzenminze gefreut. Er hat den Topf heute Nacht kahl gefressen.«

»Hast du ihn etwa stehen gelassen, wo er leicht herankommen konnte?«

»Ja. Mein Fehler.« Hannah beschloss, nicht zu erzählen, dass sie mit dem Baseballschläger bewaffnet im Dunkeln den Flur entlanggeschlichen war. »Was machen die Erdbeeren? Sind sie reif, oder soll ich für heute Abend tiefgekühlte nehmen?«

»Sie sind reif. Jetzt, da ich weiß, wie es geht, werde ich jeden Winter Erdbeeren ziehen. Sie liegen im Kühlraum in einer Schüssel, falls du eine kosten willst.«

Hannah lehnte dankend ab. »Ich bin nur gegen eines allergisch, und das sind Erdbeeren. Das Gewächshaus bringt also etwas?«

»Zumindest Erdbeeren und Tomaten. Mehr baue ich dieses Jahr nicht an. Dad isst für sein Leben gern Sandwiches mit Speck, Salat und Tomate und weiß nicht mehr, dass man im Winter nicht wirklich aromatische Tomaten kaufen kann.«

»Es ist nett von dir, dass du das extra für ihn tust.« Hannah ging zur Kaffeemaschine. Jack Herman litt an Alzheimer, und Lisa hatte ihr College-Studium aufgegeben, für das sie ein Stipendium erhalten hatte, um sich zu Hause um ihn zu kümmern. Es war schade um ihre Chancen, aber Lisa hatte sich so entschieden und bereute das auch nicht.

Hannah schaltete die altmodischen Deckenlampen ein, zapfte sich an der großen Kaffeemaschine hinter der Ladentheke einen Kaffee und ging wieder in die Backstube, um die Kuchen zu prüfen, die sie vor zwei Tagen gebacken hatte. Es waren vier Stück, eingewickelt in Plastik- und in Alufolie. Sie nahm sich ein scharfes Messer und ging in den Kühlraum, um zwei dünne Scheiben vom Testkuchen abzuschneiden. Anschließend wickelte sie ihn wieder ein und brachte eine der beiden Kostproben zu Lisa, die auf einem Hocker an der Arbeitsinsel saß.

»Ich liebe Kuchen zum Frühstück. Dabei fühle ich mich reich.« Lisa biss ab und kaute genießerisch. »Schmeckt wunderbar, Hannah. Wie findest du ihn?«

Hannah kostete und nickte. »Besser kann er nicht werden. Ihn zwei Tage ruhen zu lassen ist genau richtig.«

»Frisch war er schon großartig, aber jetzt ist er noch besser. Schmeckt fast wie Käsekuchen ohne Käse.«

Hannah war zufrieden mit Lisas Urteil. Der Teekuchen für den Strawberry Shortcake, den sie am Abend vor laufender Kamera fertigstellen würde, war nahezu perfekt. »Du sprichst auf die Dichte an. Der Teig wird umso schwerer, je länger er durchkühlt.«

»Der wird bei den Nachrichtensprechern ein Riesenhit, wart’s nur ab.« Lisa aß den letzten Bissen ihres Stücks und stand auf. »Es ist so weit, Hannah. Soll ich aufschließen gehen?«

»Das übernehme ich. Du kannst die Plätzchen für die Weihnachtsfeier des Dorcas Circle verzieren.«

Hannah ging nach vorn in den Laden. Es machte sie noch ein wenig nervös, dass sie am Abend im Fernsehen auftreten würde. Das war Mr Harts Idee gewesen, und jeder in der Stadt, einschließlich Hannah, wollte Mr Hart gefällig sein. Denn das war der erste Backwettbewerb seines Unternehmens, und alle hofften, dass er von nun an alljährlich im Ort stattfinden würde.

Der Backwettbewerb hatte Lake Eden nämlich aus dem Winterschlaf geholt. Die Einwohnerschaft, die am Ende des Sommers schrumpfte, weil die Großstädter ihre Hütten am See verließen, war mit dem Eintreffen der Kandidaten, ihrer Familien und der Zuschauer wieder gestiegen.

Sally und Dick Laughlin, denen das Lake Eden Inn gehörte, waren hocherfreut, außerhalb der Saison ein volles Haus zu haben, und fast jedes Geschäft in Lake Eden verzeichnete einen Zustrom neuer Kundschaft. Der Ort boomte, während man sonst um diese Jahreszeit nur knapp über die Runden kam.

