Das Geheimnis um die kleine Mary - Patricia Vandenberg - E-Book

Das Geheimnis um die kleine Mary E-Book

Patricia Vandenberg

0,0
3,49 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Dominik von Wellentin-Schoenecker blieb außer Atem auf der Anhöhe stehen und sah sich mit leuchtenden Augen um. Der Blick von hier aus war unbeschreiblich schön. Das Auf und Ab der Hügel und Täler, aufgeteilt in grünes Weideland, mit Blumen übersäte Wiesen, erntereife Felder, Viehkoppeln und Gehöfte begeisterte den Jungen immer wieder. Ein glückliches Lächeln erhellte sein hübsches Gesicht, als er Sophienlust erblickte, das wie ein Juwel inmitten dieser malerischen Landschaft lag. »Du bist aber schnell gelaufen!«, rief Pünktchen von Weitem. Hinter ihr kamen auch Isabel und Malu herbeigelaufen. »Findest du?«, fragte der Junge vergnügt. »Ihr habt gebummelt, darum glaubst du das.« »Ach wo! Aber wir wollen uns lieber nicht wieder streiten«, lenkte das kleine Mädchen friedfertig ein und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem mit Sommersprossen übersäten Gesicht. »Wo ist das Dach von der Villa?« Aufgeregt blickte sie nach allen Seiten. »Ja, Nick, ich sehe es auch nicht«, mischte sich Isabel ein. »Aber ich!« Malu deutete in die bewusste Richtung. »Dort zwischen den Zweigen.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 151

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Sophienlust – 499 –

Das Geheimnis um die kleine Mary

Patricia Vandenberg

Dominik von Wellentin-Schoenecker blieb außer Atem auf der Anhöhe stehen und sah sich mit leuchtenden Augen um. Der Blick von hier aus war unbeschreiblich schön. Das Auf und Ab der Hügel und Täler, aufgeteilt in grünes Weideland, mit Blumen übersäte Wiesen, erntereife Felder, Viehkoppeln und Gehöfte begeisterte den Jungen immer wieder. Ein glückliches Lächeln erhellte sein hübsches Gesicht, als er Sophienlust erblickte, das wie ein Juwel inmitten dieser malerischen Landschaft lag.

»Du bist aber schnell gelaufen!«, rief Pünktchen von Weitem. Hinter ihr kamen auch Isabel und Malu herbeigelaufen.

»Findest du?«, fragte der Junge vergnügt. »Ihr habt gebummelt, darum glaubst du das.«

»Ach wo! Aber wir wollen uns lieber nicht wieder streiten«, lenkte das kleine Mädchen friedfertig ein und strich sich eine blonde Haarsträhne aus dem mit Sommersprossen übersäten Gesicht. »Wo ist das Dach von der Villa?« Aufgeregt blickte sie nach allen Seiten.

»Ja, Nick, ich sehe es auch nicht«, mischte sich Isabel ein.

»Aber ich!« Malu deutete in die bewusste Richtung. »Dort zwischen den Zweigen. Nicht wahr, ich habe doch recht?«

»Ja, Malu, dort ist das Dach. Pünktchen, du schaust ja ganz woanders hin«, tadelte Dominik. »Siehst du dort den V-förmigen Ast? Gleich rechts daneben …«

»O ja! Jetzt sehe ich es auch«, freute sich Pünktchen.

»Und ich auch!«, rief Isabel. »Sag, Nick, stimmt es denn, dass die Villa früher einem Aristokraten gehört hat?«

»Ja, Isabel. Nach seinem Tod stand sie kurze Zeit leer. Dann hat die geheimnisvolle Amerikanerin sie erworben.«

»Geheimnisvoll ist die passende Bezeichnung für Mrs Whiteney. Geheimnisvoll und spleenig«, bemerkte Malu. »Der Vater von Hanna Liebermann ist doch Grundstücksmakler und hat der Amerikanerin diese Villa vermittelt. Sie sei so seltsam gewesen, hat Herr Liebermann erzählt. Warte mal. Ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Sie heißt Grace Whiteney und ihr Töchterchen Mary.«

»Sehr komisch ist, dass Mrs Whiteney, wie man sich im Dorf erzählt, das Grundstück noch niemals verlassen hat«, meinte Isabel. »Sie ist doch schon ein Vierteljahr hier.«