Mr Hart hatte für alle anfallenden Aufgaben Einheimische beauftragt, vom Tischler über den Installateur bis zum Platzanweiser für die Aula. Der Bürgermeister hatte Hannah am vergangenen Tag noch angerufen und seiner Hoffnung Ausdruck verliehen, Mr Hart möge den Backwettbewerb auch weiterhin in Lake Eden veranstalten.

Um für das viertägige Event mehr Publikum anzuziehen, sollte Hannah während der Lokalnachrichten von KCOW, die vor Ort in der Aula auf Sendung gehen würden, live im Hintergrund Desserts zubereiten. Mason Kimball, der KCOW-Produzent, der auch in Lake Eden lebte, hatte Hannah geraten, etwas Farbiges zu backen, zum Beispiel einen Kuchen mit Erdbeeren.

Hannah hatte seinen Vorschlag aufgegriffen und sich für einen Strawberry Shortcake entschieden. Natürlich war die Sendezeit zu kurz, als dass sie den Teig im Studio zubereiten und backen könnte. Vielmehr würde sie den Teig für den Teekuchen vor der Kamera herstellen, in die Form füllen und in einen Ofen schieben, der jedoch kalt bleiben würde. Dann würde sie einen der Kuchen, die sie in ihrer Backstube gebacken hatte, vor der Kamera garnieren und den Nachrichtensprechern servieren. Gleichzeitig würde auf dem Bildschirm eine Telefonnummer für die Zuschauer eingeblendet werden, damit sie beim Sender anrufen und das Rezept erbitten konnten. Aus der Anzahl der Anrufer würden man schließen können, wie viele Leute sich die Sendung ansahen.

Kurz nachdem sie das Schild an der Tür auf Geöffnet gedreht hatte, klingelte das Telefon. Hannah wusste, dass Lisa den Anruf in der Backstube annehmen würde, und schloss die Tür auf, um die wartenden Kunden hereinzulassen.

Die Ersten in der Schlange waren ihr Schwager Bill Todd und Supervisor Mike Kingston. Hinter ihnen standen Mr Hart und Mason Kimball sowie ihre Schwester Andrea und Tracey, deren vierjährige Tochter. Andrea hatte sich die blonden Haare zu einem kunstvollen Knoten geschlungen und trug ein schickes dunkelblaues Kostüm, das sie einen Wochenlohn gekostet haben musste. Sie sah aus, als wäre sie gerade einem Magazin für exklusive Businessmode entstiegen.

Hannah empfand einen Anflug von Neid, überspielte ihn aber rasch mit einem herzlichen Lächeln. Sie hatte, was die äußere Erscheinung anging, noch nie mit Andrea mithalten können und versuchte es auch gar nicht mehr. Das hatte sie schon aufgegeben, als sie noch zusammen zur Highschool gegangen waren. Andrea und ihre jüngste Schwester Michelle glichen ihrer Mutter, die noch immer eine auffallende Schönheit war.

Hannah hatte als Einzige den schlaksigen hohen Wuchs und die krausen roten Haare ihres Vaters geerbt. Zum Glück hatte Tracey die Schönheitsgene ihrer Mutter abbekommen und war eine Miniaturausgabe von Andrea, bis hin zu den glänzenden blonden Haaren.

Als Allererstes setzte Hannah ihre liebste und einzige Nichte auf einen Hocker und versorgte sie mit Milch und Keksen, denn Tracey hatte für sie oberste Priorität. Dann erst wandte sie sich den anderen Kunden zu. Sie führte gerade die erste Bestellung aus, als Lisa durch die Schwingtür kam. Hannah servierte Mr Hart einen schwarzen Kaffee und die Regency Ginger Crisps und drehte sich zu ihr um. »Ist etwas nicht in Ordnung?«

»Sieht ganz so aus.« Lisa senkte die Stimme, damit die anderen sie nicht verstehen konnten. »Norman Rhodes ist am Telefon. Er sagt, es ist ein Notfall. Geh nach hinten, ich kann dich hier ablösen.«

Hannah trat zur Seite, um sie vorbeizulassen, und eilte in die Backstube. Norman war ein nüchterner Mensch, überhaupt nicht der Typ, der leichtfertig von einem »Notfall« sprach.

Lisa hatte den Hörer des Wandtelefons runterhängen lassen, und Hannah holte tief Luft, bevor sie ihn nahm. »Hallo, Norman. Lisa meint, es gibt einen Notfall?«

»Mr Rutlege kam mit einem schmerzenden Backenzahn zu mir, und jetzt habe ich eine schlechte Nachricht für dich.« Norman klang sehr besorgt.