»Ja, das ist tatsächlich komisch«, stimmte Pünktchen ihr bei. »Wie alt mag ihre Tochter wohl sein?«

»Hanna glaubt, dass sie etwa drei Jahre alt ist. Aber eigentlich müsste das Maria Krombach genau wissen«, überlegte Malu. »Sie ist immerhin die Einzige, die in der Villa aus und ein geht und mit Mrs Whiteney Kontakt hat.«

»Aber die alte Maria erzählt nichts. Sie war noch nie sehr gesprächig. Vermutlich hat Mrs Whiteney sie deshalb als Zugehfrau genommen. Sie macht ja auch alle Besorgungen für sie. Sicherlich zahlt die Amerikanerin sehr gut. Sie soll ja eine Multimillionärin sein.« Nick setzte sich auf einen Felsbrocken und stützte den Kopf in die Hände, um nachzudenken. Seit Wochen bemühte er sich nun schon vergeblich, hinter das Geheimnis von Mrs Whiteney zu kommen. Über die Bewohner der Villa wurde viel geredet. Die Amerikanerin hatte das alte Haus, das inmitten eines verwilderten Gartens stand und von einer hohen Mauer umgeben war, vor drei Monaten gekauft. Es lag versteckt zwischen Baumriesen, sodass man selbst durch das hohe schmiedeeiserne Tor nichts von dem Haus sehen konnte.

»Du, Nick, ich habe heute Maria Krombach zu der Huber-Mutter gehen sehen«, unterbrach Pünktchen die tiefsinnigen Gedanken des Jungen.

»Sie besucht die Huber-Mutter doch oft«, sagte Malu und ließ sich ebenfalls auf einem Felsbrocken nieder. Zärtlich kraulte sie ihren Wolfsspitz hinter den Ohren, der sie immer begleitete. »Neulich hat jemand behauptet, Maria Krombach sei eine Verwandte von ihr.«

»Das kann schon sein, Malu«, gab Nick zu. »Im Dorf sind ja fast alle irgendwie verwandt. Glaubst du, dass die Huber-Mutter mehr von der alten Maria über Mrs Whiteney und ihre Tochter erfahren hat? Als ich sie vorgestern danach fragte, hat sie so getan, als wisse sie nichts.«

»Die Huber-Mutter weiß bestimmt etwas.« Pünktchen hockte sich nieder, um einen Käfer einzufangen. »Aber sie will nichts erzählen.«

»Weil die Amerikanerin der alten Maria Krombach ganz bestimmt Schweigegeld bezahlt.«

»Dabei müsste sie doch wissen, dass Maria Krombach sich als Zugehfrau ihr Brot verdient und dadurch auch noch in andere Häuser kommt«, bemerkte Isabel.

»Na und?«, fragte Nick. »Deshalb braucht Maria Krombach doch nicht zu klatschen. Außerdem spricht sie ja sowieso nur das Nötigste.« Er stand auf und rief: »Kommt, wir laufen mal zu dem Haus hin! Von dieser Seite aus haben wir vielleicht einen Einblick in den Garten. Eine so alte Mauer müsste doch irgendwo brüchig sein.«

Mit diesem Vorschlag waren die drei Mädchen sofort einverstanden. Die Kinder liefen einen schmalen Weg zwischen Birken und Buchen entlang. Der Pfad führte bergab und dann an der hohen Mauer entlang.

»Nick, ich glaube, es ist hoffnungslos«, meinte Malu. »Benny, hör zu bellen auf!«, rief sie ihrem Hund zu, der plötzlich an der Leine zerrte. »Was hast du denn?«

»Da, ein Wiesel!«, sagte Pünktchen. »Schaut doch, es verschwindet in der Mauer.«

»Das war doch kein Wiesel, Pünktchen«, belehrte Nick sie, »sondern ein Marder. Ein Wiesel ist doch viel kleiner.«

»Egal, was es auch war, jedenfalls ist es in der Mauer verschwunden.«

Malu ließ sich von ihrem Hund bis zu der bewussten Stelle ziehen und rief dann: »Hier ist ein Loch in der Mauer!« Schon hockte sie sich hin. »Man kann von hier aus in den Garten hineinblicken. Ja, und auch ein Stückchen von der Villa ist zu sehen.«

»Lass mich mal schauen«, bat Nick aufgeregt.

Malu gab sofort den Platz frei.

»Siehst du was, Nick?«, fragte Pünktchen gespannt.

»Noch nicht, aber …« Er legte plötzlich den Zeigefinger an die Lippen. »Pst«, flüsterte er dann, »ich sehe sie!«

»Wen siehst du?« Vor Aufregung trat Pünktchen von einem Bein auf das andere.

»Die Amerikanerin und das Kind. Es ist ein kleines Mädchen, ungefähr drei Jahre alt.«

»Lass mich mal schauen«, bettelte Pünktchen außer sich vor Neugierde.

Nick machte ihr bereitwillig Platz.

»Das Mädchen hat dunkles Haar und träg ein hellblaues Kleidchen.«

»Und wie sieht Mrs Whiteney aus?«, fragte Isabel.

»Sie ist groß und sehr mager. Sie trägt einen weißen Hosenanzug, und …«

»Lass mich wieder hin!« Nick schob Pünktchen einfach beiseite.

»Aber ich habe sie noch nicht gesehen«, erregte sich Isabel.

»Ja, Isabel, daran habe ich nicht gedacht.« Nick ließ nun auch Isabel durch das Loch schauen.

»Die Amerikanerin sieht sehr alt aus«, stellte Isabel fest.

»Ja, oder krank«, meinte Malu.

»Aber sie muss ihr Töchterchen sehr lieb haben«, erklärte Isabel. »Sie nimmt es jetzt auf den Arm und küsst es. Jedenfalls scheint sie eine liebe Mutti zu sein. Und das ist doch die Hauptsache«, fügte sie hinzu. »Komm, Nick, wenn du willst, kannst du wieder schauen.«

Die Kinder wechselten sich noch eine Zeit lang vor dem Loch in der Mauer ab, dann verschwand die Amerikanerin mit ihrer Tochter aus ihrem Blickfeld.

»Immerhin haben wir Mrs Whiteney und die Kleine endlich gesehen. Seit über zwei Monaten habe ich das vergeblich versucht. Ich war auch schon einmal auf dieser Seite, aber ich habe damals das Loch in der Mauer nicht gefunden«, ärgerte sich Nick.

»Heute hätten wir es auch nicht entdeckt, wenn Benny nicht den Marder gesehen hätte«, antwortete Malu voller Stolz.

»Ein Glück, dass heute Samstag ist, so kann ich über Nacht in Sophienlust bleiben. Denn ich möchte nach dem Abendbrot noch mit der Huber-Mutter sprechen. Vielleicht erzählt sie mir etwas. Dass sie mehr über Mrs Whiteney und deren Tochter weiß, steht für mich fest.«

»Dürfen wir mit zu ihr gehen?«, fragte Pünktchen, die selig war, dass Nick in Sophienlust übernachten wollte.

»Natürlich. Auch Malu und Isabel müssen mitkommen. Schließlich haben wir vier doch die Amerikanerin und das Kind gesehen.«

Auf dem schnellsten Weg kehrten die Kinder nach Sophienlust zurück. Sie erreichten es im gleichen Augenblick, als der Gong zum Abendessen rief.

*

Draußen waren die Vögel verstummt und das Tageslicht matt geworden. Die Huber-Mutter saß in ihrem Ohrensessel am offenen Fenster ihrer Kammer in Sophienlust und lauschte traumverloren auf die ihr bereits so vertraut gewordenen abendlichen Geräusche des Gutes. Dass sie ihren Lebensabend sorglos und behütet in dem schönen geräumigen Herrenhaus verbringen durfte, war für sie ein Geschenk des Himmels.

Jeden Abend schloss sie die liebe gnädige Frau, der sie so vieles zu verdanken hatte, in ihr Gebet ein.

Seit die Huber-Mutter wieder in Sophienlust wohnte, war ihr Zimmer ein Anziehungspunkt für die Kinder geworden. Wenn es draußen regnete und stürmte, saßen sie sehr oft bei ihr. Dann erzählte sie ihnen Geschichten und fand stets dankbare Zuhörer.

Ganz besonders hatte die alte Frau Dominik in ihr Herz geschlossen. Sie interessierte sich für alles, was mit ihm zusammenhing. Seine Besuche erfreuten sie sehr. Seinetwegen ließ sie ihrer Fantasie oft die Zügel schießen und erfand die schönsten und spannendsten Geschichten, in denen Fantasie und Wirklichkeit ineinander verschmolzen.