Hannah schossen unheilvolle Bilder durch den Kopf. Norman wusste, dass sie Bill geholfen hatte, zwei Mordfälle aufzuklären, und im Umgang mit dem gewaltsamen Tod kein Neuling war. War Mr Rutlege etwa auf dem Zahnarztstuhl gestorben? Und wer war er eigentlich? Der Name kam ihr vage bekannt vor, aber sie konnte ihn nicht einordnen. »Wer ist Mr Rutlege?«

»Du musst ihm gestern Abend im Lake Eden Inn begegnet sein. Er ist groß und dünn und hat graue Haare, erinnert mich an Ricardo Montalbán.«

Sie hatte im Lake Eden Inn Dutzende fremder Leute gesehen. Die Namen wusste sie nicht mehr, konnte sich aber noch an den älteren Herrn erinnern, den Norman beschrieb. Er gehörte zur Jury. »Was ist mit ihm passiert?«

»Es begann als simple Extraktion, da der Zahn nicht mehr zu retten war. Aber er hat auf das Betäubungsmittel allergisch reagiert, und zu allem Übel musste ich feststellen, dass seine Blutgerinnung gestört war.«

Hannahs Faust schloss sich um den Hörer. »Er ist doch nicht … tot?«

»Tot?« Norman klang bestürzt. »Natürlich nicht. Aber er kann bei dem Wettbewerb nicht mitwirken. Er wird eine Woche lang nur pürierte Nahrung zu sich nehmen können.«

Strawberry Shortcake à la Hannah Swensen

Für 12 Personen

(oder 6, wenn jeder ein zweites Stück möchte)

Für dieses Dessert brauchen Sie einen Teekuchen, drei Packungen reife Erdbeeren und Hannahs geschlagene Crème fraîche (sagen Sie »kräm fräsch«, und jeder denkt, Sie könnten Französisch).

Teekuchen*

Den Ofen auf 165 °C vorheizen.

320 g weiche Butter

400 g weißer Zucker

4 Eier

225 g Sauerrahm (für einen leichteren Teig können Sie auch Joghurt verwenden)

½ TL Backpulver

1 TL Vanille-Extrakt

240 g Mehl (nicht sieben)

* Der Teig muss 48 Stunden durchkühlen. Bereiten Sie ihn zwei Tage vor dem Servieren zu. Sie können ihn auch backen, abkühlen lassen, in Frischhalte- und Alufolie einwickeln und einfrieren, bis er gebraucht wird. Dieses Rezept ergibt zwei Kuchen für je 6 Personen.

Zwei runde Springformen mit Butter einfetten und bemehlen. (Verwenden Sie kein Backspray – das wird nicht funktionieren.)

Die Butter und den Zucker in einer Schüssel mit dem Handmixer schaumig schlagen. (Sie können den Teig auch mit dem Backlöffel anrühren, aber das erfordert Muskelkraft.) Die Eier nach und nach zugeben und schlagen, bis die Masse glatt und schaumig ist. Dann Sauerrahm, Backpulver und Vanille hinzufügen und verrühren. Anschließend das Mehl in zwei Portionen zugeben und rühren, bis der Teig glatt und frei von Klümpchen ist.

Den Teig in die Springformen füllen und bei 165 °C 45 bis 50 Minuten backen. (Der Kuchen sollte goldbraun sein.)

In der Form 20 Minuten abkühlen lassen. Mit einem Messer vom Rand der Springform lösen und aufs Abkühlgitter setzen.

Wenn er völlig ausgekühlt ist, in Frischhalte- und dann in Alufolie einwickeln und für 48 Stunden in den Kühlschrank stellen. Eine Stunde vor dem Servieren herausnehmen, aber erst auswickeln, wenn Sie ihn mit Erdbeeren und Sahne anrichten.

Die Erdbeeren

(einige Stunden vor dem Servieren zubereiten)

Die Erdbeeren waschen und die Stiele entfernen. (Am einfachsten ist es, den obersten Teil der Früchte abzuschneiden.) Die zwölf größten und schönsten Erdbeeren im Ganzen beiseitestellen, um sie später zum Garnieren zu verwenden. Die übrigen in Stücke schneiden und zuckern, falls sie zu sauer sind, dann zugedeckt kalt stellen.

Hannahs geschlagene Crème fraîche

(Sie bleibt mehrere Stunden fest. Sie können sie entsprechend eher zubereiten und kühl stellen.)

½ Liter Schlagsahne (mindestens 30 % Fett)

100 g weißer Zucker

110 g Sauerrahm (Sie können ihn durch Joghurt ersetzen, aber dann bleibt die Masse nicht so lange steif, und Sie müssen sie direkt vor dem Servieren zubereiten)

100 g brauner Zucker (zum Bestreuen, wenn Sie das Dessert anrichten)

Die Sahne mit dem weißen Zucker steif schlagen. Wenn feste Spitzen stehen bleiben, ziehen Sie den Sauerrahm unter. Das können Sie mit dem Löffel oder mit dem Handmixer auf kleinster Stufe tun.

Anrichten

Die Teekuchen in je 6 Stücke schneiden und auf Dessertteller verteilen. Die klein geschnittenen Erdbeeren daraufhäufen, einen großen Löffel von Hannahs Crème fraîche dazugeben und mit braunem Zucker bestreuen. Zuletzt mit einer ganzen Erdbeere garnieren. Servieren und überschwängliches Lob einstreichen.

Das Dessert habe ich für Norman, Carrie und Delores zubereitet und nur einen Teekuchen verwendet, den anderen eingefroren – das Crème-fraîche-Rezept halbiert und nur zwei Packungen Erdbeeren verarbeitet.

2

Hannah gab Zucker zur Sahne und schaltete den Handmixer ein, um sie während des Wetterberichtes steif zu schlagen. Hoffentlich wird sie fest, dachte sie, denn unter den Scheinwerfern war es heiß. Aber es gelang, und als beim Herausziehen der Quirle Sahnespitzen stehen blieben, hob sie den Sauerrahm unter. Der fügte nicht nur eine Geschmackskomponente hinzu, sondern trug auch zur Festigkeit der süßen Sahne bei. Hannah war im Begriff, den Finger einzutauchen und zu kosten, da fiel ihr ein, dass eine Kamera auf sie gerichtet war, und sie griff nach einem Teelöffel. Anschließend schöpfte sie eine Kelle voll von Lisas Erdbeeren und eine großzügige Portion selbst gemachte Crème fraîche auf das Stück Teekuchen, legte eine ganze Erdbeere obendrauf und bestreute alles mit braunem Zucker. Ihre Kreation Strawberry Shortcake à la Hannah Swensen konnte den Nachrichtensprechern serviert werden.

Der Inspizient, ein kleiner gedrungener Mann voller Energie, gab ihr das Zeichen, sich bereitzuhalten. Der Wetterbericht war zu Ende, und Chuck Wilson, der gut aussehende Moderator, riet den Zuschauern, sitzen zu bleiben und sich den Hartland-Flour-Backwettbewerb anzusehen, der gleich nach den Auslandsnachrichten übertragen werden sollte.

Hannah bekam Herzklopfen, sowie sie das Tablett in die Hand nahm. Sie hatte das alles geprobt, aber es war ein großer Unterschied, ob man ein leeres oder ein mit Kuchen, Tellern und Gabeln beladenes Tablett über die Bühne trug. Aufmerksam stieg sie über die dicken Kabel, die mit einem Klebeband namens Gaffertape auf dem Boden befestigt waren. Dabei setzte sie ein strahlendes Lächeln auf und ging zu dem langen gebogenen Pult, an dem die vier Nachrichtensprecher saßen. Genauso strahlend – Mason hatte ihr eingeschärft, das Lächeln unter allen Umständen beizubehalten – servierte sie jedem einen Teller mit ihrem Dessert.

Hannah blieb bei ihnen stehen, während die vier »Ah« und »Oh« riefen und eine Gabel voll kosteten. Chuck Wilson merkte an, wie teuer Erdbeeren um diese Jahreszeit waren. Wo Hannah sie denn herbekommen habe, wollte er wissen. Sie erklärte lächelnd, dass ihre Angestellte Lisa Herman sie im eigenen Gewächshaus gezogen habe. Dee-Dee Hughes, die Co-Moderatorin, fragte, wie viele Kalorien in solch einem Stück Kuchen steckten. Hannah antwortete, sie wisse es nicht und halte es auch nicht für wichtig, weil Leute auf Diät gewöhnlich das Dessert ausließen. Wingo Jones, der Sportkommentator, empfahl den Profisportlern, den Strawberry Shortcake à la Hannah Swensen vor dem Spiel zu essen, um sich schnell verwertbare Kohlenhydrate zuzuführen.