Jetzt blickte die alte Frau sinnend hinaus in den Park und wartete geduldig, denn sie spürte genau, dass Dominik noch heute Abend zu ihr kommen würde. Als sich dann seine schnellen Schritte näherten, hob ein glücklicher Atemzug ihre Brust.

Nick betrat zuerst das Zimmer, in dem es so anheimelnd nach Kräutern duftete, doch die drei Mädchen folgten ihm auf dem Fuß.

»Guten Abend, Huber-Mutter«, begrüßten sie die alte Frau freundlich.

»Darf Benny auch mit herein?«, fragte Malu.

»Aber ja, mein Mädchen. Benny weiß genau, dass ich immer einen Keks für ihn habe.« Die Huber-Mutter griff in die Keksdose auf dem Tisch und warf dem Hund einen Keks zu. Der junge Hund, Benny II., fing ihn geschickt auf und setzte sich dann neben den Ohrensessel. Erwartungsvoll blickte er die Huber-Mutter an.

»Benny, nicht betteln!«, schalt ihn Malu sanft. »Komm her!«

»Lass nur, Malu, er bekommt noch einen. Wollt ihr auch welche haben?«, wandte sie sich an die Kinder, die aber höflich ablehnten.

»Nick, ich sehe es dir an der Nasenspitze an, dass du etwas auf dem Herzen hast«, sagte die Greisin.

»Ja, Huber-Mutter, Pünktchen hat mir verraten, dass Maria Krombach heute bei dir war. Und wir haben vorhin die Amerikanerin und ihre Tochter gesehen. Vielleicht weißt du jetzt mehr über die beiden?«

»Warum setzt ihr euch denn nicht? Ihr Mädchen könnt auf dem Sofa Platz nehmen. Nick, du holst dir den Schemel aus der Ecke.«

Das ließen sich die Kinder nicht zweimal sagen.

»Viel kann ich euch nicht sagen«, antwortete die Huber-Mutter nun. »Maria hat mir heute erzählt, dass Mrs Whiteney ihr jede Woche sehr viel Geld gibt. Dafür hat sie ihr versprechen müssen, niemandem im Dort etwas über ihre privaten Verhältnisse zu verraten. Natürlich hält Maria ihr Wort.«

»Schade!«, seufzte Nick. »Aber irgendein Geheimnis hat Mrs Whiteney doch. Das lasse ich mir nicht nehmen. Huber-Mutter, du siehst doch mehr als die meisten Menschen. Vielleicht weißt du etwas?«

»Nick …, an manchen Tagen kann ich mehr sehen als ihr. Nur manchmal …«

Plötzlich verlor sich ihr Blick in der Ferne. Ihr Gesicht bekam einen entrückten Ausdruck, den Nick bereits kannte. Er blickte die drei Mädchen beschwörend an, die sofort verstanden und schwiegen. Aufgeregt warteten die vier Kinder, was die alte Frau nun sagen würde.

»Ich weiß, dass das kleine Mädchen eines Tages nach Sophienlust kommt«, erklärte die Huber-Mutter in die spannungsgeladene Stille hinein.

»Aber aus welchem Grund?«, fragte Nick aufgeregt. Er schenkte den Worten der alten Frau Glauben, weil bisher alle ihre Prophezeiungen in Erfüllung gegangen waren. Warum sollte es diesmal anders sein?

»Das kann ich dir nicht sagen«, antwortete die Huber-Mutter.

Da klopfte es an die Tür. Es war Frau Rennert, die Nick gesucht hatte. »Nick, deine Mutti hat angerufen. Sie wollte wissen, ob du morgen zum Mittagessen nach Schoeneich kommst.«

»Ich möchte gern in Sophienlust essen«, erwiderte Nick. »Ich rufe Mutti noch an. Gute Nacht, Huber-Mutter!«

Aber die alte Frau schien nichts mehr zu sehen und zu hören. Bewegungslos saß sie in dem Sessel und blickte hinaus in die Nacht. Auf Zehenspitzen verließen die Kinder das Zimmer.

»Manchmal ist mir die Huber-Mutter richtig unheimlich«, meinte Pünktchen draußen.