Inzwischen wurde Hannahs Lächeln immer dünner, aber ihr fiel noch ein zu sagen, dass sie das für eine gute Idee hielt. Der Einzige im Sprecherteam, der keine fade Bemerkung von sich gab, war Rayne Phillips, der Wettermann, der sich den Kuchen in den Mund schaufelte und bis zum letzten Krümel verputzte.

Sobald die Nachrichten zu Ende waren, ging Hannah zu ihrer Showküche, um ihre Sachen zusammenzupacken. Sie öffnete den Ofen und fand ihn so leer wie Schmalhans’ Küchenschrank. Edna Ferguson hatte sich den ungebackenen Kuchen schon geholt, um ihn in der Schulküche abzubacken.

Anstatt mehrere halb volle Schüsseln zu jonglieren, beschloss Hannah, das Dessert zusammenzufügen und so nach Hause zu bringen. Sie kippte die restlichen Erdbeeren über den Kuchen und die Sahne obendrauf, ebenso die ganzen Früchte, die sie zum Garnieren beiseitegestellt hatte, und schließlich den Rest des braunen Zuckers, setzte die Haube auf den Tortenbutler, packte ihre benutzten Schüsseln und Utensilien in die mitgebrachten Pappkartons und trug sie von der Bühne.

»Du warst großartig, Hannah.« Andrea empfing sie hinter den Kulissen und half ihr, die Sachen nach hinten zu den Stahlregalen zu tragen.

Hannah bedankte sich für das Kompliment und sah sich suchend nach ihrer Nichte um. Nachdem Mr Hart erfahren hatte, dass einer der Juroren ausfiel, hatte er Tracey gebeten, mit ihm das neue fünfte Jurymitglied auszulosen. »Wo ist Tracey?«

»Sie ist noch in der Maske. Bill bringt sie her, sobald sie fertig ist.«

»Sie ist nicht nervös, oder?«

Andrea schüttelte den Kopf. »Für sie ist das ein Spaß. Du nimmst die Sendung doch auf, ja? Bill hat unseren Videorekorder programmiert, bevor wir das Haus verlassen haben, aber ich möchte auf jemanden zurückgreifen können, falls etwas schiefgeht.«

»Du bist sogar doppelt abgesichert. Mutter nimmt die Sendung auch auf.«

»Mutter?« Andrea zog die Brauen hoch. »Sie kann ihr Gerät noch immer nicht programmieren. Als unser Kabelempfang gestört war, habe ich sie gebeten, einen Film für mich aufzunehmen, und bekam zwei Stunden Fitness mit Richard Simmons.«

Hannah klopfte ihr mitfühlend auf die Schulter. »Keine Sorge, Andrea. Lisa nimmt ebenfalls auf, vermutlich auch die meisten meiner Kunden. Tatsächlich bist du zehnfach abgesichert. Das kann ich dir garantieren.«

»Hoffentlich. Das ist Traceys erster Fernsehauftritt, und wer weiß, vielleicht sieht sich ein großer Produzent die Sendung an. So werden Kinderstars entdeckt.«

Hannah rang sich ein Lächeln ab, das gleiche wie gegenüber den drei Studiosprechern, als sie sich ihre idiotischen Bemerkungen über den Strawberry Shortcake hatte anhören müssen. Nein, sie würde ihrer Schwester nicht entgegenhalten, dass sich ein berühmter Produzent wohl kaum einen Backwettbewerb auf einem kleinen Lokalsender anschaute.

»Ich sehe mal besser nach, wo sie bleibt.« Andrea wandte sich zur Tür und drehte sich noch mal um. »Du solltest etwas mit deinen Haaren machen, bevor die Sendung anfängt. Sie sind in der Scheinwerferhitze kraus geworden.«

Hannah fühlte sich plump und unsicher, als die Kamera zu den Juroren hinüberschwenkte. Zumindest brauchte sie nicht zu befürchten, dass sie entdeckt werden könnte. Kein bedeutender Produzent würde bei einer zu großen, nicht übermäßig schlanken Frau von Ende zwanzig mit mehlbestäubtem Gesicht zwei Mal hinsehen. Aber ihre Nichte schaute hübsch aus, und Hannah war stolz auf sie.

Traceys blonde Haare sahen im Scheinwerferlicht aus wie gesponnenes Gold, und sie wirkte selbstsicher, als sie in die große Glasschüssel griff und eins der Lose mit den Namen der Lake Edener Stadträte herausnahm.

»Danke, Tracey.« Mr Hart strahlte sie an, als sie ihm den Zettel übergab. »Du hast nicht den Namen deines Daddys gezogen, nicht wahr?«

Tracey schüttelte den Kopf. »Er ist kein Stadtrat, Mr Hart. Mein Daddy ist Detective im Polizeirevier Winnetka County.« Andrea hatte ihr offenbar erklärt, dass der Ersatz für Mr Rutlege unter den Stadträten ermittelt werden sollte.

»Weißt du, was ein Detective tut, Tracey?«, fragte Mr Hart.

»Ja. Er klärt Verbrechen auf. Wenn jemand ermordet wurde, sammelt mein Daddy alle Beweise. Dann fängt er den Mörder und sperrt ihn in einer Zelle ein. Und dann kommt er vor Gericht.«

Mr Hart war sichtlich erschrocken, brachte aber ein Lächeln zustande. »Das war eine sehr gute Antwort, Tracey. Ich würde dich bitten, uns den Namen des neuen Jurymitglieds vorzulesen, doch du gehst noch nicht zur Schule, nicht wahr?«

»Nein, in die Vorschule. Aber ich kann schon ein kleines bisschen lesen. Wenn Sie mir den Zettel geben, kann ich vielleicht sagen, was darauf steht.«

Die Kamera zoomte auf Mr Harts überraschte Miene. Er gab Tracey den Zettel, die ihn auseinanderfaltete. Zunächst las sie den Namen mehrmals lautlos für sich, dann blickte sie zu Mr Hart hoch und verkündete: »Der neue Preisrichter ist … Mr Boyd Watson.«

In der Aula gingen die Lichter an, und die Zuschauer applaudierten, während Boyd Watson, der erfolgreichste Trainer der Jordan High, von seinem Platz aufstand. Seine Schwester Maryann saß neben ihm, wie Hannah sah, aber Danielle, seine Frau, war nicht bei ihm.

Hoffentlich gibt es dafür einen harmlosen Grund, dachte Hannah, denn vor einigen Monaten hatte sie entdeckt, dass Coach Watson seine Frau schlug. Danielle war nicht bereit gewesen, ihn anzuzeigen, doch Hannah hatte Bill darüber informiert, und er hatte versprochen, Boyd im Auge zu behalten und notfalls einzuschreiten.

Nachdem Boyd auf dem freien Stuhl neben Hannah Platz genommen hatte, stellte Mr Hart die Kandidaten dieses Abends vor und schickte sie in die Küchen, damit sie ihren Desserts den letzten Schliff geben konnten. Während die Kandidaten schnitten, verzierten und auf Tellern arrangierten, erklärte er, wie der Wettbewerb ablaufen würde.

Zwölf Teilnehmer, die bei lokalen und regionalen Wettbewerben gewonnen hatten, traten an drei Abenden hintereinander im Halbfinale an. Die ersten vier Kandidaten hatten schon am Nachmittag gebacken und würden gleich ihre Desserts den Juroren vorsetzen. Während die Jury kostete und kritisierte, würde den Zuschauern zu Hause und im Saal ein Film über die Kandidaten und ihre Familien gezeigt werden. Anschließend würden die Punkte vergeben werden, und jeder Preisrichter würde seine Wertung begründen. Der Sieger würde ermittelt werden, und der glückliche Kandidat würde am Samstag an der Endausscheidung teilnehmen.

Hannah wartete, bis die Kandidaten ihre Desserts präsentiert hatten und der Kandidatenfilm auf dem Bildschirm lief, und neigte sich zu Boyd. »Wo ist Danielle?«

»Zu Hause.« Er schob sich eine Gabel von dem Kirschkuchen in den Mund und kaute. Boyd sah nicht zufrieden aus, als er schluckte. »Genau wie der meiner Mutter: so süß, dass einem die Zähne wehtun.«

Hannah probierte ihr Stück und fand, dass er recht hatte. »Wollte sie nicht mitgehen?«

»Meine Mutter?«

»Nein, Danielle.« Hannah notierte ihre Punktzahl und wandte sich dem zweiten Dessert zu, einer Scheibe Nussstrudel.

»Danielle ist krank.«

»Etwas Ernstes?« Hannah achtete darauf, ob er schuldbewusst wirkte, doch er schaute völlig ungerührt.