»Vergiss nicht, dass sie schon sehr alt ist«, erwiderte Frau Rennert lächelnd.

»Im Dorf erzählt man sich, dass sie in Wirklichkeit sehr viel älter sei, als wir alle glauben«, gab Nick zu bedenken.

»Das glaube ich kaum, Nick. Ihr Geburtsdatum ist doch im Kirchenbuch vermerkt. Du kennst doch die Leute! Sie reden gern und viel. Nun aber marsch ins Bett«, rief Frau Rennert, die Heimleiterin.

*

Am nächsten Morgen liefen Nick, Malu, Isabel und Pünktchen wieder zu der bewussten Stelle, um nach der Amerikanerin und ihrem Töchterchen Ausschau zu halten. Aber diesmal ließen sich die beiden nicht blicken, und die Kinder kehrten enttäuscht nach Sophienlust zurück.

»Ich kann mir nicht vorstellen, dass die kleine Mary nach Sophienlust kommen wird«, überlegte Malu. »Weshalb sollte so eine reiche Amerikanerin sich freiwillig von ihrem Kind trennen?«

»Das kann ich dir auch nicht sagen, Malu, aber was die Huber-Mutter prophezeit, geht doch immer in Erfüllung.«

»Ja, Nick«, bestätigte Pünktchen.

»Es könnte doch aber sein, dass Mrs Whiteney erkrankt«, überlegte Isabel.

»Egal, was es auch ist, ihr werdet schon erleben, dass die Kleine zu uns kommt«, trumpfte Nick auf.

*

Wieder einmal sollte die Huber-Mutter Recht behalten.

Die großen Ferien hatten begonnen. Denise und Alexander von Schoenecker hatten Dominik eine große Freude bereiten wollen und ihm vorgeschlagen, mit Sascha und Andrea für einige Wochen nach Südfrankreich zu fahren. Dort lebten Freunde von ihnen, die die drei Kinder eingeladen hatten.

Sascha und Andrea waren Feuer und Flamme für diesen Plan, doch Nick lehnte ab. »Mutti, du musst mich verstehen«, sagte er erregt, weil er seine Mutter nicht kränken wollte, »aber ich kann jetzt nicht fort von hier. Weißt du, es ist … Ja, Pünktchen wäre zum Beispiel sehr traurig, wenn sie mich so viele Wochen nicht sehen würde.«

»Ist das allein der Grund?«, fragte Denise mit einem heimlichen Lächeln. »Ich glaube, dahinter steckt etwas ganz anderes. Oder irre ich mich, mein Sohn? Ich sehe es dir an, dass ich mitten ins Schwarze getroffen habe, Nick«, lachte sie. »Es ist die Villa mit ihren geheimnisvollen Bewohnern, die dich nicht fort lässt. Du willst durchaus erfahren, was mit Mutter und Kind los ist. Aber glaube mir, es steckt nichts dahinter. Die beiden sind ganz harmlose Menschen, die …«

»Nein, Mutti, das glaube ich nicht«, unterbrach er sie lebhaft. »Wäre nichts mit ihnen los, würden sie sich unter den Leuten sehen lassen. Und warum hat Frau Whiteney der Zugehfrau Maria Krombach Schweigegeld gegeben und gibt es ihr noch? Doch nur, weil sie etwas zu verbergen hat. Das lasse ich mir nicht nehmen. Bisher habe ich immer alle Geheimnisse gelüftet, Mutti. Ich werde auch hinter dieses kommen.«

»Ach, Nick, warum willst du es denn wissen? Die Amerikanerin geht dich doch nichts an. Sie lebt mit ihrer Tochter zurückgezogen von aller Welt. Sie will vermutlich in Ruhe gelassen werden.«

»Gut, Mutti, das sehe ich ein. Aber trotzdem …« Dominik atmete schwer. »Irgendetwas treibt mich, dem Geheimnis auf die Spur zu kommen.«

»Und wenn es kein Geheimnis gibt, Nick?«, fragte Denise kopfschüttelnd.

»Dann habe ich mich eben geirrt, Mutti. Aber die Huber-Mutter hat prophezeit, dass die kleine Mary zu uns nach Sophienlust kommen wird.«

»Dann allerdings muss es wohl stimmen«, spottete Denise gutmütig, ohne zu ahnen, dass Nicks Vermutungen wieder einmal richtig sein sollten.