»Nur eine Erkältung. Sie nimmt einen Haufen rezeptfreies Zeug dagegen.« Boyd kostete das Nussgebäck und verzog das Gesicht. »Meine Mutter hat den auch oft gebacken. Ich kann es nicht leiden, wenn Zimt derart vorschmeckt.«

Hannah kostete von ihrem Stück und musste ihm auch diesmal recht geben. Vor lauter Zimt und Muskat schmeckte man die Nüsse nicht. Sie schrieb ihre Punktzahl auf und nahm das dritte Dessert in Angriff, ein Stück Orangenkuchen. »War sie beim Arzt?«

»Sie meint, das ist nicht nötig. Danielle hasst Arztbesuche.«

Hannah enthielt sich einer Bemerkung und kostete stattdessen den Kuchen. Sie konnte verstehen, warum Danielle auf ärztliche Behandlung verzichtete. Ärzte stellten Fragen und waren verpflichtet, Anzeichen für Gewalt zu melden.

»Der schmeckt zu bitter.« Boyd schob den Teller weg und zog das vierte Dessert zu sich heran.

Hannah kaute ihren Bissen und seufzte. Auch diesmal musste sie sich Boyds Urteil anschließen. Der Kandidat hatte offenbar von der Orangenschale zu viel Weiß hineingerieben.

»Nicht übel«, bemerkte Boyd, als er das vierte Dessert gekostet hatte, eine Zitronen-Tarte. »Das ist das beste. Bei der Konkurrenz natürlich keine Kunst.«

Hannah begutachtete die Zitronen-Tarte. Die Kruste war zart und blättrig von der Butter und die Füllung aromatisch und süß. Definitiv der Sieger. Boyd hatte bei allen vier Beiträgen recht gehabt, und sie teilte seine Kritik in allen Punkten. Trotzdem konnte sie ihn nicht leiden. Er war arrogant und schonungslos, wenn auch ein Feinschmecker.

Das rote Licht an der Kamera, die auf die Jury gerichtet war, leuchtete wieder auf, und die Juroren hatten das Wort. Als Vorsitzende würde Hannah zuletzt nach ihrer Meinung gefragt werden, und bis dahin hörte sie den Kollegen interessiert zu. Die äußerten sich bei allem, was sie bemängelten, sehr taktvoll, und schon die ersten drei fanden die Zitronen-Tarte am besten.

Nun kam Boyd an die Reihe. Hannah zuckte innerlich zusammen, als er kurzerhand seine Bemerkungen von eben wiederholte. »Der Coach sagt, was er denkt«, hörte man eines seiner Teammitglieder sagen, aber Hannah fand, Boyd hätte seine Kritik mit ein wenig Lob versüßen können.

Hannah selbst war auch kein besonders taktvoller Mensch, und deshalb überlegte sie sich jedes Wort, als sie ihr Urteil abgab. Sie lobte die Kandidaten für ihre Mühe und erinnerte das Publikum, dass alle vier bereits lokale Wettbewerbe gewonnen hatten. Über jedes Dessert sagte sie etwas Nettes, aber der Schaden war angerichtet, und sie sah die gekränkten Mienen. Nachdem der Sieger das blaue Band erhalten hatte, endete die Sendung, und Hannah ging mit Boyd zusammen hinter die Kulissen.

»Sie hätten ein bisschen netter sein können«, bemerkte sie, sowie sie die Bühne verlassen hatten. »Man muss die Kandidaten nicht unnötig kränken.«

Boyd starrte sie verwirrt an. Er hatte sichtlich keine Ahnung, worüber Hannah sich aufregte. »Bei solch einem Wettbewerb hat gekränkte Eitelkeit nichts zu suchen. Entweder hat man den Sieg verdient oder nicht. Es hat keinen Sinn, etwas zu beschönigen.«

Hannah war sprachlos, was bei ihr selten vorkam. Sie nahm sich vor, Boyd bis zum nächsten Abend eine andere Haltung abzuringen, wusste nur noch nicht, wie sie das anstellen sollte. Sie würde zu Hause darüber nachdenken und ihn am nächsten Vormittag anrufen. Fürs Erste war es am besten, Frieden zu halten.

»Ich habe gesehen, wie Sie den Strawberry Shortcake gemacht haben.« Boyd wechselte das Thema. »Zu schade, dass Sie nicht am Wettbewerb teilgenommen haben. Ich wette, Sie hätten mit links gewonnen.«

Das brachte Hannah auf eine Idee. Da Danielle krank war, würde sie sich vielleicht freuen, wenn sie nicht zu kochen brauchte. »Von dem Kuchen ist noch etwas übrig. Würden Sie den gern nach Hause mitnehmen?«

Boyd sah sie überrascht an. »Sicher. Teekuchen mit Erdbeeren essen wir am liebsten.«

»Gut. Sie haben einen feinen Gaumen und können mir sagen, wie Sie ihn finden.« Hannah ging zu dem Regal, in dem ihr Tortenbutler stand, und drückte ihn Boyd in die Hand. »Ich erweitere das Angebot im Cookie Jar demnächst um einige Süßspeisen.«

Boyd freute sich sichtlich, als er die Erdbeeren durch die Plastikhaube leuchten sah. »Ich sorge dafür, dass Danielle die meisten Erdbeeren bekommt. Frische Früchte helfen bei Erkältung. Danke, Hannah.«

Nachdem er gegangen war, schüttelte sie den Kopf. Boyd liebte Danielle, daran bestand in ihren Augen kein Zweifel, trotzdem schlug er sie. Und Danielle liebte Boyd, obwohl er sie immer wieder verletzte und kränkte. Hannah würde diesen Widerspruch wohl nie verstehen und war sich auch nicht sicher, ob sie ihn verstehen wollte. Sie hoffte nur, die Ehe würde nicht mit einer Katastrophe enden, wie man es ja häufig in der Zeitung las.

»Ich bin wieder da, Moishe.« Hannah bückte sich, um ihren Kater zu streicheln, der sich an ihre Knöchel warf, sowie sie die Wohnungstür öffnete. Er war immer froh, wenn sie nach Hause kam, besonders, wenn sie den Abend über weg gewesen war. Sie nahm gern an, dass er sie vermisste, aber das tat er vielleicht nur, weil er sich den Futternapf nicht selbst füllen konnte. Sie kraulte ihn unterm Kinn. »Lass mich nur eben etwas Bequemes anziehen, dann bekommst du dein Betthupferl.«

Sie hängte das hübsche mokkabraune Kleid aus Claire Rodgers Boutique auf einen Bügel, schlüpfte in ihre älteste Trainingshose und ein weites Oberteil und ging in die Küche, die für sie der Mittelpunkt eines Zuhauses war. Sie füllte für Moishe eine Kristallschale mit Vanillejoghurt, goss sich aus der Flasche in ihrem Kühlschrank ein Glas Weißwein ein und machte es sich auf der Couch bequem, um sich die aufgenommene Sendung anzusehen.

Die Lokalnachrichten, die sie bereits kannte, brachten wenig Interessantes. Sich selbst im Hintergrund agieren zu sehen war dagegen ein Schock. Dabei sah sie gar nicht mal schlecht aus. Die weiße Latzschürze mit dem roten Schriftzug ihres Geschäfts machte sich vor der Kamera gut. Stan Kramer wäre zufrieden, denn er hatte die Kosten für ihre Schürzen als Werbeausgabe abgezogen.

Hannah begutachtete ihren Auftritt und fand nichts daran auszusetzen. Sie arbeitete effizient, kleckerte nicht mit den Zutaten herum und handhabte Mixer und Kuchenspatel wie ein Profi. Und tatsächlich war sie ein Profi, worüber sie immer wieder freudig verblüfft war.

Moishe zeigte kein Interesse an dem Programm, bis er Hannahs Stimme hörte, als sie auf Chuck Wilsons Frage antwortete. Mit angelegten Ohren hob er den Kopf von seinem leer gefressenen Schälchen und starrte auf den Bildschirm.

Hannah streckte die Hand nach ihm aus, um ihn beruhigend zu streicheln, doch er wich aus. Kurz blickte er sie an, seine Schwanzspitze zuckte, und dann fauchte er tief im Rachen.

»Das ist nur eine Fernsehsendung, Moishe.« Hannah griff zur Fernbedienung und schaltete auf Pause, sodass Dee-Dee Hughes’ perfektes Gesicht erstarrte und sie mit offenem Mund in die Kamera guckte. Sowie der Ton verstummte, sprang Moishe auf den Fernseher, wo er einen Buckel machte und den Schwanz auf den dreifachen Durchmesser sträubte. Er war ganz offensichtlich aufgeregt. Nach kurzer Überlegung kam sie auf einen möglichen Grund.

»Komm herunter, Moishe.« Hannah klopfte neben sich auf das Polster. »Ich bin nicht in dem Gerät, sondern hier auf der Couch.«

Aber Moishe ließ sich nicht gut zureden, und Hannah setzte die Wiedergabe fort, um zu sehen, ob sie richtig vermutete. Sowie ihre Stimme aus den Lautsprechern kam, miaute Moishe kläglich und drehte den Kopf zwischen ihr und dem Fernseher hin und her. Sie dichtete ihm also keine menschlichen Eigenheiten an. Er reagierte tatsächlich auf etwas, das er als Verstoß gegen die physikalischen Gegebenheiten empfand.