Dominik fuhr also nicht mit seinen Geschwistern nach Südfrankreich, sondern blieb daheim. Oft übernachtete er in Sophienlust, um jede Stunde seiner Ferien mit den anderen Kindern auskosten zu können.

Ein Gewittersturm hatte über das Land getobt und einige Bäume entwurzelt. Ein Teil der Ernte war vernichtet, und Alexander von Schoenecker war dementsprechend bedrückt. Denise versuchte alles, um ihren Mann zu trösten.

Nick beobachtete seine Eltern beim Frühstück und fühlte sich recht überflüssig. »Ich fahre nach Sophienlust, Mutti«, sagte er. »Vermutlich werden sich die Kinder in der Nacht sehr geängstigt haben. Besonders Pünktchen, die sich ja entsetzlich vor solchen Unwettern fürchtet. Hoffentlich ist in Sophienlust nichts passiert!«

»Keine Sorge, Nick, ich habe, nachdem der Sturm nachgelassen hatte, sofort in Sophienlust angerufen. Nur die alte Silberpappel hinter dem Haus ist vom Sturm gefällt worden und hat einige Dachziegel mitgerissen. Justus war die halbe Nacht bei den Ponys im Stall, und Magda hat einen Weinkrampf bekommen. Aber sonst ist nichts geschehen. Zieh dich warm an, Nick. Es hat sich stark abgekühlt.«

»Ich ziehe den Anorak über. Also, dann auf Wiedersehen. Ich komme nicht zum Mittagessen.« Nick fuhr seinem kleinen Bruder Henrik liebevoll über die Locken, dann küsste er seine Eltern zum Abschied und verließ das Frühstückszimmer.

»Bitte, bestelle Frau Rennert, dass ich am späten Vormittag ebenfalls auf einen Sprung nach Sophienlust kommen werde!«, rief Denise ihrem Sohn noch nach.

»Mach ich, Mutti. Tschüss!« Übermütig sprang er die Stufen hinunter und lief dann zum Fahrradschuppen, um sein Rad zu holen.

Noch immer wehte ein kräftiger Wind, als er die Chaussee zwischen Schoeneich und Sophienlust entlangradelte.

*

Pünktchen lief immer wieder ans Fenster und schaute nach Dominik aus. Glücklicherweise hatte sie das Gewitter verschlafen und auch nichts von dem Orkan gehört.

Malu, Isabel, Angelika und deren Schwester Vicky saßen im Wintergarten und unterhielten sich. Habakuk turnte vergnügt in seinem Käfig umher und knabberte zwischendurch an dem Maiskolben, den Carola Rennert ihm gebracht hatte.

»Wisst ihr schon, dass die uralte Eiche am See von dem Orkan entwurzelt worden ist?«, fragte Malu.

»Das ist aber schade«, bedauerte Pünktchen und drehte sich um. »In dem Stamm war eine tolle Höhle. Man konnte sich so gut darin verstecken.«

»Aber der Baum war schon morsch. Immerhin soll die Eiche schon über fünfhundert Jahre alt gewesen sein«, sagte Isabel.

»Wenn doch Nick endlich käme!« Pünktchen wurde immer ungeduldiger.

»Er wird schon kommen«, lachte Angelika übermütig.

»Hoffentlich!« Pünktchen lief wieder zum Fenster. »Da kommt Maria Krombach! Sie scheint sehr aufgeregt zu sein. Ob etwas in der Villa geschehen ist? So aufgeregt habe ich die alte Maria noch nie gesehen!«

Die anderen Kinder standen neugierig auf und schauten nun ebenfalls zum Fenster hinaus.

»Ja, irgendetwas scheint mit ihr los zu sein«, überlegte nun auch Malu. »Ich glaube, sie will die Huber-Mutter besuchen«, fügte sie hinzu. »Eigentlich komisch, dass sie um diese Zeit nach Sophienlust kommt.«

»Das finde ich auch«, stimmte ihr Isabel bei.

»Wo nur Nick bleibt«, erregte sich Pünktchen. »Er würde sofort herausbekommen, was los ist. Ach, da kommt er ja!«, rief sie dann voller Freude und stürmte bereits aus dem Wintergarten. Die anderen folgten ihr, denn auch sie waren gespannt, was los war.

*